[?] Straßenbahn-Oberleitung

Strecken, Fahrzeuge und Technik von Straßenbahnen und Stadtbahnen
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JNK
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Beitrag von JNK »

Wir waren am Dienstag so friedlich am protestieren und und zogen in Düsseldorf die Berliner Allee hinunter, wo die Straßenbahn in der Straßenmitte ihren eigenen Bahnkörper hat. Und ich sah vor mir so die hochgereckten Plakate und Banner im Wind lustig wehen und weil der Platz da war gingen auch einige Demonstranten und die komplette Polizei-Begleitung auf dem Rasengleis. (Der Strab-Verkehr der 701 war natürlich eingestellt) Und da ich ja ein Laie bin, kam mir die Frage - in Verbindung mit den ganzen Jugendlichen, die gegrillt von Güterwagen runterfallen - muss man bei Demos eigentlich in der OL den Strom abschalten? Ab welcher Entfernung zur OL kommt es denn zum Überschlag?

Ich bedanke mich für hilfreiche Beiträge. :)
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Luchs
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Beitrag von Luchs »

Hallo, ich habe eine VDE Richtlinie von 1cm/KV in Erinnerung. Kann mich aber täuschen. Auf jeden Fall hängt es sehr stark von der Luftfeuchtigkeit und anderen nicht direkt ersichtlichen Paramtern.

Strassenbahnen fahren typischerweise mit 750V, da ist das kein so grosses Problem. Wenn die Transparente mit Holzlatten getragen wurden, reichen diese wohl schon zur Isolierung aus. Ich habe hier schon OL Arbeiten im Laufenden Betrieb gesehen, wo die Arbeiter schlicht dicke Handschuhe anhatten.

Aber Versuchen würde ich es nicht ...

Luchs.
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spock5407
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Beitrag von spock5407 »

Luchs @ 22 Nov 2009, 12:10 hat geschrieben: Ich habe hier schon OL Arbeiten im Laufenden Betrieb gesehen, wo die Arbeiter schlicht dicke Handschuhe anhatten.

Aber Versuchen würde ich es nicht ...
Siehst Du erst den Rauch aufsteigen, wird der Notarzt bald sich zeigen... :ph34r: Ich weiss, etwas makaber.
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Michi Greger
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Beitrag von Michi Greger »

JNK @ 22 Nov 2009, 11:37 hat geschrieben:muss man bei Demos eigentlich in der OL den Strom abschalten?
Müssen wohl nicht. In München wird bei der Tram bei grösseren Geschichten (insbesondere in Verbindung mit Streckensperrung) gerne auch mal ein Abschnitt stromlos geschaltet. Kleinere Demos werden aber einfach "unter Spannung" durchgelassen. Ich wüsste aber auch nicht dass jemals da was passiert wäre.
Ab welcher Entfernung zur OL kommt es denn zum Überschlag?
Technisch gibt es den Richtwert für "normale Luft"(kein Regen usw.) mit 1 mm pro tausend Volt also Grenze zwischen "gerade-noch-Isolation" und Überschlag. Wenn man die 750V jetzt also mal großzügig aufrundet, sollte ein vom Boden aus sichtbarer Abstand leicht genügen. :) (Siehe auch die nicht grade große Größe der Isolatoren, an denen die Fahrleitung hängt).
Als Sicherheitsregel habe ich mal gelernt, pro tausend Volt mindestens 10 cm Abstand zu halten. (Deswegen also bei der DB Mindestabstand zur 15kV-Fahrleitung 1,50m). Selbst das dürfte bei der Trambahn also problemlos einzuhalten sein.

Zu den Arbeiten an der OL im laufenden Betrieb: die Hebebühnen sind isoliert gegen Erde, da kann man also problemlos draufstehen und die Fahrleitung mit bloßen Händen anfassen. Man sollte halt nicht gleichzeitig mit der anderen Hand irgendwas anderes geerdetes anfassen (z.B. eine Abspannseil). Desweiteren gibt es (grade im Bereich bis 1000V) auch geeignet isolierte Werkzeuge, Handschuhe, Isolationsmatten usw. die das Arbeiten an spannungsführenden Teilen erlauben.

