Wochenendausflug in die lausitzer Provinzmetropole

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

(Anmerkung vorab: Später kommen auch noch ein paar (bislang ungezeigte) Fotos aus dem Archiv, um euch nicht mit den viel zu langen Texten zu langweilen, aber für den ersten Part müsst ihr mit blanken Worten Vorlieb nehmen)

Freitag, Hinfahrt ohne Tücken?

Seit Tagen schon freue ich mich auf heute. Achteinhalb Stunden Zugfahrt mit zwei knappen Anschlüssen nach fast acht Stunden Arbeit am Morgen und der Aussicht auf ein unbekanntes Hotelbett am Abend. Klingt verrückt? Ist es wohl auch. Trotzdem habe ich mich gefreut. Außerdem steht ein runder Geburtstag in der Familie an, also geht es mal wieder in die ferne lausitzer Heimat.
Abfahrt: 12:31 Uhr mit dem wie üblich leicht verspäteten Fuggerexpress zum Hauptbahnhof: "In Ulm werden alle Anschlusszüge erreicht. Für weitere Informationen achten Sie bitte auf die Anzeigen und Durchsagen am Bahnsteig." Das muss diese Serviceoffensive sein. Dort, wo ich herkomme und hinfahre, werden selbst im unwichtigsten Regio an jedem Knotenbahnhof die wichtigsten Anschlüsse durchgesagt, selbst wenn zusätzliche es Echtzeit-Anschlussinfos über die Monitore im Zug gibt. Hier in Schwaben ist man dafür aber offenbar zu geizig und vertraut darauf, dass der Fahrgast sich selbst zu helfen weiß oder vorab informiert hat.
Der weiße Laufbandtext am Bahnsteig 1 vermeldet nun "Beachten Sie die geänderte Wagenreihung." Die darunter stehende Wagenanzeige vermeldet 2. Klasse an Zugspitze und -ende, 1. Klasse in der Mitte. Laut Wagenstandsanzeiger soll die vordere ICE 3 andersherum gereiht sein. Ich puzzle mir damit zusammen, dass ich mindestens zwei Bahnsteigabschnitte weiter nach vorn laufen muss, um zu meinem reservierten Platz zu gelangen. Tatsächlich werden es mit der Einfahrt des Zuges vier. Das müssen neben mir auch noch alle anderen Fahrgäste feststellen, die sich beim Puzzeln offenbar ähnlich schlecht angestellt haben. Zum Glück kam der ICE wie üblich etwas vor Plan an, sodass genug Zeit für die Völkerwanderung ist.

Im viel zu vollen und viel zu kalten ICE 518 starte ich nun die weite Fahrt. Während wir uns die Alb heraufquälen, nimmt die Schneemenge von gar nicht geschlossene Schneedecke zu, gleichzeitig lichtet sich der Hochnebel, ab Geislingen erspähe ich die ersten Sonnenstrahlen, in Stuttgart gibt es strahlend blauen Himmel mit einer pechschwarzen Wolkenfront im Norden.
Der junge Mann neben mir hat die Musik seiner Ohrhörer so sehr aufgedreht, dass sie meine Ohrhörer übertönen. Mehr Lautstärke will ich meinen Ohren aber auch nicht zumuten, also nehme ich es hin, dass meine sanften Swingklänge von seinem Schlagzeug- und E-Gitarrenlärm verunstaltet werden.
Zehn Minuten vor Mannheim erhebt er sich, leider muss ich nun ebenfalls umsteigen. Das RIS vermeldet unseren Zug pünktlich und den Anschluss nach Berlin mit +4. Während der Einfahrt vertrödeln wir leider drei Minuten, sodass laut Fahrplan genau eine Minute zum Umsteigen übrig bliebe. Der ICE 1 steht nun schon bereit. Auf dem Bahnsteig habe ich bei strahlendem Sonnenschein den Eindruck, dass es hier wärmer ist als im Zug gerade. Das verstört mich ein wenig. Zum Glück ist es im anderen ICE wärmer, denn ich habe nun fünf Stunden bis Berlin vor mir.
In Frankfurt bekomme ich wieder Gesellschaft. Ich erkenne Verhaltensmuster bei diesem jungen Menschen wieder, die ich hier nicht näher erläutern möchte. Offenbar ist er auch stark kurzsichtig, denn zehn Zentimeter sind kein gesunder Abstand zwischen Augen und Buch oder Smartphonedisplay. Er wird bis Braunschweig an meiner Seite bleiben, vermeldet die Reservierungsanzeige. Oje.
Zwischen Fulda und Hildesheim muss ich feststellen, dass die Anzahl der Tunnel ein erhebliches Problem für das neue ICE-WLAN darstellen. Nach dem dritten Verbindungsabbruch gebe ich auf und widme mich der inzwischen wieder schneereichen Landschaft. Unter den Talbrücken zwischen den Tunnel hängt wolkendichter Nebel. Ein wirklich toller Anblick, aber von Nebel habe ich aus Ulm ja eigentlich genug. Dann schwindet das Licht, kurz darauf erreichen wir Hildesheim und mit der Abfahrt dort verschwindet mein Sitzgefährte. Wenn ich ehrlich bin, habe ich das anhand seines sonstiges Verhaltens sogar erwartet, wir wollen ja den Ausstieg nicht verpassen!

Was nun folgt, ist Hunger. Zwar habe ich noch Süßkram in der Tasche, angesichts der bis dahin verzehrten Nahrung entscheide ich mich aber dagegen und hungere lieber. Eine Idee, die mir mit jeder Minute dümmer erscheint, aber Süßkram auf dieses Hungergefühl wäre vermutlich nur schief gegangen.
In Braunschweig stehen -5 auf der Uhr, genau das Gegenteil dessen, worauf ich spekuliert hatte. Denn in Berlin wartet ein 7-Minutenanschluss auf mich, den ich gern knapp verpasst hätte, um ein Viertel des leider notwendigen Vollpreistickets für diese lange Fahrt erstattet zu bekommen. Denn ich hatte eh geplant, mein Abendessen in Berlin einzunehmen und einen Regio später zu fahren. Als wir Braunschweig dann überraschend mit +4 verlassen, keimt neue Hoffnung auf, doch in Spandau stehen dann schon wieder -5 auf der Uhr, die wir eisern bis zum Hauptbahnhof mitnehmen. Der lähmende Hunger verdrängt den Gedanken, direkt nach Cottbus weiterzufahren, umgehend. Stattdessen suche ich das neue Hans im Glück im Berliner Hauptbahnhof auf, das in Sachen Größe dem Stammlokal am Isartor in nichts nachsteht. Der Füllgrad ist für einen Freitagabend aber erschreckend gering. In Sachen vegetarische und vegane Burger bleibt dieser Laden für mich bis heute eine unerreichte Instanz, die ich in Ulm schmerzhaft vermisse.

Viel gibt es im folgenden in der Dunkelheit eines Freitagabends rund um den Berliner Hauptbahnhof nicht neuzuentdecken, weshalb es mich überpünktlich in die eisige Kälte des Bahnsteigs zieht. Die Schneehäufchen lassen vermuten, dass hier mehr Schnee lag als im gesamten Januar in Ulm vom Himmel fiel. Interessant.
Die Hälfte der Regiofahrt nach Cottbus verschlafe ich, kurz vor der Heimat bin ich aber wieder hellwach und verlasse den Bahnhof in die provinzielle Leere der Nacht. Es ist 22 Uhr, die Bürgersteige sind hier seit mindestens drei Stunden hochgeklappt. Gut, dass ich in Berlin gegessen habe, selbst die Dönerbuden haben seit einer Stunde geschlossen. Fünf Minuten später ist der Check-In im bahnhofsnahen Hotel absolviert, im sechsten Stock mit Blick auf den Vorplatz richte ich mich für die Nacht ein. Von draußen habe ich in keinem Zimmer Licht gesehen, ob ich etwa der einzige Gast bin?
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Samstagvormittag, Einkaufstourismus

Ich habe geschlafen wie ein Stein. Fremdes Bett? Kein Problem, obwohl es nur ungefähr halb so groß wie mein eigenes war. Im Osten steht eine dunkle Wolkenwand, doch hier bei mir scheint die Sonne. Statt 15 Euro fürs Hotelfrühstück auszugeben, wo ab dem Mittag doch eine Essensflatrate auf Kosten der Verwandtschaft ansteht, genieße ich Schokocroissants vom Vortag am offenen Fenster und lasse meinen Blick über die eingeschneiten Sandhaufen auf dem Bahnhofsvorplatz schweifen, der bis vor einem halben Jahr noch ein Parkplatz war. Wenn ich zum nächsten runden Geburtstag komme, dürfte dort ein tolles ÖPNV-Terminal entstanden sein.
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(das ist ein Webcambild, trifft die Hotelperspektive aber recht gut)
Die kalte Morgenluft schafft es leider nicht, das vollkommen überheizte Zimmer merklich abzukühlen. Und wenn es selbst mir zu warm ist, dann heißt das was. Hauptursache dafür ist die "intelligente" Hotelklimaanlage, die jedesmal auf volle Heizleistung schaltet, wenn ich das Fenster öffne. Ich finde keine Möglichkeit, diesem Beitrag zur Klimaerwärmung Einhalt zu gewähren.

Ausgestattet mit einer speziellen Karte des Hotels ist es mir erlaubt, den gesamten Stadtverkehr während meines Aufenthalts kostenlos zu nutzen. Falls ein Busfahrer oder Kontrolleur das nicht kennen würde, solle ich ihn einfach im Hotel anrufen lassen, sagte man mir. Die Tageskarte zu 3,60 Euro hätte ich mir angesichts der übrigen Kosten für dieses Wochenende aber auch noch leisten können. Eine Straßenbahnhaltestelle später werde ich tatsächlich kontrolliert. Das ist mir in 19 Jahren Lebenszeit in Cottbus nur dreimal passiert. Aber laut Presse sind die mobilen Kontrollteams unter dem aktuellen Geschäftsführer von Cottbusverkehr deutlich fleißiger und haben 2016 viermal so viele Schwarzfahrer wie im Vorjahr erwischt.

Meine Fahrt führt mich zum nächsten großen Supermarkt, wo ich mich mit Ostprodukten ausstatte, die es im fernen Ulm nicht zu erstehen gibt und die mir aber auf Dauer einfach fehlen. Außerdem natürlich Cottbuser Baumkuchen. Wer den mal gegessen hat, wird nie wieder billigen Supermarktbaumkuchen essen können. Mein Rückreisegepäck wird dann etwa doppelt so umfangreich wie das der Hinreise ausfallen, aber das ist es mir wert.

