Timisoara - eine Zeitreise ins Jahr 1905

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Nachdem ich bereits seit etwa 7 Jahren immer wieder den Gedanken hatte, mir Timisoara und den dortigen Trambetrieb anzusehen, hat es nun endlich mal geklappt - das Pfingstwochenende 2014 (das übrigens in Rumänien ebenso den Montag als gesetzlichen Feiertag brachte, doch dazu später mehr) führte mich in diese wunderschöne Stadt :)

Da bei nur 3 Tagen der Zeitrahmen für Stadtbesichtigung und Tramnetz erkunden doch recht knapp bemessen ist, reiste ich per Flugzeug in 3,5 Stunden Tür-zu-Tür-Zeit je Richtung an - die Zugfahrt hätte mir dann doch etwas zu lange gedauert, zudem kenne ich die Strecke bis Budapest schon :)

Timisoara an der Bega - ein wahres Juwel des früheren Österreich-Ungarn, mitten im Banat, näher an Belgrad als an Bukarest gelegen, vom heutigen Massentourismus, der mittlerweile fast überall in Europa grassiert, bisher gänzlich verschont geblieben. Ich genieße es immer wahnsinnig, wenn es in Städten dieser Größenordnung keine Sightseeing-Busse gibt, keine mit Regenschirm oder bunten Fähnchen angeführten Touristengruppen, und wenn man selbst dann, wenn man den ganzen Tag in der Stadt unterwegs ist, maximal 15 bis 20 andere Touristen sieht bzw. hört (englisch, deutsch, russisch). Die Städte in Europa, in denen das so ist, werden ja leider immer weniger, aber es gibt sie noch :)

Bei meinem ersten Spaziergang in Timisoara habe ich mich sehr stark an eine andere Stadt des ehemaligen Österreich-Ungarn erinnert gefühlt, die ich bereits besucht habe - Chernivtsi, in der heutigen Ukraine gelegen und dem internationalen Massentourismus ebenfalls völlig unbekannt. Beide Städte haben für mich persönlich ein sehr ähnliches Flair. Man fühlt sich - wie ich im Thementitel bereits genannt habe - schlicht und einfach wie auf einer Zeitreise ins Jahr 1905. Verträumte, verlassene Vorstadtstraßen mit Wohngebäuden in prächtigster Architektur, reichst verzierte Fassaden an jedem Gebäude, gesäumt von windschiefen Bäumen am Rand der Gehsteige... alles halb verfallen, alles seit Jahrzehnten unsanierte und unveränderte Gebäude, alles wie im Dornröschenschlaf... teilweise in den Seitenstraßen, ja auf versteckten Plätzen und Parks am Wochenende 5 bis 10 Minuten kein einziger anderer Fußgänger, kein Auto, einfach nichts... es ist einfach unglaublich, dieses Flair zu spüren und zu erleben. Ich habe mich stundenlang in diesen ruhigen Seitenstraßen Timisoaras verloren, treiben lassen, genossen, die Atmosphäre aufgesaugt - ein absoluter Traum. Diese einzigartige Atmosphäre habe ich bisher nur in diesen beiden Städten erlebt, wobei sie in Chernivtsi insgesamt noch etwas ausgeprägter ist als in Timisoara, das zumindest auf den zentralen Plätzen dann doch auch sehr viel modernes, städtisches Großstadttreiben mit Straßencafés, Eisdielen, und vielen Menschen zu bieten hat.

Was kann ich sagen? Timisoara hat mich in vielen Punkten überrascht. Fangen wir doch mal bei der Tram an: ich bin bisher noch nie mit Bremer Wegmännern gefahren und kannte diese Fahrzeuge bisher nicht. Umso überraschter war ich, dass sie sich wirklich fast wie Münchner P-Wagen anhören. Am Anfang mußte ich so manches mal überlegen, ob jetzt gleich ein Wegmann oder ein Münchner P um die Ecke kommen wird, man hat aber dann schnell raus, dass die Wegmänner sich teilweise etwas "höher" anhören, also irgendeine Art Surren im Fahrgeräusch haben, dass den P-Wagen fehlt.

Am meisten überrascht war ich von der Aufteilung des Wagenauslaufs. Ich war nur am Wochenende in Timisoara, wobei der Pfingstmontag auch in Rumänien ein Feiertag war. Somit habe ich nur den Wochenend- bzw. Feiertagsauslauf erlebt. Stark überrascht war ich aber, dass die Wegmänner nahezu 100% des Wagenauslaufs stellen. Außer Wegmännern waren auf dem gesamten Netz an allen Tagen nur 2 P-Solos im Einsatz (Wagen 2013 auf der Linie 4, Wagen 2030 auf der Linie 5) und ein Fahrzeug, das mir nach Düwag ausgesehen hat (Wagen 109, sonntags auf der Peripherie-Tangente Linie 9, montags dann auf der Linie 6). Traktionen gab es nur aus Wegmännern gebildet und nur auf der Linie 8.

Ich habe in den letzten Jahren hier und auf der Drehscheibe sehr viele Bildberichte aus Timisoara gesehen, und mir persönlich hat es immer den Anschein erweckt, dass sich Wegmänner und P-Wagen in etwa die Waage halten. Es hat aber irgendwie nie einer der Beitragsschreiber erwähnt, dass der Anteil der P-Wagen zumindest am Wochenende verschwindend gering ist! Das finde ich schade, weil es eigentlich eine elementarste Information für alle ist, die diesen Betrieb besuchen wollen. Ich hoffe, dass ich damit zur Aufklärung für eventuelle zukünftige Timisoara-Erstbesucher beitragen kann!

Bauarbeiten bei der Tram selbst gab es nicht viele während meines Besuchs. Es ist zwar derzeit im Innenstadtbereich von Timisoara (also dort, wo das Straßenraster eckig ist) etwa die Hälfte der Straßen und Plätze komplett gesperrt und für eine großangelegte Sanierung des städtischen Kanalsystems tief aufgegraben, aber die Straßenbahn ist davon nicht betroffen.

Lediglich der sehr kurze Abschnitt Piata Traian - Banatim im Osten der Stadt bei der Bierfabrik ist derzeit wegen Gleissanierung gesperrt und aufgegraben, was Umleitungen bei den Linien 4, 5 und 6 mit sich bringt. Linie 4 verkehrt zwischen Calea Circumvalatiunii und Banatim abgeleitet über Piata Maria - Piata Crucii und ersetzt hier die Linien 5 und 6, Linie 5 verkehrt Ronat - Piata Traian und dann die Schleife via UMT, Linie 6 verkehrt Calea Torontalului - Piata Traian und dann zur Schleife am Gara Timisoara Est, wo sie wendet.
Link zum Tram-Netzplan bei Wikipedia
Die im Wikipedia-Netzplan noch gestrichelt eingezeichnete Linie 3 ist wohl dauerhaft stillgelegt.

