Kapazität nicht ausgelastet: Einer der modernsten Fahrwegsimulatoren der Welt muss stillgelegt werden
(Berlin, 17. September 2003) Er gilt als einer der modernsten Fahrsimulatoren der Welt und ist in seiner Art einmalig in Europa – der Rollprüfstand der Bahn auf dem Gelände der DB Systemtechnik in München-Freimann. Dennoch steht er vor dem Aus und soll bis zum Ende des Jahres geschlossen werden. Grund: Dem Rollprüfstand gehen die Kunden aus. Die Kapazitäten des Rollprüfstands sind von Seiten der Bahnindustrie seit Monaten nicht mehr ausgelastet. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Finanzierung dieser gewaltigen Versuchseinrichtung.
„Offenbar hat die Bahnindustrie kaum noch Interesse an der Erprobung von Fahrzeugen und Komponenten auf dem Rollprüfstand“, sagt Stefan Garber, Generalbevollmächtigter Technik und Beschaffung der Deutschen Bahn AG. „Jedoch kann es in einer Zeit, in der die Entwicklungsverantwortung in den Händen der Bahnindustrie liegt, nicht länger Aufgabe der Bahn sein, eine ausschließlich der Entwicklung dienende Anlage allein zu unterhalten.“ Ziel der Bahn sei dennoch immer gewesen, die Anlage für die Bahnindustrie zu erhalten. Verhandlungen mit den großen Systemhäusern, Verantwortung zu übernehmen und sich im Rahmen einer Betreibergesellschaft an den Betriebskosten zu beteiligen, führten jedoch bisher nicht zum Erfolg. Wenn auch die Testfahrten auf dem Rollprüfstand nicht Bestandteil des Zulassungsverfahrens für neue Schienenfahrzeuge und Komponenten sind, so sieht Garber sie doch als einen sinnvollen, qualitätssichernden Bestandteil des Entwicklungsprozesses hochwertiger Fahrzeuge. Arbeitsplätze seien aufgrund der Schließung nicht gefährdet. Die vier Mitarbeiter, die derzeit am Rollprüfstand arbeiten, würden innerhalb der DB Systemtechnik in einen neuen Aufgabenbereich integriert.
Der Rollprüfstand, der in seiner heutigen Ausbaustufe seit 1978 in Betrieb ist, wurde 1994 von der Deutschen Bahn grundlegend saniert und mit zahlreichen technischen Neuerungen ausgestattet. Seitdem hielt die Bahn den Prüfstand mit eigenen Mitteln permanent auf dem neuesten Stand. Bis zu Beginn der Bahnreform 1994 war die Ansiedlung des Prüfstands bei der Bahn durchaus nachvollziehbar, denn bis zu diesem Zeitpunkt führte die Bahn Fahrzeugentwicklungen und technologische Grundsatzuntersuchungen in eigener Verantwortung durch. Diese Verantwortung obliegt heute wieder allein der Bahnindustrie.
Dank modernster Technologie bietet der Münchener Rollprüfstand die Möglichkeit, das Laufverhalten von Fahrzeugen unter Laborbedingungen bis zu einem Tempo von 500 Stundenkilometer zu simulieren. Auf diese Weise können technische Systemgrenzen oder die Folgen von Extrembelastungen exakt ermittelt und neue Fahrwerkkonzepte auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft werden. Statt auf Schienen rollen die Räder der Fahrzeuge auf Rollen mit Schienenprofil. Hier können Bedingungen simuliert werden, die aus Sicherheitsgründen im laufenden Betrieb nicht zulässig sind. Mit umfangreichen und differenzierten Testverfahren kann der Prüfstand nahezu alle im Betrieb auftretenden Situationen – verschiedene Spurweiten, Gleisbeschaffenheiten usw. – simulieren, was bedeutet, dass er alle wesentlichen physikalischen und geografischen Parameter nachbilden kann, die ein Fahrzeug auf der Strecke vorfindet. Drehgestelle können also in nahezu jeder erdenklichen Fahrsituation getestet werden, mit dem Ziel, Bauteile, Subsysteme und Schnittstellen zu optimieren.
Deutsche Bahn AG
Werner W. Klingberg
Konzernsprecher
Deutsche Bahn AG
Christine Geißler-Schild
Sprecherin Technik
Deutsche Bahn AG