Angehörige sollen Schmerzensgeld zahlen

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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TramBahnFreak
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Beitrag von TramBahnFreak »

Cloakmaster @ 24 Apr 2013, 20:42 hat geschrieben: @chris: Meinst du wrklich, daß Geld, sofenr er es erstreiten könnte, dem Lokführer sein 'altes Leben' wieder geben würde?
Aber es kann ihm das jetzige Leben erträglicher machen.
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Cloakmaster @ 24 Apr 2013, 20:42 hat geschrieben: Nur wird das mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit auf Schuldunfähigkeit raus laufen
Sowas gibts im Zivilrecht?
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

schwarzfahrerin @ 20 Apr 2013, 15:32 hat geschrieben: Ich finde eher die Angehörigen oder Freunde haben hier oft ihre Verantwortung verpasst.
Nein, haben sie nicht - was hätten sie denn machen sollen?
Man kann ja jemand auch einweisen lassen, bevor er für sich und andere zur Gefahr wird.
Weißt Du was eine Einweisung in die Psychiatrie bedeutet? Das ist eine Zwangsmaßnahme, mit massiven Folgen für das weitere Leben. Das kann das Ende der beruflichen Karriere sein. Es kann massive psychische und gesundheitliche Folgen haben - die Psychopharmaka, die in der Psychiatrie eingesetzt werden, haben teilweise massivste Nebenwirkungen. Die Menschen kommen von ihrem sozialen Umfeld weg - und es ist nicht gesagt, dass sie in dieses Umfeld zurück können, denn wer einmal in der Psychiatrie war, wird von vielen nicht mehr ernst genommen - "der ist ja verrückt".

Aber auch den Ärzten ausgeliefert zu sein, nicht mehr selbstbestimmt leben zu können kann psychische Folgestörungen verursachen.

Eine Einweisung in die Psychiatrie hat zum Glück eine relativ hohe Hürde, einfach mal eben jemand einweisen lassen weil man sich einbildet das wäre jetzt nötig ist nicht erlaubt. Dennoch bin ich der Ansicht, dass die Hürden immer noch zu niedrig sind. Auch in meiner Verwandtschaft gab es einen Fall von Zwangseinweisung, wo sich hinterher rausgestellt hat, dass der in der Begründung angegebene Sachverhalt dafür in der Form gar nicht gestimmt haben kann.

Dazu kommt - woher sollen die Angehörigen wissen, dass jemand suizidgefährdet ist? Ich zumindest kann nicht hellsehen, und jemandem, der suizidgefährdet ist, merkt man das nicht zwangsläufig an. Und genau hier gibt es noch ein anderes Problem: Suizid ist nach wie vor ein Tabuthema, so dass es suizidgefährdeten Menschen sehr schwer gemacht wird, Hilfe zu suchen. Die Möglichkeit der Zwangseinweisung (auch wenn das wie gesagt im Regelfall nicht so einfach geht) ist da eher kontraproduktiv, und dürfte die Ängste, sich an andere zu wenden, nochmal deutlich erhöhen.

Es kann mit Sicherheit nicht jedem geholfen werden, aber einem Teil der suizidgefährdeten Personen wäre mit Sicherheit geholfen, wenn die Aufgeschlossenheit gegenüber psychischen Problemen wesentlich größer wäre. Wenn es in Ordnung wäre, über Suizidgedanken ernsthaft zu reden, ohne dass derjenige gleich als verrückt abgestempelt wird, oder über Zwangseinweisung gesprochen wird.

Interessant zum Thema Psychiatrie ist übrigens dieses Interview mit Mollath

Pikantes Detail
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Das leidige Thema Lokführer und Suizid.

Zwar gibt es mit dem Paragraphen 253 BGB auch die Bestimmung über einen immateriellen Schaden
§ 253 Immaterieller Schaden

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
Doch Selbsttötung ist keine Straftat! *)

Mit dem Tod erlischt jede Verantwortung für die Folgen der Handlung. Hinterbliebene können nach rechtsstaatlichen Begriffen nicht für die Tat ihrer Verwanden verantwortlich gemacht werden. Ein Zugriff auf das Vermögen des Getöteten ist nicht zulässig.

Die psychischen Folgen für einen Fahrzeugführer, der ungewollt am Tode eines Menschen beteiligt ist, sind mir durchaus bewusst. Da sind Lokführer keine Besonderheit. Vielleicht in der Menge, aber nicht in der Sache. Und zwischen Suizid und einem tragischen Unfall besteht kein Unterschied. Der Betroffene ist tot.

Ich weiß um die physikalischen Unterschiede zwischen den Verkehrsmitteln! Aber wenn mir bei 120 Km/h auf der Autobahn ein Selbstmörder 10 Meter vor mir von einer Brücke springt, bin ich genau so gearscht, wie ein Lokführer. Unter Umständen kann ich dabei sogar selbst einen Schaden erleiden, wenn mir der Bursche vor die Windschutzscheibe knallt.