Ich nutze die Fahrt zum Mittagessen schließlich, um einige Goldstücke der Stadt wiederzusehen:

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Alte Textilfabrik

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Der Spremberger Turm, das Wahrzeichen der Stadt. Und die älteste Bahn im Fahrzeugbestand gehört einfach zu diesem Motiv.
Nachschuss:
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Bis in die 1960er Jahre führten die Gleise gerade aus weiter am Turm vorbei in die heutige Füßgängerzone bis zum Altmarkt. Mit dem sozialistischen Stadtumbau wurde die Trasse ein Stück nach Westen verschwenkt und durchs neue Stadtzentrum, die Stadtpromenade, geführt. Heute steht dort ein Einkaufszentrum:

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Da Denkmalschutz in der Stadt eine wichtige Rolle spielt, kommt auch das nicht ohne Altbausubstanz aus:

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Die Carl Blechen-Schule, Namensgeber des Einkaufszentrums.

Jenseits des Einkaufszentrums blühen seit Jahren die Landschaften:

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Rechts Teile der Stadtmauer, im Hintergrund die Stadthalle und ein Congresshotel. Links befanden sich Pavillons mit kleinen Einkaufsläden aus DDR-Zeiten, seit inzwischen acht Jahren soll dort ein weiterer Teil des Einkaufszentrums entstehen. In diesem Jahr geht es zum fünften Mal voraussichtlich mit dem Bau los.

Durchschreitet man die Stadtmauer durch eine erhaltene Pforte, entdeckt man den Cottbuser Postkutscher:

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Das Fachwerk rechts daneben beherbergt heute das Restaurant Stadtwächter. Ein uriges Lokal mit mittelalterlichem Ambiente und hervorragender Speisekarte, ein Tipp vor allem für Schnitzelfreunde.

Vor dem neuen Rathaus der städtische Weg des Ruhms:

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Hier werden alle Töchter und Söhne der Stadt verewigt, die bei olympischen oder paralympischen Spielen erfolgreich waren. Im Detail:

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Da die Stadt seit DDR-Zeiten Brutstätte des Rad- und Turnsports sowie der Leitathletik ist, kam da schon einiges zusammen.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Nördlich der Stadthalle ein sehr schön sanierter Altbau, hier leider nur im Gegenlicht:
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Mit Straßenbahn von der Seite (ja, da stand mal ein weiteres Gebäude daneben):
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Und zu guter letzt noch einer meiner Lieblingsorte: Das erste Elektrizitätswerk der Stadt, ein Dieselkraftwerk.
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Der Schornstein dahinter gehört zu einer Mühle an der Spree und der Turm ganz hinten ist der Gerichts- oder Schlossturm. Als Bewohner der Stadt legt man sich irgendwann auf eine der beiden Bezeichnungen fest, ein richtig oder falsch gibt es da kaum. Der "Berg", auf dem er steht, beherbergte einst das städtische Schloss, das den Flammen zum Opfer fiel. Einen echten Ersatz gab es nie, am Fuße des Bergs entstand jedoch viele Jahre später ein neues Gerichtsgebäude, das durchaus auch als Schloss durchgehen würde:

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Doch zurück zum Kraftwerk. Heute sind dort die brandenburgischen Kunstsammlungen untergebracht. Und davor befindet sich der Amtsteich, der zumindest bis in meine Jugend hin zuverlässig Winter für Winter zufror und zum Schlitzschuhlaufen umfunktioniert wurde. Das gesamte Ensemble befindet sich auf einer Insel in der Spree. Diesmal im Hintergrund: Der Turm der Oberkirche.
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Der Stadtrundgang ist damit natürlich noch längst nicht beendet, aber ich möchte euch nicht alle Schätze wegnehmen, falls es euch mal in den tiefen Osten verschlägt, und diesen Beitrag auch nicht mit Fotos sprengen, zumal sie alle schon in die Jahre gekommen sind, wie ihr an der unterschiedlichen Begrünung sicherlich feststellen konntet. Winterbilder machen aber einfach nicht genug her, finde ich, weshalb ich das Wochenende nicht zum Fotografieren längst verewigter Motive genutzt habe.

Und ja, wie ihr sicherlich merkt, hänge ich durchaus nach wie vor an meiner Heimatstadt, auch wenn der Wochenend-ÖPNV eine Katastrophe ist: Straßenbahnen im 30-Minutentakt (mit Ausnahme der Nord-Süd-Linie 4, die samstags zumindest noch Takt 15 fährt), Stadtbusse, so sie denn überhaupt fahren, alle zwei Stunden (mit Ausnahme der einzigen "starken" Buslinie 16 im Takt 30). Die Abfahrtsmonitore zeigen netterweise die Taxirufnummer der Verkehrsbetriebe an, falls man mangels echter Sammelanschlüsse irgendwo strandet. Die Kosten dafür muss man aber selbst aufbringen.
Dieses unattraktive Angebot sorgt natürlich dafür, dass der ÖPNV wochenends sehr schwach genutzt wird. Immerhin sind die Abfahrtszeiten auf den Nullknoten am Bahnhof abgestimmt, sodass es dort keine allzu langen Umstiegszeiten gibt. Die dazu passenden Fahrten sind sogar etwa doppelt so stark nachgefragt wie die übrigen. Aber unterm Strich bleibt es dabei: Wochenends nutzt man in Cottbus entweder das Auto, das Fahrrad oder geht einfach zu Fuß. Die Stadt schimpft sich nicht umsonst Stadt der kurzen Wege, das schlägt sich leider auch an normalen Tagen auf die Auslastung nieder. Und fehlende Hürden wie Berge sind auch nicht allzu förderlich. Leider fehlt es der Stadt an Geld und Brandenburg an Förderwillen, um die Visionen umzusetzen, die das Netz im DDR-Zustand den heutigen Bedürfnissen anpassen könnten. Das wird sich wohl auch so schnell nicht ändern, aktuell braucht man jeden Euro für die Modernisierung der über 30 Jahre alten Fahrzeugflotte.
Im Liniendienst befinden sich ausnahmslos mehrfach modernisierte Tatras der Bauart KTNF6, vormals KT4D. Mitte der 90er Jahre wurden sie erstmals modernisiert und anschließend noch mit einem Niederflurmittelteil ausgestattet. Cottbusverkehr war infolgedessen einer der ersten deutschen Straßenbahnbetriebe, der auf jedem Kurs ein Niederflurfahrzeug einsetzen konnte. Das war aber auch dem Fahrgastrückgang zu verdanken, der heutige Fahrplan mit wochentags 4 Linien braucht nicht mal 20 Umläufe. Wochenends kommt man bei Takt 30 auf drei Linien mit weniger als zehn Kursen aus. 1989 fuhr man teilweise noch mit KT4D-Dreifachtraktionen in der HVZ bei einstelliger Taktfrequenz.
Seit wenigen Jahren werden mehrere Fahrzeuge einer dritten Modernisierung unterzogen. Mit dem sogenannten Langläuferprogramm werden die Bahnen im Rahmen ihrer HU komplett zerlegt und, wo nötig und möglich, mit neuen Bauteilen wiederaufgebaut. Die so umgebauten Fahrzeuge sollen nochmals 16 Jahre Liniendienst antreten. Wenn sie das schaffen, werden die ältesten Wagen an die 50 Jahre Einsatzzeit hinter sich haben.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Samstagnachmittag, Essen bis zur Fresslähmung

Eine Sache gibt es jedoch, die kann man in Cottbus wirklich sehr gut: Essen. Die Auswahl an Restaurants ist für die Größe der Stadt extrem vielseitig und die Dichte der gastronomischen Möglichkeiten in der Innenstadt unglaublich hoch. Auf dem Altmarkt kann man sich in praktisch jede Richtung drehen und wird ein schmuckes Lokal ohne Standardküche finden.
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An diesem Samstag führt es die Familie in den Schatten des einzigen Staatstheaters Brandenburgs. Eingerahmt vom Blumenmeer des Schillerplatzes zeigt das Gebäude nach außen hin die architektonische Uneinigkeit zwischen Jugendstil und Barock. Den wehrhaften Bürgern unter dem NS-Regime ist es zu verdanken, dass das Theater 1945 nicht gesprengt wurde.
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Heute ist es nicht nur Theater, sondern auch einer von vielen altehrwürdigen Spielorten für das osteuropäische Filmfestival, das jährlich im November stattfindet. Dazu gehören neben der Stadthalle auch das Kino Weltspiegel: ältester noch (oder eher: wieder) in Betrieb befindlicher Kinozweckbau Deutschlands.
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Doch zurück zum Theater:
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Das Café Schiller in der gleichnamigen Straße war zu DDR-Zeiten und in meiner Kindheit eher ein Garant für hervorragendes Eis im Straßenverkauf. Heute punkten sie neben einer kleinen Auswahl an warmen Speisen vor allem auch mit einer traumhaften Kuchen- und Tortenauswahl. Die anschließende Käseplatte hatte es aber auch in sich.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Wer viel isst, sollte sich danach auch mal bewegen. Folgen wir der Schillerstraße nach Süden, landen wir am Spreewaldbahnhof. Einstmals Startpunkt der längst weitgehend rückgebauten Kleinbahn in den Spreewald, heute nur noch irgendein Bürogebäude der Bahn. Aber immerhin hat es überlebt!
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Von hier führt eine Straße in bestem Zustand vorbei am früheren Güterterminal.
In meiner Kindheit stand hier ein Containerkran und es herrschte reges Treiben. Heute gibt es nur noch ein Testgleis des Ausbesserungswerkes. Die Fläche ist für eine umfangreiche Wohn- und Gewerbebebauung vorgesehen, doch die Stadt möchte dafür private Investoren gewinnen, da sie selbst finanziell nicht in der Lage ist, dieses heikle Grundstück zu entwickeln. Heikel, weil sich niemand sicher ist, ob man die Bauten dann auch auslasten kann.
In städtischer Hand bleibt aber zumindest die Umgestaltung des Nordzugangs des Bahnhofs. Dies ist wohlgemerkt die innenstädtische Seite. Wochentags halten an der hiesigen Bushaltestelle eine Linie im Takt 20 und eine im Takt 30. Erstere überquert das Gleisfeld und hält danach noch vor dem Empfangsgebäude. Dort fällt der Fahrgastwechsel in beide Richtungen stärker aus als hier. Warum? Ein Grund dürfte das Fehlen von ungefähr allem sein. Selbst der Bäcker am Straßeneck hat seit über einem Jahr ersatzlos geschlossen. Der Fahrkartenautomat an diesem Zugang wurde bereits vor Jahren abgebaut. Als Fahrradständer dienen seit jeher die Zäune der angrenzenden Grundstücke und des Gleisfeldes, Laternenmasten und eben auch sonst alles, was dazu taugt.
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Der Weg zu den Bahnsteigen ist zudem beschwerlich: Die Treppenstufen des Spreewaldtunnels sind rund getreten und nur so lang wie ein Kinderschuh. Eine Rampe oder gar einen Aufzug gibt es nicht.
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Der Tunnel selbst dürfte das Paradebeispiel eines Angstraumes sein.
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Zur Wiedervereinigung hieß es, dass dieser Tunnel, der noch aus den Bauzeiten des Bahnhofs im 19. Jahrhundert stammt, bei Fortsetzung der DDR-Zugfrequenz noch etwa fünf Jahre durchhalten würde, ehe er einstürzt. Dieser Zeitpunkt ist nun 22 Jahre her. Der Tunnel ist nach wie vor in Benutzung und angesichts des kaum noch vorhandenen Güterverkehrs auch nicht akut gefährdet. Zwei Jahre muss er noch durchhalten, dann ist der Ersatzbau fertig, der ursprünglich im früheren Großenhainer Bahnhof enden sollte.
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Wegen der denkmalschutzbedingt hohen Kosten dafür wurde diese Wiederverwertung des alten Empfangsgebäudes wieder gestrichen, stattdessen endet der Tunnel nun an der Oberfläche unter einem großen Dach, in dessen Nachbarschaft auch umfangreiche Fahrradabstellmöglichkeiten entstehen sollen. Fahrkartenautomat und die eine oder andere Möglichkeit zum Erstehen von Reisebedarf sind ebenfalls vorgesehen. Sobald das alles mal fertig ist, gibt es unter Garantie Vergleichsfotos.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Samstagabend, Kindheitserinnerungen

