Reiseerlebnisse mit der Bahn

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TramBahnFreak
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von TramBahnFreak »

Entenfang hat geschrieben: 08 Jul 2022, 23:55 der in Gegenrichtung gar +50 wegen Unterstützung beim Ein- und Ausstieg. Was soll ich mir darunter vorstellen?
Mein Zug hatte letztens mit seinen +30 auch diesen Hinweis. Später habe ich vom Zub erfahren, dass sie wohl mit polizeilicher Unterstützung einen Maskenverweigerer zum Aussteigen überredet haben.
So kann man's dann auch nennen...
«Spaichingen. Ich finde das erschreckend, dass wir in Orten halten, von denen ich noch nie gehört habe.» Tja, dann musst du wohl deine Geografiekenntnisse verbessern, denke ich nur.
Das Haltemuster auf der Gäubahn ist aber auch absolut nicht FV-würdig...
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von 146225 »

TramBahnFreak hat geschrieben: 15 Aug 2022, 22:06 Das Haltemuster auf der Gäubahn ist aber auch absolut nicht FV-würdig...
Züge haben keine Würde, Züge müssen für ihre Nutzer funktionieren. Und auf der Gäubahn ist eben das spezielle Problem, dass man aufgrund der langen Eingleisigkeit nicht unendlich Züge drüber jagen kann, und somit der Platz für schnellen FV plus einen RE drunter eng ist. Wollte man dies wieder trennen, landet man in Tarifmauer-Deutschland wieder bei tariflich inkompatiblen Zweistunden-Takten, die niemand als Fahrgast hinter dem Ofen vor locken. Also ist die einzig richtige Lösung ein IC, der mit Nahverkehrsfahrscheinen genutzt werden darf, stündlich verkehrt und dafür eben den einen oder anderen Halt mehr hat.
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TramBahnFreak
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von TramBahnFreak »

146225 hat geschrieben: 16 Aug 2022, 05:26 Also ist die einzig richtige Lösung ein IC, der mit Nahverkehrsfahrscheinen genutzt werden darf, stündlich verkehrt und dafür eben den einen oder anderen Halt mehr hat.
… und damit eben eher ein RE oder maximal IR ist.
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rautatie
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von rautatie »

TramBahnFreak hat geschrieben: 16 Aug 2022, 12:16 … und damit eben eher ein RE oder maximal IR ist.
Ich weiß eh nicht, warum so ein Zug überhaupt IC heißen muss, wenn es eigentlich ein Regionalexpress ist? Wahrscheinlich hat das was damit zu tun, wer die Leistung bestellt und bezahlt?

Wäre es nicht sinnvoller, auf der Strecke abwechselnd einen RE und einen echten FV-Zug fahren zu lassen (letzteren mit weniger Halten und ohne Nahverkehrsticket-Freigabe)?
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Rohrbacher
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Rohrbacher »

rautatie hat geschrieben: 16 Aug 2022, 14:03 Wäre es nicht sinnvoller, auf der Strecke abwechselnd einen RE und einen echten FV-Zug fahren zu lassen (letzteren mit weniger Halten und ohne Nahverkehrsticket-Freigabe)?
Das wären ja genau die erwähnten, tariflich inkompatiblen Zweistunden-Takte, die niemanden hinter dem Ofen vorlocken. ;)

In der Schweiz heißt der Zug übrigens auch IC. (Sonst könnte er auch einfach D heißen wie der SyltShuttle Plus.) Immerhin. Es könnte auch anders laufen: Zwei Halte weniger und er würde in Deutschland zum ICE oder äh ... ECE und entsprechend eintarifiert. Aus Zürich kommend Zuggattungswechsel in Singen EC -> ECE, Nahverkehrsfahrkarten werden aber ab Singen anerkannt, nicht aber das 9-Euro-Ticket. Das wäre so herrlich reformbahn-deutsch. :lol:

Gut, es heißt auch der eine ohne Halt von Nürnberg Hbf nach Allersberg fahrende Zug RE1 und der andere S5. Tarif ist der gleiche, Besteller auch. Es wäre einfacher, wenn da immer einfach ein RE1 führe. Aber man muss das nicht immer verstehen. Immerhin sieht's so nach mehr Linien und damit nach mehr Angebot aus.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von 146225 »

rautatie hat geschrieben: 16 Aug 2022, 14:03 Ich weiß eh nicht, warum so ein Zug überhaupt IC heißen muss, wenn es eigentlich ein Regionalexpress ist? Wahrscheinlich hat das was damit zu tun, wer die Leistung bestellt und bezahlt?

Wäre es nicht sinnvoller, auf der Strecke abwechselnd einen RE und einen echten FV-Zug fahren zu lassen (letzteren mit weniger Halten und ohne Nahverkehrsticket-Freigabe)?
Es ist doch fürchterlich egal, ob der Zug IC, IR, (I)RE, Eilzug, Hans-Karl oder noch ganz anders heißt. Der Fisch muss den alltäglichen Fahrgästen vor Ort schmecken, nicht streckenfernen Gelegenheitsreisenden.

Abwechselnd IC (ohne NV-Tickets) und RE im Zweistundentakt war ein jahrzehntelang geübtes Muster auf der Gäubahn, auch in den '80ern, da war es halt noch nicht vertaktet und hieß Schnellzug und Eilzug, und letztere fuhren oft nur Teilstrecken und bei dünnerem Gesamtangebot. So ging es weiter und weiter, bis irgendwann die Erkenntnis reifte, dass auf dieser Verbindung für einen "reinen" FV-Zug das Potenzial an Kundschaft doch was dünn ist, auf der anderen Seite dieser Zug aber sehr vielen Menschen nützlich werden kann, wenn man endlich die überflüssigen tariflichen Brandmauern einreisst und einfach (wie in der Schweiz längst) alle Fahrkarten anerkennt.

Das ist der Grund: der meiste Nutzen für die Mehrheit der Fahrgäste. Möchte man 2022 nicht mehr glauben, aber es gab mal eine kurze Zeit in Baden-Württemberg, da war so was tatsächlich wichtig.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von rautatie »

146225 hat geschrieben: 16 Aug 2022, 19:01
Es ist doch fürchterlich egal, ob der Zug IC, IR, (I)RE, Eilzug, Hans-Karl oder noch ganz anders heißt. Der Fisch muss den alltäglichen Fahrgästen vor Ort schmecken, nicht streckenfernen Gelegenheitsreisenden.
Bisher dachte ich, dass es ein grundlegender Unterschied sei, ob ein Zug als IC/EC/ICE oder als RE, RB, IRE deklariert sei, weil es sich einmal um einen Fernverkehrszug, und einmal um einen Nahverkehrszug handeln würde, die ganz unterschiedlichen Bereichen der Bahn angehören. Du meinst, das ist nicht so, und man könnte die Züge auch Rheingold, Chantal oder XZ12a nennen, und es wäre völlig egal, wie die Züge genannt und deklariert sind?
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von 146225 »

rautatie hat geschrieben: 17 Aug 2022, 08:18

Bisher dachte ich, dass es ein grundlegender Unterschied sei, ob ein Zug als IC/EC/ICE oder als RE, RB, IRE deklariert sei, weil es sich einmal um einen Fernverkehrszug, und einmal um einen Nahverkehrszug handeln würde, die ganz unterschiedlichen Bereichen der Bahn angehören. Du meinst, das ist nicht so, und man könnte die Züge auch Rheingold, Chantal oder XZ12a nennen, und es wäre völlig egal, wie die Züge genannt und deklariert sind?
Hier stehen sich zwei Seiten gegenüber: die deutsche Ordnung und Tradition, die peinlich trennen will und Fahrgäste, die Eisenbahn einfach ohne unnötige Hindernisse nutzen können wollen. Ist doch schön, wenn die Fahrgäste zur Abwechslung mal eine Runde gewinnen. Welcher Bereich welches EVU dabei den Zug fährt, kann den Fahrgästen doch fürchterlich egal sein. Entscheidend sind zeitgemäße, pünktliche und zuverlässige Züge - ok, dann ist die DB eigentlich raus.

Warum macht die Vorstellung, einfach alle könnten jederzeit mit jeder beliebigen Fahrkarte jeglichen beliebigen Zug auf der gewünschten Strecke nutzen, dir und so vielen anderen Menschen in Deutschland eigentlich so sehr Angst?
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von rautatie »

146225 hat geschrieben: 17 Aug 2022, 12:25
Warum macht die Vorstellung, einfach alle könnten jederzeit mit jeder beliebigen Fahrkarte jeglichen beliebigen Zug auf der gewünschten Strecke nutzen, dir und so vielen anderen Menschen in Deutschland eigentlich so sehr Angst?
Wie kommst du auf die Idee, dass mir das Angst machen würde? In wiefern sollte mir das Angst machen? Diese Aussage kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Ich kann mich nicht erinnern, erwähnt zu haben, dass ich vor so einem Szenario Angst hätte.

Generell fällt mir auf, dass einem in Internetforen gelegentlich etwas in den Mund gelegt wird, was man weder gedacht noch geschrieben hatte. Im Lauf der Zeit habe ich schon diverse Unterstellungen zu lesen bekommen, wo ich mich oft gefragt habe, woraus man das jetzt wohl herausgelesen hatte.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von 146225 »

Diese Schlussfolgerung - Unterstellung scheint mir als Begriff doch ein wenig hart - ziehe ich aus dem Eindruck, dass du die"bestehende Ordnung" von Zuggattungen und Tarifen keinesfalls aufgeweicht sehen möchtest. Was wiederum - ganz unabhängig von dir als Person! - gut in den doch leider recht misanthrophen Chor der letzten Wochen passt, wo sich selbst "Eisenbahnfreunde" nennende in einfachen und günstigen Tarifen oft mehr Problem als Nutzen gesehen haben.

