DSG Speisewagen @ 20 Aug 2014, 16:54 hat geschrieben: Natürlich gilt für diese Leute auch das Gesetz, aber wenn die Staatsanwaltschaft nun mal wegen versuchten Mordes ermittelt (und nicht nur wegen gefährlichen Eingriffs) dann wird das schon seinen Grund haben.
Die Staatsanwaltschaft ist aber dennoch Organ der Exekutive, nicht der Legislative. Gewaltenteilung und so. Und dementsprechend kann die Staatsanwaltschaft tun und lassen, was sie will, bis der Täter nicht verurteilt ist, ist er nicht verurteilt - Stichwort "Unschuldsvermutung".
Nur leider reicht diese Unschuldsvermutung dem durchschnittlichen, medial versierten Menschen nicht mehr aus. Er sieht sich durch die genaue, detaillierte, aber oftmals undifferenzierte Berichterstattung heutzutage so in seinem persönlichen subjektiven Schuldspruch bestätigt, dass es auf ihn geradezu ungerecht wirkt, dass der von ihm zum Täter gemachte Verdächtige noch nicht längstens eingekerkert ist. Und das schürt Unverständnis im besten, Hass im schlimmsten Fall - auf den Rechtsstaat, da er keine ad-hoc-Urteile fällt (oder fallen sollte...), aber gleichzeitig auch natürlich auf den vermeintlichen Täter. Und genau hier setzt insbesondere die springer'sche Hetzpresse, aber inzwischen auch viele andere Medien an: Indem sie die objektive Berichterstattung über Bord werfen und sich sozusagen auf die Seite des Lesers schlagen, bauen sie auf ziemlich perfide Art und Weise eine Verbindung zum Leser/Konsumenten auf. Man liest halt einfach gerne die eigene Meinung in der Zeitung abgedruckt, oder hat etwas, zu dem man "Ja genau! Die haben recht!" sagen kann, denn dass der Staat nur böse ist weiß ja jedes Kind.
Im schlimmstmöglichen Fall glauben dann irgendwelche Nasen, Recht und Gesetz selbst in die Hand nehmen zu müssen, gerne auch mal befeuert von der Presse, wie zum Beispiel vor knapp 2 Jahren in Emden, als ein von der Presse längst schuldig gesprochener Verdächtiger dann dummerweise doch unschuldig war, was nur den Mob auf der Straße nicht interessierte. Oder der Fall von Casey Anthony in den USA*, die verdächtigt wurde, ihr Kind getötet zu haben. Klar - sie war höchstgradig verdächtig, die Polizei konnte allerdings leider nur Indizien und keine Beweise vorbringen, sodass es schließlich nur zu einer Verurteilung wegen Meineid, nicht aber wegen Mordes (und da Florida zur Todesstrafe) gereicht hat. In der Folge wurden Hetzkampagnen gegen sie und vor allen die Jury-Mitglieder geführt, eine Kassierin in North Carolina wurde angegriffen, da man sie für Anthony gehalten hatte.
Aber es ist so schön einfach, so schön bequem das vorgekaute einfach zu übernehmen. Es wird gegen jemanden ermittelt, also wird der schon schuldig sein, so ist es ja auch immer im Fernsehkrimi. Nur im Gegensatz zu den fast immer eindeutigen, flachen und einfach aufzulösenden Geschichten, die sich irgendein Schreiberling ausdenkt, ist das reale Leben nunmal nicht so. Leider haben aber viel zu viele Menschen die Fähigkeit des differenzierten Denkens verlernt oder sind oft auch einfach zu faul, sie anzuwenden.
Dazu kommt noch ein weiterer Punkt. Durch die moderne Informationsfülle maßt sich doch inzwischen so gut wie jeder erst recht an, selbst Richter zu spielen. Stimmt nicht? Dann lest doch diesen Thread bitte nochmal durch. So funktioniert das aber natürlich nicht, und umso unverständlicher ist es dann auch dem Wohnzimmerrichter, dass ihm gewisse Informationen nunmal vorenthalten werden.
In diesem Fall ist noch so vieles unklar. Es ist wirklich zum Kotzen, wie hier der Täter schon vorverurteilt wird, wobei das gerade hier ja sehr einladend ist, denn der Täter ist als Täter klar bestimmt, es ist nur die Frage, was genau vorgefallen ist, was zu beweisen ist und was nicht, und gerade bei sowas versagt dann bei vielen doch das Wissen und das ach so klare "Gefühl für Gerechtigkeit" vollends.
* Ihgitt! Er hat USA gesagt! Ja, habe ich. Fallt über mich her, Deutschland sei soooo viel besser als die USA. Klar, ist es in vielen Punkten, in anderen ganz und gar nicht. Hier trifft letzteres zu.