Durchquert man das gesamte Bahnhofsareal und verlässt das Empfangsgebäude, bietet sich dieser Blick:
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Radisson-Hotel, Büro- und Ärztehochhaus, Fürst-Pückler-Passage (v.r.n.l.), im Vordergrund die Haltestelle Hauptbahnhof, die ab diesem Sommer endgültig ohne Straßenbahnverkehr sein und anschließend zugunsten des ÖPNV-Terminals abgebaut wird. Dieser Komplex entstand in den frühen 90er Jahren anlässlich des Baubooms zur BUGA 1995. Unterhalb der kleinen Einkaufspassage befindet sich ein Supermarkt. Wochentags hat er bis 18 Uhr, samstags bis 14 Uhr geöffnet. Herzlich willkommen in der Provinz!
Im Rund des Erdgeschosses befindet sich eine Zweigstelle des Café Lauterbach, wo der mehrfach erwähnte Baumkuchen herkommt. Normalen Kuchen und Torten können die aber ebenso gut wie das Schiller. Darüber befindet seit der Eröffnung der Passage ein Chinarestaurant. Eines der ersten in der Stadt. Damals sehr gefragt und richtig gut. Seit einigen Jahren machen sie aber irgendwas falsch. Trotz vergleichsweise günstiger Preise kommen einfach kaum noch Gäste. Und die Bratnudeln werden leider auch in Sojasoße ertränkt, wie ich feststellen musste, sodass dies wohl auch mein letzter Besuch dort war.

Am anderen Ende der Passage befindet sich die Bahnhofs-Straßenbahnhaltestelle mit den wichtigen Linien.
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Wer an den hinteren Bahnsteigen aussteigen musste, darf bis hierin über 500 Meter Fußweg zurücklegen. Mit dem ÖPNV-Terminal auf dem Vorplatz wird sich das endlich ändern. Der Busbahnhof ist heute übrigens zwei Haltestellen entfernt. Auch er wird künftig auf den Vorplatz ziehen.

Am späten Abend bringe ich noch meine Oma nach Hause. Dank Takt 30 haben wir die Bahn zu ihr knapp verpasst, weshalb wir die Haltestelle in Gegenrichtung ansteuern, um die Wartezeit massiv zu verkürzen. Massiv? Ja, denn wir haben Samstag. Die Wochenendlinie 5 ersetzt die Wochentagslinien 1 und 2. Sie verkehrt von Osten her durch die Innenstadt weiter nach Süden durch die Bahnhofstraße, überquert die Eisenbahngleise über den "Bahnhofsberg" und landet dann an der Kreuzung vor dem Bahnhof.
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Hier gibt es keine Gleisverbindung nach rechts zum anderen Linienende im Westen. Daher biegt sie zuerst wieder nach links auf den Stadtring ab, wo wir zusteigen. Anschließend geht es eine Haltestelle nach Südosten und dann über das Betriebsgleis Lutherstaße vorbei an gleichnamiger Kirche wieder nach Westen zur Haltestelle mit den Hauptlinien südlich der Kreuzung am Bahnhofsberg.
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Auch hier wird gehalten und anschließend geht es nach Westen zur eigentlichen Haltestelle Hauptbahnhof. Diese Blockumfahrung kostet fünf Minuten Fahrtzeit, was vor allem daran liegt, dass dreimal an den Ampeln am Stadtring gewartet werden muss, für die es keine Vorrangschaltung gibt. Sobald das ÖPNV-Terminal fertig ist, wird diese fehlende Gleisverbindung durch einen direkten Abzweig vom Bahnhofsberg auf den Vorplatz endlich nachgerüstet.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

In dem Wohnviertel, das wir ansteuern, gibt es bis heute Überreste eines ehemaligen Kasernenanschlussgleises.
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Es endet direkt vor einem in diesem Jahrtausend errichteten Einfamilienhaus. Seit dieses Haus während meiner Jugend dort gebaut wurde, träume ich davon, dort eine Dampflok hinzusetzen und frühmorgens laut pfeifen zu lassen. Das wäre die Titelstory des Jahres in der Lokalzeitung. Und einfach total witzig.

Die beiden Supermärkte in diesem zu dieser späten Stunde ausgestorbenen Viertel haben übrigens auch samstags bis 22 Uhr geöffnet. Also doch nicht ganz so provinziell wie München?
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Das Hochhaus ziert seit einigen Jahren ein Banner mit der Aufschrift "auf mich kommen bessere Zeiten zu". Tatsächlich steht es seit gut 20 Jahren leer und ist dem Verfall preisgegeben. Einige Straßen weiter hat es einen Bruder, dort wurden vor Jahren altersgerechte Wohnungen eingebaut, die binnen kürzester Zeit restlos belegt waren. Warum der Investor sich mit dem zweiten Objekt in deutlich ruhigerer Lage so viel Zeit lässt, wurde nie bekannt. Inzwischen sollen es wohl auch nur noch normale Wohnungen werden.

Da ich nicht wieder 30 Minuten auf die nächste Bahn warten möchte (es dürfte die vorletzte sein, ab 21 Uhr fahren nur noch Nachtbusse), laufe ich die zehn Minuten bis zum Hotel. Straßen und Gehwege sind noch immer im selben Zustand, in dem ich hier aufgewachsen bin.
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Das Schmelz- (oder Regen-)wasser steht in denselben Schlaglöchern, die nur etwas größer und tiefer geworden sind, die Straßenlaternen spenden noch immer so wenig Licht wie früher. Währenddessen zieht Nebel auf. Extrem dichter Nebel, ich kann kaum die Kreuzung am Bahnhof richtig einsehen.
Hätte ich mehr Zeit, würde ich die Gelegenheit nutzen und bei diesem schaurigen Wetter ins Hotelschwimmbad im achten Stock gehen. Die Aussicht über die in Nebel gehüllte Stadt macht das Schwimmen garantiert noch interessanter. Da ich am nächsten Tag aber zeitig raus muss, ziehe ich das Bett vor. Nach der heutigen Völlerei fällt das Einschlafen nicht schwer.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Sonntag, Rückreise

Abfahrt 8 Uhr. Morgens. Normalerweise drehe ich mich sonntags zu dieser Zeit noch mal um. Falls ich überhaupt schon wach bin. Vorsorglich habe ich meinen Wecker daher auf 7 Uhr gestellt. Dummerweise muss es meine innere Uhr mal wieder besser wissen. Ich kann mich an keinen wichtigen Termin oder Reisetag erinnern, an dem ich den Wecker zum pünktlichen Aufstehen tatsächlich gebraucht hätte. Ich hasse meinen Körper dafür.
Halb sieben und hellwach schalte ich daher noch mal das Notebook an, checke kurz die anstehende Reiseverbindung auf etwaige nicht vorhandene Vorankündigungen und ziehe mir dann noch eine Folge einer Serie rein. Das reicht sogar, um wieder im Halbschlaf zu landen und kurz nach sieben keine Lust mehr aufs Aufstehen zu haben. Aber es nützt ja nichts, der Zug wartet nicht auf Langschläfer.
Der vorabendliche Nebel hat sich bereits weitgehend gelichtet, nach Sonne sieht es aber nicht aus. An der Straßenbahnhaltestelle vorm Bahnhof fahren noch die Nachtbusse im Halbstundentakt, sonntags ist das in Cottbus auf den meisten Linien so üblich, das Tagesnetz nimmt erst am Mittag seinen vollen Wochenendbetrieb auf.
Im Bahnhof erstehe ich noch ein belegtes Brötchen, das ich für 3,30 Euro eigentlich lieber nicht gekauft hätte, aber man muss ja essen. Der ODEG-KISS nach Wismar steht bereits bereit, ich suche mir einen Platz im Oberdeck und beobachte das sonntagmorgendliche Nichttreiben auf den Bahnsteigen. Sonntagmorgen, das ist aber auch die Zeit, zu der in Cottbus aus allen Himmelsrichtungen Züge mit Kapazitäten angefahren kommen, die man hier sonst selbst in der HVZ nur selten sieht. Ein RE 1-Durchläufer mit 5 Dostos auf der RB11, die sonst nur dreiteilige ET sieht, eine ET-Doppeltraktion auf einer RB, die sonst meist nur zweiteilige ET sieht ..., aber das Regiowerk will nun mal was zu tun haben!

Pünktlich wackeln wir um 8:01 Uhr dann los. Ausfahrt über die Halleschen Gleise, um im Verspätungsfall des planmäßig 7:59 Uhr eintreffenden Gegenzugs etwas Kreuzungspuffer zu haben, da die Strecke bis Lübbenau nur eingleisig ist. Diese Ausfahrt bedeutet aber auch: Besten Blick auf den Lokfriedhof des Ausbesserungswerks. Hach was habe ich mich als Kind hier herumgetrieben und immer neue "Geheimpfade" und nicht ganz verschlossene Unterführungen entdeckt, über die ich plötzlich mitten zwischen den Hauptgleisen landete. Heutzutage wohl undenkbar.
Mit 160 Sachen rauschen wir nun über die eingleisige Strecke (gibt es eigentlich noch anderswo auf 160 km/h ausgebaute eingleisige und elektrifizierte Hauptstrecken in Deutschland, die mehr als nur Verbindungskurven sind?) durch die brandenburgischen Kiefernwälder und über die Feuchtwiesen sowie durch die Birkensümpfe des Spreewalds. Einziger Geschwindigkeitseinbruch abseits der Halte ist die Moorstelle bei Bestensee, die man trotz Neutrassierung vor einigen Jahren nicht in den Griff bekommen hat. Dann: Königs-Wusterhausen. Dass dieser Bahnhof mit seiner ungewöhnlichen Bahnsteigbelegung bis heute Bestand hat, ist schon verrückt, aber das Betriebsprogramm scheint ja selbst im Verspätungsfall irgendwie an diesen zwei von der S-Bahn durchkreuzten Gleisen abwickelbar sein, ohne dass alles aus den Fugen gerät.
Weiter geht es im Bummeltempo über die Görlitzer Bahn, durchs Grünauer Kreuz, über den Außenring, auf der Spree treiben Eisschollen, Wuhlheide, Rummelsburg, Ostkreuz. 25 Minuten gefühlte Lebenszeitverschwendung. Wann wird hier endlich mal schneller gefahren?