Darum rate ich, den Ball flach zu halten. Wer sich den psychologischen Anforderungen eines Verkehrsberufes nicht gewachsen fühlt, sollte sich besser um einen Job im Büro bewerben. Da kann er keinen Menschen überfahren. **)

*) Ironisch könnte man hinzu fügen: § 999+x StGB: Selbstmord wird mit dem Tode bestraft.
**) Die Soldaten, die im II. Weltkrieg auf beiden Seiten gekämpft haben, hatten kein "posttraumatisches" Erlebnis.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Beitrag von Bayernlover »

Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben: Die Soldaten, die im II. Weltkrieg auf beiden Seiten gekämpft haben, hatten kein "posttraumatisches" Erlebnis.
Aha? Weils in Stalingrad so gemütlich war wahrscheinlich.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben: *) Ironisch könnte man hinzu fügen: § 999+x StGB: Selbstmord wird mit dem Tode bestraft.
Hier würde ich jetzt am liebsten eine Beleidigung schreiben. Stattdessen schreibe ich: Das ist an Geschmacklosigkeit ja wohl kaum mehr zu überbieten. Halt bitte einfach Deine Klappe.
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Beitrag von 146225 »

Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben: **) Die Soldaten, die im II. Weltkrieg auf beiden Seiten gekämpft haben, hatten kein "posttraumatisches" Erlebnis.
Mit Sicherheit und massenweise, nur waren haarsträubende Kriegserlebnisse aller Art nach Kriegsende für tausende Menschen "normal" gewesen, jeder hat die Geschichten auf seine Art und Weise erlebt, erzählt und verarbeitet. Der Kreis der betroffenen war eben einfach massiv groß, und das bringt mit sich, daß man Menschen um sich hat, die ahnen können, was man durchgemacht hat. Kollektive Verarbeitung sozusagen, und mehr oder weniger erfolgreich. So hat es mir ein ehemaliger Nachbar, überlebender Maschinist der U-Boot-Waffe begründet: "Wer dabei war und die Angst und die Schmerzen und die bösen Albträume selbst erlebt hat, dem braucht man das nicht mehr zu erklären. Wer nicht dabei war, dem kann man es auch nicht ansatzweise erklären. Manche Momente holen einen aber auch 60 und mehr Jahre später noch ein - besonders in der Nacht."

Soviel zum Thema... aber Stammtisch-Autobahn mit seinen 500 Jahren Lebenserfahrung weiß natürlich auch wie die Zeiten als "ehrlicher Landser" so waren...
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Beitrag von GSIISp64b »

Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben: **) Die Soldaten, die im II. Weltkrieg auf beiden Seiten gekämpft haben, hatten kein "posttraumatisches" Erlebnis.
Du meinst "Bei den Soldaten, die im II. Weltkrieg auf beiden Seiten gekämpft haben, wurde kein 'posttraumatisches' Erlebnis diagnostiziert".

Und nein, ich erwarte für diese Korrektur kein Dankeschön. Es war mir ein Vergnügen.

edit: Kurzrecherche ergab, dass der Begriff "shell shock" für mit PTSD durchaus verbundene Phänomene um WWI geprägt wurde, der Begriff PTSD selbst entstand dann im Zusammenhang mit Vietnam. Es ist also sowohl belegt, dass es PTSD auch in WWII schon gab, als auch, dass es im WWII natürlich nicht diagnostiziert werden konnte - das Krankheitsbild war einfach noch nicht ausgereift.

Du bekommst damit mal wieder einen Bullshitpunkt und hast fast genug gesammelt, um eine aufblasbare Waschmaschine zu gewinnen.
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Beitrag von NJ Transit »

Boris Merath @ 24 Apr 2013, 21:29 hat geschrieben:Dazu kommt - woher sollen die Angehörigen wissen, dass jemand suizidgefährdet ist? Ich zumindest kann nicht hellsehen, und jemandem, der suizidgefährdet ist, merkt man das nicht zwangsläufig an.
Boris Merath @ 24 Apr 2013, 21:29 hat geschrieben:Die Möglichkeit der Zwangseinweisung (auch wenn das wie gesagt im Regelfall nicht so einfach geht) ist da eher kontraproduktiv, und dürfte die Ängste, sich an andere zu wenden, nochmal deutlich erhöhen.

So ist es.
Boris Merath @ 24 Apr 2013, 21:29 hat geschrieben:Es kann mit Sicherheit nicht jedem geholfen werden, aber einem Teil der suizidgefährdeten Personen wäre mit Sicherheit geholfen, wenn die Aufgeschlossenheit gegenüber psychischen Problemen wesentlich größer wäre. Wenn es in Ordnung wäre, über Suizidgedanken ernsthaft zu reden, ohne dass derjenige gleich als verrückt abgestempelt wird, oder über Zwangseinweisung gesprochen wird.
Der Teil wird sich in engen Grenzen halten. Für viele ist das einfach ein zu persönliches Thema, es geht die anderen ja auch nichts an. Bei Suizidgefährdeten, die noch dazu unter Selbstzweifeln leiden, kommt das nochmal erschwerend dazu.

