Tag 24 Zürich → Basel
Als ich aufwache, nähern wir uns Lindau. Da auch im Inntal gebaut wird, wurde der Zug über München umgeleitet und hält zwischen Salzburg und Zürich nur in Bregenz. Dort fahren wir ein paar Minuten hinter Plan ab. Planmäßig sind bis Zürich 1h 35 min vorgesehen, doch der schweizerische Abschnitt wird zur Geduldsprobe. Wir stehen mehr, als dass wir fahren, so z.B. mehrere Minuten vor diesem kleinen Park…
Und hinter Rorschach kommt mir die Strecke plötzlich so unbekannt vor... Tatsächlich fahren wir den Bodensee entlang, über eine Verbindungskurve bei Romanshorn und dann oberirdisch bis Zürich HB, bleiben aber noch zahlreiche weitere Male auf der Strecke stehen, sodass wir erst mit +49 ankommen. Ich beeile mich, um noch den Anschluss nach Basel zu erreichen, auf mich wartet der TGV.
In der Schweiz ist es richtig herbstlich und mit -2 (für mich +32) geht die Reise in Basel zu Ende.
Fazit
Zagreb ist eine Stadt mit interessanten Einflüssen aus unterschiedlichen Epochen - Österreich-Ungarn, Ostblock und Moderne. Die Stadt wirkt verglichen mit Prag oder Budapest eher überschaubar und in einer ähnlichen Größenordnung wie Bratislava oder Ljubljana. Auch wenn die Stadt einige sehenswerte Ecken bietet, sind die Außenbezirke dann doch nicht so spannend wie beispielsweise in Budapest, wo man mit der Tram Orte völlig unterschiedlichen Charakters erfahren kann. Oder ich habe einfach die falschen Strecken ausgewählt...
Trotz des starken Autoverkehrs während der HVZ wirkt der ÖV dem Fahrgastaufkommen gewachsen und funktioniert durch die weitgehende Trennung vom MIV meistens stabil - grundsätzlich funktioniert die Verkehrsplanung in Zagreb, es ist nicht so ein Chaos wie beispielsweise in Belgrad, wo teilweise minutenlang überhaupt nichts mehr vorwärts geht. Auch wenn sowohl planerisch als auch im Hinblick auf Fahrgastinformation noch deutliches Verbesserungspotenzial besteht, bekommt der Fahrgast für einen günstigen Preis ein akzeptables Angebot, insbesondere das dichte Angebot bis am späten Abend sowie das tägliche Nachtnetz sind hervorzuheben. Dass es aber beispielsweise keine App gibt, mit der man Verbindungen suchen kann oder Abfahrtshäufigkeiten herausfinden kann, entspricht dem deutlich niedrigeren Niveau von z.B. Belgrad oder vielen rumänischen Städten, während Ungarn deutlich besser ist.
Die Eisenbahn funktioniert in Kroatien nicht sehr zuverlässig, das Bild, das ich mir im Jahr 2022 auf der Fahrt nach Split gemacht habe, hat sich bestätigt. Vor allem im Hinblick auf Fahrgastinformation gibt es noch Verbesserungspotenzial, Pünktlichkeitsinfos auf der Webseite zum Beispiel. Noch besser wäre es natürlich, man bräuchte die gar nicht so oft und die Züge würden pünktlicher verkehren...
Ungarn bietet ein sehr solides ÖV-Netz mit Taktverkehr fast im ganzen Land und dichtem Angebot in den Städten. Dieses wird gut angenommen, wie die oft sehr gut gefüllten Fahrzeuge beweisen. Informationen sind gut aufbereitet und inzwischen recht leicht zu bekommen, sowohl online als auch vor Ort und oft sogar auf Englisch. Die Modernisierung des Rollmaterials schreitet voran, es gibt aber noch einen bunten Mix an Altwagen im Bestand, sodass man sowohl im Eisenbahn- als auch im Stadtverkehr viele interessante Erlebnisse machen kann. Die Eisenbahn konnte hinsichtlich Pünktlichkeit allerdings nicht überzeugen und der Grund für die vielen Verspätungen sowie ihre regelmäßig extrem späte Bekanntgabe bleiben für mich ein Rätsel.
