Paris ist in jeder Hinsicht das Gegenteil zum Loire-Tal: Hektisch, laut, schmutzig. Wenn man mehr als drei Minuten auf die nächste Metro warten muss, ist das schon unverschämt lange. Die extremen Gegensätze der Megacity sind nicht zu übersehen.
Nach einem kurzen Blick auf die Notre-Dame muss ich schon wieder zurück zum Bahnhof.
Ich hole meinen Koffer ab und habe zu meiner eigenen Überraschung noch 5 Minuten Zeit, der Klaviermusik zu lauschen und anschließend gemütlich zu Zug zu gehen.
Die Ansage verkündet: „ Le TGV 9575 a destination de Münik departir a voie 5. Il deservira Strasbur, Karlschrüh, Stüttgar, Ülm, Ogsbür. Meine Damen und Herren, der TGV 9575 nach Münik …“
Abschiedsbild in Paris Est
Der TGV wird mich in gut 6h nach München bringen.
Irgendwie klischeehaft ist es schon, als wir überpünktlich in Straßburg abfahren und auf der Rheinbrücke an einem roten Signal zum Stehen kommen. Aus dem +3 in [acronym title="RK: Karlsruhe Hbf <Bf>"]RK[/acronym] werden +6 in [acronym title="TS: Stuttgart Hbf <Bf>"]TS[/acronym].
Die verbliebenen vier der rüstigen Rentnergruppe, die sich nach und nach auf verschiedenen Anschlusszüge verteilt und sich permanent eine Spur zu Laut unterhalten hat, müssen in [acronym title="TU: Ulm Hbf <Bf>"]TU[/acronym] nach Memmingen umsteigen und haben dafür nur 12 (!) Minuten Umsteigezeit und müssen auch noch durch die Unterführung! Ihrer Forderung nach mehr Rolltreppen würde ich mich durchaus anschließen, Aufzüge dagegen gibt es in [acronym title="TU: Ulm Hbf <Bf>"]TU[/acronym]. Und wie sie richtig vermutet haben, gibt es vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeiten, an die man sich halten muss, auch wenn man gerne Verspätung aufholen möchte. Ihr Reiseleiter kommt kurz nach der Abfahrt in TS vorbei und bittet sie, sich fünf Minuten vor Ankunft zum Ausgang zu begeben. Es sind noch mehr als 20 Minuten, da verschwinden sie bereits Richtung Ausgang, um es sich auf der Treppe bequem zu machen.
Ich vertiefe mich in mein Buch und komme erst wieder in die reale Welt zurück, als wir in Pasing durchfahren. Mist. Ich bin im letzten Wagen und möchte meine U-Bahn nicht verpassen. Aber bis ich mein Buch im Rucksack verstaut habe, erklingt schon der Ansageton und es gibt kein Durchkommen mehr. Zu meinem Glück kommen wir planmäßig genau 9 Stunden und 59 Minuten nach der Abfahrt in Tours in München an. Eine entspannte Fahrt geht zu Ende.
Fazit
Frankreich kann Tram. Während hierzulande noch die Devise gilt, die Straßenbahn zu vergraben (Karlsruhe), ist der Streckenabschnitt durch die Fußgängerzone in den neuen Straßenbahnbetrieben Frankreichs obligatorisch. Das hat natürlich einige Nachteile, wie die geringe Durchschnittsgeschwindigkeit, die wohl trotz absoluter Vorrangschaltung unter 20 km/h liegt. Zudem gilt für alle Fußgänger und die Tramfahrer erhöhte Aufmerksamkeit. Teilweise wird ziemlich viel gebimmelt, um die Trasse freizuräumen. Vorteilhaft ist aber zweifelsohne die wunderbare Verkehrserschließung. Bei Kurzstrecken kann man einfach schauen, wie lange es bis zur nächsten Abfahrt dauert und sich dann für die Füße oder für die Tram entscheiden. Die kurzen Fußwege sind sicher auch vonseiten mobilitätseingeschränkter Menschen zu begrüßen. Negativ sind mir die
Blindenleitstreifen aus Metall in Tours aufgefallen, die bei Nässe ziemlich rutschig sind.
Natürlich darf man sich auch fragen, woher der unglaubliche Sinneswandel in Frankreich gekommen ist. Gab es zu Beginn der 80er nur noch 3 Straßenbahnbetriebe, sind es heute wieder 25. Mit Sicherheit steckt auch eine enorme Wirtschaftsförderung dahinter, denn fast in fast allen Betrieben fahren Bahnen von Alstom. Damit kann ich mich aber durchaus anfreunden, denn nachhaltige Verkehrsentwicklung zu fördern ist allemal besser als die heimische Automobilindustrie… Auch der nichtmotorisierte Verkehr und die Aufenthaltsqualität haben sich an vielen Stellen verbessert. Man vergleiche den Place de la Tranchee
vor Inbetriebnahme der Tram mit dem aktuellen Zustand. Das nenne ich eine städtebaulich gelungene Integration der Straßenbahn, die das Stadtbild enorm aufgewertet hat.