Einen Kommentar zu Autobahns Ahnungs- und Geschmacklosigkeit spare ich mir.
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Beitrag von DumbShitAward »

Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben: **) Die Soldaten, die im II. Weltkrieg auf beiden Seiten gekämpft haben, hatten kein "posttraumatisches" Erlebnis.
Äh doch. Massiv sogar. Es wurde gerade auf deutscher Seite recht selten diagnostiziert (man hat ja schließlich die meisten Psychologen verjagt und/oder umgebracht), aber das Phänomen des "Shell Shocks" und seinen Langzeitfolgen war beispielsweise den Briten bereits im 1. Weltkrieg bekannt, gab da sogar schon in den 1920ern Lösungsversuche.

Es taucht bis es in den 70ern als PTSD klassifiziert wurde unter diversen Namen, beispielsweise Kriegsneurose oder battle fatigue auf, bezeichnet aber im Grunde immer das gleiche.

Dass man in Deutschland noch heute ein Problem hat, psychologische Störungen als Erkrankungen anzuerkennen sieht man hier wieder.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Woodpeckar
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Beitrag von Woodpeckar »

Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben:Das leidige ...
Das einzig "leidige" in diesem Thema ist, dass Sie hier falsche Darstellungen aus Ihrer Unkenntnis gepaart mit unglaublicher Geschmacklosigkeit veröffentlichen (können).
Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben:Darum rate ich, ...
Ihre "Ratschläge" aus vorgeblich tausendjähriger Lebenserfahrung fallen daher eindeutig unter die Rubrik "Dinge, die die Welt nicht benötigt".
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3247
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Beitrag von 3247 »

Cloakmaster @ 24 Apr 2013, 19:27 hat geschrieben: Vermögenswerte und bereistsbestehende Verbindlichkeiten gehen auf den bzw. die Erben über. Aber: Da weder Bahn und Rettungskräfte ihre Einsatzkosten noch der Lokführer sein Schemrzensgeld im Vorraus fordern konnte, gab es diese Forderungen noch nicht, als der Suizident noch lebte. Es ist also keine laufende Verbindlichkeit, und damit keine bestehende Zahlungsverpflichtung. da der Tote tot ist, kann man keine Forderung gegen den Toten stellen.
Im Erbfall gehen nicht nur fertige Ansprüche auf die Erben über, sondern ALLE Rechtsverhältnisse einschließlich schwebender Rechtslagen auf die Erben über. Das schließt den Schadensersatzanspruch ein, der dadurch entsteht, dass der Suizident zu Lebzeiten zum Sprung vor die U-Bahn ansetzt.
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Beitrag von riedfritz »

3247 hat geschrieben:sondern ALLE Rechtsverhältnisse einschließlich schwebender Rechtslagen



Das stimmt einfach nicht!

Wenn ich heute eine Bank überfalle und übermorgen sterbe, geht dieser schwebende Rechtsfall nicht an die Erben über!

Ebenso ist es, wenn der Erblasser einen Kaufvertrag für ein Auto unterzeichnet hat.
Mit dem Tod erlöschen die meisten "schwebenden Rechtslagen"!

Soll im ersten Falle die Erbengemeinschaft umschichtig in den Knast gehen, bis die Strafe abgesessen ist?
[font=Arial]Meine Vorbildfotos unter [/font]Meine Eisenbahnfotos
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Beitrag von Woodpeckar »

riedfritz @ 25 Apr 2013, 12:22 hat geschrieben:Das stimmt einfach nicht!

Wenn ich heute eine Bank überfalle und übermorgen sterbe, geht dieser schwebende Rechtsfall nicht an die Erben über!
...
Soll im ersten Falle die Erbengemeinschaft umschichtig in den Knast gehen, bis die Strafe abgesessen ist?
Warum in aller Welt versuchen hier die Leute ständig Schuldverhältnisse aus den Regelungen zur Haftung mit Rechtsfolgen für Straftäter gleichzusetzen?

Es ist ein markanter Unterschied, ob jemand für eine i. d. R. vorsätzlich (nur soweit durch den Straftatbestand bestimmt, aber auch fahrlässig) begangene Straftat vom Staat bestraft wird, oder ob jemand durch eine schuldhaft - also vorsätzlich oder fahrlässig - und rechtswidrig begangene Handlung einem anderen einen Schaden zugefügt hat, und diesem folglich zum Schadenersatz verpflichtet ist. Diese Verpflichtung zum Schadenersatz geht schlicht und ergreifend auf die Erben als Rechtsnachfolger über. Dass bei Suiziden im Eisenbahnbereich hierzu bisher noch keine Urteile gefällt, sondern nur Vergleiche geschlossen wurden, ändert nichts an der grundsätzlichen Haftungsfrage.
Wer diese Regel hier bislang dementiert hat, möge sich einfach fragen, ob er demzufolge also auf Schadenersatz zu verzichten hätte, wenn ihm jemand in selbstmörderischer Absicht an das Auto fährt, und das Auto dabei zerstört.
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Beitrag von DumbShitAward »

Ist es denn wirklich nötig hier die Empörungsmaschinerie wegen eines, vielleicht etwas geschmacksgrenzwertigen Sarkasmus seitens Autobahns, anzuwerfen? Ihr tut ja gerade so, als hätte er hier den Teufel an die Wand gemalt... gut, manche suchen nur eine Möglichkeit sich aufzuführen...