Was ist mir an Timisoara noch aufgefallen? Die Tauben. Sie sind einfach überall. Ich habe noch nie in einer Stadt eine dermaßene Taubenplage erlebt, nichtmal in Paris, wo es mir bisher am extremsten aufgefallen war. Egal wo man sitzt oder geht, immer watschelt die Taubenmafia in großen Gruppen um einen rum und schaut, ob was Essbares abfällt. Ich persönlich fands am Ende nicht schlimm, aber es ist mir halt einfach (ohne Wertung) aufgefallen.

Außerdem: an sehr sehr vielen der Altbauten sind große, alte Holzrolläden an den Fenstern angebracht. Von diesen Rolläden scheinen 80% völlig kaputt zu sein, und sie sehen dauerhaft heruntergelassen aus. Ist der Leerstand an Wohnungen im Zentrum einfach so groß, oder soll man sich hier schmunzelnd Graf Dracula als Stadtbewohner vorstellen? Ich dachte eigentlich, der hat sein zuhause in Schloss Bran ein paar hundert Kilometer weiter östlich ;)

Zur Organisation des Stadtverkehrs: für die Anbindung des Flughafens gibt es eine Expressbuslinie 4. Die ist aber am Wochenende völlig nutzlos, weil sie "Taktlücken" von teilweise mehr als 2 Stunden hat und in keinster Weise auf Flugankünfte/abflüge abgestimmt ist. Man ist also als Tourist auf ein Taxi mehr oder weniger angewiesen. Am Ende hat es mir nichts gemacht, weil ich sowohl bei der Hin- wie auch auf der Rückfahrt sehr nette Taxifahrer erwischt habe, aber die öffentliche Flughafenanbindung kann man getrost als die schlechteste Europas neben Odessa bezeichnen - und das, obwohl der Flughafen Timisoara gar nicht mal so klein ist wie manch anderer in der Region Osteuropas.

Zum Thema Fahrtkartenkauf: eine Katastrophe für Touristen, eine der schlechtesten Verkaufs-Infrastrukturen Europas. Keine Fahrkartenautomaten, kein Verkauf beim Fahrer, kein Verkauf an der Hotelrezeption. Die Verkaufskioske der Verkehrsbetriebe sind am Wochenende komplett geschlossen, die übrigen (Zeitungs-)Kioske verkaufen nur Einzelfahrscheine. Die kann man wiederum nur am jeweils vordersten Entwerter der Trambahnen entwerten, weil die übrigen Entwerter im Fahrzeug nur für die Plastikkarten der Einheimischen vorgesehen sind (ich hab mal irgendwo gelesen, man könnte Einzelfahrscheine am jeweils vordersten und hintersten Entwerter eines Fahrzeugs entwerten. Das stimmt zumindest bei einem Großteil der Fahrzeuge schlicht nicht, es geht nur am vordersten). Die Entwerter für die Papiertickets sind zudem noch extrem pingelig was den Einführwinkel des Einzelfahrscheins angeht, teilweise braucht es vier Versuche bis mal der Stempelaufdruck erfolgt. Unterm Strich hab ich für die drei Tage exakt 15 Einzelfahrscheine für insgesamt 30 Leu benötigt, was dem Preis von drei Tageskarten exakt entspricht. So hatte ich aber leider immer noch das Gefiesel jedesmal beim Einsteigen.

Was ist mir noch aufgefallen? Die Wegmänner haben komische Türen, teilweise sehr eng. Da bin ich froh, dass man unsere Münchner Ps doch etwas anders ausgestattet hat. In Timisoara haben die Wegmänner zudem an allen Türen außer der Fahrertür so komische Metallklappen, die man für den Ein- oder Ausstieg manuell wegklappen muß, selbst wenn die eigentliche Fahrzeugtür bereits geöffnet wurde. Sind die Dinger original aus Bremen, oder in Timisoara nachgerüstet worden? Welchen Zweck soll das haben?

Außerdem sind mir in einigen Wagen getönte Scheibenfolien aufgefallen, die auf die Seitenfenster geklebt sind. Dienen die als Schutz vor Scratching, als Sonnenschutz oder als beides?

So, das mal als Einstieg. Ich werde im Lauf der nächsten Tage noch einige Fotos hochladen, wobei es nur ein paar Trambilder geben wird, aber dafür viele Fotos der Architektur in dieser herrlichen Stadt. :)
Catracho
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Beitrag von Catracho »

Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014, 15:33 hat geschrieben: Man fühlt sich - wie ich im Thementitel bereits genannt habe - schlicht und einfach wie auf einer Zeitreise ins Jahr 1905.
So ist das halt in Osteuropa. Da ist man in vielen Dingen mindestens 100 Jahre zurück. Bin auf deine Photos gespannt. :)

Mfg
Catracho
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218217-8
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Beitrag von 218217-8 »

Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014, 15:33 hat geschrieben:die öffentliche Flughafenanbindung kann man getrost als die schlechteste Europas neben Odessa bezeichnen
München??? :ph34r:

Auch ich bin sehr gespannt und freue mich auf die Bilder.
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TramBahnFreak
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Beitrag von TramBahnFreak »

218217-8 @ 14 Jun 2014, 16:39 hat geschrieben:München???  :ph34r:
Nun, *etwas* mehr als ein taktlos verkehrender Bus ungefähr alle 2 Stunden hat's hier meiner Erfahrung nach schon. So ganz unwesentlich... ;)
Auch ich bin sehr gespannt und freue mich auf die Bilder.
Gleichfalls. :)
Metrotram
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Beitrag von Metrotram »

Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014, 15:33 hat geschrieben:Am Anfang mußte ich so manches mal überlegen, ob jetzt gleich ein Wegmann oder ein Münchner P um die Ecke kommen wird, man hat aber dann schnell raus, dass die Wegmänner sich teilweise etwas "höher" anhören, also irgendeine Art Surren im Fahrgeräusch haben, dass den P-Wagen fehlt.
Da meinst du wohl eher die Hansa-Wagen als die Wegmann-Wagen. Die Wegmann-Wagen klingen m.E nochmal ganz anders als die P- oder Hansas.
Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014 @ 15:33 hat geschrieben:Es hat aber irgendwie nie einer der Beitragsschreiber erwähnt, dass der Anteil der P-Wagen zumindest am Wochenende verschwindend gering ist!
Das hängt allerdings auch immer davon ab, wieviele P-Wagen derzeit einsatzbereit sind. Im Juni 2013 habe ich an einem Sonntag sechs P-Wagen erwischt, davon drei Züge! Ich würde vermuten, dass insbesondere durch die Baustelle an der Brauerei die meisten P-Wagen im Depot bleiben. Die Linie 4 wäre ja eigentlich ein typischer Kandidat für Beiwagen-Züge.
Außerdem wurden ja auch bedeutend weniger P-Wagen als Hansa- und Wegmann-Wagen nach Timisoara gebracht.
Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014 @ 15:33 hat geschrieben:und ein Fahrzeug, das mir nach Düwag ausgesehen hat (Wagen 109, ...)
Das ist ein ex-Karlsruher DWM-Wagen.
Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014 @ 15:33 hat geschrieben:Lediglich der sehr kurze Abschnitt Piata Traian - Banatim im Osten der Stadt bei der Bierfabrik ist derzeit wegen Gleissanierung gesperrt und aufgegraben, was Umleitungen bei den Linien 4, 5 und 6 mit sich bringt.
Danke für die Info! P-Wagen nördlich des Piata Traian sind ja eher selten.
Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014 @ 15:33 hat geschrieben:Was ist mir noch aufgefallen? Die Wegmänner haben komische Türen, teilweise sehr eng. Da bin ich froh, dass man unsere Münchner Ps doch etwas anders ausgestattet hat. In Timisoara haben die Wegmänner zudem an allen Türen außer der Fahrertür so komische Metallklappen, die man für den Ein- oder Ausstieg manuell wegklappen muß, selbst wenn die eigentliche Fahrzeugtür bereits geöffnet wurde. Sind die Dinger original aus Bremen, oder in Timisoara nachgerüstet worden? Welchen Zweck soll das haben?
Die Klappen sind bereits in Bremen in den Hansa-Wagen verbaut worden. In den P-Wagen gibt es stattdessen die "bewegliche" erste Trittstufe, welche verhindert, dass sich die Tür schließt.

Danke für deinen ausführlichen Bericht! Ich freue mich auf die Fotos. :)
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spock5407
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Beitrag von spock5407 »

Die Wegmann-Wagen haben AFAIK keine Tatzlagerantriebe mehr; sie klingen sehr ähnlich zu den alten Duewags.
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Münchner Kindl
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Beitrag von Münchner Kindl »

Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014, 16:33 hat geschrieben:Zur Organisation des Stadtverkehrs: für die Anbindung des Flughafens gibt es eine Expressbuslinie 4. Die ist aber am Wochenende völlig nutzlos, weil sie "Taktlücken" von teilweise mehr als 2 Stunden hat und in keinster Weise auf Flugankünfte/abflüge abgestimmt ist.
Es gibt zwei Expressbuslinien, E4 und E4/. Mit E4/ hast Du recht, diese ist wirklich vollkommen sinnlos, aber E4 fährt eigentlich auch am Wochenende mehr oder weniger stündlich, wenn auch leider nicht auf die Ankunftszeiten der Flugzeuge abgestimmt.
Als Tipp zu den Taxis, es gibt bei der Bushaltestelle noch einen zweiten, kleineren Taxistand ("fara abo" oder so ähnlich heißt der), wo günstigere Taxis warten.
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Oliver-BergamLaim @ 14 Jun 2014, 15:33 hat geschrieben:Die im Wikipedia-Netzplan noch gestrichelt eingezeichnete Linie 3 ist wohl dauerhaft stillgelegt.
Korrekt, Gleise sind auch teilweise abgebaut.
Was ist mir an Timisoara noch aufgefallen? Die Tauben. Sie sind einfach überall. Ich habe noch nie in einer Stadt eine dermaßene Taubenplage erlebt
Krakau habe ich da in ganz schlechter Erinnerung.
Zum Thema Fahrtkartenkauf [...]
Kann ich alles bestätigen. Ist wirklich übel.
So, das mal als Einstieg. Ich werde im Lauf der nächsten Tage noch einige Fotos hochladen, wobei es nur ein paar Trambilder geben wird, aber dafür viele Fotos der Architektur in dieser herrlichen Stadt. :)
Immer gern.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Maikäfer
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Beitrag von Maikäfer »

zum Thema Fahrkartenverkauf in Rumänien:
erlebt in Bukarest, 2009. Zwei Wochen beruflicher Aufenthalt, am Wochenende Sightseeing auf eigene Faust. Auf der Straße vor dem Hotel eine Trolley- und eine normale Buslinie direkt ins Zentrum. Samstag früh, Hotelrezeption: wo bekommt man Busfahrkarten? Weiß nicht, vielleicht an der Metrostation. Die war aber gut 2km entfernt. Also zu Fuß zur Trolleybus-Endschleife eine Station weiter. Dort ein Container, aber nur Aufenthaltsraum und WC für die Fahrer. Die Fahrer der beiden dort wartenden Trolleybusse nach Tickets oder Billets gefragt. Ergebnis: Schulterzucken aus Unwillen, Unverständnis oder was auch immer. Dann kommt ein Bus der anderen Linie, die auch ins Zentrum fährt. Also beim Fahrer einsteigen und fragen nach Tickets. Denkste! Bei dem normal aussehenden Citaro-Dreitürer öffnet sich nur der linke Flügel der ersten Tür. Der rechte dient nur als Fahrertür, abgetrennt durch eine Glasscheibe ohne Möglichkeit mit dem Fahrer in Kontakt zu treten. Also versuchen, Fahrgäste zu fragen. Sofort kommt ein junger Mann zu mir, bietet in ganz gutem Englisch an, für mich den letzten Streifen seiner Zehnerkarte zu stempeln, und mir die Karte zur Weiterfahrt zu geben, wenn er aussteigt. Ich nehme dankend an, er stempelt und setzt sich wortlos wieder an seinen Platz. Ein paar Stationen später hält er mir die Karte entgegen, ich frage ihn, was ich ihm zu zahlen hätte. Er sagt nur "you're welcome", verschwindet im voll gewordenen Bus in Richtung Tür und steigt aus. Ich war baff.
Würde sowas hierzulande jemand machen? Kann ich mir nicht vorstellen.
Respekt vor soviel Gastfreundschaft!
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Münchner Kindl
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Beitrag von Münchner Kindl »

Ja, irgendwoher müssen die Jahr ihren super Ruf haben... Gibts eigentlich Zahlen für wieviel % der Straftaten die hier verantwortlich sind, gefühlt steht mindestens in 3/4 der Fälle "Rumäne"...
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146225
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Beitrag von 146225 »

Münchner Kindl @ 19 Jun 2014, 08:03 hat geschrieben: Ja, irgendwoher müssen die Jahr ihren super Ruf haben... Gibts eigentlich Zahlen für wieviel % der Straftaten die hier verantwortlich sind, gefühlt steht mindestens in 3/4 der Fälle "Rumäne"...
Das dürfte zu > 75% ein Vorurteil sein - ein wertloses oben drein.
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
viafierretica
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Beitrag von viafierretica »

Münchner Kindl @ 19 Jun 2014, 08:03 hat geschrieben: Ja, irgendwoher müssen die Jahr ihren super Ruf haben... Gibts eigentlich Zahlen für wieviel % der Straftaten die hier verantwortlich sind, gefühlt steht mindestens in 3/4 der Fälle "Rumäne"...
lange leben die Vorurteile.
Wenn irgendwo steht: "Rumäne...", dann schnapp manche es sofort auf und fühlen sich bestätigt, ja die "bösen Rumänen". Wenn es Deutsche sind, dann überliest dieser mancher es geflissentlich. Selektive Wahrnehmung.

