[S] Betriebsaufrechterhaltung bei PUs

Alles über die Netze von S-Bahnen
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remstalpendler
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Beitrag von remstalpendler »

Heute früh war bei S-Zuffenhausen wieder ein PU gewesen :o
Stuttgarter Zeitung Online
Ich bedaure insbesondere die/den Tf, die Leute die das aufputzen mussten, und die direkt betroffenen Fahrgäste.

Es ist kein Zug der S4, S5 und S6 gefahren. Ich habe das als Pendler im Hbf erlebt :(
Durchsagen haben empfohlen, die Straßenbahn 15 bis Zuffenhausen zu benutzen.
Als ob man den Verkehr dreier S-Bahn-Linien zur Hauptverkehrszeit in eine Straßenbahnlinie packen könnte.

Ich habe in den letzten Monaten mehrmals das Stuttgarter S-Bahn-Netz nach PUs erlebt, und frage mich dabei zweierlei:
  • Warum ist es nicht möglich, nur das betroffene Gleis zu sperren, den Verkehr über die Nachbargleise zu leiten und diese falls nötig auf Langsamfahrt zu schalten?
    Bei Unfällen auf Straßen leitet man ja auch den Verkehr an der Unfallstelle vorbei
  • Wenn das nicht möglich ist, warum kann man den Verkehr nicht bis zu den direkt benachbarten Haltestellen aufrechterhalten und die Züge dort wenden lassen?
    Dann hat man es leichter, Bus-Ersatzverkehr einzurichten, ggf. kann man auch die Distanz zu Fuß überbrücken.
Dass es nötig gewesen sein soll, gleich den ganzen Ast von Hbf bis mindestens Zuffenhausen dicht zu machen, will mir nicht in den Kopf.
Und dass von Neuwirtshaus in Richtung Leonberg mindestens eine 3/4-Stunde kein einziger Zug gefahren ist, auch nicht.

Ich wäre interessiert, die betrieblichen Ursachen zu erfahren, die zu einer so unbefriedigenden Reaktion des Systems auf Störungen führen.
Wie gesagt, bei den letzten PUs ging es ähnlich zu.

Besten Dank für eure Auskünfte
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423176
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Beitrag von 423176 »

Hallo!

Oh je...das ist alles sehr sehr kompliziert.
Einfach gesagt ist es so: Die Strecke muss komplett gesperrt werden, weil Staatsanwalt und so untersuchen müssen. Die Hilfskräfte sollen nicht weiteren Gefahren ausgesetzt werden und ansehnlich ist das ganze auch nicht.
Das man nicht bis eine Station vorher fahren kann mag vielleicht an der Art der Betriebsstelle liegen. Zügen können eben nicht an einem Haltepunkt enden, das geht nicht.
Ersatzverkehr einrichten ist schön und gut, vorallem aber einfach gesagt...manchmal ist es halt nicht so einfach mal eben schnell zu improvisieren.
Ich denke andere werden auch noch etwas schreiben und vielleicht auch mehr bzw ausführlicher
Smirne

Beitrag von Smirne »

Moin,

423176 hat Recht, wenn er schreibt, dass die Strecke nach einem PU erst einmal vom Staatsanwalt komplett gesperrt wird. Nur er gibt die Strecke oder Teile der Strecke wieder frei, wobei hier die Sicherheit des untersuchenden Personals absolute Priorität hat.

Bis zu den benachbarten Haltepunkten zu fahren ist alles andere als unproblematisch. Prinzipiell können Fahrten nur an Ausfahrsignalen beginnen bzw. enden. Ausfahrsignale besitzen nur Bahnhöfe, also wird auch nur an diesen gewendet. Bis zu den Haltepunkten könnte man zwar als Sperrfahrt vorrücken, das ist aber a) zeitaufwendig und B) nicht ganz unproblematisch, weswegen man hierauf lieber verzichtet.

Und einen Buspendel einzurichten ist auch leichter gesagt als getan. Gehen wir einmal von einem Aufkommen ausserhalb der HVZ aus. Hier müssen von der DB Busunternehmer beauftragt werden, den Pendelverkehr zu fahren. Da die Busunternehmer ja auch nicht einfach so mal Busse geparkt haben, müssen eben mehrere ran, da einer alleine niemals den Verkehr bewältigen könnte. Und wenn hier genügend Busse durch die DB geordert wurden, dann ist da immer noch das Problem, dass der Bus ja erst einmal beim Busunternehmer ausrücken muss. Und das dürfte in den wenigsten Fällen genau in der Nähe des Bahnhofs sein, an dem der Pendelverkehr beginnt. Da fahren die Busse erst quer durch die Stadt oder kommen auch vom Umland erst in die Stadt rein, bis sie am entsprechenden Bahnhof sind.

