links oder rechts fahrt bei abzweig?

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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fix
Jungspund
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Beitrag von fix »

Guten Abend Leute,
Ich stehe vor folgendem Problem und zwar:
In einem Rechtsbogen soll ein abzweig gebaut werden. Der Radius des stammgleis beträgt 603m. Nun habe ich zwei weichen zur Auswahl.
1. EW-60-500-1:12
2. EW-60-750-1:14

Nun ist es laut unserer Lösung so, dass wenn ich die erste weiche wähle, der abzweig in einer Linkskurve realisiert wird und wenn ich die 2. weiche wähle in einer Rechtskurve. Mich würde interessieren wieso das so ist. Warum ist es bei der zweiten Weiche nicht auch eine Linkskurve? Es ist ja wichtig zu wissen, in welche Richtung der abzweig erfolgt, um damit dann den zweiggleiss Halbmesser zu berechnen. Das muss ja irgendwie damit zusammenhängen, dass der eine Radius größer und der andere Radius kleiner als der des stammgleises ist oder?

Bedanke mich im Vorfeld schon für ausführliche und verständliche antworten.
Schönen Abend und ein schönes Wochenende an alle :)
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hmmueller
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Beitrag von hmmueller »

Stell Dir jeweils die Weiche in der Geraden vor, Du stehst an der Weichenspitze: Dann geht der Abzweig (z.B. - ich kenne Deinen Lageplan nicht) immer nach links weg.
Nun biegst Du die ganze Weiche, also das gerade Stammgleis und damit alle anderen Teile der Weiche, langsam nach rechts.
  • Wenn Du das nur wenig machst, geht der Abzweig noch immer nach links; Du hast dann eine Außenbogenweiche.
  • wenn Du das Stammgleis so weit biegst, wie der Abzweigradius der Weiche ist, dann wird das vorher nach links abzweigende Gleis nun schnurgerade, "biegt" also gar nicht "ab"! Du hast dann wieder eine gerade Weiche, allerdings mit "verkehrter Abzweigmechanik" (das gibt es sogar offiziell, heißt irgendwie anders - ist aber nicht häufig nötig);
  • Und wenn Du noch weiterbiegst, dann biegt sich auch das Abzweiggleis in die gleiche Richtung wie das nun stark gebogene Stammgleis - jetzt hast Du eine Innenbogenweiche, bei der das (außenliegende) Abzweiggleis auch nach rechts gebogen ist.
Wenn Du das mit Deinen beiden Weichen durchdenkst, dann wirst Du draufkommen, dass bei der einen Weiche der erste Fall zutrifft, bei der anderen der dritte. Damit liegt einmal das Abzweiggleis in einem Links-, das andere Mal in einem Rechtsbogen.

H.M.

// Edit: Man sollte bis drei zählen können ... (wer bis drei zählt, hat Glück usw. - ne, das war jetzt die falsche Assoziation ...)
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
fix
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Beitrag von fix »

Danke für die schnelle Antwort, verstehe auch wie du das meinst. Die einzige Frage, die mir nun noch offen bleibt, ist diese:
Wonach richtet sich das 'wenig biegen', ''weiter biegen' und 'stark biegen'? Also woran kann ich ersehen, wie weit ich biegen muss??
Ach und der abzweigradius sind diese 500m und 750m oder meinst du die 603m?

Erneut ein recht herzliches Dankeschön.
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hmmueller
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Beitrag von hmmueller »

"Wenig/weiter/stark" biegen tust Du das Stammgleis - zuerst ist es ja (bei der gerade Weiche) ungebogen ... dann "biegst Du los" - solange bis es den gewünschten Stammgleisradius hat, also bei Dir 603m.
Und der Abzweigradius ist bei Dir je nach verwendeter Weiche in ihrer geraden Form 500m oder 750m.

Und rechnerisch geht das meines Wissens so, dass man die Krümmungen, also die Kehrwerte der Radien, gleichartig verändert: Beispiel mit der 500er-Weiche:
  • Die Krümmung des Stammgleises ist 0 (weil der Radius unendlich ist), die des Abzweiggleises ist 0,002 (=1/500).
  • Wenn wir das Stammgleis nun z.B. auf einen Radius von 1000m vom Abzweiggleis weg biegen, steigt seine (Stammgleis-)Krümmung auf 0,001 (=1/1000). Die Krümmung des Abzweiggleises sinkt durch das Mitbiegen um diesen Wert, ist nun also 0,002 - 0,001 = 0,001. Damit hat das Abzweiggleis nun einen Radius von 1/0,001 = 1000m, und es ist eine symmetrische Außenbogenweiche entstanden. Das hätte man sich auch mit "Hausverstand" überlegen können: Wenn man das Stammgleis auf den doppelten Radius des Abzweiggleises biegt, dann kriegt man immer eine symmetrische Weiche.
  • Wenn wir das Stammgleis stattdessen auf einen Radius von 400m biegen (also mehr als die 500m Abzweigradius), dann wird seine Krümmung 1/400 = 0,0025. Das mitgebogene Abzweiggleis hat dann eine Krümmung von 0,002 - 0,0025 = -0,0005. Das Minus zeigt an, dass sich seine Bogenrichtung geändert hat - wenn es vorher ein nach links gebogenes Gleis war, dann liegt es nun in einem Rechtsbogen (geht aber natürlich noch immer links vom noch stärker gebogenen Stammgleis weg). Und sein Radius = 1/0,0005 = 2000m.
(Und die Elektrotechniker kennen die Formelmuster kges = k1 + k2 bzw. 1/Rges = 1/R1 + 1/R2 wo ganz anders her ... es gibt nichts Neues auf diesem Planeten, außer vielleicht den gefährlichen Wirrkopf auf der anderen Seite des großen Wassers ...)

H.M.

// Edit: Tippf.
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