Und das oben genannte ist nun mal Gastfreundschaft - ein Wort, das hier so gut wie unbekannt ist, in einem Land, das viel reicher ist. Traurige Einstellung.
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Münchner Kindl
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Beitrag von Münchner Kindl »

viafierretica @ 19 Jun 2014, 09:45 hat geschrieben:Und das oben genannte ist nun mal Gastfreundschaft - ein Wort, das hier so gut wie unbekannt ist, in einem Land, das viel reicher ist. Traurige Einstellung.
Wann hast Du denn dem letzten Touristen eine Fahrkarte ausgegeben???

Das ist kein Vorurteil sondern Kriminaltourismus, woher glaubst Du kommen die explodierenden Einbruchszahlen in München (40% mehr als im Vorjahr), die bettelnden Bandenmitglieder in den Bahnen und auf den Straßen, Taschendiebe...
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TravellerMunich
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Beitrag von TravellerMunich »

Münchner Kindl @ 19 Jun 2014, 08:03 hat geschrieben: Ja, irgendwoher müssen die Jahr ihren super Ruf haben... Gibts eigentlich Zahlen für wieviel % der Straftaten die hier verantwortlich sind, gefühlt steht mindestens in 3/4 der Fälle "Rumäne"...
Nun, die meisten Rumänen - erst Recht in den größeren Städten - stehen uns Mitteleuropäern sehr nahe und sind sehr zivilisierte, durchaus gebildete und angenehme Menschen.

Allerdings wird in Rumänien teils gegen Bettler und andere sehr hart von der Polizei vorgegangen, weshalb man in vielen Städten inzwischen weniger Bettler sieht als in Berlin oder teils auch in München.

Die meisten Bettler kommen jedoch auch aus einer in Rumänien sehr präsenten ethnischen Minderheit. Rumänien wird teils Diskrimierung dieser Menschen vorgeworfen - jedoch ist die Menschengruppe durchaus gewöhnungsbedüftig, bis hin zu einem sehr sehr intensiven Körpergeruch, der mich schon veranlasst hat, Busse fluchtartig zu verlassen, um mich nicht übergeben zu müssen. Diese Aussage werden jetzt einige wieder als Rassismus ansehen, die waren aber noch nie in Rumänien, oder nur im Hotel und Museum.

Dafür wirkte die U-Bahn in Bukarest auf mich teils geschleckter als in München, was die Sauberkeit angeht.
Das Essen war in der Regel gut und preiswert, viele Städte und Landschaften wirklich schön und die meisten Rumänen eben angenehme Menschen, die absolut gut in die EU hinein passen, auch von ihrer Mentalität und Selbstverständnis.
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Flo_K
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Beitrag von Flo_K »

Willst Du jetzt damit sagen, dass "die" Rumänen ein Einbrecher-Gen haben, oder worauf willst Du hinaus?
Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Nun komme ich endlich dazu, meine Fotos aus Timisoara zu sortieren und Euch eine kleine Auswahl zu präsentieren - mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Architektur, da das Tram-Fotografieren bei etwa 34 Grad und den sonntags üblichen Takten (meist irgendwas um die 20 Minuten) nicht ganz oben auf meiner to-do-Liste vor Ort stand ;)

Kurz zu den oben diskutierten Punkten: ich habe in Timisoara weniger Bettler gesehen als in München, nämlich genau 0 während meines gesamten Aufenthalts. Und bezüglich der Angehörigen eines fahrenden Volkes, von denen es in Timisoara durchaus viele gibt: die Erwachsenen sitzen abends vor ihren Häusern, unterhalten sich und schauen sich das Straßentreiben an, die Jungs fahren auf dem Trottoir auf ihren alten Radln umher, genau wie es im Sommer bei solchen Temperaturen eigentlich unter allen Menschen in allen Ländern üblich ist! Blicke gibt es vielleicht mal so nach dem Motto "oh der sieht nach Tourist aus, die haben wir hier nicht häufig - wo mag er wohl herkommen und was macht er hier in unserer Wohnstraße?", aber garantiert nicht nach dem Motto "dem blöden Touristen, der hier nachts um 10 alleine rumläuft, ziehen wir jetzt den Geldbeutel aus der Tasche, und die Digitalkamera baumelt auch so schön an seinem Handgelenk". Ich persönlich habe mich in Timisoara zu jeder Zeit und in allen Ecken der Stadt sicher gefühlt. Das mag teils daran liegen, dass ich durch mittlerweile zahlreiche Reisen in fast alle Länder Ost- und Südosteuropas "abgehärtet" bzw. schon gewohnt bin, dass das Straßenbild dort einfach oft etwas anders ist als bei uns, was aber eben keine Gefahr bedeutet; teils mag es auch daran liegen, dass es in Timisoara vielleicht einfach nicht gefährlich ist - auch die in München oft und inflationär anzutreffenden Gruppen pöbelnder, junger alkoholisierter Menschen haben trotz Samstag abend in Timisoara komplett gefehlt.

Ich hoffe, dass wir damit die Diskussion zu diesem Thema beenden und uns lieber auf die Fotos konzentrieren können :)

Und wie könnte man einen Bildbeitrag schöner eröffnen als mit unseren geliebten P-Wagen? :)

Bild
Ein P-lein steht im Schleifchen, ganz still und stumm
es hat von lauter Lila ein Mäntlein um
:P : :lol: :lol: :lol:

Auch wenn selbst der gute Herr von Fallersleben sich angesichts des grausig-undynamischen neuen Farbschemas im Grabe umdrehen würde, hat es trotzdem viel Spaß gemacht, mit Wagen 2013 bis zur Endschleife Ciarda Rosie mitzufahren. Diese Strecke, die vornehmlich durch ein Industriegebiet am südöstlichen Stadtrand führt, wurde erst 1987 inmitten der schweren Wirtschaftskrise Rumäniens eröffnet.