Daraus resultiert für mich die Frage, ob es eine Art Angst sein könnte, nicht nur vor der Veränderung an sich generell, sondern auch davor, dass volle Züge in Deutschland normal werden könnten.

Wenn du das nicht so empfindest: auch schön, und Grüße von unterwegs.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von rautatie »

146225 hat geschrieben: 17 Aug 2022, 17:14 Diese Schlussfolgerung - Unterstellung scheint mir als Begriff doch ein wenig hart - ziehe ich aus dem Eindruck, dass du die"bestehende Ordnung" von Zuggattungen und Tarifen keinesfalls aufgeweicht sehen möchtest.
Auch das ist mir neu. Ich wusste nicht, dass ich die aktuelle Ordnung der Zuggattungen für wichtig halte bzw. sogar "keineswegs aufgeweicht" sehen möchte. Auch hier würde mich interessieren, wo ich das geschrieben habe. Ich bin einfach nur vom gegenwärtigen Zustand ausgegangen, aber mir liegt eigentlich nichts daran, diesen auf Biegen und Brechen beizubehalten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich das jemals gefordert oder auch nur erwähnt hätte, weil mir die "bestehende Ordnung" bislang ziemlich egal war, bzw. sie war halt relevant, um sich im Tarif- und Zugsystem der Bahn zurechtfinden zu können. Über ein System Bescheid zu wissen bedeutet noch lange nicht, es auch für unumstößlich zu halten.

Aber wie gesagt: mir ist schon gelegentlich in Internetforen aufgefallen, dass einem Dinge "in den Mund gelegt" oder zugeschrieben werden, die überhaupt nicht zutreffen. Im Lauf meiner Jahre in mehreren Foren ist mir schon so einiges zugeschrieben worden, das sich zum Teil auch komplett widersprochen hat. Da werden zum Teil aus wenigen Sätzen ganze Weltbilder abgeleitet, die angeblich auf den Forumsuser zutreffen würden.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von TramBahnFreak »

Ich möchte zu bedenken geben:
Eine ordentliche Trennung verschiedener Zuggattungen auf Grundlage unterschiedlicher Halteschemata und daraus resultierend unterschiedlicher Reisegeschwindigkeiten hat per se mal genau nichts mit tariflichen Unterschieden zu tun.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von rautatie »

TramBahnFreak hat geschrieben: 18 Aug 2022, 23:59 Eine ordentliche Trennung verschiedener Zuggattungen auf Grundlage unterschiedlicher Halteschemata und daraus resultierend unterschiedlicher Reisegeschwindigkeiten hat per se mal genau nichts mit tariflichen Unterschieden zu tun.
Wirkt sich aber doch auf die Tarife aus. Oder habe ich dich da falsch verstanden? Jedenfalls kommen doch unterschiedliche Tarife zur Anwendung, je nachdem, welche Zuggattung man nutzen will.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von TramBahnFreak »

rautatie hat geschrieben: 19 Aug 2022, 08:31
TramBahnFreak hat geschrieben: 18 Aug 2022, 23:59 Eine ordentliche Trennung verschiedener Zuggattungen auf Grundlage unterschiedlicher Halteschemata und daraus resultierend unterschiedlicher Reisegeschwindigkeiten hat per se mal genau nichts mit tariflichen Unterschieden zu tun.
Wirkt sich aber doch auf die Tarife aus. Oder habe ich dich da falsch verstanden? Jedenfalls kommen doch unterschiedliche Tarife zur Anwendung, je nachdem, welche Zuggattung man nutzen will.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Rohrbacher »

Servus, am Sonntag war ich mal wieder auf der Donautalbahn unterwegs. Im württembergischen Teil gab's irgendeine offiziell als Weichenstörung betitulierte Störung in Fridingen. Der Bahnhof hat ja zwei Gleise, es mussten aber plötzlich drei Züge drin Platz finden. Also ist mein schon mit +5 in Donaueschingen gestarteter RE 3217 nach Ulm (2x 644, juhu, über zwei Stunden "S-Bahn" fahren, aber okay, die hatte ich auf dieser Strecke noch nicht, mal was neues ...) erst nach Gleis 1 eingefahren, hat dann als Rangierfahrt auf die Brücke zurückgesetzt, um nach Gleis 2 hinter den beiden wohl schon länger dort wartenden HzL-650 Tuttlingen-Sigmaringen (69892) in Warteposition zu rollen. Die Türen bleiben zu, schließlich steht der halbe Zug nicht am Bahnsteig. Als dann der Gegenzug (2x 628, sollte wohl der etwas stärker verspätete RE 3246 Ulm-Donaueschingen gewesen sein) kam, musste erst die HzL über 10 Minuten Vorsprung bis vermutlich Hausen i. Tal rausfahren bis wir dann im "Blockabstand" folgen konnten. (Als wir an den Bahnsteig gerollt sind, dachten viele schon, es ginge endlich weiter. Hihi!) Mit dann +30 und nunmal einem 644 statt 612 unter'm Hintern war auf dieser Strecke kein Blumentopf mehr zu gewinnen, gerade hinten raus, wo man ab Mengen zwischenzeitlich etwas zügiger fahren könnte, waren ähnlich wie anfangs zwischen Donaueschingen und Immendingen die nur 120 km/h und ein paar Kilowatt weniger deutlich zu spüren. Gefühlt geht der Hydrauliker 612 auch sonst um Welten besser! Der Tf hat herrlich jeden einzelnen unplanmäßigen Kreuzungshalt vorgestellt, Hausen i Tal, Rechtenstein, Rottenacker, Allmendingen ... in Ulm waren es dann ungefähr +50.

(Randnotiz: Die Leute, die dort auf die Rückfahrt RE 3248 Ulm-Donaueschingen gewartet haben, wurden natürlich auch gnadenlos stehengelassen und nicht mit einem Ersatzzug beglückt, obwohl eine hohe Verspätung locker 1,5 Stunden vor Abfahrt absehbar gewesen wäre. Aber woher nehmen?)

Der Anschlusszug auf bayerischer Seite war natürlich weg, aber weil dann statt der RB der in Ulm einige Minuten später getaktete RE fuhr, war der Umstieg dann dennoch relativ entspannt. Allerdings ging dann das Gruppenkuscheln los. In Ulm stand auf Gleis 27 ein 440-Vierteiler für die folgende RB, aber das wäre ebenso langweilig wie ein doppelter Dreiteiler, wenn doch alle Leute und Fahrräder, die auch fast alle bis mindestens Ingolstadt mitgefahren sind, in einen Dreiteiler an Gleis 28 passen. RE 84109, topp, die Wette gilt - und bitte bis ins Wageninnere durchgehen! Ich Naivling dachte noch, hui, ganz schön viel los nach Günzburg, ne, es stiegen sogar noch Leute, Kinderwagen und Fahrradfahrer unterwegs ein, keine Ahnung wie, aber irgendwie ging das agilis-Tetris wohl auf. Zur Unterhaltung haben wir dann unterwegs mit einer Doppeltraktion gekreuzt und konnten u.a. im Bahnhof Rain Unmengen an abgestelltem blauen Siemenszeug für Go Ahead Bayern rumstehen sehen. Aber man muss das verstehen, nicht kompatibel, falsche Firma, noch kein Verkehrsvertrag, dann muss das 9-Euro-Publikum halt genau eingepfercht fahren wie das Premiumpublikum, das in Ingolstadt den ICE verpasst hat.

Und das kam so: Zwischen Tapfheim und Donauwörth sind zwei wunderschöne, ziemlich lange Langsamfahrstellen mit nicht 60, nicht 50, nicht 40, nicht 30, sondern 20 (!) km/h aus dem Boden geschossen. Danach war auch bei diesem Zug auf eingleisige Strecke an einen Fahrplan nicht zu denken. Rain dauerte länger, Unterhausen und Neuburg auch, ich wusste gar nicht, dass da sonntags so viele Züge unterwegs sind ... in Ingolstadt hatten wir +15. Das hat genau gereicht, dass RE 84109 nach nur kurzem Halt mit +5 nach Regensburg weiterfahren konnte und eventuell völlig planmäßig dort angekommen sein könnte.

Aber mein RE 59077 (wir erinnern uns, der war eigentlich schon nur Plan B!) hatte halt nur noch Sichtanschluss (sonst hätte ja ein anderes EVU Verspätung), so kam es zu Plan C in Form von RB 59099, Übrigens auch leicht verspätet, der 445 (cool, es gibt sie wirklich noch!) musste noch zwei Weißwürste vorlassen, aber das ist so langsam kein Erlebnis mehr, sondern nur noch normal. Das mit dem Sichtanschluss hat übrigens - ich hatte Zeit zum Beobachten - auch von einem ICE auf den BRB-648 nach Schrobenhausen (!) hervorragend geklappt. Ja, da ist ein SEV, den sollte man erreichen, weil ja Zug und Bus nicht miteinander reden können und auch sonst keiner schaut, dass das funktioniert, aber bei einem bahnsteiggleichen Umstieg (Gleis 3 auf 2) losfahren, quasi 3 Sekunden bevor beim ICE die Türfreigabe aktiv wird, huiuiui, das ist fast schon große Kunst, das alles so zu timen. :lol:
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Entenfang »

Ich habe irgendwie den Verdacht, dass das auf absehbare Zeit eher die Regel denn die Störung sein wird. Und plötzliche La hatte ich am Sonntag sogar auf der europäischen Magistrale München - Zürich, eine vermutlich 40, die nächste defintiv noch langsamer, wahrscheinlich auch 20. Waren aber zum Glück ziemlich kurz. Hat aber gereicht, dass der Gegenzug in Memmingen +7 hatte, womit mein Zug auch +7 hatte und durch die La wurden es noch ein paar Bonusminuten mehr und bis St. Margrethen waren es dann schon +25. So hats wenigstens schön in die nächste Taktlage gepasst. :roll:
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Lobedan »

