Funktion der stirnseitigen Tür in U-Bahnen

Strecken, Fahrzeuge und Technik von U-Bahnen
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ma

Beitrag von ma »

Guten Tag an alle -

bei vielen U-Bahn-Systemen weltweit ist es üblich, dass eine Tür im Führerstand stirnseitig angebracht ist.
Ich fragte mich oft, für was genau sie gedacht ist?

a ) Ist sie nur dafür gedacht, dass das Personal bei Bedarf den kompletten Zug durchlaufen kann, z.B. wenn mehrere Einheiten zusammengekoppelt sind?

b ) Oder ist es als Notausgang für die Passagiere gedacht, falls die U-Bahn in einem sehr engen Tunnel (z.B. Londoner Underground "Tube") steckenbleibt, wo keine Möglichkeit besteht, seitlich auszusteigen?

oder c ) für beides gedacht?


Ich frage mich auch weiterhin , falls a ) zutrifft, warum haben dann viele Ubahnen wie z.B. die Münchner-U-Bahn oder Wiener U-Bahn KEINE Türen im Führerstand stirnseitig, obwohl auch hier Einheiten zusammengekoppelt werden und somit das Personal sicher hin und wieder den ganzen Zug mal durchlaufen muss?
Und warum besitzt die neue Berliner Baureihe "H" dagegen wieder eine Tür, obwohl der Zug schon auf voller Länge durchgängig ist und daher damit gerechnet werden kann, dass im Betrieb niemals 2 solche Einheiten zusammengekoppelt werden?

Wenn b ) zutrifft, warum hat z.B. die Pariser Metro ebenfalls keine Türen? Als eine der ältesten Metros Europas wird sie sicherlich auch enge Tunnels haben, wo ein seitlicher Ausstieg im Tunnel kaum möglich sein wird, oder?

Ich freue mich sehr auf Antworten!
Liebe Grüsse!
Electron
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Beitrag von Electron »

Hallo,

bei "neueren" Systemen (so ca 60er Jahre und später) sind die Tunnel meist so ausgebaut, dass die Züge auch im Tunnel durch die seitlichen Türen verlassen werden können (z.B. wenn der Zug evakuiert werden muss), in einigen Deep-Level-Linien der Londoner Tube täte man sich da äußerst schwer.
Und in München und Wien z.B. sind die Abstell- und Wendeanlagen ja i.d.R. so ausgebaut, dass mindestens über die gesamte Zuglänge Wege vorhanden sind (sieht man auch im Vorbeifahren am z.B. Westfriedhof o.ä. recht gut -> in dem Fall brauchts die zusätzlichen Türen einfach nicht (spart Geld, Konstruktionsaufwand, Wartung usw.)
Zu Paris...mmmh, gute Frage. die "Altbauwagen" also bis Sprague-Thomson (Bj. 1923) haben diese noch, "Neubauware" ab den 50ern nicht mehr. Wenn ich mich aber recht erinnere gibts da aber(verschlossene) Türen zwischen den Wagen.

Grüße
Tobias
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

ma @ 20 May 2008, 19:02 hat geschrieben: a ) Ist sie nur dafür gedacht, dass das Personal bei Bedarf den kompletten Zug durchlaufen kann, z.B. wenn mehrere Einheiten zusammengekoppelt sind?

b ) Oder ist es als Notausgang für die Passagiere gedacht, falls die U-Bahn in einem sehr engen Tunnel (z.B. Londoner Underground "Tube") steckenbleibt, wo keine Möglichkeit besteht, seitlich auszusteigen?

oder c ) für beides gedacht?
In erster Linie B).

Der Punkt a ist sicher ein netter Nebeneffekt, aber sicher nicht Hauptgrund - warum sollte das Personal zwischen zwei Haltestellen durch den Zug laufen müssen? Das geht an der nächsten Haltestelle in der Regel genauso.