Bild
Mit Wagen 2013 auf der Linie 5 an der Haltestelle Calea Bogdanestilor/Mendeleev haben wir dann bildlich auch schon 100% der bei meinem Besuch eingesetzten P-Wagen gezeigt :lol:

Ein Wort zu den Haltestellen bei der Tram Timisoara: diese sind an fast allen Haltestellen so eingerichtet, dass es Haltestelleninseln gibt, die mit Gittern zur Fahrbahn abgetrennt sind und die zudem im Regelfall ein recht modernes Wartehäuschen aufweisen. Bisweilen sind die Trassen auch - so wie hier - am Fahrbahnrand situiert, so dass die Haltestellen dann auf der der Pkw-Fahrbahn abgewendeten Fahrtrichtung entlang der Gehwege liegen. Insgesamt empfand ich das als sehr angenehm und sicher und für einen osteuropäischen Betrieb schon fast als luxuriös. Die Haltestellen, an denen man auf die Fahrbahn der Pkw aussteigen muß, sind - selbst im Vergleich zu München, wo es das m.E. noch viel zu häufig gibt - extrem selten.

Bild
Manchmal muß man gar nicht viel tun, um einen P-Wagen vor die Linse zu bekommen :) Als ich die kühle Abendluft vor der Millenniumskirche sitzend genoß, fuhr mir Wagen 2030 direkt ins Bild - allerdings ließ mich der parkende silberfarbene BMW zu lange rätseln, wann der optimale Auslösezeitpunkt ist, so dass das Bild fast nach dem Motto "it mast be" gemacht worden wäre ;) Neben der Haltestelle Piata Traian. Bezeichnend für Timisoara sind übrigens - wie auf diesem Bild gut sichtbar - sehr viele, sehr gepflegte kleine Platz- und Parkanlagen. Wer denkt, dass München viele Grünflächen hat, wird im deutlich kleineren Timisoara schnell eines besseren belehrt :)

Bild
Wo wir schon vor der Millenniumskirche sprechen - dieses 1896-1901 erbaute Gotteshaus befindet sich direkt neben der Tramhaltestelle Piata Traian im Stadtbezirk Fabric, welcher mindestens genauso sehenswert ist wie das Zentrum und eine Fülle an architektonisch hochinteressanten, oft aber halb verfallenen Gebäuden bietet

Bleiben wir auch gleich im Stadtteil Fabric:
Bild
Ein ex-Bremer kommt auf der Linie 2 entlang des von prachtvollen Altbauten gesäumten Bulevardul 3 August 1919 vom Piata Traian und fährt gleich in die Haltestelle 3 August 1919 ein.

Gleich neben dieser Haltestelle findet sich ein prachtvolles Beispiel von Gründerzeit-Architektur, mit der unübersehbaren, für (noch) gefühlt 80% der historischen Gebäude in Timisoara typischen Patina, die mir durchaus gut gefällt - es muß halt eben nicht immer alles gschleckt und saniert sein.
Bild

Bild
Wer architektonische Details mag, kann in Timisoara problemlos einige Tage lang mit offenem Mund durch die Gegend laufen und den Blick immer schön nach oben richten. Ich hab schon viele Gebäudeverzierungen gesehen, sei es in Riga mit seinem überbordenden Jugendstil oder auch in Plzen, aber ein Schiff ist mir aus einem Gebäude noch nie entgegengekommen B-)

Bild
Wir befinden uns immer noch an der Haltestelle 3 August 1919 und drehen uns einmal um, um die 1895 erbaute Synagoge in der Fabrikstadt zu betrachten. Ein prachtvolles Bauwerk, das - im Gegensatz zu den Synagogen in Deutschland - nicht in den 1930er Jahren politischer Willkür zum Opfer fiel, aber vielleicht leider trotzdem nicht mehr zu retten ist: bereits 1985 wurde diese Synagoge geschlossen, da die jüdische Gemeinde auch in Timisoara immer kleiner wurde. Das Gebäude ist mittlerweile leider nicht nur optisch marode, sondern sogar einsturzgefährdet.

Hinter der Synagoge beginnt die kleine Strada Caragiale, die für mich typisch für meine persönliche Timisoara-Erfahrung an diesem Pfingstwochenende war:
Bild
Menschenleere Straßen, auf denen auch kaum Autos parken, und auf denen alles ein bisschen wirkt wie im Österreich-Ungarn des Jahres 1905. Die Tauben haben hier die ganze Straße für sich.

Auch in dieser kleinen Seitenstraße hat fast jedes Gebäude eine Besonderheit oder ein architektonisches Detail, das einen Blick wert ist:
Bild

Die 10 Bilder sind voll, weiter geht's in Kürze mit den nächsten 10 Bildern :)
Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Immer noch im Stadtteil Fabric = Fabrikstadt, kommen wir am Ende der Strada Caragiale zur Rückseite der bereits bekannten Millenniumskirche, die m.E. genauso sehenswert ist wie die Vorderseite:
Bild

Wir nähern uns der Vorderseite der Kirche (die hier rechts liegt, aber nicht im Bild ist)...
Bild

Bild
Der vor der Millenniumskirche angelegte Platz mit den für viele Stadtbezirke Timisoaras typischen, allesamt um ca. 1900 erbauten Gebäuden im Hintergrund hat es mir sehr angetan :) Mir gefallen Städte, in denen im Zentrum und den zentrumsnahen Stadtteilen der Hauptteil der Gebäude aus der Boomzeit um 1900 stammt (Chernivtsi ist auch eine derartige Stadt), meiner Meinung nach war das der schönste Architekturstil, der je gebaut wurde. Das komplette Fehlen von gesichtslosen 1950er-Jahre-bombenlückenfüllenden Nachkriegsbauten wie in München, Köln etc. ist direkt eine Wohltat.

Ein kleines Stück weiter, auf der Nordseite des Piata Traian, liegt der Palatul Merkur, ein nicht minder prachtvolles Gebäude, das aber ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen hat:
Bild

Im Stadtteil Fabrikstadt gibt es noch weitaus mehr zu entdecken - zum Beispiel sollte man unbedingt mit der Tram entlang der Strecke zwischen Gara Timisoara Est und Arena Electrica mitfahren, um die dortigen prachtvollen Villen zu sehen. Und solche Villen habt Ihr noch nicht gesehen. Da sind die Grünwalder Anwesen nämlich Hundehütten dagegen. :D Leider von mir unfotografiert, da bei 35 Grad der einzige Fußweg in praller Sonne entlang der Villen verlaufen wäre - auf der Schattenseite der Straße liegt die Tramtrasse, aber kein Fußgängerweg... ich darf aber ersatzweise einen Link zu Google Street View einbinden und hoffen, dass das ein Permalink ist...