So absurd ist das nämlich nicht, ähnliche Konstellationen gab es in der Vergangenheit bereits und wenn wir ehrlich sind, dann findet man eine gar nicht so unähnliche Haltung in der Dogmatik der Katholiken ... zwar nicht mit Exekution und die vorgebliche Argumentation ist "Achtung vor dem Leben" (also auch dem Eigenen), dahinter steckt aber nicht zuletzt auch das egoistische Handeln.
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Beitrag von Boris Merath »

DumbShitAward @ 25 Apr 2013, 13:32 hat geschrieben: Ist es denn wirklich nötig hier die Empörungsmaschinerie wegen eines, vielleicht etwas geschmacksgrenzwertigen Sarkasmus seitens Autobahns, anzuwerfen?  Ihr tut ja gerade so, als hätte er hier den Teufel an die Wand gemalt... gut, manche suchen nur eine Möglichkeit sich aufzuführen...
Ja, ist es. Insbesondere wenn man mit dem Thema schon mehrmals zu tun hatte. Ich hatte zwar zum Glück nie selbst Suizidgedanken, kenne aber andere bei denen das anders ist. Daher verstehe ich in dem Bereich keinen Spaß, insbesondere nicht bei solchen abwertenden Möchtegernwitzen.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von 3247 »

riedfritz @ 25 Apr 2013, 12:22 hat geschrieben:Das stimmt einfach nicht!
Doch, das steht in § 1922 BGB!

Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie z.B. Arbeitsverhältnisse. Diese enden mit dem Tod des Arbeitnehmers; aber auch dort geht zum Beispiel der Anspruch auf ausstehende Arbeitsentgelte auf die Erben über.

Weder der Schadensersatzanspruch der Bank noch ein Kfz-Kaufvertrag sind aber solche Ausnahmefälle.
Soll im ersten Falle die Erbengemeinschaft umschichtig in den Knast gehen, bis die Strafe abgesessen ist?
Das ist Strafrecht, nicht Zivilrecht. Dass die Erben nicht strafrechtlich für Taten des Erblassers verfolgt werden (wobei da ohnehin nicht viel strafbar ist), ist selbstverständlich.
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Beitrag von GSIISp64b »

Vor allem: Die Behauptung, PTSD hätte es im zweiten Weltkrieg nicht gegeben, ist kein Witz. Das ist eine falsche Tatsachenbehauptung, die genau die Geisteshaltung zeigt und verbreitet, wegen der Suizidprävention in Deutschland so oft erfolglos ist.

So was muss und sollte man nicht unkommentiert stehen lassen. Es ist nämlich mehr als nur eine harmlose Geschmacklosigkeit.
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Beitrag von Bayernlover »

GSIISp64b @ 25 Apr 2013, 14:42 hat geschrieben: Vor allem: Die Behauptung, PTSD hätte es im zweiten Weltkrieg nicht gegeben, ist kein Witz. Das ist eine falsche Tatsachenbehauptung, die genau die Geisteshaltung zeigt und verbreitet, wegen der Suizidprävention in Deutschland so oft erfolglos ist.
Das ist wie "diese aktuelle Generation von Weicheiern, Burn-Out hätte es bei uns nicht gegeben".
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Beitrag von GSIISp64b »

Bayernlover @ 25 Apr 2013, 14:56 hat geschrieben: Das ist wie "diese aktuelle Generation von Weicheiern, Burn-Out hätte es bei uns nicht gegeben".
Ja, ganz genau das ist es. Das negiert die gesamte Entwicklung der Beschreibung psychischer Krankheiten der letzten Jahre und macht aus Menschen, die ernsthafte Probleme haben, Hypochonder und Sozialschmarotzer. Gegenüber Menschen, die unter solchen Problemen leiden, ist das ganz furchtbar ignorant und intolerant.