Am Ostbahnhof vermeldet die Blechelse den ICE 597 nach Ulm Hauptbahnhof bereits am Bahnsteig gegenüber stehend. Ha, Ulm: das Zentrum der Welt! Der feuchte Traum eines jeden Pasingers. ;) Die vier anderen Fahrgäste in meinem Wagen verdeutlichen, dass der Ostbahnhof wirklich nur aus betrieblicher Notwendigkeit angefahren wird, nicht aufgrund des Fahrgastpotentials. Der Andrang am Hauptbahnhof ist mir persönlich aber einfach zu viel, weshalb ich froh über diesen vorzeitigen Zustieg bin und ich ihn nutze, wann immer ich kann.
Die darauf folgenden knapp sieben Stunden ICE-Fahrt verlaufen ereignislos. Diesmal hat das WLAN keine Tunnelproblem, sämtliche Anschlüsse funktionieren, der Zug kommt minutengenau an jeder Station bis nach Ulm. Den Nerv raubt mir schließlich die zehnminütige Busfahrt nach Hause. Ich glaube, das nennt man heutzutage antiautoritäre Erziehung. Ob das den Kindern wirklich hilft? Egal.



Und sonst? War es das wohl. Danke fürs Mitbekommen, ich hoffe, es hat zumindest dem einen oder anderen neue Einblicke verschafft.
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autolos
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Beitrag von autolos »

Lobedan @ 8 Feb 2017, 12:50 hat geschrieben: (gibt es eigentlich noch anderswo auf 160 km/h ausgebaute eingleisige und elektrifizierte Hauptstrecken in Deutschland, die mehr als nur Verbindungskurven sind?)
Ja, die Strecke Münster-Dortmund ist bis Lünen eingleisig und wird von IC(E)-Zügen mit 160 km/h befahren.
Für die, die sich anmaßen über den Wert und Unwert anderer zu urteilen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Danke für die interessanten Einblicke. Cottbus steht bei mir auf jeden Fall auch noch auf dem Plan. Angesichts des Takt 30 am Wochenende muss ich es dann wohl unter der Woche umsetzen.

Zum Thema 160 auf eingleisiger Strecke fällt mir noch Stralsund - Rostock ein.
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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Beitrag von Jogi »

Lobedan @ 8 Feb 2017, 12:50 hat geschrieben:Mit 160 Sachen rauschen wir nun über die eingleisige Strecke (gibt es eigentlich noch anderswo auf 160 km/h ausgebaute eingleisige und elektrifizierte Hauptstrecken in Deutschland, die mehr als nur Verbindungskurven sind?)
Mir fallen da noch ein der Abschnitt Weddel-Fallersleben der Strecke Braunschweig-Wolfsburg (i.V. mit dem mittlerweile ausgebauten Abschnitt Hildesheim-Braunschweig war das auch ein gerne kritisierter Zwangspunkt im ICE-Netz), Ribnitz=Damgarten-Stralsund - und als kleiner Klugscheißer-Funfact, die NBS Oebisfelde-Spandau wird als zwei eingleisige Strecken betrieben (wiki). Wird aber bestimmt noch mehr geben...

Mit der Elektrifizierung von Geltendort-Lindau müsste der Abschnitt Geltendorf-Hergartz weitgehend eingleisig bleiben. Mit Neigetechnik soll dann auch hier bis zu 160 km/h möglich sein.
Lobedan @ 8 Feb 2017, 12:50 hat geschrieben:Weiter geht es im Bummeltempo über die Görlitzer Bahn, durchs Grünauer Kreuz, über den Außenring, auf der Spree treiben Eisschollen, Wuhlheide, Rummelsburg, Ostkreuz. 25 Minuten gefühlte Lebenszeitverschwendung. Wann wird hier endlich mal schneller gefahren?
Ein Ausbau des Abschnitts KW-Grünau ist nicht mehr geplant, war aber mal im Rahmen der ABS Berlin-Görlitz vorgesehen. Prinzipiell gilt dabei zu beachten, dass der mögliche Reisezeitgewinn für einen wirtschaftlichen Nutzen durch die kürzere Fahrzeit auch auf die anschließenden Strecken "weitergegeben" können werden muss - sprich, kann auch nach dem Grünauer Kreuz, auf der Stadtbahn und im Knoten Spandau früher gefahren werden oder zerschneidet das den Fahrplan eines anderen Zuges oder ist vielleicht am Ostbahnhof gar kein Platz mehr für einen früheren RE2?
Lobedan @ 8 Feb 2017, 12:50 hat geschrieben:Und sonst? War es das wohl. Danke fürs Mitbekommen, ich hoffe, es hat zumindest dem einen oder anderen neue Einblicke verschafft.
Vielen Dank für's Mitnehmen und für's Zeigen einiger Einblicke in eine Stadt, die wohl eher wenige für einen Städteausflug auf ihrer Liste haben. Der "Walk [!] Of Fame" hat was, könnte fast als Geheimtipp durchgehen ;)

Schön, dass in der Umgebung des Bahnhofs ein paar Umbauten anstehen. Ich war nur einmal dort und der Fußweg vom Hauptgebäude zur "großen Kreuzung" (die auf dem Webcambild zu sehen ist), zur Fürst-Pückler-Passage und zur Brücke über die Bahngleise kam mir wie eine halbe Weltreise vor. Von der Schlaglochpiste gar nicht angefangen. Und - ich darf sagen, dass deine Bilder und Schilderungen meinen eher "Muss man nicht unbedingt nochmal hin"-Eindruck zum Positiven verändert haben :)
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Entenfang @ 8 Feb 2017, 13:06 hat geschrieben:Danke für die interessanten Einblicke. Cottbus steht bei mir auf jeden Fall auch noch auf dem Plan. Angesichts des Takt 30 am Wochenende muss ich es dann wohl unter der Woche umsetzen.
Wenn du nicht vor hast, die Stadt zu Fuß zu erkunden, wäre unter der Woche zu empfehlen. Samstags kommst du zumindest auf der Linie 4 mit Takt 15 noch relativ gut weg, aber wochentags ist es schon angenehmer, gerade für die abgelegeneren Teile der Stadt. Wobei dank der relativ kurzen Wege auch das Fahrrad taugt, dahingehend ist die Stadt auch echt gut ausgebaut.
In den nächsten zwei Jahren stellen die Bauarbeiten für das ÖPNV-Terminal aber auch auch noch mal einiges auf den Kopf. Die Linie 1 geht im Juli bis November 2018 in den SEV, die Bahnhofstraße ist von diesem Oktober bis August 2018 ohne Straßenbahnverkehr und danach kann das zumindest schon mal Vorplatz <-> Bahnhofstraße gefahren werden. Hier gibts das Liniennetz während der einzelnen Bauphasen.
Wer den alten Spreewaldtunnel noch mal selbst erleben will, hat dafür noch bis Ende dieses Jahres Zeit, danach geht der neue Tunnel in Betrieb und der alte wird geschlossen. Der nördlichste Bahnsteig ist aktuell auch schon im Bau, das alte Dach ist weitgehend abgebaut, wird erstmal eingelagert und dann irgendwann aufgearbeitet und am Bahnhof Zoo der Parkbahn wieder aufgebaut.
Jogi @ 8 Feb 2017, 13:43 hat geschrieben:Mir fallen da noch ein der Abschnitt Weddel-Fallersleben der Strecke Braunschweig-Wolfsburg (i.V. mit dem mittlerweile ausgebauten Abschnitt Hildesheim-Braunschweig war das auch ein gerne kritisierter Zwangspunkt im ICE-Netz) [...] - und als kleiner Klugscheißer-Funfact, die NBS Oebisfelde-Spandau wird als zwei eingleisige Strecken betrieben (wiki). Wird aber bestimmt noch mehr geben...
Dass Hildesheim-Braunschweig lange eingleisig war, wusste ich sogar. Warum wurde die NBS so angelegt? Hat das betriebliche Vorteile oder gar Notwendigkeit?
War von meiner Seite her aber einfach Neugier, weil es ein ungewohntes Fahrgefühl ist.
Jogi @ 8 Feb 2017, 13:43 hat geschrieben:Ein Ausbau des Abschnitts KW-Grünau ist nicht mehr geplant, war aber mal im Rahmen der ABS Berlin-Görlitz vorgesehen. Prinzipiell gilt dabei zu beachten, dass der mögliche Reisezeitgewinn für einen wirtschaftlichen Nutzen durch die kürzere Fahrzeit auch auf die anschließenden Strecken "weitergegeben" können werden muss - sprich, kann auch nach dem Grünauer Kreuz, auf der Stadtbahn und im Knoten Spandau früher gefahren werden oder zerschneidet das den Fahrplan eines anderen Zuges oder ist vielleicht am Ostbahnhof gar kein Platz mehr für einen früheren RE2?
Der Südast nach Cottbus könnte den Puffer zumindest gebrauchen. Sprich man könnte die Trasse auf der Stadtbahn ja gern beibehalten und dann einfach fünf Minuten schneller nach KW fahren, sodass man auch entsprechend früher in Cottbus ist und dort die Anschlussproblematik zu diversen RB wegfällt. Und zurück natürlich dasselbe Spiel: Etwas später in Cottbus losfahren und dann durch den Streckenausbau trotzdem dieselbe Stadtbahntrasse erreichen. Durch die Eingleisigkeit Lübbenau - Cottbus muss man ab 10 Minuten Verspätung ja auch in Vetschau auf den Gegenzug aus Cottbus warten, damit der pünktlich nach Berlin kommt.
Heute ist es ja nun mal auch leider so, dass der Südast nahezu keinen Puffer hat. Verlässt man die Stadtbahn mit +5, dann stehen die +5 bis Cottbus auf der Uhr. Dauert auf irgendeiner Station bis Cottbus der Fahrgastwechsel auch nur eine Minute länger, schleppt man die Minute bis Cottbus mit. Man hat vor einiger Zeit ja nun schon die Halte Raddusch, Kunersdorf und Kolkwitz gestrichen, um das ganze ein wenig zu entschärfen, aber viel gebracht hat das eben nicht, Verspätung reinfahren ist kaum drin.
Jogi @ 8 Feb 2017, 13:43 hat geschrieben:Vielen Dank für's Mitnehmen und für's Zeigen einiger Einblicke in eine Stadt, die wohl eher wenige für einen Städteausflug auf ihrer Liste haben. Der "Walk [!] Of Fame" hat was, könnte fast als Geheimtipp durchgehen ;)