Wir machen einen Ortswechsel und begeben uns in den Stadtteil Iosefin = Josefstadt, der ebenfalls vor prachtvollen, um das Jahr 1900 errichteten Wohngebäuden und Kirchen geradezu überläuft. Auch hier fand ich wieder menschenleere Straßen, menschenleere Parks und Plätze mit dieser ganz eigenen Atmosphäre...

Bild
Am westlichen Ende der Strada Treboniu Laurian liegt dieses bemerkenswerte Gebäude...

Bild
... das, wenn es in München stehen würde, wohl schon längst luxussaniert wäre und einen Wert hätte, den man in Zahlen kaum mehr ausdrücken kann. Man beachte auch hier wieder die ausufernde, wunderschöne Verzierung der Fassade mit allerlei Details.

Wenn diese Türe sprechen könnte, hätte sie wohl einige Geschichten zu erzählen... mir schien es so, als ob zahllose Gebäude tatsächlich noch die Original-Türen von ca. 1900 drin haben
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Ob im Jahr 1905 ein Schild auf deutsch oder ungarisch vor dem Hund warnte?

Kaum zu glauben, aber durch diese grün-verfallene Idylle fährt sogar die Tram (hier gedacht von links nach rechts und v.v.):
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Ecke Strada Gheorge Dhoja/Strada Brasov

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Geht man die Strada Gheorge Dhoja, gelangt man auch in Kürze zur nächsten Tramhaltestelle (Piata Sfanta Maria - sic, nicht Santa Maria)

Statt Tram zu fahren, habe ich mich aber lieber den Fassaden in der Seitenstraße Strada Plevnei gewidmet:
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(wieder 10 voll - gleich kommt mehr ;))
DumbShitAward
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Beitrag von DumbShitAward »

Wow, das ist ja mal echt sauschön!
Tut mir immer im Herzen weh, wenn so wunderschöne alte Gebäude am Verfallen sind - aber klar, woher das Geld nehmen und nicht stehlen (das wurde ja unter Ceaucescu schon genug getan).

Was mich bei solchen Sachen immer interessiert (ich weiß, denkbar falsches Forum): kannst du was übers Essen erzählen?
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Wir sind immer noch in der Josefstadt und lassen uns von einem schönen, rechteckigen Platz mit kleiner Parkanlage überraschen:
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der Parcul Gheorge Dhoja hat sogar mich als Vorausplaner-Stadtplanbüffler-Streetviewer überrascht, weil er so versteckt abseits jeglicher Menschenströme liegt :blink: B-)

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Überrascht hat mich auch die üppig-grüne Vegetation, die mir deutlich vielfältiger scheint als hierzulande und einen schönen Kontrast zu den verspielt-verzierten Fassaden bringt (Strada Brasov)

Timisoara gibt's ganz neu auch in saniert:
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So würde das Stadtbild aussehen, wenn alle Gebäude der Zeit um 1900 saniert wären. Es ist übrigens das einzige Gebäude in der gesamten Stadt, das ich in dermaßen saniertem Zustand gesehen habe - das einzige! Und ganz ehrlich - mir ist die Patina lieber, sowas wie hier kann ich auch in Dresden oder Leipzig sehen :) Neben Tramhaltestelle Piata Sfanta Maria, fast direkt am Bega-Ufer

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Ob der Fisch der Bega entsprungen ist? :D :D :D

Ein kleines Stück weiter, schon in der Elisabethstadt (Elisabetin) gelegen, ist dieser prachtvolle Sakralbau:
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Am Piata Nicolae Balcescu (bloß nicht mit dem Piata Nicolae Ceaucescu verwechseln - diesen Platz werdet Ihr in Rumänien nämlich eher nicht finden :ph34r:) befindet sich die Kirche Heiliges Herz Jesu, 1912-1919 errichtet, prächtige 57 Meter hoch.

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Als ich zum Platz kam, bog völlig überraschend diese Traktion aus Bremer Fahrzeugen ums Eck - es war beim besten Willen keine Zeit mehr, das Foto auszutarieren, daher gibt's halt die Kirche nur teilweise mit drauf :ph34r:

Wir sind immer noch am gleichen Platz, und hier habe ich ein nettes Kuriosum gefunden:
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Ja, ein Eierautomat :lol: :lol: :lol: Fraglich ist nur, ob sich das für Agrobanat auch rechnet, denn gleich daneben befindet sich ein auch sonn- und feiertags geöffneter Supermarkt, der mich allerdings bei 35 Grad mit Eis und einem kühlen Getränk erfrischen durfte - auf Eier hatte ich gerade nicht so viel Lust :P

Gegenüber vom Eierautomaten gibt's etwas, das mich schon in Chernivtsi fasziniert hat:
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Halterungen für alte Telegrafenleitungen! Das so ein Relikt früherer Zeiten hier noch zu finden ist - und zwar in Timisoara an durchaus vielen Gebäuden - hat mich sehr fasziniert. Weiß denn jemand, wie lange diese alten Telegrafenleitungen in etwa genutzt wurden? Ich gehe nicht davon aus, dass diese heute noch in Betrieb sind, denn auch wenn teilweise tatsächlich noch Drahtleitungen an den Halterungen hängen, fehlen sie großteils schon ganz

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Im nächsten Beitrag geht's dann ins Zentrum, wo ein rechteckiges Straßenmuster, viele Baustellen und eine nette Fußgängerzone auf uns warten :)
Catracho
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Beitrag von Catracho »

Tolle Fotos. Leider kann ich deine Meinung nicht teilen: Diese abgewrackten Städte haben für mich persönlich überhaupt keinen Charme. Um ehrlich zu sein ist es traurig und eine Schande. "Gesichtslose 1950er-Jahre-bombenlückenfüllenden Nachkriegsbauten" brauchts da gar nicht, sieht auch so schlimm genug aus. Da lob ich mir doch, was man in den neuen Bundesländern (oder z.B. auch in Polen, Tschechien, Kroatien) seit 1990 alles investiert, saniert und herausgeputzt hat. Naja, Rumänien halt...

Mfg
Catracho
Theirs not to reason why, theirs but to do and die. - Alfred Tennyson
Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Das Zentrum von Timisoara ist ebenfalls recht schön, hat mich persönlich allerdings weniger fasziniert als die umliegenden Wohnbezirke mit ihren "1900er-Gebäuden". Nur für das Zentrum selbst müßte man jetzt ehrlich gesagt nicht nach Timisoara - schön ist es zweifelsohne trotzdem :)

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An der Haltestelle "Catedrala Metropolitana" wartet man mit Blick auf die Kathedrale der Heiligen drei Hierarchen, 1936-1940 errichtet und Abschluß der Fußgängerzone, die sich entlang des Piata Victoriei zieht. Bonus: wer will, kann auf diesem Bild auch den Mond suchen (aber leider nicht besuchen) :D

Diese Kathedrale ist eines der faszinierenderen Gebäude im Zentrum und auch mit dem 1957 errichteten Fischbrunnen ein schönes Fotomotiv:
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... oder aber zusammen mit der Statue der Kapitolinischen Wölfin, die Romulus und Remus säugt. Wer sich fragt, was das in Timisoara zu suchen hat: 1926 wurde diese Statue von der Stadt Rom der Stadt Timisoara als Geschenk gemacht, um die gemeinsamen romanischen Wurzeln beider Völker zu betonen. Weitere derartige Statuen - ebenfalls allesamt Geschenke der Stadt Rom - finden sich auch in Bukarest, Cluj und Targu Mures. Weitere sieben rumänische Städte verfügen über Nachbildungen, die jedoch keine Geschenke der Stadt Rom waren.