Rohrbacher hat geschrieben: 22 Aug 2022, 23:36 Zur Unterhaltung haben wir dann unterwegs mit einer Doppeltraktion gekreuzt und konnten u.a. im Bahnhof Rain Unmengen an abgestelltem blauen Siemenszeug für Go Ahead Bayern rumstehen sehen. Aber man muss das verstehen, nicht kompatibel, falsche Firma, noch kein Verkehrsvertrag, dann muss das 9-Euro-Publikum halt genau eingepfercht fahren wie das Premiumpublikum, das in Ingolstadt den ICE verpasst hat.
Da die Siemens-Fahrzeuge von Go Ahead leider noch keine Zulassung für den Fahrgastverkehr haben, könnten sie auch gar keine Zusatzleistungen fahren. Übrigens ganz zum Leidwesen von DB Regio, die gern im September schon planmäßigen Verkehr abgegeben hätten.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von guru61 »

TramBahnFreak hat geschrieben: 19 Aug 2022, 10:37
rautatie hat geschrieben: 19 Aug 2022, 08:31
TramBahnFreak hat geschrieben: 18 Aug 2022, 23:59 Eine ordentliche Trennung verschiedener Zuggattungen auf Grundlage unterschiedlicher Halteschemata und daraus resultierend unterschiedlicher Reisegeschwindigkeiten hat per se mal genau nichts mit tariflichen Unterschieden zu tun.
Wirkt sich aber doch auf die Tarife aus. Oder habe ich dich da falsch verstanden? Jedenfalls kommen doch unterschiedliche Tarife zur Anwendung, je nachdem, welche Zuggattung man nutzen will.
Das wäre das deutsche Konzept.
Das österreichische oder Schweizer Konzept sieht keine Preis-Unterschiede vor, bei dennoch einigen unterschiedlichen Zuggattungen.
Eigentlich müssten dann aber die Tarife von nicht haltenden Zügen billiger sein, weil das jedesmalige Anfahren und Bremsen der Regionalzüge was kostet, und die auch die Strechenkapazität verringern :-)
:shock:
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Rohrbacher »

Lobedan hat geschrieben: 23 Aug 2022, 18:01 Da die Siemens-Fahrzeuge von Go Ahead leider noch keine Zulassung für den Fahrgastverkehr haben, könnten sie auch gar keine Zusatzleistungen fahren.
Einerseits Punkt für dich, andererseits wie viel Jahre stehen fabrikneue Züge heute rum, bis ihre Kleinserien abgenommen sind? *duck+weg*
guru61 hat geschrieben: 24 Aug 2022, 11:58 Eigentlich müssten dann aber die Tarife von nicht haltenden Zügen billiger sein, weil das jedesmalige Anfahren und Bremsen der Regionalzüge was kostet, und die auch die Strechenkapazität verringern :-)
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Ein Bummelzug-Zuschlag. Die Idee gefällt sicher einigen deutschen Aufgabenträgern. :lol:
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Entenfang »

Dreimal Bus ist selten ein Plus

Über die Hürden auf dem Weg von Basel nach Metzingen habe ich ja bereits berichtet. Tatsächlich gab es im Laufe der letzten anderthalb Jahre noch keinen Streckenabschnitt im deutschen Teil, der nicht im SEV gefahren wurde. Monatelang war tageweise zwischen Singen und Rottweil gesperrt, dann die Ammertalbahn, dann die Neckar-Alb-Bahn und jetzt Rottweil – Eutingen zusätzlich zur Ammertal- und Ermstalbahn. Doch beginnen wir am Anfang – vor meiner Haustür. Ich laufe zur Bushaltestelle und der Bus kommt auch schon vor Plan. 15 min Umsteigezeit zum Zug am Badischen Bahnhof sind recht grosszügig kalkuliert – denke ich. An der Falkensteinerstrasse sind wir schon fast bei -2, der Busfahrer bleibt an der Haltestelle stehen, um die Verfrühung abzuwarten. Auch der Gegenkurs scheint zu früh dran zu sein und hält deswegen den restlichen Verkehr auf. Da sich die beiden Busse genau gegenüberstehen, kann niemand überholen. Endlich geht es weiter. Vor dem Dreispitz staut es sich plötzlich heftig. Wir stehen fast fünf Minuten, ehe es im Schneckentempo weitergeht. Eine Durchsage der Leitstelle ertönt im Fahrzeug. "Liebe Fahrgäste, derzeit findet im Stadion St. Jakob ein Fussballspiel statt. Die Linien 36, 46 und 47 werden daher umgeleitet. Es ist mit Verspätungen zu rechnen." Der Fahrer funkt die Leitstelle an. Wo er nochmal fahren müsse? Da rechts Richtung Autobahn? Die Leitstelle bestätigt.
Es geht so langsam voran, dass man zu Fuss mithalten könnte. Der Stau hört gar nicht mehr auf. Bald wir die Verspätung zweistellig und kein Ende des Staus in Sicht. Nach einer Ewigkeit haben wir es an die Ersatzhaltestelle St. Jakob geschafft. Eine Mutter steigt mit ihren drei Söhnen zwischen zehn und zwölf ein, die beiden älteren setzen sich in die erste Reihe links, die Mutter in die erste Reihe rechts, der jüngste rechts daneben. Während der Bus geschlagene zwei Minuten am Vorfahrt gewähren warten muss, ehe ihn endlich jemand durchwinkt, beginnen die beiden älteren Jungs zu raufen. Die Ermahnungen der Mutter haben wenig Erfolg und der Jüngste will sich auch in die Rauferei stürzen. Doch das immerhin kann sie verhindern, denn sie lässt ihn nicht von seinem Sitz in den Gang. "Mama, ich will raus!", protestiert er. "Nein! Sitze bliibe." "Och Mama!" Erfolglos versucht er, sich durchzuquetschen. "Häsch nich ghört? Sitze bliibe!", ruft ihm einer der anderen Jungs zu, was ihn umso mehr ärgert. Das Gekicher und Geraufe geht weiter, während der Bus abermals nach quälendem Fortkommen drei Minuten zum Linksabbiegen warten muss, weil die Verkehrsteilnehmer aus der Seitenstrasse immer so weit vorfahren, dass der Gelenkbus nicht mehr um die Kurve kommt. Die Hoffnung auf meinen Zug habe ich längst aufgegeben – wenn das so weitergeht, kann ich froh sein, wenn ich den eine Stunde später erreiche. Auch in Gegenrichtung folgen auf eine riesige Lücke drei Kurse direkt hintereinander.
Der Vater der drei Jungs taucht auf, versucht, die beiden Streithähne dadurch auseinanderzubringen, dass er den einen Jungen in den Gang stellt und sich auf den freien Sitzplatz dazwischen setzt. Sie versuchen, über ihn hinweg weiterzuraufen, während er sie beruhigen möchte. Der Erfolg ist bescheiden, doch am nächsten Halt müssen sie ohnehin aussteigen.
Am Tinguely-Museum gibt es regelmässig Ablösung, doch anstatt dass der an der Haltestelle wartende Fahrer übernimmt, verabschiedet sich der Fahrer und läuft über die Strasse. Wenig später taucht er mit dem Kollegen auf, der ablösen soll. Aufgrund der rekordverdächtigen +32 hat dieser den Kurs bereits in der Gegenrichtung erwartet.
So bin ich einer der ersten Fahrgäste, die in die Dotra 612 einsteigen, als diese aus der Gegenrichtung ankommt. Zur Abfahrt eine Stunde zuvor stand neben der fast schon standardmässigen Anmerkung "aussergewöhnlich hohe Fahrradauslastung" noch "ein Wagen fehlt" dabei. Der 612 war wohl sehr gut gefüllt, denn auch die Dotra füllt sich zu fast 75%, als die Fahrt losgeht. Die Landschaft sieht aus, als wäre es Mitte Oktober. Die Bäume färben sich bunt und verlieren ihr Laub – allerdings ist es Mitte August und hat seit Wochen nicht geregnet, dafür aber bis auf wenige Ausnahmen jeden Tag über 30° gehabt und das macht sich sehr deutlich bemerkbar.
Nach der Kreuzung mit einem verspäteten Gegenzug stehen wir bei +9, die bis Singen etwas zurückgehen. Mit einem ziemlich leeren 4-Wagen-IC, der Steuerwagen mit Übersatzfenstern – wann bin ich mit so einem zum letzten Mal gefahren? Muss vor über 5 Jahren vor der IC 2-Einführung zwischen Leipzig und Dresden gewesen sein – geht es in den Abend, der kräftige Luftzug macht die Fahrt angenehm.
Bild

