Ethisch kann man das sicher ganz anders bewerten, aber nach den Buchstaben des Gesetzes hat Edward Snowden nunmal schwere Straftaten begangen, was ihm ja auch bewusst war. Das wäre auch nicht anders, wenn sich der ganze Fall in Deutschland abspielen würde. Von daher ist es keine Überraschung, dass Strafverfolger versuchen, Zugriff auf seine Mails zu bekommen. Auch das wäre in Deutschland nicht anders.
Lavabit wirbt (bzw. warb) damit, dass die Mails der kostenpflichtigen Accounts auf den Servern verschlüsselt gespeichert werden. Wenn die Mails tatsächlich so gut gesichert sind, dass lavabit selbst sie nicht lesen kann, ist es naheliegend, dass der Staat die Mails zum einen trotzdem auszuwerten versucht und sich zum anderen für die Zukunft eine Hintertür öffnen wollte (selbst das wäre auch in Deutschland möglich). Anderenfalls sollten die Mails schlicht sichergestellt werden. Wenn man die etwas pathetische ("Verbrechen gegen das amerikanische Volk") Erklärung des lavabit-Gründers Ladar Levison genau nimmt, frage ich mich, was er erwartet hat, wenn selbst Branchenriesen wie Microsoft und Google gegen solche Begehrlichkeiten offenbar chancenlos waren. Das muss man nicht gutheißen, aber diese Realitäten müssen auch bei lavabit bekannt gewesen sein.
Oder er hat als Unternehmer einfach mal nachgerechnet.
Bezahlt wird bei lavabit nur für die Accounts, deren Mails verschlüsselt gespeichert werden, das hebt lavabit von anderen Mail-Providern ab. Und es wird wohl kaum jemand, der eins und eins zusammenzählen kann, noch darauf vertrauen, dass seine Mails beim "Snowden-Provider" auch weiterhin vollkommen sicher sind. Lavabit ist also nicht zuletzt sein wichtigstes Feature indirekt verloren gegangen. Interessanterweise hat ja Silent Circle mit einer ganz ähnlichen Begründung den Betrieb eingestellt. Und da Ladar Levison offenbar versuchen möchte, lavabit in irgendeiner Form wiederzubeleben, ist es sicher besser, wenn er als Geheimniswahrer in Erinnerung bleibt und nicht als der, dessen Unternehmen man nicht mehr trauen konnte.