Aber seit wann würde sich Autobahn für Probleme anderer Menschen interessieren? Er hat so was schließlich nicht, also kann es das auch nicht geben.
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Beitrag von DumbShitAward »

Boris Merath @ 25 Apr 2013, 13:43 hat geschrieben: Ja, ist es. Insbesondere wenn man mit dem Thema schon mehrmals zu tun hatte. Ich hatte zwar zum Glück nie selbst Suizidgedanken, kenne aber andere bei denen das anders ist. Daher verstehe ich in dem Bereich keinen Spaß, insbesondere nicht bei solchen abwertenden Möchtegernwitzen.
Naja sieh doch den Gesamtbeitrag. Autobahn bestätigt doch gerade, dass Suizid selbstverständlich keine Straftat ist und stellt das in Kontrast mit der Debatte darüber, ob denn die etwaigen materiellem Schäden die durch eben den Suizid entstanden sind auf die Erben übertragen werden sollen/dürfen/müssen. Von Witzen oder Lustigmachen kann hier ja nicht die Rede sein, allenfalls Sarkasmus. Das sowas nicht lustig ist, steht doch nicht zur Debatte und das hat ja auch niemand impliziert.

Ob man das nun geschmacklos oder unangebracht findet, steht auf einem anderen Blatt - aber das ist ja eine Geschmackssache. Ich gehe nun wahrlich nicht immer mit Autobahn konform, aber das manche Trolle glauben, sich dadurch herausnehmen zu können, sich (wiederholt!) wirklich derart unverschämt und jenseits jeglichen Minimalanstandes aufzuführen, ist auch nur im besten Falle keinen Deut besser.

Verstehe mich nicht falsch, ich kann durchaus verstehen, dass du bei dem Thema nicht zu Scherzen aufgelegt bist und es ist natürlich auch ein heikles Thema, aber ich glaube hier wird Autobahn etwas unterstellt, dass er so nicht mal impliziert hat. Immerhin kannst du das wenigstens noch halbwegs gesellschaftstauglich formulieren.
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Beitrag von Jogi »

DumbShitAward @ 25 Apr 2013, 13:32 hat geschrieben:Ist es denn wirklich nötig hier die Empörungsmaschinerie wegen eines, vielleicht etwas geschmacksgrenzwertigen Sarkasmus seitens Autobahns, anzuwerfen?  Ihr tut ja gerade so, als hätte er hier den Teufel an die Wand gemalt... gut, manche suchen nur eine Möglichkeit sich aufzuführen...
Gegenfrage: Was ist eine Alternative dazu? Den Stumpfsinn aus Euphemismen, mangelnder Achtung vor den Schicksalen und Folgewirkungen, Halbwahrheiten und den üblichen Banalitäten klaglos hinnehmen, kann auch nicht das Wahre sein... Und sieht man mal davon ab, geschmacksgrenzwertig ist Autobahns Grütze in dem Zusammenhang untertrieben. Das ist schlicht und ergreifend fehl am Platz hier. Das Schicksal der Hinterbliebenen ist schwer, das Schicksal der betroffen Tf ist schwer. Punkt. Da gibt's nichts wegzudiskutieren, nichts in im Vergleichen zu anderen Fahrzeugführern, nichts im Vergleich zu den auftretenden Kräften beim Zusammenprall, nichts in PTBS vor/nach 1945.

Und speziell das sich Aufführen - ehrlich, das beginnt doch eigentlich schon beim ersten Satz:
Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben:Das leidige Thema Lokführer und Suizid.
Klar, es ist primär der Opener, aber trotzdem, die Formulierung ist mindestens unglücklich. Der Duden umschreibt „leidig“ mit den Stichwörtern „ärgerlich; unangenehm; lästig“. Konzentrieren wir uns auf die ersten beiden, so führt es unweigerlich zu der Frage, warum in drei Teufels Namen er dann das Thema liest, geschweige denn irgendetwas dazu antwortet?

Nun, das Topic muss niemandem gefallen. Man kann dazu auch verschiedene, legitime Positionen einnehmen. Man sollte bzw. eher sogar muss dabei aber anerkennen und es in seinen Formulierungen zum Ausdruck bringen, dass es zum einem um den Tod von Menschen geht, hinter denen eine tragische Geschichte steht. Das allein gebietet es einen gewissen Respekt. Zum anderen ist nicht weniger tragisch das Schicksal der als „Werkzeug“ missbrauchten Lokführer. Das erfordert ebenso Respekt. Doch es fehlt genau dieser in seinem Beitrag. Da kann man noch so oft nachreichen, Autobahn sei sich um die psychischen Folgen bewusst – wenn der Beginn des Beitrag das Topic als „leidig“ wertet, entlarvt dies die Nachreichung als allenfalls ein Lippenbekenntnis.

Oder der BGB-Paragraf, der irgendwo in der Luft schwebt, aber keinen wirklichen Bezug zum Thema hat. Oder ich seh den Bezug nicht, aber er erklärt's wiederum auch nicht. Für mich zeigt die Copy-Paste lediglich, dass Autobahn in der Lage ist, ein neues Tab zu öffnen, gesetze-im-internet.de aufzurufen und Strg+C drücken zu können.
Hätte er drei Minuten gegooglet, wäre er gut 600 Paragrafen weiter gelandet und wüsste, dass der § 823 ("Schadensersatzpflicht") sich eher dazu eignet, eine Klage anzustrengen. Und drei weitere Minuten googlen führten zur Erkenntnis, dass Gerichte bis jetzt noch kein Urteil gefällt haben bei Klagen gegen Hinterbliebene eines Schienensuizids, sondern dass man sich um Vergleiche im relativ niedrigen vierstelligen Bereich bemüht hatte.

