Jein. Richtig ist, die Verkehrswende darf keine reine Antriebswende werden. Die Zahl der gefahrenen Pkw-Kilometer muss sich gunsten von Nichtverkehr, Fuß- und Radverkehr sowie öffentlichem Verkehr wieder massiv verkleinern, auch der Pkw-Bestand. Da habe ich ja schon Vergleiche mit z.B. 1980 gebracht, wo wir auch nicht auf den Bäumen gewohnt haben, aber gerade auf dem Land auch andere Strukturen hatten vom heute oft autogerecht teils draußen im Gewerbegebiet liegenden Supermarkt über's geschlossene lokale Kino bis zu einer lokaleren Beschulung/Berufsausbildung.Entenfang hat geschrieben: ↑06 Mär 2023, 20:53 Wenn dafür also Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen werden müssen, könnte die Bilanz anders aussehen.
Folglich würden 100.000 neue Dieselbusse, die (fast) jeden Ort über 300 Einwohnern Mo-So im Stundentakt anbinden (siehe Schweiz), wahrscheinlich einen viel besseren Effekt erzielen als alle Autos morgen elektrisch zu betreiben und sonst nichts zu ändern.
Beim ÖPNV, gerade wenn wir über Orte reden, die eher 300 als 3.000 Einwohner haben, haben wir durch diese in den letzten Jahrzehnten aufgebauten autogerechten Strukturen riesen Probleme. Das ist in der Schweiz vielleicht auch noch anders.
Es ist teilweise auch echt echt knifflig, wenn man wirklich an den flächendeckenden Anschluss gehen will, weil die Kreistadt in einer anderen Richtung ist als der Gemeindehauptort, der Bahnhof ggf. nochmal woanders und wenn man Richtung Hauptort fährt, müsste man für die Fahrt zum Supermarkt Schleifen fahren, die den Weg z.B. in die Kreisstadt wieder unattraktiv machen. Da wird man realistisch immer Lücken haben, die wieder dazu führen, dass auch andere Fahrten nicht mit den Öffis stattfinden. Es wurden aus Orten, die 1960 noch fast ohne Verkehr nach außen in sich geschlossen funktionierende Dörfer mit Rathaus, Kirche, Wirtshaus, Postamt inkl. Bushaltestelle, Volksschule (reichte für 95% der Schüler bis zur Berufsausbildung), Kramerladen, einigen "soloselbstständigen" Handwerkern und vielleicht sogar einem Elektroladen und einem Sportplatz und 300 überwiegend lokal beschäftigten Einwohnern heute "Schlaforte" mit 1.000 Einwohnern in reiner Wohnbebauung plus teils über 80 verstreuten heute unselbstständigen weiteren Ortsteilen mit nur noch ehemaligem Wirtshaus, alter Schule, alten Bahnhof und so geworden. Es fährt auch kein Bierfahrer mehr rum, selbstverständlich muss man seine vier, fünf Kästen Getränke mit dem Auto holen. Da steht ja dann neben dem Supermarkt im Gewerbegebiet noch ein Getränkemarkt mit großen Parkplatz ...
Durch den Strukturwandel im Handel ist nicht nur viel Versandhandel entstanden, über den oft gesprochen wird, sondern auch Pkw-Fahrerei zu großen zentralen Bau- oder Elektromärkten. Eine Packung Schrauben oder ein Kübel weißer Wandfarbe wird vergleichsweise selten verschickt, da fährt man hin, heute locker auch mal 30 km. Der Dorfladen ist gestorben, auch weil der Supermarkt mehr Sortiment hatte, gleichzeitig sind die Discounter mit weniger Sortiment und noch mehr Anfahrtskilometern (die beim Preis keiner einrechnet) stark gewachsen. WTF!? Das führt dann auch dazu, dass mehr Autoverkehr auch Radfahrer wieder verschreckt hat, weswegen wir heute meinen auf Gemeindestraßen mit vor nicht allzu langer Zeit bis 500 Autos am Tag für viel Geld extra Radwege bauen müssen, um den Radverkehr zu fördern. Das ist schon gaga.
Es reicht nicht einfach nur einen ÖPNV aufzubauen und wie man den Verkehr alternativ produzieren kann, sondern man muss über die ganzen autogerechten Strukturen mal nachdenken und wie man die wieder umbaut. Die Schweiz ist ja kein kleines Deutschland mit einfach nur mehr ÖPNV.

PS: Und klar ist auch, dass es nicht sinnvoll sein kann, dass letztlich bundesweit Millionen von Leuten aus den Städten oder deren nahem Umland auf's Land ziehen, nur um da dann wieder dafür zu sorgen, dass Leute, die einst eine U-Bahn hatten, a.) wegen des Traums nach dem Leben mit Hund, Zweitwagen und Schottergarten oder b.) weil die Fabrik von der Stadt auf die grüne Wiese (in einer Region mit eigentlich Vollbeschäftigung) umzieht, dann irgendwie wieder an den ÖPNV (in die Stadt) angebunden werden müssen.