Und bevor jetzt hier alle aufschreien von wegen, das wäre doch alles genau geregelt und viel gefährlicher: Das war jetzt eine hoffentlich auch für Laien verständliche, extrem vereinfachte Erklärung. Ich weiß, dass man es nicht auf so wenige Punkte reduzieren kann/sollte, deshalb meine klare Ansage: FINGER WEG! DRANLANGEN TUT RICHTIG WEH! Haltet lieber 2 Meter Abstand, besser mehr, es kann immer was unvorhergesehenes kommen (hohe Luftfeuchtigkeit, höhere Spannung als angenommen...)!

Gruß Michi
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spock5407
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Beitrag von spock5407 »

und ich wollt grad ne Leitung von meiner Wohnung rüber zum 17er legen und meinen Server damit betreiben... :ph34r: ;)
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TramPolin
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Beitrag von TramPolin »

spock5407 @ 22 Nov 2009, 20:13 hat geschrieben:
Luchs @ 22 Nov 2009, 12:10 hat geschrieben: Ich habe hier schon OL Arbeiten im Laufenden Betrieb gesehen, wo die Arbeiter schlicht dicke Handschuhe anhatten.

Aber Versuchen würde ich es nicht ...
Z.B. am Scheidplatz hier:

Bild
(Klickt macht das Bild groß)

Die Tram fuhr hier immer mal wieder durch, nur die Hebebühne wurde vorher weggeschwenkt. Wir sehen auf dem Bild eher die Spanndrähte, weniger die Fahrleitung, aber auch an der Fahrleitung waren die Arbeiter nach meiner Beobachtung sehr nahe dran - und das offenbar bei einer Operation am "offenen schlagenden Herzen", das heißt der Strom war an...
Thomas089
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Beitrag von Thomas089 »

Es ist ja auch noch kein Vogel tot von der Stromleitung gefallen. Trotzdem gehört bei solchen Arbeiten ein großes Vertrauen in die Gesetze der Physik her. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich vermutlich dran. B)

Für Demonstranten mit normal hohen Transparenten dürfte die Fahrleitung hoch genug hängen. Das müsste ja um einiges mehr als 4 Meter sein. Kritisch könnte es allenfalls in Unterführungen werden - Dort, wo es bei der Straßenbahn den Stromabnehmerbügel herunterdrückt. :huh:
Gruß, Thomas
Didy
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Beitrag von Didy »

Thomas089 @ 22 Nov 2009, 23:09 hat geschrieben:Das müsste ja um einiges mehr als 4 Meter sein.
Geringste zulässige Fahrdrahthöhe nach BOStrab 4,2 Meter. Wie hoch sind übliche Transparente?

Ansonsten gehört zu solchen Arbeiten auch eine entsprechende Ausbildung, regelmäßig wiederkehrende Sicherheitsunterweisungen und viel Vorsicht. Neben der isolierten Hebebühnen-Kanzel, die schützt nämlich nicht wenn man grad zwischen Fahrdraht und geerdetem Draht arbeitet. Die meisten Spanndrähte sind zwar weder auf Fahrdrahtpotential noch geerdet. Aber wer garantiert dir, dass da nicht irgendwo ein Iso-Fehler nach Erde ist, und so vom Spanndraht auch schon ne Gefahr ausgeht?

Achja. Und bei Arbeiten an Spannungen über Schutzkleinspannung muss eine Person dabei sein, die in Herz-Lungen-Wiederbelebung geschult ist (also nicht der der dran arbeitet, sondern jemand anderes...). Zumindest in elektrischen Labors ist das so, schätze mal, für Fahrleitungsmonteure gilt ähnliches.
Da Maicho
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Beitrag von Da Maicho »

Moing!

Da in Deutschland alles geregelt ist, gibt es auch hier Regelungen.
Das KVR (Ordnungsbehörde) verlangt Transparente mit eine maximalen Höhe von 3,50m.
Die Fahrleitung wird i. d. R. grundsätzlich abgeschaltet und geerdet.
Ein Überschlag kann auch an Streckentrennern vorkommen.

Spannseile/Tragwerke sind dreifach isoliert. Der erste Isolierschäkel ist am Mast bzw. an der Wandöse. Der zweite vor den Fahrdrahtklemmen. Und die Fahrdrahtklemme selbst ist ebenfalls isoliert.
Bei Befestigung des Fahrdrahtes an Auslegern o. ä. ist der Ausleger selbst aus einem isolierenden Material gefertigt. Der Asuleger ist wiederum an Isolatoren angebracht.
Im Idealfall sollte nur der Fahrdraht unter Spannung sein.
Das ist aber, wie gesagt, der Idealfall.