Insbesondere Szeged ist jedem ÖV-Freak zu empfehlen, gibt es doch vom Skoda 14Tr bis zum modernen Tram-Train einiges zu entdecken. Miskolc dagegen bietet als wenig bekannte Stadt einen komplett modernisierten Betrieb, der als Musterbeispiel eines erfolgreichen Trambetriebs taugt.
Der Kontrast zwischen Ungarn und Rumänien ist prägnant und vom ersten Moment an unübersehbar. Statt Bahnhöfen mit gepflegten Blumen gibt es verfallene Relikte einer besseren Eisenbahnzeit. Die Infrastruktur ist landesweit in einem oft mangelhaften Zustand und dringend sanierungsbedürftig. Es mangelt an allen Ecken und Enden am Geld und selbst wenn es Fördermittel gibt, verschwinden sie viel zu oft im Sumpf der Korruption oder Projekte scheitern an irgendwelchen dubiosen bürokratischen Hürden. Nichtsdestotrotz gibt es auch einige positive Beispiele wie die Beschaffung neuer Trolleybusse samt Kompletterneuerung des zentralen Knotenpunkts in Cluj oder die Bahnstrecke von der ungarischen Grenze bis Arad.
Ein weniger gutes Beispiel ist dagegen die Metro Bukarest. Vergleicht man diese mit jener in Sofia, deren erste Strecke erst in den 1990er-Jahren eröffnet wurde, hat Bulgarien deutlich mehr aus den zur Verfügung gestellten EU-Fördermitteln gemacht, während sich Streckenausbauten in Rumänien recht langwierig gestalten und eine fragwürdige Priorisierung haben. Beispielsweise bleibt es mir völlig rätselhaft, warum das nächste Erweiterungsprojekt die Linie M6 zum Flughafen ist, welche eine Zubringerlinie zur M4 wird, die jedoch ihrerseits nur eine Zubringerlinie ist und am Nordbahnhof endet, zumal man erst 2020 eine neue Eisenbahnstrecke zum Flughafen eröffnet hat, mit der man ebenfalls zum Nordbahnhof fahren kann. Erst später sollen dann eine Fortsetzung der M5 als zweite Ost-West-Achse durch die Innenstadt und irgendwann dann eine Verlängerung der M4 als Nordwest-Südost-Durchmesserlinie folgen.
Es gibt ein klares West-Ost-Gefälle innerhalb Rumäniens, die reichsten Regionen sind die um Arad, Timisoara und Cluj, die ärmsten die ländlichen Provinzen an der Grenze zu Moldawien. Dort sieht man zahlreiche Pferdewagen auf den Feldern, was mir im Westen nicht aufgefallen ist. Zudem gibt es viel mehr Bettler in Zügen und auf den Straßen.
Auch bei Stadtgestaltung und Zustand des ÖPNV fällt der Unterschied zwischen West und Ost auf - am lebenswertesten erscheinen mir Arad und Timişoara, während Iaşi und Bukarest in unerträglichen Blechlawinen ertrinken. Davon ist auch der ÖPNV betroffen, wodurch er sehr ineffizient und unattraktiv wird, sodass die extreme MIV-Belastung wenig verwunderlich ist.