Mit so einem kurzen Zug muss sich die 101 nicht sehr bemühen und siehe da – fährt kaum jemand mit und man hat die Beschleunigung einer Achterbahn, ist sogar der Gäubahn-IC mal pünktlich.
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Der Umstieg zum Bus klappt problemlos, aber kostet auch über eine Viertelstunde. Ein Bus reicht für die überschaubare Zahl an Fahrgästen nach Herrenberg. Es gibt zwei SEV-Linien, eine mit Zwischenhalten nach Eutingen und der Direktbus nach Herrenberg. Die Fahrt führt fast nur über die Autobahn und der Stau ist glücklicherweise nur in der entgegengesetzten Richtung. So endet die Fahrt auch mit -10 in Herrenberg. Der SEV nach Tübingen fährt von der anderen Bahnhofsseite ab und während ich nun mit fast 30 min Wartezeit rechne, kommt schon bald ein Bus aus der Gegenrichtung an. Ich steige sogleich ein und er fährt auch kurz darauf ab – 20 min vor Plan. Dem Fahrstil nach zu schliessen handelt es sich um den vorherigen Kurs, der mit +10 unterwegs ist.
Der Mond erhebt sich gross und mit leicht rötlicher Färbung über den Horizont, während der Gelenker über Landstrassen, durch Kreisverkehre und Schleifen vor den Dorfbahnhöfen saust. Möchte man an einem der Zwischenhalte aussteigen, sollte man sich besser gut auskennen, denn die Haltestellenanzeige funktioniert nicht richtig. Die Fahrt dauert zwar nur eine halbe Stunde, aber sicherlich begünstigt durch den Fahrstil, spüre ich Übelkeit, als völlig unerwartet eine riesige Betonfläche auftaucht, an der ganz viele Fahrgäste einsteigen wollen. Das muss wohl schon Tübingen Hbf sein, ich packe schnell meine Sachen und dränge mich gegen den Strom nach draussen. Der Bus braust kurz darauf wieder in die Gegenrichtung davon. Der Busbahnhof Tübingen ist von Bauzäunen umstellt, alles wird umgebaut. Das Gebäude dahinter könnte der Bahnhof sein und ich steuere darauf zu. Die letzte Etappe bis Metzingen verläuft unspektakulär und pünktlich – 5h ist aber schon eine verdammt lange planmässige Reisezeit für die Strecke von 290 km. Und die Herausforderung beim Ausstieg bleibt unverändert zum letzten Mal – die Treppe in die Unterführung ist immer noch unbeleuchtet (also vermutlich schon seit 2 Monaten). Die Aufzüge sollen ja schon nächstes Jahr eröffnet werden, bis dahin darf jeder bei Dunkelheit ankommende Fahrgast mal testen, wie es sich anfühlt, nahezu blind eine Treppe hinunterzulaufen.


Für die Rückfahrt würde die schnellste Variante von Metzingen nach Basel über Stuttgart – Strasbourg – Mulhouse führen. Da würde man nicht sofort draufkommen, oder? Die Kombination von Totalsperrung auf der Gäubahn und starken Einschränkungen auf der Rheintalbahn machts möglich. Eine schöne Verbindung hätte nur 8 min Umsteigezeit vom TGV auf den letzten TER nach Basel in Strasbourg, das ist mir zu riskant. Die davor ist mir mit über 50€ zu teuer, also fahre ich wieder dieselbe Strecke zurück, die ich gekommen bin. Die RB 18 ist ein paar Minuten hinter Plan unterwegs und in Tübingen muss ich mich ein wenig beeilen, um den SEV nach Herrenberg zu erreichen. Zufällig erwische ich wieder dasselbe Fahrzeug wie auf der Hinfahrt, noch immer sind dieselben Aufkleber auf den Infomonitoren drauf wie bei der Hinfahrt. Folglich hat sich entweder niemand den Innenraum innerhalb der letzten 3 Tage angeschaut oder es hat niemanden interessiert.
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Immerhin startet der Bus pünktlich, fährt nicht ganz so wild, sodass mir nicht schlecht wird und kommt ein paar Minuten hinter Plan in Herrenberg an, obwohl es keine nennenswerten Behinderungen auf der Strecke gab. Dort blockiert ein Falschparker die Bushaltestelle und fährt dann eilig weg, als der Bus hupt.
Nun ist nach Rottweil viel mehr los, es werden drei Busse gestellt, die jeweils zu rund 50% besetzt sind. Eine Frau transportiert ein Cello in einer entsprechenden Verpackung und fürchtet Schäden an ihrem Instrument, weswegen niemand seinen Koffer daran anlehnen darf. Als der Bus losfährt, rollt erstmal ein Koffer gegen die Türe, da er nicht ordentlich platziert war. Busse sind einfach nicht darauf ausgelegt, so viel Gepäck zu transportieren, geschweige denn Fahrräder…
Auch dieses Mal habe ich Glück, der Stau führt jetzt Richtung Stuttgart und da die Fahrzeit planmässig 5 min länger als auf der Hinfahrt ist, komme ich sogar mit -15 in Rottweil an. Der Busfahrer vor uns beginnt mit einem Einweiser zu quatschen und blockiert damit die Einfahrt zur Haltestelle. Unser Busfahrer versucht, um den anderen Bus herumzufahren, was ihm auch gelingt, würde nicht wieder ein Falschparker die deutlich als Busspur gekennzeichnete Haltestelle blockieren. Der Fahrer sitzt in seinem Cabrio, raucht und ist sich offenbar keiner Schuld bewusst, obwohl der Bus direkt hinter ihm steht und hupt. Erst beim dritten Hupen fährt er dann doch davon.

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Der IC aus Singen ist gerade eingefahren, eine DFI zeigt «Ankunft – nicht einsteigen» und die nächste «IC nach Singen» an. Ich steige ein, dieses Mal sind es fünf Wagen und keiner mit Übersatzfenstern. In Gegenrichtung muss der Zug ziemlich voll gewesen sein, doch ich teile mir den letzten Wagen mit nur zwei weiteren Fahrgästen. Leicht hinter Plan komme ich in Singen an, entscheide mich nochmal, via Konstanz zu fahren und steige in den Seehas um.
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An einem Zwischenhalt steigen an die zehn Jugendliche ein, laufen durch den recht gut gefüllten Wagen, dabei lautstark plärrend. Beim nächsten Halt zwei Minuten später passiert wieder dasselbe und sie steigen zum Glück gleich wieder aus. Pünktlich erreiche ich Konstanz, überquere die Grenze mitten auf dem BÜ.
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Auch Zürich und schliesslich Basel erreiche ich pünktlich.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Entenfang »

Anschlussroulette Horb-Edition - 5. Spielrunde

Unspektakulär verläuft heute die Fahrt zum Badischen Bahnhof, aber ich habe auch nicht den Bus 36 genommen. Die Dotra 612 ist mäßig gefüllt und bringt mich weitgehend pünktlich bis Singen. Kurz vor der Ankunft war der IC Richtung Stuttgart noch pünktlich angekündigt, im DB Navigator aber kurioserweise vorhergesagt, dass irgendwo auf der Fahrt bis Horb +4 eingesammelt werden. Doch bald kündigt der ZZA +10 an. Im DB Navigator steht Verspätung aus vorheriger Fahrt drin. Gut 20 Minuten Wendezeit in Konstanz sind wohl doch zu sportlich bei der hier üblichen Betriebsqualität…
Mit +9 bleibt also Singen in einem ausnahmsweise überschaubar ausgelasteten IC2 zurück. Im Kleinkindabteil sitzen drei DB-Kollegen und da die Trennwände keineswegs schalldicht sind, kann ich ihrer Unterhaltung weitgehend problemlos folgen. Offenbar üben sie die Bedeutung einiger Signale, die es nicht so häufig gibt. Unter Anderem ist ein Reichsbahn-Abdrücksignal mit dabei.
+9 bei 9 min Umsteigezeit ist mal wieder eine spannende Spielrunde und ich gehe stark davon aus, sie zu verlieren. Denn fast immer steigt die Verspätung nur weiter an. Auch dieses Mal müssen wir irgendwo eine Kreuzung abwarten und fahren mit +14 weiter.
Ich bekomme die nächsten beiden Geschichten der DB-Kollegen nicht vollständig mit, aber die erste handelt von Signalen in der S-Bahn-Stammstrecke in Stuttgart. Dort wurde irgendwann mal für eine Baustelle ein Signal temporär versetzt und danach ist die Betriebserlaubnis für die Signale in der Stammstrecke erloschen, weil diese auf einer Ausnahmegenehmigung für die Bundesbahn beruhte. Durch die temporäre (!) Änderung war diese dann futsch und die S-Bahnen hätten sich am nächsten Tag unendlich weit gestaut. Dieser Zustand dauerte dann an, bis die Signale irgendwie so geändert wurden, dass sie den aktuellen Richtlinien entsprochen haben. «Eigentlich ist die neue Variante sogar besser als die davor», schließt der Kollege.
Die zweite Geschichte handelt von einem System, welches spezielle «Schachbretttafeln» (die aber offenbar nichts mit jenen zu tun haben, die auf einen abweichenden Signalstandort hinweisen) mit Kameras im Führerstand scannt, um die korrekte Halteposition zu erhalten. (Zumindest habe ich es so verstanden.) Laut Aussage des Kollegen sind die aber auf dem Tablet im Führerstand manchmal nicht gut zu erkennen. Man darf aber nichts daran verbessern, weil das System genau so abgenommen wurde und jede Änderung zum Erlöschen der Genehmigung führt.
Diese beiden Beispiele erinnern mich an die Aussage eines Interviews, dass die Pünktlichkeit der Bahn in Deutschland allein dadurch merklich gesteigert werden könnte, wenn man dieselben Gesetze wie in der Schweiz anwenden würde. Ein Hoch auf die deutsche Bürokratie!
Wie erwartet ändert sich an der Verspätung quasi nichts. Der DB Navigator verkündet, dass ich meinen Anschluss in Horb nicht erreichen werde. Die Abfahrt der RB ist pünktlich angekündigt. Aus Neugierde schaue ich noch in das Ankunftsfenster und siehe da, der Gegenzug aus Tübingen ist mit +6 angegeben, was ziemlich genau meiner erwarteten Ankunftszeit entspricht. Das ist nun wirklich einfache Logik, zu erkennen, dass auch der Zug nach Tübingen aufgrund der eingleisigen Strecke nicht pünktlich abfahren kann. Das schafft die tolle Verspätungsprognose im DB Navigator aber offenbar nicht.
Ich positioniere mich rechtzeitig an der richtigen Tür, kurz vor der Ankunft gibt der Zub durch, dass der Anschluss nach Tübingen erreicht wird. Der RS1 steht noch auf Gleis 5 und ich sprinte durch die Unterführung. Das Signal ist noch zu und nach und nach schaffen es alle Umsteiger. «Verehrte Fahrgäste, die Abfahrt verzögert sich noch etwas. Wir müssen noch auf den Gegenzug warten, der aufgrund einer Bahnübergangsstörung verspätet ist.»
Schließlich kommt der Gegenzug und wir starten mit +9. In Mühlen halten wir kurz vor den BÜ und nach einem Pfeifen geht es weiter. Ein Techniker mit Stirnlampe begutachtet die Schranke. Anschließend folgt kurz vor Tübingen noch ein Ersatzsignal, dann kommen wir mit +10 an. Jetzt muss ich mich zum SEV-Bus schon etwas beeilen. Ein Bus steht bereits da, um nicht versehentlich wieder den langsamen mit Halt in jedem Dorf zu erwischen, frage ich sicherheitshalber beim Fahrer nach. Platz für Gepäck gibt es nicht, ein Fahrgast hält seinen Koffer auf den Knien, ich muss den Sitz neben mit blockieren, aber es gibt ohnehin ausreichend freie Plätze. Pünktlich geht es los und Richtung Reutlingen. Ein paar Fahrgäste werden schon nervös, weil der Bus offenbar anders fährt als sonst, aber dann doch am Bahnhof mit -6 rauskommt. Nachdem fast alle ausgestiegen sind und die Verfrühung abgewartet ist, geht es weiter bis Metzingen, wo ich mit sehr viel Glück mit +1 ankomme.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von 146225 »