Zum H-Zug: Hat der wirklich ne Fronttür?
Electron @ 20 May 2008, 19:20 hat geschrieben:Zu Paris...mmmh, gute Frage. die "Altbauwagen" also bis Sprague-Thomson (Bj. 1923) haben diese noch, "Neubauware" ab den 50ern nicht mehr. Wenn ich mich aber recht erinnere gibts da aber(verschlossene) Türen zwischen den Wagen.
Kann es sein dass man da vielleicht die Frontscheibe als ganzes abwerfen/hochklappen kann oder sowas?
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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chris232
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Beitrag von chris232 »

Ja, der H-Zug hat so eine Tür.
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
Otto von Bismarck

Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
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spock5407
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Beitrag von spock5407 »

Ich vermute mal, die Tür braucht man bei alten Großprofilstrecken in Berlin als Notausgang wg. dem Profil?

Obwohl, in Panik dürfte die Durchlassmenge dieser kleinen Türen sehr begrenzt sein.
Fastrider
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Beitrag von Fastrider »

spock5407 @ 20 May 2008, 21:07 hat geschrieben: Obwohl, in Panik dürfte die Durchlassmenge dieser kleinen Türen sehr begrenzt sein.
Obwohl ist besser als gar kein Notausgang.
Daniel Schuhmann
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Beitrag von Daniel Schuhmann »

chris @ 20 May 2008, 20:59 hat geschrieben: Ja, der H-Zug hat so eine Tür.
Naja. Eine richtige Tür, wie bei den anderen Fahrzeugen ist es nicht. Es handelt sich vielmehr im eine Glasscheibe, die durch Scharniere gehalten wird. Zum Öffnen müssen rundherum die Ausreißgummis entfernt werden. Wird die Tür um mehr als 90 ° geöffnet, kann sie gegen die Wischerlager schlagen und brechen - durch eine Folie wird sie aber dennoch zusammengehalten. Also wirklich nur was für den richtigen Notfall.
Daniel Schuhmann
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Beitrag von Daniel Schuhmann »

Boris Merath @ 20 May 2008, 20:54 hat geschrieben: Der Punkt a ist sicher ein netter Nebeneffekt, aber sicher nicht Hauptgrund - warum sollte das Personal zwischen zwei Haltestellen durch den Zug laufen müssen?
Wird zumindest in Berlin generell nicht gemacht. Der ganze Kram wird nur bei Unfällen oder Störungen genutzt. Das Durch-den-Zug-gehen an den Endstationen (als es die Zapper noch gab, war das durchaus üblich) geschah jedenfalls immer durch die Fahrgasttüren, durch die erste Wagentür rein, durch die dritte Tür raus.
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Wildwechsel
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Beitrag von Wildwechsel »

ma @ 20 May 2008, 19:02 hat geschrieben:warum hat z.B. die Pariser Metro ebenfalls keine Türen? Als eine der ältesten Metros Europas wird sie sicherlich auch enge Tunnels haben, wo ein seitlicher Ausstieg im Tunnel kaum möglich sein wird, oder?
Wenn man sich beispielsweise mal dieses Bild bei Wikipedia anschaut, dort sieht man recht schön den standardmäßig verwendeten Tunnelquerschnitt der Pariser Métro. Zum einen sind dort die Tunnel fast alle zweigleisig, so dass man problemlos über das gesperrte Gegengleis evakuieren können müsste. Zum anderen, auch auf der dem Gegengleis abgewandten (im Bild linken) Seite des Zuges scheint mir genug Platz für einen Fluchtweg vorhanden zu sein. Auf dieser Internetseite findet man noch einige Fotos von eingleisigen Tunnelabschnitten, da scheint auch jeweils seitlich Platz für einen Fluchtweg zu sein.
Beste Grüße usw....
Christian


Die drei Grundsätze der öffentlichen Verwaltung in Bayern:
1. Des hamma no nia so gmacht
2. Wo kamat ma denn da hi
3. Da kannt ja a jeda kemma
ma

Beitrag von ma »

Hallo,

also wenn ich mir mal die bisherigen Beiträge durchlese, dann scheint es wirklich so zu sein, dass diese stirnseitige Fronttür v.a. bei U-Bahn-Systemen eingesetzt wird, deren Tunnel eng sind und somit eine Evakuierung über die seitlichen Türen unmöglich ist.