Informativ darüber ist dieser Artikel von Roland Schimmel auf "Legal Tribune online".

Oder der Sparwitz über die Todesstrafe für Suizidenten - haha. Ist aber in diesem Themenkomplex geschmacklos. Auch wenn das jetzt jeglichen Minimalabstand unterschreitet - IMO kann man nur beten, dass das niemand liest, der einen Menschen durch Suizid verloren hat.

Oder hier:
Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben:Die psychischen Folgen für einen Fahrzeugführer, der ungewollt am Tode eines Menschen beteiligt ist, sind mir durchaus bewusst. Da sind Lokführer keine Besonderheit. Vielleicht in der Menge, aber nicht in der Sache. Und zwischen Suizid und einem tragischen Unfall besteht kein Unterschied. Der Betroffene ist tot.
Offensichtlich – ach was, alleroffensichtlichst ist er sich dessen nicht bewusst, denn sonst würde er nicht in solchem Maße öffentlich auf die Erlebnisse der Lokführer - sagen wir ausblenden.

Er versucht über eine nicht vorhandene Statistik ("eine Menge"), an Schiensuizid beteiligte Tf als etwas nichts Besonderes hinzustellen. Was schon allein deswegen ins Leere läuft, wenn statistisch gesehen jeder Lokführer in seinem Berufsleben zwei Schienensuizide durchleidet (Quelle: SZ). Doch allein sein angewendeter Ansatz ist doch grundfalsch, da unangemessen. Die möglichen psychischen (etwa Flashbacks, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, bis hin zum PTBS) oder wirtschaftlichen Folgen (Gehaltseinbußen, Berufsunfähigkeit) nach der Selbsttötung sind ausgeblendet; bis auf das halbherzige Alibifeigenblatt. Doch gerade die Folgewirkungen, die trotz Therapie noch Jahre später autreten können, allein machen doch aus jedem Fall etwas "Besonderes".

Dass es keinen Unterschied zwischen Unfall und Freitod, zwischen einer Verkettung unglücklicher Umstände und einer Instrumentalisierung wider Willen gibt, da melde ich einfach mal Zweifel an. Bloß weil das "Ergebnis" sich gleicht, müssen sich beide Fälle nicht vergleichen lassen.

Ein Betroffener beschreibt es so (Hervorhebungen entfernt):
Wie man mit so einem Erlebnis fertig wird? Ich habe keine Ahnung. […] Ich kenne Kollegen, die schon ein Gutes Dutzend Suizidfälle hatten und gleich am nächsten Tag wieder ihre Schicht machten. Ich kenne auch Fälle, in denen der Lokführer nie wieder auf der Strecke war.

Ich fuhr nach drei Wochen wieder und tröstete mich mit dem Gedanken, dass der junge Mann seine Gründe gehabt haben musste, seinem Leben wirklich ein Ende zu setzen und ich nicht die geringste Schuld hätte.

Das nützte mir allerdings nichts mehr, als ich zwei Jahre später einen jungen Familienvater zu Tode fuhr, der nur mal eben über die Gleise rennen wollte, um die S-Bahn zu erreichen.
Klingt das nach gleichem? Wohl kaum. Autobahn verharmlost die Thematik, verbirgt aber seine Empathie hinter dem (nicht falschen) "flach zu haltenden Ball". Im Nachgang aber gleich die Binsenweisheit, wer mit einem Freitod nicht umgehen kann, hat den falschen Job.... Nein, da will man doch nicht zustimmen. Wenn ich das zu einem Polizisten sagen würde, der im Dienst einen Menschen erschossen hat, da würde doch hoffentlich jeder auch sagen, "Hör mal, Jogi, so geht das nicht".
Das Leiden beider Parteien, Tf wie Hinterbliebene, ist weder herunterzuspielen noch zu übertreiben. Aber wenn man im ersten Satz das Bewusstsein darum betont, um im nächsten Satz dann etwas dazu gegensätzliches zu sagen, wonach es nicht Besonderes ist – das finde ich sowas von daneben.

Oder diese Formulierung:
Autobahn @ 24 Apr 2013, 21:54 hat geschrieben:Wer sich den psychologischen Anforderungen eines Verkehrsberufes nicht gewachsen fühlt, sollte sich besser um einen Job im Büro bewerben. Da kann er keinen Menschen überfahren.
Es ist ein Berufsrisiko von Lokführern, da beißt die Maus keinen Faden ab. Das lässt sich aber auch anders ausdrücken.Was im Subtext mitschwingt von wegen "selber Schuld" und "Weicheier, wenn ihr das nicht aushaltet" - aber einen Absatz vorher eine gewisse Sonderstellung für Autofahrer aufbauen. Was soll das? Ob im Führerstand eines ICEs, einer S-Bahn, ob im Führerhaus eines Vierzigtonners oder hinterm Lenkrad eines Smarts, wer bei einer Selbsttötung instrumentalisiert wird, durchleidet Schreckliches. Punkt. Da ist keiner besser, keiner schlechter dran.