Lag das am Fahrplan, dass du auf eine wendende RB Tübingen - Horb - Tübingen geschlossen hast, oder hat man die Durchläufer Tübingen - Horb - Pforzheim zwischenzeitlich aufgegeben?
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Cloakmaster »

Neulich bin ich von Freiburg nach Bremen gefahren. Ich hatte die Wahl via Frankfurt Hbf und Hanover, mit Umstieg in IC, oder ohne Umstieg mit ICE via Frankfurt Fernflug und Köln zu fahren. Letzteres schien mir die bessere Wahl - sie war es wohl nicht.

Was nutzt es, hinter Frankfurt mit Tempo 300 auf Höhe Null zu fliegen, wenn man nach Köln Hbf "wegen belegter Gleise" nicht rein kommt? Durch langes Warten in Köln-Deutz - mit geschlossenen Türen versteht sich - , um nach Köln Hbf zu kommen, nur, um nach der Ausfahrt erneut in Köln-Deutz stehen, und warten zu müssen, bis die Ausfahrt frei ist(????) , war dann die Stunde Verspätung voll.

Und vor allem: Kann man in solchen Fällen nicht einfach den Halt in Köln Hbf ausfallen lassen, und in Deutz halten? Dazu ein paar Durchsagen, daß die Fahrgäste (in beide Richtungen doch bitte die S-Bahn nehmen sollen, und schon könnte man die Verspätung deutlich reduzieren
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Jean »

Cloakmaster hat geschrieben: 04 Nov 2022, 09:23 Und vor allem: Kann man in solchen Fällen nicht einfach den Halt in Köln Hbf ausfallen lassen, und in Deutz halten? Dazu ein paar Durchsagen, daß die Fahrgäste (in beide Richtungen doch bitte die S-Bahn nehmen sollen, und schon könnte man die Verspätung deutlich reduzieren
Dafür müsste man aber den Fahrgästen am Kölner Hauptbahnhof informieren, dass ihr Zug von Deutz (Gleis 9 oder 10) abfährt...die Bahn ist doch bereits mit den normalen Aussagen völlig überfordert...
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Cloakmaster »

ook, das stimmt. Noch eine Ansage mehr würde womöglich das System überlasten...
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Entenfang »

146225 hat geschrieben: 04 Nov 2022, 05:46 Lag das am Fahrplan, dass du auf eine wendende RB Tübingen - Horb - Tübingen geschlossen hast, oder hat man die Durchläufer Tübingen - Horb - Pforzheim zwischenzeitlich aufgegeben?
In beide Richtungen waren es Durchläufer von/nach Pforzheim, aber das spielt in dem Fall keine Rolle. Die RB aus Pforzheim war pünktlich angekommen, konnte aber wegen des verspäteten Gegenzugs aus Tübingen nicht weiterfahren.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von 146225 »

In beide Richtungen waren es Durchläufer von/nach Pforzheim, aber das spielt in dem Fall keine Rolle. Die RB aus Pforzheim war pünktlich angekommen, konnte aber wegen des verspäteten Gegenzugs aus Tübingen nicht weiterfahren.
Ah ok, jetzt habe ich es auch verstanden - danke!
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Entenfang »

Und das war 2022 in Bus und Bahn...

Tram 16 Richtung Schifflände, Basel, Mi, 17:49

„Ja, was haben Sie denn an?“, fragt ein junger Mann, der im Hippie-Style gekleidet ist, einen älteren Herren, der ihn angestarrt hat. Der brummelt nur etwas Unverständliches. „Da gibt es gar nichts zu schauen. Ich wünsche Ihnen noch ganz einen schönen Tag.“


Fähre Richtung Vitznau, Vierwaldstättersee, Sa, 11:20

Zwei rumänische Pärchen Mitte 30 schießen eifrig Fotos voneinander. Dann werden kleine Becher verteilt und Schnaps aus der Evian-Plastikflasche ausgeschenkt. Nachdem diese geleert sind, noch einige Fotos im Kasten und Zigaretten geraucht sind, gibt es noch eine zweite Runde.


R Richtung Andermatt, Fr, 11:57

Zwei Jungs und zwei Mädels, etwa elf Jahre alt, sitzen auf zwei gegenüberliegende Vierer verteilt. Sie unterhalten sich angeregt in feinster Mundart mit viel Gekicher und ich habe größte Mühe, zu folgen (und gebe den Wortlaut auf Hochdeutsch wieder). „Wer zuerst eine Gämse sieht!“, ruft einer der beiden Jungs. „Ok, wir schauen hier raus und ihr dort“, antwortet eines der Mädchen. Wenige Augenblicke später beginnt auf der Seite der Jungs eine Stützmauer und verdeckt die Sicht. „Egal, wir schauen auch dort raus“, erklärt einer der Jungs. „Hee, nein, so war das nicht abgemacht“, protestiert ein Mädchen. Wenige Momente später dann – nahezu zeitgleich bei allen vier – der Aufschrei: „ICH SEH GÄMSEN! DORT!!!!!!!“ Auf der anderen Hangseite sind zwei Gämsen im Schnee deutlich zu erkennen. Auch die älteren Fahrgäste im nächsten Vierer bemerken sie und deuten nach draußen.


ECE Richtung Zürich, Mo, 18:40

Pfingstmontag mit dem 9€-Ticket – schon auf dem Weg zum Starnberger Flügelbahnhof habe ich gesehen, wie voll der Alex ist, in den man kaum noch einsteigen konnte. Für den ECE ist eine hohe Auslastung angekündigt, ab Memmingen dann mittlere Auslastung. Ich bin zum Glück gut 10 Minuten vor Abfahrt da, denn bereits jetzt sind über die Hälfte der Sitzplätze belegt. Nach und nach werden auch die Übrigen belegt, dann werden wieder einige aufgescheucht, weil die Plätze reserviert sind. Dummerweise wird das nicht angezeigt.
In einer Durchsage erinnert der Zub daran, dass das Bayernticket und das 9€-Ticket im FV nicht gültig sind und dass man in Deutschland noch Masken tragen müsse, woran sich nicht alle halten. Ein Mann spricht die gegenüber von ihm sitzende mittelalte Frau an, sie möge doch bitte ihre Maske aufsetzen. „Haben Sie Angst, wenn ich keine Maske trage? Na gut, dann setze ich sie halt auf.“
Pünktlich startet die Fahrt, die meisten Fahrgäste haben einen Sitzplatz gefunden, nur einige wenige müssen stehen. In Buchloe steigen noch mehr zu, wieder werden einige aufgescheucht, wieder war die Reservierung nicht ausgeschildert. Ich habe Glück und behalte meinen Platz. „Boah, so viele Leute… Ich habe nicht gedacht, dass in Buchloe überhaupt jemand zusteigt“, kommentiert jemand.
An der Auslastung ändert sich nichts mehr. Auf dem Weg nach Lindau laufen wir auf einen anderen Zug auf, sehen immer wieder Halt erwarten. Trotzdem kommen wir fast pünktlich an. Der Zug leert sich geringfügig, dann geht es am Bodensee entlang weiter, die Sonne neigt sich gerade dem Horizont zu und sorgt für ein prächtiges Farbenspiel. In Bregenz leert sich der Zug dann etwas. „Nächster Halt: St. Margrethen. Herzlich Willkommen in Der Schweiz! Genießen Sie Ihren Aufenthalt!“, erklingt die automatische Durchsage, immerhin heute wirklich erst in der Bahnhofseinfahrt und nicht schon in Österreich. Mit +3 halten wir in St. Margrethen. 90% der Masken sind jetzt im Rucksack verschwunden. Der Schweizer Zoll kontrolliert am Zugang zur Bahnhofsunterführung einige aussteigende Fahrgäste. Dann geht es auch schon weiter. In St. Gallen wird der Zug deutlich leerer, ist in der SBB-App aber als überlastet angekündigt mit der Empfehlung, den nachfolgende IR zu nutzen. Nun sind allerdings nicht mal mehr die Hälfte der Sitzplätze belegt. Bis Zürich holen wir die Verspätung wieder auf.