Die Berliner U-Bahn verfügt auch über solche engen Tunnel? Hatte immer in Erinnerung, dass sie meistens auch zweigleisig sind wie in Paris?

(als es die Zapper noch gab, war das durchaus üblich)
Erklärst du mir kurz, was Zapper bedeutet?

Wenn man sich beispielsweise mal dieses Bild bei Wikipedia anschaut, dort sieht man recht schön den standardmäßig verwendeten Tunnelquerschnitt der Pariser Métro. Zum einen sind dort die Tunnel fast alle zweigleisig, so dass man problemlos über das gesperrte Gegengleis evakuieren können müsste.
Dann frag ich mich aber wieder, warum die alte Generation Sprague-Thomson eine Tür brauchte?


Was mir noch einfällt, bei der New Yorker Subway befindet sich die Person, die die Türen zentral öffnet und schliesst, immer genau in der Mitte des Zuges, d.h. dort, wo 2 Einheiten zusammengekoppelt sind. Je nachdem, auf welcher Seite am nächsten Bahnhof ausgestiegen wird, muss er immer zwischen den beiden Führerständen hin und her wechseln (die sich in Fahrtrichtung auf der rechten Seite befinden) und dabei ständig diese Tür passieren.

Aber abgesehen davon scheint sie ausschliesslich für Notfälle gedacht zu sein? Wie auch schon oben diskutiert, stelle ich mir das sehr beengend vor, wenn man sich mal einen gut gefüllten U-Bahn-Zug vorstellt. Bis die alle mal durch die kleine Tür rausgehüpft sind. Aber gut, immer noch besser als nix....

Grüsse!
Daniel Schuhmann
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Beitrag von Daniel Schuhmann »

ma @ 21 May 2008, 16:36 hat geschrieben:Die Berliner U-Bahn verfügt auch über solche engen Tunnel?
Oh ja. Gerade im Kleinprofil sind die Tunnel sehr eng. Und auch im Großprofil gibt es genug Streckenabschnitte mit sehr engen Tunnels. Wir sprechen von Tunneln, die in den 1920er Jahren gebaut wurden. Achte mal beim nächsten Besuch darauf, wie oft Du die rot-weiss-roten Markierungen an den Wänden sehen wirst - diese bedeuten, dass der Schutzraum zwischen Zug und Wand (oder Stütze) nicht ausreicht. Je älter die Strecke, desto öfter gibt es sie. Natürlich trifft dies auf Neubaustrecken kaum noch zu, die U7 vom Rohrdamm nach Spandau beispielsweise ist recht großzügig gebaut.
ma @ 21 May 2008, 16:36 hat geschrieben:Erklärst du mir kurz, was Zapper bedeutet?
Zugabfertiger. Bis vor einigen Jahren saßen in den Kanzeln eines jeden Bahnhofs noch Abfertiger. BVG-Intern war jedoch meist die Bezeichnung "Zapper" gebräuchlich.
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gmg
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Beitrag von gmg »

Daniel Schuhmann @ 20 May 2008, 23:17 hat geschrieben: Wird zumindest in Berlin generell nicht gemacht. Der ganze Kram wird nur bei Unfällen oder Störungen genutzt. Das Durch-den-Zug-gehen an den Endstationen (als es die Zapper noch gab, war das durchaus üblich) geschah jedenfalls immer durch die Fahrgasttüren, durch die erste Wagentür rein, durch die dritte Tür raus.
Das muss doch auch total umständlich sein, wenn man pro Wagen zwei Türen auf und zu machen muss. (vgl. Fernverkehrzüge während der Fahrt). Da ist man über den Bstg oder den Steg in der Wendeanlage viel schneller.
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