Wir haben im Betriebshof das Phänomen der Spannungsverschleppung/Luftinduktion durch die 15 kV, 16,7 Hz-Fahrleitung der DB hinter dem Hof!
Trotz abgeschalteter und geerdeter Fahrleitung können dort mehrere tausend Volt Spannung anliegen!

Zwar war kein großer Strom dahinter, beim Berühren wäre diese Spannung sofort zusammengebrochen, aber für einen Ausschaltimpuls des Herzens hätte es gereicht.
Im Regelfall stirbt der Elektriker nicht durch den Schlag, sondern durch den schreckindizierten Sturz von der Leiter...

So oder so. Ich würde KEIN Teil einer Fahrleitungsanlage berühren!
Auch nicht am Maximilianeum, da ginge es nämlich.
Der Strom kann seltsame Wege gehen!

Und jetzt noch ein Rätsel:
Warum hängt an Masten z.B. zwischen Stegener Weg und Senftenauer Straße auf Höhe der Ausleger ein Warnschild:
"ACHTUNG geerdet!"?
Da kommt doch eh' keiner hin?!?
(Michi, Du nicht, weil Du weißt es sicher!)

Da Maicho
Ich berufe mich auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Artikel 5, Absatz 1
[Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Da Maicho @ 23 Nov 2009, 14:44 hat geschrieben: Trotz abgeschalteter und geerdeter Fahrleitung können dort mehrere tausend Volt Spannung anliegen!
Bei geerdeter Fahrleitung ist die Fahrleitung auf Erdpotential, und damit liegt definitiv keine Spannung zwischen Erde und Fahrleitung an (sofern die Erdung korrekt durchgeführt wurde). Das Problem tritt nur bei abgeschalteter, aber nicht geerdeter Oberleitung auf.
So oder so. Ich würde KEIN Teil einer Fahrleitungsanlage berühren!
Sofern man weiß was man macht und die richtige Ausrüstung hat - warum nicht?
Und jetzt noch ein Rätsel:
Warum hängt an Masten z.B. zwischen Stegener Weg und Senftenauer Straße auf Höhe der Ausleger ein Warnschild:
"ACHTUNG geerdet!"?
Vermutlich damit der Oberleitungsbau weiß dass er nicht dranlangen soll?
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
ChoMar
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Beitrag von ChoMar »

Es gibt doch auch die Methode, an Hochspannungsleitungen (nicht Bahn sondern normaler Strom, noch mal etwas mehr Power dahinter) mit nem Heliokopter ranzugehen (zu wartungszwecken, ohne Abschalten und Erden)
Stichwort Vögel.
Pronzipiell sollte das bei niedrigeren Spannungen auch mit einer gut isolierten Hebebühne genauso funktionieren.
Die Stromversorgung von Straßenbahnen ist aber noch halbwegs "übersichtlich". Zum Sterben reichts, aber die riesen Überschläge wird man da nicht erleben.
Da Maicho
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Beitrag von Da Maicho »

Bingo!

Rätsel richtig gelöst. Wenn der brave Fahrleitungsschlosser auf seiner isolierten Bühne steht und den Fehler macht den Mast, und den Fahrdraht gleichzeitig zu berühren, dann macht es: "Fatz!"

Ich bin gelernter Elektriker und habe schon in 1000 Volt-Anlagen unter Spannung gearbeitet, weiß also, wie man damit umgeht.
Ich würde nur grundsätzlich zunächst mal nichts berühren.
Erst Spannungsfreiheit feststellen, etc..

Und zum Thema Spannungsverschleppung:

Genau das hatten wir im Bahnhof! Abgeschaltete und gerdete Fahrleitung und trotzdem ein paar tausend Volt auf dem Draht.
Die damalige Strecke entlang der Sausebahn hat genau das bewirkt.
Wurde auch per Dienstanweisung geregelt.
Zwei Erdungsstangen haben das dann gelöst.
Klingt komisch, ist aber so.
Ich kenne auch den Schlosser, der eine mitbekam.

Da Maicho
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