Zum dem Bullshit mit dem PTBS habt Ihr ja schon genug geschrieben. Dieses ganze Konklomerat aus einer das Individuelle wie auch das Psychologische nicht berücksichtigende Analyse, gepaart mit einem fragwürdigen Zitat, "interessanten" (aber klar gesagt nicht grundfalschen) Schlussfolgerungen und einer gewissen Überheblichkeit hinsichtlich der Folgwirkungen wollen viele nicht unkommentiert stehen lassen. Und das mit "Empörungsmaschinerie" abzutun, das greift etwas kurz. Seine Formulierungen sind mindestens unglücklich gewählt, seine Feststellungen fragwürdig bis krude.

Das wirkt nunmal bei dieser Thematik besonders nach.
GSIISp64b
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Beitrag von GSIISp64b »

Danke, Jogi - sehr gut und differenziert und auf den Punkt.

Zum Thema Berufsrisiko: Dass es ein Berufsrisiko des Tf-Berufs ist, auch mal einen Selbstmörder unter dem Zug zu haben, heißt natürlich noch lange nicht, dass man damit gefälligst klar zu kommen hat. Niemand muss mit so was einfach so klar kommen. Es heißt lediglich, dass man an die Thematik nicht einfach mit "Die sollen halt aufhören, sich vor den Zug zu werfen" heranzugehen.

Das Thema ist einfach enorm komplex, ein Schienentod erzeugt ein Spannungsfeld aus mehreren Beteiligten, von denen jeder in irgendeiner Art und Weise geschädigt ist: Der Selbstmörder (der ja doch recht oft überlebt), der Tf, die Angehörigen, ... Es ist alles keineswegs einfach und sollte nicht auf Stammtischparolen reduziert werden.

Interessanter Fakt am Rande: In Großbritannien stand auf Selbstmordversuche früher tatsächlich die Todesstrafe, und zwar mit der Argumentation, man raube damit ja der Krone einen Untertan. Heute ist man zum Glück weltweit einen Schritt weiter, was das Thema "Selbstbestimmung" angeht.
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Beitrag von Fichtenmoped »

Hmm... Rechtlich eine schwierige Sache. Aber kommen wir zu dem Punkt, wo ein Mensch beschließt seinem Leben ein Ende zu setzten...

Nach einer Theorie liegt zwischen den Gemütszuständen "Depression" und "Normal" der Zustand "Aggression".
Jemand, der im Zustand Depression ist hat nicht den Antrieb Suizid zu begehen. Bessert sich aber der Zustand kommt unvermeidbar der Zustand Aggression - und diese Aggressionen können sich auf viele Arten zeigen. Entweder Gewalt anderen Menschen (Familienmitglieder!) gegenüber, Sachbeschädigungen oder gar Suizid. (Das erklärt, warum viele Menschen vor ihrem Suizid meist voller Tatendrang stecken...)
Das Problem ist, den Patienten durch diese Aggressionen zu leiten - und sie auf ungefährliche Weise abzulenken.
Da aber der Zustand von Depressiven sich auch am Allgemeinzustand in seiner Umgebung orientiert, ist es sehr gefährlich wenn sich sein Umfeld auf einmal besser fühlt. (So wie Schiffe, die sich mit den Gezeiten heben und senken...) Deswegen gibt es die meisten Suizide im Mai...

Das kann dazu führen, dass ein Selbstmörder beim Suizid rechtlich gesehen Schuldunfähig ist!

Was letztendlich einer Schmerzensgeldzahlung im Wege steht.
Da aber der Suizid eines Menschen einen Triebfahrzeugführer zum Berufsrisiko gehört, sollten da die Berufsgenossenschaften und die Arbeitgeber nicht verstärkt aktiv werden? Prävention wird es nicht geben können - aber die Nachsorge kann verbessert werden!