Breite, Basel, Fr, 18:56

„Bischt du Fotograf?“ , fragt mich ein Mann mittleren Alters, der auf Krücken angehumpelt kommt. „Was fotografierscht? Vögel?“ Trams. „Trams? Warum denn das?“ Aus Spaß an der Freude. „Neinnein, fotografier lieber schöne Frauen. Trams kann man ja nicht vögeln… Lieber schöne Frauen, solche mit ganz großen Titten, weischd?“


IC 61 Richtung Interlaken Ost, Di, 9:44
Die Kulisse der Berner Alpen erscheint in der Ferne. Eine ältere Frau sagt zu ihrer Bekannten: „Wir leben schon gut hier. Eigentlich fast wie im Paradies.“


Bus 36 Richtung Schifflände, Basel, Fr, 20:28

Ein Mann um die 30 spricht plötzlich laut los, vermutlich telefoniert er auf irgendeine Weise – wie genau, ist mir allerdings nicht klar, denn er hat Bluetooth-Kopfhörer in den Ohren und hält das Handy auf Höhe seiner Oberschenkel. Vielleicht erklärt das ja, warum er so laut spricht. „Ich komm gerade vom Fitness. Er wollte auch mal versuchen, meine Gewichte zu heben. Er hat sich dann hingelegt, aber auf etwa ein Viertel der Höhe war Schluss.“ Immer wieder sind Pausen im Monolog, wahrscheinlich antwortet sein Gesprächspartner etwas. „Er hat eigentlich schon gut trainierte Arme, nicht so wie die Beine. Aber nicht jeder hat den Willen, das auch zu heben.“ Pause. „Ich ess jetzt erstmal ein halbes Kilo Hähnchenfleisch zum Abendessen. (Kunstpause) Also als Vorspeise. Was isst du so?“ Pause. „Intresting.“ Es folgt eine längere Pause von annähernd einer Minute, dann steigt er aus, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ob das Gespräch damit beendet ist oder auf irgendeine Weise auch mit Handy in der Hosentasche weitergeführt werden kann, bleibt unklar.


Weil am Rhein Bahnhof/Zentrum, Mo, 23:06

Der Tramfahrer steigt aus. „Sind die Nachtaufnahmen etwas geworden?“ Bis jetzt sieht es ganz gut aus. „Darf ich mal schauen?“ Ich habe einige Langzeitbelichtungen gemacht und die Tram ist nur als Leuchtstreifen zu sehen. „Ah ja, auf Nachtaufnahmen kann man so viel machen… Ich bin selber astronomieinteressiert und fotografiere gerne den Sternenhimmel. Naja, der war früher auch anders… Ich weiß, wie der aussehen sollte.“ Zuerst denke ich, er meint die zunehmende Lichtverschmutzung, aber nein… „Ich weiß genau, was die mit uns machen. Der ganze Himmel ist total verschleiert… Naja, hoffen wir einfach, dass ich nicht recht habe.“


EC nach München, Do, 19:27

„Liebe Gäste, wir erreichen in Kürze St. Gallen. Die aktuelle Verspätung beträgt drei Minuten. Der Grund hierfür ist nicht bekannt.“


Bus 139 Richtung Klinikum Harlaching, München, Mo, 16:09

Auf dem Weg zur Haltestelle sehe ich den Bus heranbrausen. Ich sprinte los, zerre meinen Koffer hinter mir her. Doch bis zur Haltestelle sind es noch über 100 Meter… Der Bus hält, ein paar Fahrgäste steigen aus, die Türen schließen sich wieder. Doch die Türfreigabe bleibt, der Fahrer hat auf mich gewartet. Ich hieve meinen Koffer in den Bus, die Tür schließt sich hinter mir. Doch wenige Sekunden später geht sie wieder auf, noch ein Fahrgast ist angerannt gekommen. Wieder schließt die Tür und geht wenige Augenblicke später nochmal auf. Zwei weitere Fahrgäste sind angerannt gekommen. Abermals schließt die Tür. Der Bus setzt sich in Bewegung, kommt aber mit einem Ruck wieder zum Stehen. Der Busfahrer wirft die Arme in die Luft, denn von vorne kommt noch eine Frau angerannt. Er lässt auch sie noch einsteigen, ehe es endlich losgeht. Dafür gibt’s den Entenfangschen Preis für den geduldigsten Busfahrer, der menschlich gehandelt hat, keinem vor der Nase weggefahren ist, obwohl der Bus absolut pünktlich (und nicht etwa zu früh) an der Haltestelle war.


ICE Richtung Basel SBB, Mo, 20:17

Zwei DB-Kollegen unterhalten sich. „Ich bin neulich pünktlich in Offenburg mit der RB Richtung Freiburg gestartet und dann haben die mich wirklich dreimal auf die Seite genommen. Ich habe denen dann irgendwann gesagt – das geht doch nicht, da sind lauter Pendler in meinem Zug, die auf dem Weg zur Arbeit sind. Und dann musste noch der Nightjet überholen… Also ich rate dir, dich schon mal zu beschweren, aber dabei nicht unhöflich zu werden.“


IC 61 Richtung Basel, Sa, 18:55

Aus dem Lautsprecher ertönt plötzlich die Melodie von Last Christmas. Nach knapp einer Minute schwindet die Musik in den Hintergrund. „Geschätzte Fahrgäste, wir erreichen in Kürze Basel SBB…“ Nach der deutschen Durchsage geht es mit Last Christmas weiter. Nach einer Weile folgt dann mit der Weihnachtsmusik im Hintergrund die französische und englische Durchsage. Da hat der Zub für überraschende Weihnachtsstimmung gesorgt…


Tram 21 Richtung Westfriedhof, München, Mo, 12:27

Dudodim. Maximilianeum. „Ahja, die habens schon schön da drin“, meint ein älterer Mann zu einem anderen, „der Blume hat mich mal einjeladen. Die ham ne Riesenkantine, gab Schweinsbraten und Knödel. Er hat mir dann auch verraten, was die so verdienen – 7000 €! Und das is ja netto, steuerfrei! Und die janz hohen Tiere wie Merkel und Scholz, die bekommen 20000€! So viel kannst du doch in einem Monat jar nicht ausgeben!“


Tram 19 Richtung Pasing, München, Fr, 11:43

Ein mittelalter Mann schiebt eine alte Frau im Rollstuhl zur Tram. Der Fahrer will schon den Hublift ausfahren, da meint der Mann nur: „Neinnein, hier ist schon gut. In der Stadt bräuchten wir es aber. Wir steigen an der Oper aus.“ Die Frau sitzt einfach nur in ihrem Rollstuhl und starrt ins Leere. Der Mann schaut etwas auf dem Handy nach. Dann sagt er zu ihr: „Frau R., der Tim ist sehr reiselustig, nicht wahr? Der fährt nach Thailand.“ Keine Reaktion. Er wiederholt, etwas lauter: „Der Tim fährt nach Thailand, nach T-H-A-I-L-A-N-D.“ Ein ganz leichtes Nicken, vielleicht habe ich es mir aber auch nur eingebildet.
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Entenfang »

Pfeifend ins Jahresende

Um eine der letzten fehlenden Strecken Südbayerns zu befahren, wähle ich die nach der Entgleisung bei Garmisch endlich wiedereröffnete Strecke, um dann über die Außerfernbahn weiter nach Kempten und dann nach Lindau zu fahren. In München steht am Bahnsteig als Ziel nur Kochel, auf dem hinteren Zugteil steht korrekt Kochel, auf dem mittleren Garmisch und auf dem vorderen Mittenwald.
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Es geht pünktlich in München los, die Zub verkündet, dass es 3 Zugteile gibt, wovon der vordere nach Mittenwald, der mittlere nach Garmisch und der hintere in Tutzing getrennt und nach Kochel fahren würde. Nach einigen Minuten Fahrt folgt wieder eine Durchsage: „Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit – dieser Zug besteht aus mehreren Zugteilen. Der hintere Zugteil wird in Tutzing abgetrennt und fährt nach Kochel, der mittlere fährt bis nach Garmisch und der vordere nach Mittenwald.“ Wieder einige Minuten später: „Verehrte Fahrgäste, ich korrigiere: Der mittlere Zugteil fährt auch bis nach Mittenwald.“
Pünktlich bleibt die Fahrt nur bis Tutzing. Wir halten im Betriebsbahnhof Wilzhofen. „Wir fahren in Kürze weiter, sobald der Gegenzug durch ist.“ Ein paar Minuten vergehen, dann kommt der Gegenzug angekrochen, denn im Bahnhofsbereich befindet sich eine La. Weiter geht’s, an der Strecke gibt es noch einige weitere Las. Ich frage mich, was haben die eigentlich während der Streckensperrung gemacht? Da wäre doch mehr als genug Zeit gewesen, das alles zu sanieren…
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In Uffing wird dann der ICE abgewartet und schwuppdiewupps stehen +10 auf dem Zähler, womit der Anschluss in Garmisch nach Pfronten bei 9 min Umsteigezeit wackelt. Direktverbindungen nach Österreich gibt es aktuell keine mehr. Auf der Strecke Murnau – Oberammergau war geplant, nach mehreren Monaten urplötzlicher Pause zumindest wieder zweistündlich mit dem Zug zu fahren, denn dank wegsanierter Kreuzungsmöglichkeiten kann man mit den Las den Stundentakt gar nicht mehr fahren. Doch zumindest am Tag meiner Fahrt hieß es, dass für das ganze Wochenende mal wieder überhaupt keine Züge fahren. Übrigens fahren nicht nur in den Taktlücken, sondern auch ergänzend zu den Zügen planmäßig SEV-Busse, so als ob die DB sich selbst nicht zutraut, auf der Strecke irgendwann mal einen stabilen Betrieb zu fahren.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/ober ... -1.5610960