Dies beginnt bereits im kleinen Detail. Insbesondere Bukarest ist außerordentlich fußgängerunfreundlich, man muss überall große Umwege in Kauf nehmen, um mal eine Kreuzung überqueren zu können. Haltestellen sind nicht so angelegt, dass sie möglichst gut erreichbar sind oder möglichst kurze Umsteigewege bieten, sondern so, dass sie den MIV möglichst wenig behindern. Dazu passt auch, dass sie viel zu schmal und recht häufig ohne Wetterschutz sind. Busbuchten sind zu kurz, dass der Bus wirklich reinpasst und selbst wenn man die Haltekante sauber anfahren könnte, kümmert das kaum je einen Busfahrer und er hält lieber mit einem Meter Abstand. LSA-Umlaufzeiten sind recht lange, sodass die Wartezeiten hoch sind, aber auch die LSA-Schaltungen sind oft ungünstig, sodass Linksabbieger die Tramgleise in der Straßenmitte blockieren und die Tram abwarten muss, bis die Linksabbieger abgeflossen sind, was aufgrund des extrem dichten Verkehrs erst gelingt, nachdem der Verkehr in gleicher Richtung rot bekommt. Die Fahrgastinformation ist von Ort zu Ort recht unterschiedlich – vom sehr positiven Beispiel Arad mit genauen Abfahrtsminuten ausgehängt an allen Haltestellen und DFI an vielen Haltestellen, die auch größtenteils mit der Realität übereinstimmen über Cluj und Iaşi, die zwar keine Aushangfahrpläne kennen, dafür aber DFI (deren Informationen allerdings immer wieder nichts mit der Realität gemeinsam hatten) zu Timişoara, wo es für die Stadtlinien keinerlei Abfahrtszeiten, nur Intervalle gibt (Hurra, alle 21 bis 22 min eine Tram…) bis zu Bukarest, wo DFI ebenso unbekannt sind wie jegliche Fahrplaninformationen an den Haltestellen. Den Webseiten der einzelnen Städte kann man inzwischen recht viele Informationen entlocken, der Standard sind zumeist Abfahrtsminuten ab der Starthaltestelle der jeweiligen Linie. Bukarest bietet als einzige Stadt eine Fahrplanauskunft in der App, deren angegebene Reisezeiten allerdings eher sportlich sind. Einige Städte haben auch Daten auf Google Maps, die dort angegebenen Abfahrtszeiten hatten aber nach unseren Beobachtungen wenig mit der Realität gemein.
Informationen im Fahrzeug sind ebenso rar wie außerhalb – bei Altfahrzeugen ist sie nicht vorhanden (ein Projekt zur Nachrüstung der GT4-Wagen in Iaşi ist auf unerklärliche Weise wieder in der Versenkung verschwunden), bei Neufahrzeugen gibt es Bildschirme, die vielleicht in der Hälfte der Fälle tatsächlich etwas anzeigen, dann stehen neben der Werbung irgendwo in Schriftgröße 10 die Haltestellen und wenn es auch noch die richtigen sind, ist es schon ein ziemlicher Glückstreffer. Auch funktionierende Haltestellenansagen gibt es vielleicht bei jeder zehnten Fahrt.
Ein Glückstreffer ist es leider auch, eine angenehme Fahrt zu haben, denn irgendwie riecht es in den Fahrzeugen fast immer unangenehm – oft stinkt es regelrecht. Gerade die deutschen Altfahrzeuge sind absolut nicht für das rumänische Klima ausgelegt und die wenigen Klappfenster sorgen nur für eine absolut unzureichende Belüftung – wenn man sie denn öffnen würde… Offenbar scheinen die Einheimischen damit kein Problem zu haben, denn selbst wenn es unerträglich stickig ist, kommt kaum jemand mal auf die Idee, ein Fenster aufzumachen.
Etwas unerfreulich ist der recht frühe Betriebsschluss, je nach Ort liegt er etwa zwischen 22:00 und 23:30 Uhr. Bukarest bietet als einzige Stadt Nachtverkehr mit Bussen an, die täglich im Halbstundentakt verkehren.
Als größte Probleme sehe ich jedoch die langen Wartezeiten und die Unzuverlässigkeit. Diese haben sicher zwei Hauptgründe, einerseits planerische, andererseits externe Störeinflüsse.
Ein riesiges planerisches Problem sind die überlagernden Linien mit Tendenz zum Verästelungsnetz mit völlig unterschiedlichen Taktzeiten. Auf gemeinsamen Streckenabschnitten ergibt sich in aller Regel kein sinnvolles Angebot mit gleichmäßigen Abständen, sondern alle Linien kommen direkt hintereinander und dann ewig nichts, dafür dann das erste Fahrzeug komplett überfüllt – das unterscheidet sich interessanterweise erheblich von Zagreb, wo sich die Fahrgäste tatsächlich auf die verschiedenen Linien verteilen. In Städten wie Iaşi mit einem sehr polyzentrischen Netz mag das aus Fahrgastsicht noch sinnvoll erscheinen (wenn dann endlich nach langer Wartezeit die richtige Linie kommt, kann man wenigstens bis zum Ziel durchfahren), in einer Stadt wie Cluj mit lediglich einer einzigen Durchmesserstrecke für die Tram ist es einfach nur unlogisch, dafür drei Linien zu haben. Zudem gibt es an den Endstellen oft nicht so viele Gleise wie Linien, sodass keine unabhängigen Wendezeiten abgewartet werden können. Erfahrungsgemäß hatten in vielen Fällen nicht einmal ab der Starthaltestelle die veröffentlichten Abfahrtszeiten etwas mit der Realität gemeinsam – da kann es im Verlauf der Linie kaum besser werden… Denn durch die oft fehlende Abtrennung des ÖPNV vom MIV sind die Störeinflüsse massiv, da sind fehlende Vorrangschaltungen und Wartepflicht an Fußgängerüberwegen fast schon irrelevant.