Etwas enttäuschend war dagegen der Bahnverkehr. Nebenstrecken gibt es kaum noch, sodass die Netzabdeckung relativ gering ist. Ich habe nicht schlecht gestaunt, wie wenig Verkehr auf den zweigleisigen, elektrifizierten Hauptstrecken ist. Kein Wunder, dass die deutschen Züge als verhältnismäßig unpünktlich gelten. Bei der geringeren Streckenauslastung, weniger Umsteigebeziehungen und vorwiegend zweigleisigen Strecken entstehen einfach weniger Verspätungen.
Der TGV ist vor allem eines: Schnell. Aber eben nur auf der HGV-Strecke. Was nützt es, viel Geld dafür auszugeben, um eine extrem hohe Durchschnittsgeschwindigkeit der TGV zu erreichen, wenn man die gewonnene Zeit wieder beim Vor- und Nachlauf verbummelt, da die Bahnhöfe teilweise etwas ungünstig liegen. Dennoch ist der Aufbau eines flächendeckenden HGV-Netzes zu begrüßen, besonders wegen der relativ großen Entfernungen zwischen Großstädten und der geringen Bevölkerungsdichte dazwischen.
Zumindest für den NV in dieser Region (ter centre) gibt es keine Angebotstickets. Schade, denn so ist ein Tagesausflug insbesondere einer Kleingruppe ziemlich teuer. Hinzu kommt noch, dass es keinen sauberen Taktverkehr gibt. Zwar wird auf den meisten Strecken ganztägig ein regelmäßiges Angebot gefahren, man kann aber nicht generell davon ausgehen, dass der Zug immer zur Minute xy abfährt. Etwas komisch ist auch die Unterteilung in RB und RE. Es gibt diverse Beschleunigungsstufen, das bedeutet zwar einen annähernden Stundentakt zwischen den größeren Orten, aber auch, dass viele kleine Orte nur wenige Abfahrten am Tag haben, obwohl sie an einer zweigleisigen Hauptstrecke liegen. Hier wäre sicher eine konsequente Unterteilung in RE mit Halt nur in den größeren Orten und einer RB mit Halt an allen Bahnhöfen hilfreich. Dass ich von Peak- und Offpeaktarifen nichts halte, brauche ich nicht extra erwähnen. Spannend wird auch noch die Zukunft des Bahnverkehrs in Frankreich sein, denn derzeit wird über eine Liberalisierung des Fernbusmarktes wie in Deutschland nachgedacht.
Dass zum Inventar jedes größeren Bahnhofs ein Klavier gehört, finde ich eine ausgesprochen gute Idee. Manch einer mag vielleicht denken, dass dann nur wildes Geklimper dabei rauskommt. Tatsächlich habe ich das in der ganzen Woche nicht ein einziges Mal erlebt. Das Gegenteil ist der Fall. Das Klavier ist eigentlich permanent belegt und Reisende nutzen gerne die Gelegenheit, zuzuhören. Das wäre immerhin mal ein Anreiz für mich, mehr als 5 Minuten vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof zu erscheinen
Auch wer sich nicht nur für Verkehr interessiert, findet viele interessante Sehenswürdigkeiten. Es ist ziemlich egal, in welcher Stadt an der Loire man landet. Es gibt eigentlich immer etwas zu sehen und die meisten Ziele sind gut mit der Bahn erreichbar.
Leider ist das Preis-Leistungs-Verhältnis ziemlich schlecht, insbesondere was die Unterkünfte angeht. Zudem kommen noch die Sprachprobleme. Es wird wohl nie endgültig geklärt werden, ob eine Mehrheit kein Englisch kann oder bloß nicht sprechen will. Aber da gibt es auch hierzulande noch viel Verbesserungspotential.
Immer wieder wurde ich insbesondere bei den Nachtfotos mit auffälligem Stativ angesprochen. Leider war eine Verständigung mangels gemeinsamer Sprachkenntnisse sehr schwierig. Angemotzt wurde ich beim Fuzzen aber nie. Nur im Bahnhof von Angers hieß es, dass angeblich keine Fotos erlaubt sind.
Die Loireregion als Reiseziel hat mich überzeugt. Aber vor meiner nächsten Frankreichreise werde ich wohl einen Sprachkurs Französisch belegen…
Gruß an alle Trambahnfahrer, deren Gruß ich nicht erwidert habe, weil die verspiegelten Scheiben und die Konzentration auf das Knipsen das Erkennen erschwert haben…
Mein Dank geht wie immer an JeDi für die Fahrkarte und an alle, die mich mit ihren positiven Kommentaren ermuntern, diesen Reisebericht zu schreiben. Vielleicht habe ich ja auch ein wenig Fern(bahn)weh geweckt…
Fahrtkosten:
Rastatt-Tours-München 193,15€
Tagesausflüge 110,80€
Gefahrene Bahnkm:
Rastatt-Tours: 770
Tours-München: 1040
Tagesausflüge: 770