Weiße Bänder ziehen sich durch die komplett schneefreie Landschaft, ein paar Skifahrer sind darauf zu sehen. Mit +8 erreichen wir Garmisch, der Sprung in den Anschluss gegenüber ist leicht zu schaffen.
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Hier ist im Gegensatz zum Zug aus München kaum noch etwas los und es werden immer weniger Fahrgäste. Auf österreichischer Seite gibt es diverse Las neben der ohnehin schon mageren Streckengeschwindigkeit von 60 km/h und die Autos auf der parallelen Landstraße ziehen mühelos am aufgrund der zahlreichen technisch nicht gesicherten BÜ permanent pfeifenden Zug vorbei.
Skifahren im Winter 2022/23
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Der Zub scannt meine Fahrkarte und meint nach einer Denkpause: „Hmm, also nach Lindau…“ Ja, ist nicht der direkte Weg…
Die Verspätung dümpelt bei ein paar Minuten herum, wir kreuzen die beiden Gegenzüge, ehe es dann mit gemächlichen 20 km/h nach Pfronten-Steinach geht, wo außer mir noch ein weiterer Fahrgast aussteigt. Selbstverständlich wurden bei der Elektrifizierung von Reutte bis Pfronten auch kein Meter Gleis zu viel unter Draht gesetzt…
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Weiter geht’s im Desiro, der eine neue Heimat gefunden hat.
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Unter ausgiebigem Gepfeife windet sich der Triebwagen durch das Ostallgäu, sammelt bis zur Kreuzung in Oy-Mittelberg trotz durchfahrenen Bedarfshaltestellen ohne erkennbaren Grund +3 ein.
Viel Solarstrom für den Dieselzug
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Weiter geht es pünktlich, aber nur bis zum Esig von Kempten, das auf Halt steht. Erst nach fünf Minuten geht es endlich auf, ob der Fdl einfach gepennt hat oder es einen anderen Grund dafür gab, lässt sich nicht herausfinden.
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Im 612er ist zwar nicht, wie auf der Anzeige am Bahnsteig angegeben, die 1. Klasse vorne, dafür aber der Vorhang offen, und ich kann dem Tf über die Schulter schauen, während der Triebwagen durch das Allgäu schaukelt. Das Abendrot leuchtet über dem Bodensee, als wir pünktlich ankommen und eine 20er-Einfahrt signalisiert bekommen, obwohl das Gleis gar nicht besetzt ist, weil der RE von GoAhead ausfällt.
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Der EC kommt mit +2, ich wage zu hoffen, dass in St. Margrethen mal nicht der IR 13 vorgelassen wird, was für den EC immer +25 bis Zürich bedeutet. Als wir am Bodensee entlang nach Bregenz rollen, zieht der Himmel nochmal alle Register und die rot strahlenden Wolken spiegeln sich zusammen mit der Bergkulisse dramatisch im Bodensee. Nach wenigen Minuten ist das Schauspiel dann auch schon wieder vorbei.
In St. Margrethen sind es immer noch +2, doch wir dürfen tatsächlich vor dem wenig später einfahrenden IR 13 weiter. In St. Gallen steigen zahlreiche Schweizer zu und verteilen sich auf die freien Sitze um mich herum. Im Vierer gegenüber sitzt ein vermutlich brasilianisches Paar mittleren Alters. Die Schweizer Schaffnerin kontrolliert die Fahrkarten. Das brasilianische Paar spricht kein Wort einer Fremdsprache und scheint erst nicht zu begreifen, was die Schaffnerin will. „Hmm, ich spreche leider kein Portugiesisch…“ Sie probiert es noch auf Englisch und Französisch, allerdings mit mäßigem Erfolg. Schließlich zeigt der Mann ein Foto von einer DB-Schalterfahrkarte auf seinem Handy. Die Schaffnerin versucht mühsam zu erklären, dass sie sie in Papierform sehen will. Erst als sie den Pass verlangt, scheint der Mann zu begreifen und deutet auf seinen Koffer auf der Gepäckablage. Der Fahrgast neben ihm steht auf, um ihn rauszulassen. Tatsächlich zieht er die Fahrkarte aus dem Koffer und die Schaffnerin geht zufrieden weiter.

Bald darauf versucht sich der Brasilianer mit den Schweizern zu verständigen. Er reicht sein Handy mit einer Übersetzungsapp weiter. Irgendwie scheinen die beiden nach Zürich zu wollen, aber irgendwann kommt dann auch Basel ins Spiel und irgendwas von TNW-Fahrkarten. „Der soll halt am Bahnhof fragen. Oder die Schaffnerin. Wo ist die denn hin?“ Das Handy wird noch ein paar mal herumgereicht, mal steht was auf Englisch, mal auf Französisch drauf. „Du kannst doch Französisch, ich kann es nur lesen, weiß aber nicht, was das bedeutet“, meint eine Frau und reicht es an eine andere weiter. „Hmm, ich kann ganz gut Französisch reden, aber schreiben ist schwer… Kann man die Sprache nicht umstellen? Aber man weiß ja auch nicht, was die Übersetzungsapp draus macht. Der will wohl in Zürich umsteigen.“ Nach einer Weile scheinen wohl die wichtigsten Fragen geklärt zu sein, anscheinend ist das Endziel wirklich Basel und ich biete an, sie in Zürich beim Umstieg zu begleiten. Ein Schweizer meint nur: „Naja, wir steigen in Winterthur aus, dann kannst du ja die Reiseleitung übernehmen. Mit Fähnchen und so…“ Na bloß nicht…

Wir nähern uns Zürich Flughafen, der Mann schaut mich fragend an. Ich schüttle den Kopf und wedele mit dem Zeigerfinger (weil ich mal irgendwo gelesen habe, dass es Kulturkreise gibt, in denen Kopfschütteln eher Zustimmung ist, kann mich aber nicht mehr erinnern, welche das waren). Ich sage aufs Geratewohl Aeroporto, und ergänze centro mit 10 Fingern, was er offenbar versteht, da er „dez minutos“ murmelt. Als nächstes rufe ich den DeepL-Übersetzer auf meinem Handy auf.

Ich bitte nochmal um seine Fahrkarte, es ist ein Normalpreis Europa München – Zürich von der DB für über 90 € pro Nase. Ich komme mir immer ein bisschen komisch vor, wenn andere Fahrgäste viel mehr als ich gezahlt haben. Ich lasse DeepL übersetzen, dass seine Fahrkarte nur bis Zürich gilt und er eine weitere bis Basel braucht. Er nickt und hält mir nach einer Weile wieder sein Handy unter die Nase, darauf ein TNW-Ticket, dass man automatisch erhält, wenn man in Basel eine Unterkunft bucht. Ich lasse nochmal übersetzen, dass diese Fahrkarte nur in Basel gilt und er noch eine von Zürich braucht. Als wir uns dem Bahnhof nähern, bedeute ich den beiden, mir zu folgen und wir steigen aus. Zum TGV nach Basel sind es genau 7 Minuten und wir müssen noch vom Tiefbahnhof nach oben und noch eine Fahrkarte kaufen, ohweia…
Ich will strammen Schrittes zur Rolltreppe, doch der Mann bedeutet mir, zu warten. „Zurich?“ Ich nicke, sage „Basileia“, was die Übersetzungsapp aus Basel gemacht hat und bedeute, zu folgen. Er fragt: „Dez minutos?“ Ich schüttele heftig den Kopf, gebe schnell „eine Stunde“ in die Übersetzungsapp ein und bedeute etwas ungeduldiger, mir zu folgen. Das tun sie dann auch, doch der Mann scheint nicht in bester körperlicher Verfassung zu sein und kann mir im Gegensatz zur Frau nicht ansatzweise folgen. Dann bleibt er wieder stehen und winkt mich heran. Auf seinem Handy hat er die Verbindung nach Basel mit dem IR36, der 2 Minuten nach dem TGV fährt. Ich deute noch auf die Treppe einen Bahnsteig weiter, wo der IR 36 abfährt, dann laufe ich schleunigst zum TGV, wo der Schaffner bereits die Pfeife im Mund hat und das Signal gerade aufgeht, als ich reinspringe.

In der 1. Klasse ist am Silvesterabend kaum etwas los. Im Vierer gegenüber sitzen zwei Mädels, vielleicht gerade volljährig. Der Schaffner kontrolliert die Fahrkarten, eines der beiden hält das Handy hin. „Haben Sie auch ein Halbtax?“ Es zeigt irgendwas anderes vor, der Schaffner ist zufrieden. Dann kontrolliert er das andere Mädel. „Ok, Ihr Halbtax bitte.“ Die angebotene Karte stellt ihn offenbar nicht zufrieden. „Damit können Sie in Zürich fahren. Aber haben Sie auch ein Halbtax? Das ist ein Billett zum halben Preis.“ Offenbar kann das gewünschte Dokument nicht gefunden werden, denn sie muss 40 Franken nachzahlen.
Über den Stimmungstiefpunkt sind die beiden allerdings schnell hinweg und sie packen ihre Kosmetikutensilien auf den Tisch. Bald wird eifrig gepinselt und getupft und im Wagen riecht es wie in der Kosmetikabteilung eines Drogeriemarkts. Nach zahlreichen kritischen Blicken in die Taschenspiegel wird das Ergebnis für gut befunden und die Kosmetikabteilung verschwindet wieder in den Taschen. Dann kann die Silvesterparty ja beginnen…
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Entenfang
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Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn

Beitrag von Entenfang »

Stürmisch in den Urlaub

Zum Start in den Urlaub soll meine Streckenbefahrung fortgesetzt werden…

Basel SBB........................IC 3.........ab 12:33

Zürich HB ....................................an 13:26
....................................IR 75.......ab 13:35

Frauenfeld....................................an 14:11
....................................S 15........ab 14:19

Wil.............................................an 14:48
....................................S 10.......ab 15:02

Romanshorn..................................an 15:53
Romanshorn Autoquai..........Fähre.....ab 16:24

Friedrichshafen Fähre......................an 17:08
Friedrichshafen Hafen.........RB 87......ab 17:36

Friedrichshafen Stadt......................an 17:37
...................................RJ 890.....ab 18:02

Ulm Hbf......................................an 19:07
...................................ICE 611....ab 19:12

München Hbf................................an 20:26


Mit dem Plan wären neu die Frauenfeld-Wil-Bahn sowie die Strecke Wil – Romanshorn dabei. Auch die elektrifizierte Südbahn kenne ich noch nicht und nehme sie gern mit. Es ist ein stürmischer Freitag, als ich losfahre.
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Zunächst scheint noch die Sonne, denn ich bin gerade immer zwischen den heftigen Schauern unterwegs. Knapp hinter Plan erreiche ich Zürich, von wo aus es in einer recht gut gefüllten Ersatzgarnitur für den IR 75 weitergeht. Kurz vor Frauenfeld gibt es eine Zwangsbremsung, irgendwo fällt etwas rappelnd zu Boden, wenig später geht es aber schon weiter.