Schön, dass in der Umgebung des Bahnhofs ein paar Umbauten anstehen. Ich war nur einmal dort und der Fußweg vom Hauptgebäude zur "großen Kreuzung" (die auf dem Webcambild zu sehen ist), zur Fürst-Pückler-Passage und zur Brücke über die Bahngleise kam mir wie eine halbe Weltreise vor. Von der Schlaglochpiste gar nicht angefangen. Und - ich darf sagen, dass deine Bilder und Schilderungen meinen eher "Muss man nicht unbedingt nochmal hin"-Eindruck zum Positiven verändert haben :)
Ja absolut. Cottbus ist eine Stadt, die viele niemals auf dem Zettel haben. Entweder hat man von vornherein das Bild der versifften Plattenbaustadt im Kopf oder man erwartet "sowas" so tief im Osten einfach nicht. Aber letztlich ist ein Spaziergang durch Cottbus nicht viel anders als der vom Dresdner Hauptbahnhof zur Frauenkirche: Moderne Neubauten (Wiener Platz), DDR-Charme (Plattenbauten in der Prager Straße) und schließlich Altbaupracht. Wer darauf steht, sollte sich mal eine Reise in den Spreewald gönnen und von dort einen Tagestripp nach Cottbus einplanen.
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Lobedan @ 8 Feb 2017, 16:51 hat geschrieben:Dass Hildesheim-Braunschweig lange eingleisig war, wusste ich sogar. Warum wurde die NBS so angelegt? Hat das betriebliche Vorteile oder gar Notwendigkeit?
Ich hoffe, ich verstehe dich richtig:

Die Führung der NBS Hannover-Würzburg ist auch vor dem Spiegel der deutschen Teilung zu sehen, d.h. in dem Kontext vor allem, dass eine schnelle Anbindung an Berlin kein verfolgtes Ziel war. Hauptziele waren einer absehbaren Überlastung der klassischen Nord-Süd-Strecke (Hannover-Elze-Göttingen-Eichenberg-Bebra-Fulda-Gemünden-Würzburg) entgegen zu wirken und den SPFV zwischen Nord- und Süddeutschland zu beschleunigen. Baubeginn war 1973, die Planungen reichten natürlich bis in die 1960er-Jahre zurück. Die Möglichkeit, Hildesheim und damit auch Braunschweig direkt an die neue Strecke anzubinden, ergab sich erst mit der beschlossenen Führung über Göttingen. Diese stand zwar recht früh fest, die wesentlichen Planungen zur Hildesheimer Schleife nahmen erst ab den frühen 1980er-Jahren Fahrt auf. Eröffnung war schließlich im Jahr 1991, als die NBS durchgehend befahrbar war.

Braunschweig und Hildesheim selber hatten, quasi traditionsgemäß, ihre wichtige Anbindung in die große, weite Welt über Hannover. Diese Strecken, beide über Lehrte, wurden bereits in den 1840er-Jahren eröffnet. Die direkte Verbindung zwischen Hildesheim und Braunschweig war erst 1889 durchgehend befahrbar. Große Bedeutung im Fernverkehr hatte sie nie, auch wenn einige Züge dort fuhren.
Zeitsprung, im Schatten der innerdeutschen Grenze ("Zonenrandgebiet", um's despektierlich auszudrücken) fand die direkte Anbindung beider Städte an den bundesdeutschen Fernverkehr im Wesentlichen über Hannover statt.

Kurzum, bis in die anfänglichen 1990er-Jahre sah man wohl keine wirkliche Notwendigkeit, den Abschnitt Hildesheim-Braunschweig zweigleisig auszubauen. Mit einem Stundentakt zwischen Göttingen, Hildesheim, Braunschweig und dem Osten rechnete man zu dieser Zeit nicht. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, warum die Ausfädelung aus der NBS höhengleich erfolgt. Die entsprechenden Einschränkungen wären bei ein paar Zügen vernachlässigbar.
Mit der Wiedervereinigung gewann dann die Hildesheimer Schleife an Bedeutung, weil sie eine schnelle Anbindung Berlins an Hessen und Süddeutschland erlaubte. Zusammen mit dem Wunsch des Landes, den Regionalverkehr zwischen Hildesheim, Braunschweig und Wolfsburg auszubauen (vor der Ausschreibung fuhren nur eine Handvoll RBs zwischen beiden erstgenannten Städten), wuchs der Druck, um die Strecke auszubauen. Die Einbindung an die NBS erweist in dem Kontext auch als, wenn nicht allzu großer, Klotz.

Beantwortet das deine Frage?
Lobedan @ 8 Feb 2017, 16:51 hat geschrieben:Der Südast nach Cottbus könnte den Puffer zumindest gebrauchen. Sprich man könnte die Trasse auf der Stadtbahn ja gern beibehalten und dann einfach fünf Minuten schneller nach KW fahren, sodass man auch entsprechend früher in Cottbus ist und dort die Anschlussproblematik zu diversen RB wegfällt.
An sich der Vorteil davon, als Nachteil würden die allerdings Abstände die Zugfolgezeiten im Bahnhof Königs Wusterhausen erhöhen und Verspätungen könnten sich übertragen. Aktuell sieht es für den RE2 so aus:
an .49/ab .51 RE2 -> Wittenberge
an. 57/ab .03 RB19 <-/-> Potsdam
an .09/ab .11 RE2 -> Cottbus

Alle genannten Züge halten an Gleis 1. Es ist deutlich zu sehen, warum der RE2 in Richtung Berlin(-Wittenberge) unbedingt pünktlich in KW ankommen muss: Ab ca. fünf Minuten Verspätung würde eine pünktliche RB19 ausgebremst, die eine kurze, sechsminütige Eigenwende vollziehen muss. Eine verspätete Abfahrt könnte wiederum den RE2 in Richtung Cottbus ausbremsen mit dem vor Dir geschilderten Rattenschwanz (teilweiser Anschlussverlust, mögliche Zwangskreuzung in Vetschau mit komplettem Anschlussverlust in Cottbus).

Dein Vorschlag, die RE2-Trasse um etwa fünf Minuten zu verschieben, würde eine Anbindung von KW mit der RB19, die Anschluss in/aus Richtung Cottbus bietet, allerdings unmöglich machen. Die Ankunft würde ca. zur Minute .05 erfolgen und damit unmittelbar nach Ausfahrt der RB19. In diesem Fall wären keine Reserven vorhanden. Läge der Fahrzeitgewinn bei zwei oder drei Minuten liegen, würde sich ein vergleichbares Problem ergeben: Verspätungen würden sich auf den nächsten Zug übertragen, weil der Zwangspunkt KW den flüssigen Durchlass blockiert.

Auch ein Verlegen der RB auf Gleis 3 wäre keine wirklich Lösung, die S46 kommt zur Minute .55 an, eine geringe Verspätung würde also die Einfahrt eines der beiden Züge blockieren. Ein Ausbau zwischen Grünau und KW würde also auch einen Umbau des letztgenannten Bahnhofs erfordern, um die Fahrzeitgewinne in Richtung Cottbus "weiterreichen" zu können. Aus dem Fahrplanphrasenschwein, der Fahrplan bestimmt die Infrastruktur,...
Lobedan @ 8 Feb 2017, 16:51 hat geschrieben:Heute ist es ja nun mal auch leider so, dass der Südast nahezu keinen Puffer hat. Verlässt man die Stadtbahn mit +5, dann stehen die +5 bis Cottbus auf der Uhr. Dauert auf irgendeiner Station bis Cottbus der Fahrgastwechsel auch nur eine Minute länger, schleppt man die Minute bis Cottbus mit. Man hat vor einiger Zeit ja nun schon die Halte Raddusch, Kunersdorf und Kolkwitz gestrichen, um das ganze ein wenig zu entschärfen, aber viel gebracht hat das eben nicht, Verspätung reinfahren ist kaum drin.
... hier aber vegitiert ein schönes Beispiel dafür, wie Infrastruktur den Fahrplan bestimmt. Im negativen Sinne, weil "planlos" gebaut und nur schwer fahrbar. Mit dem Taktknoten Cottbus, der Eingleisigkeit zwischen Lübbenau und Cottbus mit, je nach Sichtweise, einer (Vetschau) bzw. zwei Kreuzungspunkten (Du nanntest es Ausfahren in Cottbus über die Halleschen Gleise), dem de facto zwischen Berlin und Lübbenau nur eingleisig nutzbarem Bahnhof KW und der Stadtbahn hat man eine Perlenschnur an Zwangspunkten, die mit dem bloßen Ausbau zwischen KW und Lübbenau auf 160 km/h ihre negative Wirkung entfaltet. Die lautet im Wesentlichen, Verspätungen können sich auf andere Züge übertragen sowie sie können kaum abgebaut werden.

Mit der Maßgabe, den Anschluss zwischen RB19 und RE2 wie gehabt in KW herzustellen, kann die Trasse des RE2 nicht groß verschoben werden; Reisezeitgewinne durch kürzere Fahrzeiten zwischen KW und Berlin sind entsprechend wenig zu erwarten. Somit würde ein Ausbau zwischen Grünau und KW vor allem einen größeren Nutzen generieren - ein von der Stadtbahn verspätet kommender RE2 kann auf diesem Abschnitt seine Verspätung reduzieren. In Gegenrichtung dürfte dieser Effekt weniger spürbar, gleichwohl aber vorhanden sein, weil der RE2 in Richtung Berlin einen gewissen Vorrang genießt.

Zur Erhöhung der Pünktlichkeit scheint mir ein zweigleisiger Ausbau zwischen Cottbus und Lübbenau mehr zu beizutragen, weil mehrere Zwangspunkte entschärft werden und ein Übertragen von Verspätungen minimiert wird. Zusammen mit der überschlagenen Wende des RE2 ist ein pünktlicher Start in Cottbus nahezu sicher. Der Gegenzug kann ohne Unterbrechung weiterfahren. Güterverkehr profitiert von mehr möglichen Fahrplantrassen.

So, nach der schweren Kost, jetzt wieder etwas Leichteres ;)
Lobedan @ 8 Feb 2017, 16:51 hat geschrieben:Ja absolut. Cottbus ist eine Stadt, die viele niemals auf dem Zettel haben. Entweder hat man von vornherein das Bild der versifften Plattenbaustadt im Kopf oder man erwartet "sowas" so tief im Osten einfach nicht.
Das ist eine bösartige Unterstellung. Als ich nach Cottbus fuhr, hatte ich gar keine Erwartungen an die Stadt.

Bitte hier ein Ironie-Tag nach Wahl vorstellen
Lobedan @ 8 Feb 2017, 16:51 hat geschrieben:Aber letztlich ist ein Spaziergang durch Cottbus nicht viel anders als der vom Dresdner Hauptbahnhof zur Frauenkirche: Moderne Neubauten (Wiener Platz), DDR-Charme (Plattenbauten in der Prager Straße) und schließlich Altbaupracht. Wer darauf steht, sollte sich mal eine Reise in den Spreewald gönnen und von dort einen Tagestripp nach Cottbus einplanen.
Das auf jeden Fall. Einige Anlaufstellen hast Du (nochmals: dankenswerterweise) ja weiter oben gepostet.

Grüße nach Ulm,
J
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Jogi @ 8 Feb 2017, 18:36 hat geschrieben:Ich hoffe, ich verstehe dich richtig:

[...]