Beide Faktoren in Kombination sorgen für sehr ungleichmäßige Intervalle und dadurch für eine sehr ungleiche Auslastung der Fahrzeuge, was wiederum noch ungleichmäßigere Intervalle begünstigt (weil stark ausgelastete Fahrzeuge länger für den Fahrgastwechsel halten müssen). Zu kleine Fahrzeuge (in Rumänien gibt es nahezu keine Gelenk(trolley)busse, ausgenommen Cluj) verstärken das Problem weiter.
Infolgedessen kommen zwei Fahrzeuge hintereinander und dann ewig nichts – unzählige Male habe ich genau das beobachtet. Da man die genauen Abfahrtszeiten entweder gar nicht herausfinden kann oder der Fahrplan das Stück Papier nicht wert ist, bleibt dem Fahrgast gar nichts anderes übrig, als zufällig zur Haltestelle zu gehen. Und hier schlägt nun hoffnungslos das Wartezeitparadoxon zu – die durchschnittliche Wartezeit steigt deutlich über die halbe Taktzeit, die man normalerweise erwarten würde. Und so ist es keine Einbildung, fast immer ewig warten zu müssen, zumal die Wahrscheinlichkeit, zufällig eine lange Wartezeit zu erwischen natürlich auch größer ist als eine kurze…
https://de.wikipedia.org/wiki/Wartezeitparadoxon
Die Eisenbahn fällt durch einige interessante Aspekte auf. Zunächst einmal ist positiv anzumerken, dass alle größeren Städte des Landes gut zu verbunden sind, auf längeren Strecken kann man oft zwischen einem Tag- und einem Nachtzug wählen. Auf einigen Hauptstrecken gibt es mehr Verbindungen, auch Nebenstrecken werden in der Regel mehrmals am Tag, oft mit einer langen Pause am Vormittag, bedient. Auch wenn es keinen Taktfahrplan gibt, sind an Knotenbahnhöfen in aller Regel gute Umsteigeverbindungen gegeben. Eine interessante Feststellung ist, dass die grenzüberschreitenden Strecken Richtung Ungarn meist ein besseres Angebot aufweisen als so manche Strecke innerhalb Rumäniens, besonders das zweistündliche Angebot Arad – Budapest sticht hervor.
Das eingesetzte Wagenmaterial könnte unterschiedlicher nicht sein – im Fernverkehr sind nahezu ausschließlich etwa 15 Jahre alte Fahrzeuge unterwegs, vom einzelnen Desiro bis zum 12-Wagen-Zug mit zwei Loks ist alles dabei. Der Regionalverkehr ist noch spannender, hier sind auch mehrere private EVU unterwegs und zwar oft mit Gebrauchtfahrzeugen aus Deutschland und Frankreich unterschiedlichen Alters. Von der Caravelle über 628 bis zum LINT findet man alles.
https://eisenbahn-amateur.ch/2019/01/06 ... er-2018-4/
Die Erkundung dieser spannenden Nebenbahnen ist nochmal eine eigene Reise wert…
Eine etwas unschöne Nebenerscheinung dieser Gebrauchtfahrzeuge ist das Dieseln unter vollständig elektrifizierten Strecken – alte Dieseltriebwagen waren wahrscheinlich günstiger zu bekommen als passende ET, denn Rumänien hat 25 kV. Bei den französischen Triebwagen frage ich mich allerdings, ob die PZB bekommen haben oder einfach ohne Zugbeeinflussung herumfahren…
Genauso unterschiedlich wie das eingesetzte Wagenmaterial ist auch dessen Zustand – vom gut unterhaltenen modernen Reisezugwagen bis zum graffitiübersprayten, halb auseinanderfallenden Desiro mit defekter Klimaanlage und eingeschlagenen Scheiben kann man alles erwarten. Generell fällt aber ein Mangel an Wartung und Instandhaltung häufig auf, was die Fahrt sehr unangenehm machen kann. Bulgarien beispielsweise hat wesentlich weniger modernes Wagenmaterial, aber dafür erstickt man auch nicht, wenn die Klimaanlage nicht funktioniert und offene WC sind auch recht wartungsarm und erfüllen ihren Zweck immer.