Wo wir gerade bei den gemeinsamen romanischen Wurzeln sind: rumänisch hört sich tatsächlich sehr stark nach italienisch an, so dass man zusammen mit 35 Grad schon fast italiensches Flair in Timisoara verspüren kann. Die zahlreichen Straßencafés, Restaurantterrassen und Eisdielen entlang der Fußgängerzone Piata Victoriei tragen weiter zu diesem Flair bei. Rumänisch hat aber auch einige Wörter drin, die ganz klar aus der slawischen Sprachgruppe stammen. Wenn man also das Urlaubsitalienisch seit der Sorrent-Studienfahrt schon wieder verlernt hat, und zudem das DDR-Schulrussisch auch schon zu lange her ist, kann man auch einfach versuchen, das deutsche oder englische Wort für einen Begriff zu sagen und die Endung "-ul" anzuhängen :ph34r: :ph34r: :ph34r: :lol: :lol: :lol: Tatsächlich sind Begriffe wie Parcul oder Aeorportul dann auch gar nicht so selten...

Übrigens, wer sich bei seinem ersten Spaziergang entlang der großteils mit Fernsehern ausgestatteten Straßencafés ob der dargebotenen Akustik, aber mangels Blick auf den Bildschirm wundert, ob in Rumänien am hellichten Tag pornografisches Filmmaterial dargeboten wird - nein, statt Fußball wird nur einfach sonntags Damentennis gezeigt :o :lol: :lol: :lol:

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Den nördlichen Abschluß des Piata Victoriei bildet das 1871-75 erbaute Nationaltheater und Opernhaus Timisoara. Eigentlich ein Hellmer&Fellner-Bau (wie zum Beispiel auch die fast baugleichen Zwillingstheater von Fürth und Chernivtsi), ist er nach zwei Bränden und verändertem Wiederaufbau im Jahre 1928 heute leider nicht mehr als solcher zu erkennen.

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Entlang des langgezogenen Piata Victoriei buhlen wiederum interessante Gebäude mit Patina um die Aufmerksamkeit der Architekturfreunde

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Für Erfrischung ist dank Fischbrunnen, Eisdielen und Terrassen mit Sonnenschirmen stets gesorgt...

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Etwas weiter nördlich im Zentrum fühlt man sich dann komplett wie in Italien. Schon fast an die Palazzos in Florenz erinnert das deutschsprachige Nicolaus-Lenau-Lyzeum, der Bau stammt von 1879.

Am Bau gegenüber finden wir -
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- ja, Halterungen für Telegrafenleitungen :D

Auch der Bau selbst ein absolutes Prachtstück:
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Gleich noch mehr aus dem Zentrum ;)
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Flo_K
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Beitrag von Flo_K »

Wow... Sehr tolle Fotos. Tausend Dank. Ich glaube, da muss ich auch mal hin!
Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Derzeit sind im Zentrum von Timisoara alle größeren Plätze (mit Ausnahme des Piata Victoriei!) komplett für eine Sanierung des Abwassersystems der Stadt aufgegraben und gesperrt. Dies betrifft auch ca. 30 bis 50% der rechteckig angelegten Zentrumsstraßen.

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Dementsprechend präsentiert sich derzeit der Piata Unirii mit dem Blick auf den Temeswarer Dom zum Heiligen Georg, welcher 1736-1763 erbaut wurde und recht klein daherkommt

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Auch ein Blick in die andere Richtung zeigt den derzeitigen Baustellenzustand, zudem sichtbar die 1744-48 erbaute serbisch-orthodoxe Christi-Himmelfahrts-Kathedrale

Vielleicht der tollste und verspielteste Fahnenmast, den ich je irgendwo gesehen habe:
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Palatul Baroc

Und hier noch der Blick auf einige der Zentrumsstraßen:
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Teilweise sind auch komplette kleinere Kreuzungen gesperrt. Für Fußgänger ist der derzeitige Zustand eigentlich recht angenehm, da eine fast autofreie Innenstadt auch ihren Reiz und ihre Vorteile hat. Die Bürgersteige sind allerdings teilweise derzeit eher aus Holzbrettern gebildet, was mit Kinderwagen oder für ältere Leute durchaus beschwerlich sein kann.

Am Schluß meines Bildbeitrags (auf Eure Fragen und Antwörten werde ich später selbstverständlich ausführlich eingehen) nochmal zwei kleine Ortssprünge:

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Ein wunderschönes Gebäude ist das 1908/09 erbaute, am Piata Regina Maria gelegene Piaristengymnasium. Hier befindet sich heute die Schule des römisch-katholischen Bistums Timisoara mitsamt Internat. Auch ein alter Bekannter, nämlich P-Wagen 2013, durfte leicht versteckt mit aufs Bild ;) Schon lustig, dass mich dieser Wagen vermutlich in den 1990ern sehr oft in München zur Schule brachte, während er mir jetzt als Beiwerk für Architekturfotos in Timisoara dient :)

Beenden möchte ich meinen Bildbeitrag mit dem tatsächlich letzten Foto, das ich in Timisoara gemacht habe:
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Der ex-Karlsruher Wagen 109 befährt auf der derzeit umgeleiteten Linie 6 die Innenstadt-Stammstrecke entlang der breiten "Strada Proclamatia de la Timisoara" auf Höhe des Bega Shopping Center. Dieser Wagen hat eine interessante Geschichte: es war ursprünglich ein 1964 gebauter GT6-D, der aufgrund stark gestiegenen Fahrgastaufkommens in Karlsruhe etwa 10 Jahre nach seiner Ablieferung, nämlich 1975, durch Einbau eines zusätzlichen Mittelteils zu einem GT8-D verlängert wurde. Im Jahr 2000 wurde der Wagen dann nach Timisoara abgegeben. Auf dem Bild seht Ihr übrigens ein weiteres deutsches Fahrzeug - nein, nicht meins, ich war mit dem Kranich da ;)