Beantwortet das deine Frage?
Nicht so ganz, aber trotzdem vielen Dank für diese Ausführungen.
Meine Frage bezog sich auf den angesprochenen Fakt, wieso die NBS Spandau-Oebisfelde als zwei eingleisige Strecken konzipiert wurde. Das hatte nichts mit der (behobenen) Eingleisigkeit zwischen Hildesheim und Braunschweig zu tun.
Jogi @ 8 Feb 2017, 18:36 hat geschrieben:An sich der Vorteil davon, als Nachteil würden die allerdings Abstände die Zugfolgezeiten im Bahnhof Königs Wusterhausen  erhöhen und Verspätungen könnten sich übertragen. Aktuell sieht es für den RE2 so aus:
an .49/ab .51 RE2 -> Wittenberge
an. 57/ab .03 RB19 <-/-> Potsdam
an .09/ab .11 RE2 -> Cottbus

Alle genannten Züge halten an Gleis 1. Es ist deutlich zu sehen, warum der RE2 in Richtung Berlin(-Wittenberge) unbedingt pünktlich in KW ankommen muss: Ab ca. fünf Minuten Verspätung würde eine pünktliche RB19 ausgebremst, die eine kurze, sechsminütige Eigenwende vollziehen muss. Eine verspätete Abfahrt könnte wiederum den RE2 in Richtung Cottbus ausbremsen mit dem vor Dir geschilderten Rattenschwanz (teilweiser Anschlussverlust, mögliche Zwangskreuzung in Vetschau mit komplettem Anschlussverlust in Cottbus).

Dein Vorschlag, die RE2-Trasse um etwa fünf Minuten zu verschieben, würde eine Anbindung von KW mit der RB19,  die Anschluss in/aus Richtung Cottbus bietet, allerdings unmöglich machen. Die Ankunft würde ca. zur Minute .05 erfolgen und damit unmittelbar nach Ausfahrt der RB19. In diesem Fall wären keine Reserven vorhanden. Läge der Fahrzeitgewinn bei zwei oder drei Minuten liegen, würde sich ein vergleichbares Problem ergeben: Verspätungen würden sich auf den nächsten Zug übertragen, weil der Zwangspunkt KW den flüssigen Durchlass blockiert.

Auch ein Verlegen der RB auf Gleis 3 wäre keine wirklich Lösung, die S46 kommt zur Minute .55 an, eine geringe Verspätung würde also die Einfahrt eines der beiden Züge blockieren. Ein Ausbau zwischen Grünau und KW würde also auch einen Umbau des letztgenannten Bahnhofs erfordern, um die Fahrzeitgewinne in Richtung Cottbus "weiterreichen" zu können. Aus dem Fahrplanphrasenschwein, der Fahrplan bestimmt die Infrastruktur,...


... hier aber vegitiert ein schönes Beispiel dafür, wie Infrastruktur den Fahrplan bestimmt. Im negativen Sinne, weil "planlos" gebaut und nur schwer fahrbar. Mit dem Taktknoten Cottbus, der Eingleisigkeit zwischen Lübbenau und Cottbus mit, je nach Sichtweise, einer (Vetschau) bzw. zwei Kreuzungspunkten (Du nanntest es Ausfahren in Cottbus über die Halleschen Gleise), dem de facto zwischen Berlin und Lübbenau nur eingleisig nutzbarem Bahnhof KW und der Stadtbahn hat man eine Perlenschnur an Zwangspunkten, die mit dem bloßen Ausbau zwischen KW und Lübbenau auf 160 km/h ihre negative Wirkung entfaltet. Die lautet im Wesentlichen, Verspätungen können sich auf andere Züge übertragen sowie sie können kaum abgebaut werden.

Mit der Maßgabe, den Anschluss zwischen RB19 und RE2 wie gehabt in KW herzustellen, kann die Trasse des RE2 nicht groß verschoben werden; Reisezeitgewinne durch kürzere Fahrzeiten zwischen KW und Berlin sind entsprechend wenig zu erwarten. Somit würde ein Ausbau zwischen Grünau und KW vor allem einen größeren Nutzen generieren - ein von der Stadtbahn verspätet kommender RE2 kann auf diesem Abschnitt seine Verspätung reduzieren. In Gegenrichtung dürfte dieser Effekt weniger spürbar, gleichwohl aber vorhanden  sein, weil der RE2 in Richtung Berlin einen gewissen Vorrang genießt.

Zur Erhöhung der Pünktlichkeit scheint mir ein zweigleisiger Ausbau zwischen Cottbus und Lübbenau mehr zu beizutragen, weil mehrere Zwangspunkte entschärft werden und ein Übertragen von Verspätungen minimiert wird. Zusammen mit der überschlagenen Wende des RE2 ist ein pünktlicher Start in Cottbus nahezu sicher. Der Gegenzug kann ohne Unterbrechung weiterfahren. Güterverkehr profitiert von mehr möglichen Fahrplantrassen.
Puh ... in einen so allumfänglichen Kontext habe ich die Problematik nie gesteckt.
Der Ausbau des Bahnhofs KW ist auch vom Tisch, oder? Ich erinnere mich, dass das zumindest geplant war bis hin zur Umverlegung der S-Bahn auf Gleis 1, sodass man des Mittelbahnsteig flexibel für die Görlitzer Bahn und ggf. wendende Züge nutzen kann.
Ich erinnere mich darüber hinaus an Presseberichte von vor dem Ausbau KW-Lübbenau, dass Cottbus - Berlin auf eine Reisezeit von knapp über einer Stunde verkürzt würde. 64 oder 68 Minuten, weiß nicht mehr genau. Wohlgemerkt Hauptbahnhof. Real steht man heute bei über 80. Ich zweifle seit der ersten Fahrplanveröffentlichung daran, dass diese kommunizierte Fahrtzeit selbst im Vollausbau jemals fahrbar wird, allenfalls nonstop.
Jogi @ 8 Feb 2017, 18:36 hat geschrieben:So, nach der schweren Kost, jetzt wieder etwas Leichteres ;)

Das ist eine bösartige Unterstellung. Als ich nach Cottbus fuhr, hatte ich gar keine Erwartungen an die Stadt.

Bitte hier ein Ironie-Tag nach Wahl vorstellen

Das auf jeden Fall. Einige Anlaufstellen hast Du (nochmals: dankenswerterweise) ja weiter oben gepostet.

Grüße nach Ulm,
J
Das war keine persönliche Unterstellung, sondern eher eine Aussage auf Grundlage meiner Erfahrungen nach 19 Jahren Leben in Cottbus. Für jeden (Ossi) von außerhalb war Cottbus einfach nur Plattenbaukunst und mehr nicht. Wertschätzung für das historische Cottbus habe ich nur von neutralen Besuchern erfahren, was zumindest weiter gereiste Besucher, oftmals aus den alten Bundesländern, waren.

Wenn es euch nach Cottbus verschlägt, dürft ihr gern vorher bei mir anfragen. Ich kann euch auch ein bis heute gutes chinesisches Restaurant nennen, nachdem ich das am Bahnhof so schön zerredet habe. Oder eine gute Dönerbude. Wo man vernünftiges Brot und eine angemessene Soßenvielfalt verwendet und nicht diese Fertig-Tiefkühlfladen und geschmacklosen Dressings, die hier im Süden verbreitet sind. Oder wie die SZ im Herbst so schön über Münchener Döner schrieb: Es fehlt an vernünftiger Konkurrenz, um guten Döner zu machen. :P
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Beitrag von Jogi »

Lobedan @ 8 Feb 2017, 21:05 hat geschrieben:
Jogi @ 8 Feb 2017, 18:36 hat geschrieben:Beantwortet das deine Frage?
Nicht so ganz, aber trotzdem vielen Dank für diese Ausführungen.
Meine Frage bezog sich auf den angesprochenen Fakt, wieso die NBS Spandau-Oebisfelde als zwei eingleisige Strecken konzipiert wurde. [...]
Ach so *rotwerd* ähm... Gute Frage, nächste Frage :D

Ich vermute mal, dass das mit der weitgehend parallelen Stammbahn (also die eingleisige Strecke, auf der DB-642er und ODEG rumdieseln [müssen]) zu tun hat. Mit deren ursprünglich geplanten Elektrifizierung hätte man dann drei flexibel nutzbare Strecken gehabt. Aber was genau der Nutzen der "eingleisigen" Betriebsführung ist, kann ich Dir beim besten Willen nicht sagen :unsure:
Lobedan @ 8 Feb 2017, 21:05 hat geschrieben:Puh ... in einen so allumfänglichen Kontext habe ich die Problematik nie gesteckt.
Bei der Ausgestaltung von Fahrplänen kommt um so was halt nicht wirklich drum rum.
Lobedan @ 8 Feb 2017, 21:05 hat geschrieben:Der Ausbau des Bahnhofs KW ist auch vom Tisch, oder? Ich erinnere mich, dass das zumindest geplant war bis hin zur Umverlegung der S-Bahn auf Gleis 1, sodass man des Mittelbahnsteig flexibel für die Görlitzer Bahn und ggf. wendende Züge nutzen kann.
Wenn's keine Pläne für den besprochenen Streckenausbau mehr gibt, dürfte es beim Bahnhof nicht besser aussehen. Immerhin hat man mit dem aktuellen Fahrplankonzept einen, anbetrachts des Flaschenhalses, tragfähigen Kompromiss gefunden.
S-Bahn auf Gleis 1? Dann bräuchte es vorher irgendeine Art von Überwerfung, um Kreuzungskonflikte auszuschließen...
Lobedan @ 8 Feb 2017, 21:05 hat geschrieben:Ich erinnere mich darüber hinaus an Presseberichte von vor dem Ausbau KW-Lübbenau, dass Cottbus - Berlin auf eine Reisezeit von knapp über einer Stunde verkürzt würde. 64 oder 68 Minuten, weiß nicht mehr genau. Wohlgemerkt Hauptbahnhof. Real steht man heute bei über 80. Ich zweifle seit der ersten Fahrplanveröffentlichung daran, dass diese kommunizierte Fahrtzeit selbst im Vollausbau jemals fahrbar wird, allenfalls nonstop.
Knapp 60 Minuten für etwa 110, 120 Kilometer? Da haste Recht, das wird nichts.
Lobedan @ 8 Feb 2017, 21:05 hat geschrieben:Das war keine persönliche Unterstellung, [...]
Hab ich auch nicht so verstanden; nur bei Bezug auf mich, fand ich das eine schöne Steilvorlage ;)
Lobedan @ 8 Feb 2017, 21:05 hat geschrieben:[...] Es fehlt an vernünftiger Konkurrenz, um guten Döner zu machen. :P
:lol: :lol:

Aber stimt, man merkt erst, was man an seinem alten Stammdöner (selbst gebackenes Brot, frische Zwiebeln, frischer Salat, selbst gepimpte Soße) hatte, wenn man woanders ist...

Nochmals Grüße nach Ulm,
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Beitrag von karhu »

In Finnland gibt es sogar Strecken die eingleißig mit 200km/h befahren werden z.B. Tampere-Seinäjöki, ich glaube das gibt es in Deutschland nicht. Die Strecke wurde 1971 eröffnet, ist also relativ neu. Der Grund sie nur eingleißig zu bauen war um die Kosten zu sparen, man hat allerdings heute Probleme mit der Kapazität.