Die Pünktlichkeit der Eisenbahn in Rumänien ist sehr unterschiedlich – von der komplett pünktlichen Fernverkehrsfahrt bis zur Verspätung deutlich über einer Stunde haben wir alles bekommen und den Stichproben in der Echtzeitauskunft nach zu urteilen ist mit beidem zu rechnen.
Alles in allem eine spannende Eisenbahn, mit der man das Land gut erkunden kann und man wird viel Zeit dafür bekommen, es zu erkunden – über 50 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit ist selbst auf Hauptstrecken eine Ausnahme. Man muss aber auf deutliche Komforteinbußen gefasst sein.
Da man auf der Webseite der CFR (oder in der erfreulich gut funktionierenden App) nur CFR-Züge findet, empfiehlt sich eine Suche auf folgender Webseite, die alle EVU berücksichtigt:
https://mersultrenurilor.infofer.ro/ro-RO/Itineraries
Das alles liest sich jetzt wie eine Sammlung von Worst Practice-Beispielen. Und da ist auch etwas Wahres dran. Dennoch sehe ich das Glas für den ÖV in Rumänien eher halbvoll als halbleer. Ja, es gab in den letzten Jahren einige Strecken- und Netzstilllegungen. Dem stehen aber umfangreiche Modernisierungen entgegen, die inzwischen alle Trambetriebe und einen Großteil des Streckennetzes umfasst. Auch die Digitalisierung schreitet voran, sei es durch elektronische Fahrkarten, die beispielsweise in Bukarest die Nutzung von U-Bahn und Oberflächenverkehr mit einer Fahrkarte ermöglichen (was bis 2022 nicht möglich war) oder durch die praktische und gut funktionierende CFR-App und Webseite. Gerade Timişoara zeigt, dass innerhalb weniger Jahre eine deutliche Aufwertung der Innenstadt möglich ist und Cluj wird mit hoher Wahrscheinlichkeit noch in diesem Jahrzehnt den zweiten U-Bahnbetrieb des Landes erhalten und womöglich auch das erste S-Bahnnetz, denn bisher spielt die Eisenbahn im städtischen Verkehr überhaupt keine Rolle.
Aber der größte positive Aspekt ist, dass es noch immer zehn Städte mit Trambetrieb (in Reşita wird er nach über einem Jahrzehnt Betriebsruhe wieder aufgebaut und könnte noch 2024 eröffnet werden) und zehn Städte mit Trolleybussen gibt (wobei Vaslui erst 2023 nach mehreren Jahren Pause wieder in Betrieb ging). Vergleicht man das mit anderen Ländern Südosteuropas, nimmt Rumänien eine Spitzenposition hinsichtlich ÖV-Angebot ein. Das trifft genauso auf den Eisenbahnverkehr zu. Allein zu Ungarn gibt es fünf Grenzübergänge, die täglichen Personenverkehr aufweisen – während Serbien mit Ausnahme Bar und – seit November 2023 ein Pendelzug Subotica – Szeged - nichts mehr und Griechenland ebenfalls keinen internationalen Zugverkehr mehr anbietet. Trotz vieler Kritikpunkte ist der rumänische ÖV definitiv eine Reise wert, man wird mit Museumsfahrzeugen im Regelbetrieb belohnt und oft genug auch vom Fahrpersonal gegrüßt. Man sollte aber kein Problem mit überfüllten Fahrzeugen, unangenehmem Geruch und schlechter Belüftung haben – ich bin ziemlich froh, erst so spät im Jahr gereist zu sein und würde keinesfalls im Sommer nach Rumänien fahren.