Und die Busfahrer sitzen ja auch nicht alle so im Bus und warten auf einen PU, damit sie als SEV fahren können. Die müssen also auch erst antelefoniert werden und zum Busdepot fahren. Und genau diese vielen Zeitverzögerungen, die sich aber niemals vermeiden lassen, sind das, was die Fahrgäste am meisten ärgert. Denn es dürfte keine Seltenheit, dass der SEV beginnt, kurz bevor die Strecke wieder frei befahrbar ist und die S-Bahnen wieder fahren. Und das wissen natürlich die FDLs, TFs und Service-Mitarbeiter und weisen dementsprechend die Leute auf die sonstigen Ausweichmöglichkeiten hin, auch wenn jeder weiss, dass die hoffnungslos überlastet sind. Aber was ist die Alternative????

Gruß,
Marcus
mseidler
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Beitrag von mseidler »

Servus,
ich stimmer Smirne und 423176 voll und ganz zu. B)

Gerade der Eigenschutz der Helfer (bin selber im Rettungsdienst eherenamtlich tätig) vor Ort, löst die größten Probleme aus. Aus Sicherheitsgründen wird zum Teil der Stom "großräumig" abgestellt. :( Dies passiert bei der Münchner U-Bahn regelmäßig. Dann werden alle Gleise eines Bahnhofs erstmal stromlos geschaltet. Erst nach und nach wird überprüft, ob auf den anderen Gleisen der Strom gefahrlos wieder eingeschaltet werden kann. Bei der S-Bahn ist die nicht so kritisch, da die Oberleitung im Normalfall weit über den Helfern sein sollte, aber spannungsführende Teile unter den Zügen, können auch hier zu Stromabschaltungen führen. :o

Das Notfallmanagement bei den öffentlichen Nahverkehren ist zwar optimiert und bei Zwischenfällen auf bestimmten Strecken sogar komplett duchgeplant. Trotzdem dauert es bis dieses Programm anläuft eine gewisse Zeit. Für Strecken wo keine Notfallpläne vorliegen, muß improvisiert werden und da kommt es auf die Erfahrung der Dispatcher an. Also je nach Tagesform läuft es mal besser oder schlechter. :unsure:
CU

mseidler


Und es sprach eine Stimme:
Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen.
Ich lächelte und war froh und es kam schlimmer.
remstalpendler
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Beitrag von remstalpendler »

Hallo,
danke für eure zahlreichen und ausführlichen Auskünfte :) , da wird mir einiges klarer, was da abgeht.

mseidler, das ist ja wirklich grausig, was dein Job da mit sich bringt :huh: . Ich hoffe, du und deine Kollegen schaffen es, das verarbeiten.
mseidler: Was für spannungsführende Teile können denn bei einer per Oberleitung elektrifizierten Strecke unter den Zügen liegen? Ist man nicht auf der sicheren Seite, wenn der Tf den/die Stromabnehmer runtergefahren hat? Oder führt die Signal-Elektrik Spannungen im gefährlichen Volt-Bereich, und kann diese im Normalfall überhaupt freiliegen?

Aber das Interesse 10.000er Pendler und Reisenden, nicht über 1 Stunde oder länger aufgehalten zu werden und im Ungewissen zu sein, wann es weitergeht, ist berechtigt, und man sollte überlegen, wie man dies unter Wahrung der Sicherheit der Helfer besser verwirklichen kann.
Ich denke, wenn ein Mensch tot ist und daran nichts mehr zu ändern ist, ist es erlaubt, zuerst die Frage zu stellen, wie kann ich unter Wahrung der Sicherheit der Helfer die betrieblichen Auswirkungen minimieren, auch wenn dadurch die Arbeiten länger dauern oder umständlicher werden.
Man kann doch z.B. gleich zu Beginn der Arbeiten Absperrungen aufstellen, die verhindern, dass Helfer aus Unachtsamkeit auf nicht betroffene Gleise geraten, und die nicht betroffenen Gleise dann freigeben.