Das Problem ist auch, dass jeder anders auf die Tötung eines Menschen reagiert. Den einen macht's nix aus, der andere zerbricht innerlich. Das ist nix wirklich Neues - und das konnte man auch schon früher beobachten. In fast jedem Krieg, bei jeder größeren Katastrophe - nur hat das heutzutage einen Namen: PTBS.
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Beitrag von 146225 »

Fichtenmoped @ 25 Apr 2013, 19:11 hat geschrieben: Da aber der Suizid eines Menschen einen Triebfahrzeugführer zum Berufsrisiko gehört, sollten da die Berufsgenossenschaften und die Arbeitgeber nicht verstärkt aktiv werden? Prävention wird es nicht geben können - aber die Nachsorge kann verbessert werden!
DAS kann man nur nachdrücklich unterstreichen - Menschen durch unerwartete, schwierige bis schmerzhafte Ereignisse im Arbeitsleben zu begleiten und so weit als möglich zu unterstützen, ist mit die vornehmste Aufgabe der Berufsgenossenschaften. Die andere große Säule ist die Prävention von Leid, welche in diesem speziellen Fall leider nicht in Frage kommt.
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Beitrag von GSIISp64b »

Vollständige Prävention wird es nie geben können - trotzdem glaube ich, dass die Zahl der Selbstmorde in Deutschland reduziert werden kann.
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Beitrag von 146225 »

GSIISp64b @ 25 Apr 2013, 21:36 hat geschrieben: Vollständige Prävention wird es nie geben können - trotzdem glaube ich, dass die Zahl der Selbstmorde in Deutschland reduziert werden kann.
Wenn es möglich ist, die Egoismen und die Vorurteile und die extremen Drucksituationen in diesem Land zu reduzieren: Dann ja.
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Beitrag von GSIISp64b »

146225 @ 25 Apr 2013, 21:39 hat geschrieben: Wenn es möglich ist, die Egoismen und die Vorurteile und die extremen Drucksituationen in diesem Land zu reduzieren: Dann ja.
Und was das angeht, sind wir meinem Eindruck nach zumindest auf einem guten Weg, wenn auch nicht wirklich weit.
Dauerhaft abwesend, und ich komme nicht mehr wieder.
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Beitrag von Electrification »

GSIISp64b @ 25 Apr 2013, 22:20 hat geschrieben: Und was das angeht, sind wir meinem Eindruck nach zumindest auf einem guten Weg, wenn auch nicht wirklich weit.
Bist du Eisenbahner? Wenn ich alleine den Bereich ansehe, erkenne ich uns da auf keinen guten Weg, trotz Personalmangels steigt nur der Druck und die Belastung und das seit Jahren.

Solange die Menschen nur bloße Zahlen sind, die betriebswirtschaftlich optimal sein müssen, wird sich auch wenig ändern.

Zum Thema Berufsrisiko:
Kein Mensch weiß wie er in bestimmten Situationen reagieren wird. Manche sind harte Typen, die dann aber schon der erste Suizid außer Gefecht setzt und andere stecken das besser weg als sie selbst erwartet hätten. Wer das nicht selbst miterlebt hat, der kann nie sagen wie er reagieren wird oder wie er das verarbeiten kann.
Es kommt auch immer darauf an wie viel man sieht und mitbekommt. Das schlimmste dürfte sein wenn man das Gesicht zu sehen bekommt und das nicht mehr aus dem Kopf bekommt.
Wer hier immer einen aus Eiskalt macht und von Berufsrisiko redet ist einfach nur zynisch.

Wie gesagt, es gibt richtige Extremfälle, da ist schon einiges passiert und das kann ich hier gar nicht schreiben, auch wenn es evtl. eine Abschreckung für Selbstmörder wäre, denn nicht immer sind diese sofort tot.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich auf einige meiner Beiträge einen Shitstorm abbekomme. Das dabei auch persönliche Beleidigungen abgegeben werden ist nicht in Ordnung! Aber ich stehe darüber.

Ich habe vor ca. 30 Jahren selbst in einer Situation gestanden, wo ich mir das Leben hätte nehmen können. Die Situation war für mich wirtschaftlich und persönlich aussichtslos. Allerdings dachte ich nicht daran, mich vor den Zug zu werfen, sondern mit dem Auto vor einen Baum oder vor eine Mauer zu fahren. Hätte ich es getan, wärt ihr von meinen Ausführungen verschont geblieben (das beweist wieder meine Liebe zum Sarkasmus).

Wenn ich erwogen hätte, mich vor einen Zug zu werfen, wäre am Ende auch bei den Hinterbliebenen nichts zu holen gewesen. In "meinem" Fall hätte meine Ex-Frau neben den gemeinsamen Schulden aus der Ehe auch noch das "Schmerzensgeld" für einen Lokführer zahlen müssen.

Im Grunde ist die ganze Diskussion (auch der Juristen) an den Haaren herbeigezogen. NIEMAND ist für die Taten eines Dritten verantwortlich, auch nicht Hinterbliebene.

Ich war täglich als Fahrzeugführer in Europa unterwegs. Immer in Gefahr, unwillentlich und ohne Verschulden einen Menschen zu töten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Unfall oder eine gezielte Selbsttötung handelt. O. K. mit einem Kraftfahrzeug könnte ich ausweichen, aber nicht in jedem Fall. Das ist aber der einzige Unterschied zum Lokführer.

Darum stehe ich zu meiner Aussage, das diejenigen, die das nicht auszuhalten glauben, sich einen Job außerhalb des Fahrdienstes suchen sollten.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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