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Die Tf der Frauenfeld-Wil-Bahn hält noch ein Schwätzchen mit dem Postauto-Chauffeur, ehe es losgeht. Zwei Frauen mit vier kleinen Kindern steigen ein und sind offenbar völlig überfordert. Die Kleinen rennen durch den Zug und plärren herum, allen Ermahnungen zum Trotz. Ein paar Stationen weiter steigen sie aus und eines der Kinder rennt sogleich los, eine Frau hinterher. Sie kann den Jungen noch einfangen, ehe er über den blinkenden BÜ läuft. Der Zug setzt sich in Bewegung und ich sehe nur das tonlose Geschimpfe der Frau durch die Fenster.
Ich schaue durch die Scheibe nach vorne raus. Gelb blinkende BÜ-Überwachungssignale wechseln sich mit rot flackernden BÜ ab. Gelbes Blinken. Gelbes Blinken. Rotes Flackern. Rotes Flackern. Gelbes Blinken. Rotes Flackern. Dunkles Signal. Scharfe Bremsung. Der Tf scheint es wie mir zu gehen – sie braucht offenbar ein paar Sekunden, ist etwa auf Höhe des dunklen Signals zum Stehen gekommen. Doch, ganz eindeutig ist das BÜ-Überwachungssignal dunkel. Sie fährt wieder an, bremst am BÜ auf Schritttempo ab, gibt einen Pfiff ab. Rotes Flackern, aber offene Schranke. Niemand kommt, weiter geht’s. Gelbes Blinken. Rotes Flackern.
Bald wird es pechschwarz draußen und der Himmel öffnet seine Schleusen. Kräftiger Wind treibt Regen vermischt mit Graupel durch die Dörfer. Im strömenden Regen komme ich in Wil an.
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Diverse Züge fallen aus, als Grund wird technische Störung an der Bahnanlage genannt. Ob ich mir wohl einen guten Tag für den Umweg ausgesucht habe? Ich überprüfe meine deutsche Verbindung, doch noch liegt offenbar kein Baum im Gleis. Der RJ kommt aus Wien (über Salzburg – Rosenheimer Kurve – Innsbruck – Arlberg – Bregenz) und ist mit +17 unterwegs. Laut Prognose des DB Navigators sollte er aber bis Friedrichshafen wieder pünktlich sein – das kommt mir doch recht optimistisch vor.
Auch meine S-Bahn fährt ein paar Minuten verspätet ab, hier wird als Grund ebenfalls eine technische Störung an der Bahnanlage genannt. Die Fahrt für durch saftig grüne Weiden in sanftem Hügelland.
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In Bussnang steigen recht viele Fahrgäste zu. Interessante Fahrzeuge entdecke ich bei Stadler allerdings keine. Bis Weinfelden sind wir wieder pünktlich. Wenig später bin ich auch schon in Romanshorn.
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Gemütlich spaziere ich zum Fähranleger, wo sich gerade jemand nach der nächsten Abfahrt erkundigt. «Die nächste Abfahrt ist leider erst um 17:24 Uhr, wegen Sturm konnten wir nicht fahren.» Ist schon etwas ironisch, dass jetzt, wo der See ziemlich ruhig daliegt, noch nicht gefahren wird. Da kommt gerade ein anderer Angestellter angelaufen. «Es ist jetzt bestätigt, um 17:24 Uhr fahren wir wieder.»
Ganz schlecht für mich, denn dann schaffe ich meinen Zug in Friedrichshafen nicht mehr und für die Fähre gelten ja keine FGR, womit sich die Zugbindung aufheben ließe. Ich überlege zu lange, lasse die S-Bahn nach Rorschach dummerweise abfahren, mit ihr hätte ich den RJ in Bregenz erreicht. Der hat ein bisschen Boden gutgemacht, aber ich glaube irgendwie immer noch nicht so recht, dass der am Ende pünktlich in Friedrichshafen ist. Und das ist auch gut für mich, denn meine Alternative ist jetzt, um 16:36 Uhr nach Konstanz zu fahren und von dort mit dem Katamaran nach Friedrichshafen. Dann hätte ich noch 10 Minuten Zeit, um zum Stadtbahnhof zu laufen, was mit etwa 25 kg Gepäck schon recht sportlich ist. Ein kurzer Blick auf die Webseite des Schiffbetreibers bestätigt meine Befürchtung – Verkehr wegen Unwetter aktuell eingestellt. Die Alternative ist ein Bus von Konstanz nach Friedrichshafen, der zwar direkt zum Stadtbahnhof fährt, mir aber trotzdem -3 Minuten Umsteigezeit zum RJ bietet. Mangels Alternativen steige ich in den RE nach Konstanz. Ich überprüfe meine Verbindung erneut. Der RJ hat Bregenz tatsächlich pünktlich verlassen, das ist nicht gut. Dafür ist der ICE mit +10 unterwegs. Immerhin nimmt auch der Katamaran wieder den Betrieb auf – ich kann um 17:00 in Konstanz einsteigen. Doch der Blick auf den Regenradar verheißt nichts Gutes – von Westen braut sich wieder etwas zusammen… Konstanz erreiche ich bei Sonnenschein und die 7 min Umsteigezeit sind nicht üppig, da der Bahnsteig wirklich ewig lang ist und ich ganz nach vorn laufen muss.
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Am Automaten am Fähranleger kaufe ich flugs eine Fahrkarte, ärgere mich darüber (denn die Fähre Romanshorn – Friedrichshafen ist im GA drin) und besteige das Schiff keine zwei Minuten vor der Abfahrt.
Der Motor erwacht zum Leben und in hoher Geschwindigkeit verlassen wir den Hafen von Konstanz. Ich bleibe draußen hinten auf dem Schiff und genieße den Blick zurück.
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Die Sonne kämpft noch um die Oberhand, doch von Westen hat sich bereits eine mächtige Wolkenwand aufgebaut und sie rollt unaufhaltsam auf uns zu. Am Anfang ist der See noch recht ruhig, doch der Wind frischt langsam auf. Schaumkronen sind auf der Wasseroberfläche zu sehen und das Schiff beginnt zu schaukeln. Im Westen des Sees ist die Sicht trüb und es regnet, während die verschneiten Berge im Südosten noch klar zu sehen sind.

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Die Sonne verschwindet, der Wind wird so kalt, dass ich nach gut der halben Strecke doch ins Warme gehe. Inzwischen schaukelt das Schiff recht stark, zum Glück dauert die Fahrt nicht mehr lange… Regen setzt ein, ich gehe nochmal kurz für ein paar Fotos raus und nehme dann wieder Platz.
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Ein paar Minuten später ertönt eine Durchsage. «Achtung, eine Durchsage der Schiffsführung. Sie haben es ja sicher schon gemerkt, dass der Wind und der Seegang zugenommen haben. Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen sitzen, bis wir den Hafen von Friedrichshafen erreicht haben.»
Einige Male schaukelt das Schiff heftig, dann beruhigt es sich wieder etwas. Der RJ ist inzwischen wieder mit +10 unterwegs, auf Verspätungen in Deutschland ist dann doch Verlass. Es gibt einen Bus vom Hafen zum Stadtbahnhof, der allerdings zur gleichen Minute abfährt, wie das Schiff ankommt. Ich muss darauf hoffen, dass wir durch den Westwind etwas schneller ankommen und ich ihn erreiche, sonst werde ich wohl auf dem Weg zum Bahnhof ziemlich nass…
«Achtung, nochmal eine Durchsage der Schiffsführung. Insbesondere die Einfahrt in Friedrichshafen könnte sehr wacklig werden, bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen und halten Sie lose Gegenstände fest.»
Das klingt böse, aber auch wenn ich den Seegang inzwischen irgendwie unangenehm spüre, ist mir noch nicht richtig übel.
Tatsächlich verläuft die Einfahrt ziemlich ruhig, der Wind scheint wieder nachgelassen zu haben, doch es regnet recht stark. Als die Brücke ausgefahren wird, bleiben mir anderthalb Minuten bis zur Busabfahrt und die Haltestelle ist noch ein gutes Stück entfernt. «Ein bisschen Sonnenschein…» summt der Fährmann vor sich hin, während er das Schiff festzurrt.
Ich eile Richtung Bushaltestelle, zum Glück ist der Bus nicht ganz pünktlich und fährt ein, kurz nachdem ich sie erreicht habe. Wenige Minuten später bin ich am Stadtbahnhof und der Railjet fährt gerade ein, als ich den Bahnsteig erreiche. Nur die Streckenbefahrung Friedrichshafen Hafen – Friedrichshafen Stadt habe ich wieder nicht geschafft… Mit +5 geht es nach Richtungswechsel weiter über die Südbahn nach Norden. Die Sonne zeigt sich wieder, während die pechschwarzen Wolken im Osten verschwinden. Mit -2 erreiche ich Ulm, steige in den leicht verspäteten ICE um, der eigentlich am selben Gleis hätte einfahren sollen, wo der RJ zuvor abgefahren ist, aber dann doch auf das Gleis gegenüber verlegt wird.
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«So, wir steigen jetzt in die S-Bahn um», erklärt eine Frau ihren beiden Kindern, «da ist zwar ein Baum im Gleis, aber zum Glück erst nach unserer Haltestelle.» Pünktlich auf die Minute geht die Fahrt in München zu Ende – ein guter Auftakt für die bevorstehende Reise.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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