Bis auf die unangenehme Begegnung in Iaşi und dem entwendeten Proviantbeutel gab es keine unangenehmen Zwischenfälle – mit Bettlern muss man allerdings insbesondere im Osten und Süden rechnen, auch im Zug. Ansonsten habe ich Rumänien als sehr gastfreundlich und die Menschen als sehr hilfsbereit kennengelernt. Man muss allerdings gelegentlich Geduld mitbringen, Effizienz ist oft nicht die oberste Priorität. Englischkenntnisse sind in Rumänien nur mäßig vorhanden – bei jungen Menschen in der Regel sehr gut, bei älteren oft überhaupt nicht. Es empfiehlt sich, die wichtigsten Redewendungen und Begriffe auf Rumänisch vorzubereiten.
Restaurantbesuche sind in Rumänien sehr günstig, allerdings ist die Auswahl nicht besonders vielfältig. Meistens kann man zwischen Italienisch und Rumänisch wählen, wobei Letzteres in der Regel sehr deftig, kohlenhydrat- und fleischreich ausfällt. Speisekarten haben gern den Umfang eines Romans, man sollte allerdings damit rechnen, dass bestenfalls die Hälfte davon auch wirklich verfügbar ist und sich auf lange Wartezeiten einstellen, selbst wenn nur wenige Gäste da sind. Der Mangel an frischem Obst und Gemüse lässt sich am besten auf den Bauernmärkten beheben, die im Gegensatz zu Deutschland nicht nur Di und Do von 8:00 bis 12:00 Uhr sondern in der Regel sieben Tage pro Woche von morgens bis nachmittags geöffnet sind.
Rumänische Großstädte sind ohne Zweifel anstrengend und das habe ich nach zwei Wochen dann auch allmählich gespürt. Der Fokus lag auf der Erkundung der ÖPNV-Systeme und dieses Ziel ist auch gut gelungen. Leider verliert man viel Zeit mit Warten und findet nur wenige Stellen für autofreie Bilder – man braucht Geduld und eine gewisse Frustrationstoleranz.
In Rumänien findet man noch den wilden Osten in der EU, vor allem im Osten und Süden, während Siebenbürgen deutlich westlicher und moderner ist. Wer also ein sehr ursprüngliches, untouristisches, günstiges und aus Mitteleuropa nach einer langen, langen Fahrt per Bahn erreichbares Abenteuerland sucht, weder Eiffelturm noch Kolosseum erwartet und mit Komforteinbußen umgehen kann, dem sei das Land als Reiseziel empfohlen.
In diesem Sinne danke an Mihai für die Begleitung, die hochkompetente Führung und spannenden Hintergründe zu diesem wenig bekannten Land.
Die wesentlichen Erkenntnisse der Reise:
Die westeuropäische Energieknappheit scheint Rumänien nicht zu kümmern - während wir über eine mögliche gesetzliche Begrenzung der Heiztemperatur in Privaträumen streiten, laufen anderswo die Heizungen ohne Regelungsmöglichkeit so stark, dass man nachts das Fenster offen lassen muss, um überhaupt schlafen zu können und die Klimaanlagen auf Hochtouren, weil es fast keine Beschattungsmöglichkeiten wie Rollladen gibt.
Hinter manchem Klischee steckt mehr als ein Funke Wahrheit.
Tram und Trolleybus sind in erster Linie eine politische Frage, weniger eine verkehrliche oder wirtschaftliche.
Eine große Anzahl an Linien an einer bestimmten Haltestelle bedeutet noch lange keine kurze Wartezeit.
Man kann auch mit sehr wenig finanziellem Spielraum einen halbwegs brauchbaren ÖPNV bereitstellen - Tramstrecken müssen nicht wie eine HGV-Strecke gebaut sein, um zu funktionieren.
Und, wir kennen es bereits aus Indien - frage nicht immer nach dem Grund, es gibt nicht für alles eine objektive Erklärung.
Statistik
Gefahrene Bahnkilometer: 4870
Planmäßige Gesamtfahrzeit Bahn: 3d 15h 4min
Reisegeschwindigkeit Bahn: 56 km/h
Gesamtverspätung (analog FGR): 350 min
Reisezeitverlängerung durch Verspätung: 6,7% (Ein ziemlich schlechter Wert…)
Kosten Fahrkarten + Reservierungen Bahn: 392 €
Bus, ÖPNV: 90€
Fahrtkosten gesamt: 482 €
Kosten pro Bahnkm: 8,1 Cent