Btw. vielen Dank für den interesannten Bericht :)
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Beitrag von Lobedan »

Jogi @ 8 Feb 2017, 20:50 hat geschrieben:Ach so *rotwerd* ähm... Gute Frage, nächste Frage :D

Ich vermute mal, dass das mit der weitgehend parallelen Stammbahn (also die eingleisige Strecke, auf der DB-642er und ODEG rumdieseln [müssen]) zu tun hat. Mit deren ursprünglich geplanten Elektrifizierung hätte man dann drei flexibel nutzbare Strecken gehabt. Aber was genau der Nutzen der "eingleisigen" Betriebsführung ist, kann ich Dir beim besten Willen nicht sagen :unsure:
Die eingleisige Dieselstrecke könnte man doch eigentlich auch mal abbauen und lieber die Stationen als NBS-taugliche Überholbahnhöfe auslegen. :huh:
DB und flexibel passt doch gar nicht zusammen.
Jogi @ 8 Feb 2017, 20:50 hat geschrieben:Bei der Ausgestaltung von Fahrplänen kommt um so was halt nicht wirklich drum rum.
Natürlich nicht! Aber ich bin ja kein Fahrplanbastler, sondern allenfalls jemand, der ein paar Zusammenhänge sieht und denkt, er hat dann den kompletten Durchblick. B-)
Jogi @ 8 Feb 2017, 20:50 hat geschrieben:Wenn's keine Pläne für den besprochenen Streckenausbau mehr gibt, dürfte es beim Bahnhof nicht besser aussehen. Immerhin hat man mit dem aktuellen Fahrplankonzept einen, anbetrachts des Flaschenhalses, tragfähigen Kompromiss gefunden.
S-Bahn auf Gleis 1? Dann bräuchte es vorher irgendeine Art von Überwerfung, um Kreuzungskonflikte auszuschließen...
Die Pläne gibt es bestimmt noch in irgendeinem Schubfach. Nur dank der Vorplanung des Landes (respektive Cottbuser Landtagsabgeordneten) konnte man KW-Lübbenau ja ins Konjunkturpaket bringen und ausbauen. Und der Ausbau hats ja schon gebracht, die Fahrgastzahlen sind enorm gestiegen, dass die vierteiligen KISS praktisch vom ersten Tag an zu klein waren.
Klar, das war dann das heikle Thema: Wie bekommt man die S-Bahn an den Hausbahnsteig, wenn zugleich der Zwangspunkt Nottekanalbrücke besteht. Ich schätze, die Baukosten waren ein wesentlicher Punkt, wieso man das nicht weiter verfolgt hat. Ich kann mir aber auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass man den aktuellen Zustand dauerhaft beibehalten möchte. Vielleicht ergeben sich ja neue Fahrplankonzepte, wenn der BER endlich vollwertig angefahren wird. Senftenberg soll ja dann den RE 7 bekommen, eventuell bekommt der einen Flügel nach Cottbus, um die RB-Halte zu bedienen ...
Jogi @ 8 Feb 2017, 20:50 hat geschrieben:Knapp 60 Minuten für etwa 110, 120 Kilometer? Da haste Recht, das wird nichts.
Irgendwer hat das mal auf ein Planungspapier gebracht, sonst hätte die Presse doch nie mit solchen Zahlen hantiert. Wobei ...
Jogi @ 8 Feb 2017, 20:50 hat geschrieben::lol: :lol:

Aber stimt, man merkt erst, was man an seinem alten Stammdöner (selbst gebackenes Brot, frische Zwiebeln, frischer Salat, selbst gepimpte Soße) hatte, wenn man woanders ist...

Nochmals Grüße nach Ulm,
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Ich merke hier im Süden jedenfalls definitiv, wie sehr ich kulinarisch verwöhnt wurde in der Lausitz. Aber das fördert die eigene Kochkreativität und spart am Ende vermutlich sogar Geld.

Ich würde spezifischer grüßen, wenn ich wüsste wohin, so bleibt mir aber wohl nur ein Gruß zurück!
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Beitrag von Entenfang »

Lobedan @ 8 Feb 2017, 20:05 hat geschrieben:Puh ... in einen so allumfänglichen Kontext habe ich die Problematik nie gesteckt.
Da sieht man immer wieder, wie komplex Eisenbahnbetrieb ist und das es für manche (nicht alle!) auf den ersten Blick unlogischen Konstruktionen gute Gründe gibt. Nebenbei nochmal einen Dank an Jogi für die übersichtliche und leicht verständliche Darstellung der Fahrplankonstruktion. :)
Die eingleisige Dieselstrecke könnte man doch eigentlich auch mal abbauen und lieber die Stationen als NBS-taugliche Überholbahnhöfe auslegen.
Um Gottes Willen, bloß nicht. Natürlich wäre ein drittes elektrifiziertes Gleis viel besser, auch im Hinblick auf fliegende Überholungen des GV. Aber im NV gibt es einen überschaubaren, gut planbaren Stundentakt mit (meistens) hoher Pünktlichkeit, der sich gut auf einem Gleis abwickeln lässt. Entmischung lautet meiner Ansicht nach das Zauberwort, um eine pünktlichere Bahn zu bekommen. Daher halte ich deinen Vorschlag für kontraproduktiv.
In Finnland gibt es sogar Strecken die eingleißig mit 200km/h befahren werden
Ich habe mal aufgeschnappt, dass in Spanien ernsthaft überlegt wird, neue HGV-Strecken aus Kostengründen nur noch eingleisig zu bauen, da sich der Verkehr ohnehin arg in Grenzen hält.
Meine Frage bezog sich auf den angesprochenen Fakt, wieso die NBS Spandau-Oebisfelde als zwei eingleisige Strecken konzipiert wurde.
Grundsätzlich sind im Regelwerk der deutschen Eisenbahn nur ein- und zweigleisige Strecken vorgesehen. Wenn man also 3 Gleise hat, kann man entweder 2+1 oder 1+1+1 bilden. Der Vorteil von drei eingleisigen Strecken gegenüber 2+1 dürfte wohl die übersichtlichere Signalanordnung sein. Auf zweigleisigen Strecken stehen die Signale am Gegengleis stets auf der linken Seite, das könnte etwas verwirrend sein. Wir erinnern uns an die Flankenfahrt in Mannheim...
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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Beitrag von JeDi »

Entenfang @ 8 Feb 2017, 22:58 hat geschrieben: Grundsätzlich sind im Regelwerk der deutschen Eisenbahn nur ein- und zweigleisige Strecken vorgesehen. Wenn man also 3 Gleise hat, kann man entweder 2+1 oder 1+1+1 bilden. Der Vorteil von drei eingleisigen Strecken gegenüber 2+1 dürfte wohl die übersichtlichere Signalanordnung sein. Auf zweigleisigen Strecken stehen die Signale am Gegengleis stets auf der linken Seite, das könnte etwas verwirrend sein. Wir erinnern uns an die Flankenfahrt in Mannheim...
Wobei der mehrfach eingleisige Betrieb eigentlich eine Spezialität im DV-Land ist. Dieser wird zwischen Oebisfelde und Dings angewendet, formal sind das aber trotzdem je eine Zweigleisige und eine eingleisige VzG-Strecke. Der Hauptunterschied ist, dass das Befahren des Gegengleises nicht mit Zs6, sondern mit einem entsprechenden Zs2 signalisiert wird.

Die Berliner Stadtbahn ist zum Beispiel auch so ein Fall mit mehrfach eingleisigem Betrieb. Zwei zweigleisige Strecken, die wie vier eingleisige betrieben werden. Auf welches Gleis es geht, sagt dann ein Zs2 mit Kennbuchstabe R, S, T, U.

Inzwischen geht man dazu über, zumindest zweigleisige Strecken wieder auf klassischen GWB umzubauen, so z.B. zum letzten Fahrplanwechsel auf einigen Abschnitten des Berliner Außenrings.
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Beitrag von Lobedan »

Entenfang @ 8 Feb 2017, 22:58 hat geschrieben: Um Gottes Willen, bloß nicht. Natürlich wäre ein drittes elektrifiziertes Gleis viel besser, auch im Hinblick auf fliegende Überholungen des GV. Aber im NV gibt es einen überschaubaren, gut planbaren Stundentakt mit (meistens) hoher Pünktlichkeit, der sich gut auf einem Gleis abwickeln lässt. Entmischung lautet meiner Ansicht nach das Zauberwort, um eine pünktlichere Bahn zu bekommen. Daher halte ich deinen Vorschlag für kontraproduktiv.
Den RE 4 stündlich elektrisch bis Stendal durchbinden zu können, wäre aber schon von Vorteil. Besser als dieser Dieselpendel nach Rathenow jetzt. Nur Fahrdraht auf der Stammbahn und Erhalt der Dorfhalte scheint ja nicht in Aussicht zu sein. Eher baut die DB die eingleisige Strecke ersatzlos ab und fährt Rathenow-Stendal nonstop elektrisch.
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guru61
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Beitrag von guru61 »

karhu @ 8 Feb 2017, 22:31 hat geschrieben: In Finnland gibt es sogar Strecken die eingleißig mit 200km/h befahren werden z.B. Tampere-Seinäjöki, ich glaube das gibt es in Deutschland nicht. Die Strecke wurde 1971 eröffnet, ist also relativ neu. Der Grund sie nur eingleißig zu bauen war um die Kosten zu sparen, man hat allerdings heute Probleme mit der Kapazität.

Btw. vielen Dank für den interesannten Bericht :)
Hallo
Soweit musst du nicht gehen:
Das gibt es auch in der Schweiz: Die Ausbaustrecke Wanzwil Solothurn ist Einspurig und wird zum Teil mit 200km/h befahren:
https://www.youtube.com/watch?v=-h9PsvJIW40
https://www.youtube.com/watch?v=TXxdJz-rZIs
Gruss Guru
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Beitrag von JeDi »

Lobedan @ 9 Feb 2017, 06:33 hat geschrieben: Den RE 4 stündlich elektrisch bis Stendal durchbinden zu können, wäre aber schon von Vorteil.
Warum? Immerhin scheint auf Stendal-Rathenow meistens ein solo-650 auszureichen...
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Beitrag von Lobedan »

Wenn es danach geht: Wie viele Fahrgäste haben die anderen RE-Außenäste in Brandenburg? Wie viel Zeit verliert der Stendaler durch den Umstieg in Rathenow und fährt deswegen Auto? Es gibt ja Durchläufer, also ist ein Grundpotential für die Durchbindung vorhanden.
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Beitrag von JeDi »

Lobedan @ 9 Feb 2017, 12:34 hat geschrieben: Wenn es danach geht: Wie viele Fahrgäste haben die anderen RE-Außenäste in Brandenburg?
Deutlich mehr ;-) - und damit meine ich jetzt nicht nur RE1 und RE2.
Wie viel Zeit verliert der Stendaler durch den Umstieg in Rathenow und fährt deswegen Auto? Es gibt ja Durchläufer, also ist ein Grundpotential für die Durchbindung vorhanden.
Der Durchläufer hat aber betriebliche Gründe (und fährt mitten in der Nacht). Die Schnelle Anbindung Stendals an Berlin erledigt die IC-Linie 77 - häufig mit attraktiveren Angeboten als der Regionalverkehr (selbst für heute Nachmittag gibt's noch 19€-Sparpreise).