Was noch ein wichtiger Aspekt ist: Es gibt den Typus suizidgefährdeter Personen, denen die Aussicht, mit ihrem Tod viel Aufsehen zu erregen, attraktiv ist.
Noch ein letztes Mal ein Mensch sein, der wirklich wahrgenommen wird. Wie manche trotzigen Kinder, die Unsinn anstellen, weil sie zuwenig Aufmerksamkeit erhalten.
D.h. so ein Fall kann Nachahmer inspirieren.
Auch das sollte für alle involvierten (Staatsanwaltschaft, Polizei, Rettungswesen, Verkehrsunternehmen) Grund sein, alle Anstrengungen zu unternehmen, die Auswirkungen zu minimieren.

Vielleicht hat jemand über den konkreten Unfall vom 17. mehr Informationen?

Was die Eignung der Nachbar-Haltepunkte zum Wenden von Zügen angeht (ich weiß nicht, wo genau der Unfall passiert ist, die StZ sagt Feuerbach, die Durchsagen
sagten Zuffenhausen):
Feuerbach, Z'Hausen und Kornwestheim sind Bahnhöfe, bestimmt mit Ausfahrsignalen an allen Gleisen in alle Richtungen.
Nordbahnhof und Neuwirtshaus sind m.w. Haltepunkte, ich achte in den nächsten Tagen mal darauf, ob Ausfahrsignale vorhanden sind.
Bei Neuwirtshaus habe ich jedenfalls zumindest in den Regelfahrrichtungen Signale gesehen.
Und am Nordbahnhof (für Nicht-Stuttgarter: das ist trotz des Namens ein Haltepunkt) kann ich es mir auch nicht vorstellen, dass keine vorhanden sind, die Strecke hat doch m.w. einen "Hochleistungsblock".

Verbesserungsbedürftig war in dem Fall noch:
Ich saß in einem Zug, der aus dem Remstal den Hauptbahnhof angefahren hat und dadurch nicht direkt von der Störung betroffen war. Mir und anderen Umsteiger hätte es genützt, vom Zugführer über die Störung informiert zu werden, damit wir nicht erst in die S-Bahn runter laufen mussten, uns wundern, warum uns soviele
Leute entgegenkommen, und nach 5 Minuten per Durchsage über die Lage informiert zu werden.
Das ist viel verlangt im Stress einer Ausnahmesituation, gell? Aber der Nutzen wäre auch groß, deshalb wäre es toll, wenn man die Information der Umsteiger über die ZFs in die Notfallplanungen einbaut.

Ich hab es übrigens im Dezember bei einem Fall von "Personen im Gleis" bei Schorndorf (2-gleisige Strecke) erlebt, dass mein Zug (RE mit Dostos) mit "Schrittgeschwindigkeit" (so Zugführer) an der Stelle vorbeifahren durfte.

Interessant wäre übrigens, zu wissen, wie in Japan der Ablauf bei PUs ist. Denn zum einen ist Japan viel stärker auf Schienennetze angewiesen als wir, andererseits ist bekanntermaßen in Japan kulturell und auch durch die aktuelle Wirtschaftskrise bedingt die Suizidrate bedeutend höher :( . Naja, wahrscheinlich kann das Tokioter Netz Störungen besser verkraften, weil es wirklich ein Netz ist und somit Ausweichmöglickeiten zur Verfügung stehen, nicht nur ein Baum wie die
meisten S-Bahnen hier.

Bis dann, Martin
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8. Bauserie
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Beitrag von 8. Bauserie »

impurity @ 19 Feb 2004, 07:59 hat geschrieben: Was die Eignung der Nachbar-Haltepunkte zum Wenden von Zügen angeht (ich weiß nicht, wo genau der Unfall passiert ist, die StZ sagt Feuerbach, die Durchsagen
sagten Zuffenhausen):
Feuerbach, Z'Hausen und Kornwestheim sind Bahnhöfe, bestimmt mit Ausfahrsignalen an allen Gleisen in alle Richtungen.
Feuerbach ist nur ein Haltepunkt. Da stehen zwar in beide Richtungen Signale, aber das sind nur Blocksignale. Auch Neuwirtshaus ist nur ein Haltepunkt.
Ich hab es übrigens im Dezember bei einem Fall von "Personen im Gleis" bei Schorndorf (2-gleisige Strecke) erlebt, dass mein Zug (RE mit Dostos) mit "Schrittgeschwindigkeit" (so Zugführer) an der Stelle vorbeifahren durfte.
Da wurden ja nur Personen im Gleis gemeldet, da war es noch nicht zu spät. Meistens sind die Personen eh schon wieder über alle Berge, bis man da per Befehl zum "Fahren auf Sicht" verdonnert wurde und mit mehr oder weniger Schrittgeschwindigkeit an der betreffenden Stelle vorbeifährt.
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