Damit endet mein Bildbeitrag aus Timisoara. Ich hatte leider nicht Zeit, um alles anzusehen - zum Beispiel bin ich gar nicht bei der Bastion gewesen und auch für eine Mitfahrt auf der Tramlinie 9 hat die Zeit nicht gereicht - aber man muß sich ja auch immer irgendwas für einen eventuellen Zweitbesuch in ein paar Jahre aufheben ;)

Timisoara kann ich Euch als Reiseziel wärmstens empfehlen, wenn Ihr Architektur und Trambahnen mögt - rechtzeitig gebucht, gibt es auch überraschend günstige Flug- und Hotelpreise für dieses Ziel. Eure Fragen und Kommentare werde ich noch ausführlich beantworten - und ich hoffe, dass Euch der Bildbeitrag gefallen hat! :)
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Beitrag von Maikäfer »

Kann mich da nur anschließen. Super Fotos, Super Bericht! Und schön, dass es hier mit dem eigentlichen Thema wieder weitergeht. Ich war ja leider indirekt der Auslöser für das, was hier heute geschrieben wurde, aber nicht hierher gehört. Muss als Forenneuling wohl noch einiges dazulernen.
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Beitrag von Entenfang »

Herzlichen Dank auch von mir. Dein Blick für architektonische Details ist mal was anderes, wenn ich mal wieder nach Temeswar fahren sollte, werde ich vielleicht auch mal nach Telegrafenaufhängungen statt nach P-Wagen Ausschau halten ;)

Dass viele schöne Gebäude heruntergekommen sind, ist leider in Rumänien weit verbreitet. Aber in einigen Städten bemüht man sich, das zu ändern. Das Zentrum von Hermannstadt (Sibiu) ist mir da in sehr guter Erinnerung.

Mit den Bettlern hast du Glück gehabt. Besonders wenn man viel mit Bahn und ÖPNV unterwegs ist, kommt das leider immer wieder vor. Auch dort gibt es selbstverständlich unangenehme Zeitgenossen, aber die gibt es ja überall. Aber schön, wenn du so die Menschen als angenehm empfunden hast, ich habe da leider schon viel schlechtes gehört. Korruption und Geldgier sind in Rumänien recht weit verbreitet...

Meiner Meinung nach für eine Reise ein interessantes Ziel, aber Leben wollte ich in Rumänien nicht.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von 146225 »

Entenfang @ 19 Jun 2014, 23:28 hat geschrieben: Herzlichen Dank auch von mir. Dein Blick für architektonische Details ist mal was anderes, wenn ich mal wieder nach Temeswar fahren sollte, werde ich vielleicht auch mal nach Telegrafenaufhängungen statt nach P-Wagen Ausschau halten ;)

Dass viele schöne Gebäude heruntergekommen sind, ist leider in Rumänien weit verbreitet. Aber in einigen Städten bemüht man sich, das zu ändern. Das Zentrum von Hermannstadt (Sibiu) ist mir da in sehr guter Erinnerung.

Mit den Bettlern hast du Glück gehabt. Besonders wenn man viel mit Bahn und ÖPNV unterwegs ist, kommt das leider immer wieder vor. Auch dort gibt es selbstverständlich unangenehme Zeitgenossen, aber die gibt es ja überall. Aber schön, wenn du so die Menschen als angenehm empfunden hast, ich habe da leider schon viel schlechtes gehört. Korruption und Geldgier sind in Rumänien recht weit verbreitet...

Meiner Meinung nach für eine Reise ein interessantes Ziel, aber Leben wollte ich in Rumänien nicht.
Man sollte sich auch wirklich bitte alle - strunzhohlen! - Vorurteile gegenüber diesem Land verkneifen, denn nur, wenn andere (EU-)Staaten vorurteilsfrei und auf gleicher Augenhöhe mit (auch) diesem Land Handel treiben und zusammenarbeiten, kann sich an den heutigen nicht immer schönen Zuständen etwas zum positiven verändern. Schöne alte Städte restaurieren sich einfacher, wenn das Geld dafür auch verdient werden kann. Und wir sollten uns als Deutsche wirklich hüten, abfällig über Korruption zu sprechen - da muss man nämlich wirklich nicht bis Rumänien schauen dafür.
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Beitrag von Entenfang »

Leider ist es kein Vorurteil und allzu wahr noch dazu.

Ein wunderbares Beispiel ist die Autobahn zwischen Arad und Temeswar. Dort ist jede Menge Geld einfach verschwunden - EU-Gelder, also auch dein Geld. Es gibt zudem zahlreiche Unis, die bekannt dafür sind, dass nur der gute Noten bekommt, der die Professoren besticht. Ich habe auch von einem Fall gehört, wo bei einem illegalen Straßenrennen in Temeswar 2 Menschen getötet wurden. Der Gerichtsprozess hat sich ewig verzögert und wurde dann plötzlich grundlos nach Craiova verlegt, wo die Richter als besonders bestechlich gelten. Schließlich kam es nie zu einer Verurteilung. Und 250 Millionen € für den Ausbau einer nicht mal 25km langen Eisenbahnstrecke von Curtici (Gr) bis Arad im Flachland kommen mir doch recht viel vor.

Vielleicht kennst du ja andere Menschen, die dort leben und dir etwas anderes erzählen. Das jedenfalls habe ich erfahren.
Natürlich läuft auch bei uns nicht alles rund, aber in Rumänien nimmt das eine ganz andere Größenordnung ein.
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Beitrag von 146225 »

Ich würde niemals behaupten, dass Rumänien frei von Problemen ist. Ganz sicher nicht. Allerdings stelle ich mir halt schon die Frage, was schlimmer ist bzw. wo das Naserümpfen mehr angebracht wäre: Bei der in Südosteuropa verbreiteten Alltagskorruption, wo kleinere Beträge für kleine Dinge hin- und herwandeln, oder aber die deutsche Variante der "Spezlwirtschaft", wo gleich zigtausende für krumme Geschäfte verschoben werden. Ich habe wirklich kein Problem damit, wenn Probleme in anderen Ländern, egal ob in Rumänien oder anderswo, beim Namen genannt werden. Ich habe nur ein Problem damit, wenn das auf eine herablassende Weise geschieht, bei der unterstellt wird, dass in Deutschland alles blütenrein und fehlerfrei ist - das wäre nämlich gelogen.
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Beitrag von Entenfang »

Es sollte keinesfalls herablassend sein. BER ist ja ein typisch deutsches Beispiel für eine grandiose Fehlentwicklung. Und manch einer dort stellt sich Deutschland schöner vor als es ist. Von kleiner Alltagskorruption kann man dort aber nicht mehr sprechen. Ich wollte das nur mal anmerken, aber wir sind eh schon meilenweit OT, daher würde ich vorschlagen, wir lassen die Diskussion darüber hier mal ruhen.
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