Diese komfortable Situation haben die anderen RE-Außenäste nicht, u.a. deswegen ist da mehr los ;-)
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Beitrag von Jogi »

Lobedan @ 8 Feb 2017, 22:38 hat geschrieben:Die eingleisige Dieselstrecke könnte man doch eigentlich auch mal abbauen und lieber die Stationen als NBS-taugliche Überholbahnhöfe auslegen. :huh:
Wie Entenfang schrieb, damit würden sich schnelle (ICE mit 250 km/h) und langsame Züge (RE mit 160, Güterzüge mit 100 bis 120 km/h) mischen.
Konkretes Beispiel, RB63193 Rathenow 15.02 - 15.25 Stendal: Der Zug würde irgendwo bei Schönhausen, Hämerten vom ICE375 nach Basel eingeholt werden. In einem der beiden Bahnhöfe müsste er also überholt werden, was wiederum die Fahrzeit verlängert. Unterm Strich dürfte sich für den Abschnitt Rathenow-Stendal die Fahrzeit zwischen Diesel-RB65 (?) und einem hypothetischem RE4 dann nicht wesentlich ändern.
Spannend wird's in Gegenrichtung; im Sinne der Taktsymmetrie müsste in der Gegenrichtung ja auch eine Überholung in Schönhausen stattfinden. Allerdings kommt der ICE dann aus Richtung Frankfurt oder sogar aus der Schweiz, schleppt also eine höhere Anfälligkeit für Verspätungen mit sich. Wie damit umgehen, um den Fernverkehr nicht unnötig auszubremsen und gleichzeitig einen pünktlichen Regionalverkehr anbieten?
Lobedan @ 8 Feb 2017, 22:38 hat geschrieben:Die Pläne gibt es bestimmt noch in irgendeinem Schubfach.
Was nicht unbedingt "baureif" heißt; das notwendige Planfeststellungsverfahren geht um einiges tiefer. Von der Finanzierung noch gar nicht gesprochen.
Als politisches Verfahren (Beteiligung der öffentlichen Hand) setzt es auch einen gewissen Handlungsdruck voraus. Momentan scheint der aus der Ferne beurteilt für KW nicht wirklich gegeben, mit dem aktuellen Fahrplan hat ("Nullknoten" mit RE1 und RB19, "30er-Knoten" mit RB24 und OE36) hat man eine einigermaßen ausgeglichene Verteilung erreicht bei akzeptabler Umsteigezeit erreicht. Mehr Druck herrscht im Vergleich dazu beim zweigleisigen Ausbau weiter östlich (Land Brandenburg-PM).
Lobedan @ 8 Feb 2017, 22:38 hat geschrieben:Ich merke hier im Süden jedenfalls definitiv, wie sehr ich kulinarisch verwöhnt wurde in der Lausitz. Aber das fördert die eigene Kochkreativität und spart am Ende vermutlich sogar Geld.
Ist doch etwas ;) Und nicht nur vermutlich, so lange Du nicht ausschließlich High-End-Bio-Ware kaufst, bist Du mit primärem Selberkochen definitiv günstiger dran als mit Fertigfutter. Von den gesundheitichen Vorteilen gar nicht zu reden (OT: "Leschs Kosmos" (ZDF) über die "verborgene Gefahr" Zucker vom letzten Dienstag).
Lobedan @ 8 Feb 2017, 22:38 hat geschrieben:Ich würde spezifischer grüßen, wenn ich wüsste wohin, so bleibt mir aber wohl nur ein Gruß zurück!
Ist angekommen :)

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Entenfang @ 8 Feb 2017, 23:58 hat geschrieben:Nebenbei nochmal einen Dank an Jogi für die übersichtliche und leicht verständliche Darstellung der Fahrplankonstruktion. :)
:)

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Lobedan @ 9 Feb 2017, 13:34 hat geschrieben:Wie viele Fahrgäste haben die anderen RE-Außenäste in Brandenburg?
Kurzer Hinweis, der Großteil der Strecke liegt in Sachsen-Anhalt; die Landesgrenze ist zwischen Großwudicke und Schönhausen.

Gleichzeitig generieren die Zwischenhalte mutmaßlich wenig Potential: Hämerten hat etwas über 800 Einwohner, Schönhausen über 2.000, dafür liegt der Bahnhof recht weit vom Ort entfernt, Großwudicke liegt im Norden der freien Gemeinde Milower Land mit 8.000 Einwohner. Da dürfte die Hauptausrichtung ab Schönhausen eher auf Stendal zulaufen, Großwudicke eher nach Rathenow und Brandenburg.

Das Land Sachsen-Anhalt dürfte dann mit den RegioShuttles weniger Zuschüsse zahlen (günstigere Betriebskosten; höhere Zuverlässigkeit) im Vergleich zu den "hochgezüchteten" RE-Fahrzeugen. Die Anbindung an Berlin stellen DB Fern und Regio Nordost ja netterweise eigenwirtschaftlich her.
Lobedan @ 9 Feb 2017, 13:34 hat geschrieben:Wie viel Zeit verliert der Stendaler durch den Umstieg in Rathenow und fährt deswegen Auto?
Angesichts der notwendigen Überholung eher wenig, die im Anbetracht der längeren RE-Fahrzeit (für Stendal-Berlin Hbf etwa 85 Minuten) kaum ins Gewicht fällt. Bei der langen Strecke dürfte die Zuverlässigkeit deutlich wichtiger sein - und da sind die eigenen Gleise mehr wert ;)

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Danke @JeDi für die Infos zur Gleisanordnung!
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Beitrag von JeDi »

Jogi @ 9 Feb 2017, 15:02 hat geschrieben: ("Nullknoten" mit RE1 und RB19, "30er-Knoten" mit RB24 und OE36)
Kleine Korrektur: Nullknoten RE2 (Cottbus-Wismar) und RB22 (KW-Potsdam); Halbknoten RB24 (Senftenberg-Eberswalde) und RB36 (betrieben durch die NEB: KW-Frankfurt). Nachteil: keine Schnelle Verbindung von den RB-Halten der Görlitzer Bahn und aus Richtung Beeskow-Frankfurt zum Flughafen Schönefeld, obwohl man quasi in Sichtweite dran vorbei fährt.
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Beitrag von Jogi »

JeDi @ 9 Feb 2017, 16:22 hat geschrieben: Kleine Korrektur: Nullknoten RE2 (Cottbus-Wismar) und RB22 (KW-Potsdam); Halbknoten RB24 (Senftenberg-Eberswalde) und RB36 (betrieben durch die NEB: KW-Frankfurt). Nachteil: keine Schnelle Verbindung von den RB-Halten der Görlitzer Bahn und aus Richtung Beeskow-Frankfurt zum Flughafen Schönefeld, obwohl man quasi in Sichtweite dran vorbei fährt.
Danke für die Korrekturen. Man sieht an der 19er ganz gut, wann ich das letzte Mal in der Ecke war... :D

Wegen der Richtungsausrichtung (:huh:) hab ich die beiden Knoten in Anführungsstriche gesetzt, um sie von den prototypischen ITF-Knoten abzugrenzen.
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Beitrag von Lobedan »

JeDi @ 9 Feb 2017, 13:01 hat geschrieben:Deutlich mehr ;-) - und damit meine ich jetzt nicht nur RE1 und RE2.

Der Durchläufer hat aber betriebliche Gründe (und fährt mitten in der Nacht). Die Schnelle Anbindung Stendals an Berlin erledigt die IC-Linie 77 - häufig mit attraktiveren Angeboten als der Regionalverkehr (selbst für heute Nachmittag gibt's noch 19€-Sparpreise).

Diese komfortable Situation haben die anderen RE-Außenäste nicht, u.a. deswegen ist da mehr los ;-)
Ich dachte schon an vergleichbare Endpunkte, also beispielsweise den Abschnitt Falkenberg-Jüterbog oder Elsterwerda- ... ähm ... Wünsdorf? Bei dem Ast bin ich mir nie so sicher, ab wo er wirklich ausgelastet ist, zumal dort mit dem EC-Halt in Elsterwerda ja eine ähnliche Situation bestand (und künftig wohl auch wieder bestehen wird).
Jogi @ 9 Feb 2017, 15:02 hat geschrieben:Wie Entenfang schrieb, damit würden sich schnelle (ICE mit 250 km/h) und langsame Züge (RE mit 160, Güterzüge mit 100 bis 120 km/h) mischen.
Konkretes Beispiel, RB63193 Rathenow 15.02 - 15.25 Stendal: Der Zug würde irgendwo bei Schönhausen, Hämerten vom ICE375 nach Basel eingeholt werden. In einem der beiden Bahnhöfe müsste er also überholt werden, was wiederum die Fahrzeit verlängert. Unterm Strich dürfte sich für den Abschnitt Rathenow-Stendal die Fahrzeit zwischen Diesel-RB65 (?) und einem hypothetischem RE4 dann nicht wesentlich ändern.
Spannend wird's in Gegenrichtung; im Sinne der Taktsymmetrie müsste in der Gegenrichtung ja auch eine Überholung in Schönhausen stattfinden. Allerdings kommt der ICE dann aus Richtung Frankfurt oder sogar aus der Schweiz, schleppt also eine höhere Anfälligkeit für Verspätungen mit sich. Wie damit umgehen, um den Fernverkehr nicht unnötig auszubremsen und gleichzeitig einen pünktlichen Regionalverkehr anbieten?
Fährt der Güterverkehr denn heute auf der nicht elektrifizierten eingleisigen Strecke mit? Sonst würde ja nur der stündliche RE dazu kommen. Klar, mit der Gefahr der Trassenkonflikte. Aber wenn ich mir Wittenberge-Spandau oder Jüterbog-Südkreuz so anschaue, scheut man sonst ja auch nicht davor, die Regios ohne LZB-Ausrüstung auf die schnellen ABS zu schicken, was dem RE 2 ja auch ständig Verspätung beschert hat.
Jogi @ 9 Feb 2017, 15:02 hat geschrieben:Was nicht unbedingt "baureif" heißt; das notwendige Planfeststellungsverfahren geht um einiges tiefer. Von der Finanzierung noch gar nicht gesprochen.
Als politisches Verfahren (Beteiligung der öffentlichen Hand) setzt es auch einen gewissen Handlungsdruck voraus. Momentan scheint der aus der Ferne beurteilt für KW nicht wirklich gegeben, mit dem aktuellen Fahrplan hat ("Nullknoten" mit RE1 und RB19, "30er-Knoten" mit RB24 und OE36) hat man eine einigermaßen ausgeglichene Verteilung erreicht bei akzeptabler Umsteigezeit erreicht. Mehr Druck herrscht im Vergleich dazu beim zweigleisigen Ausbau weiter östlich (Land Brandenburg-PM).
Wenn es danach geht: Wo außer bei der Münchener S-Bahn besteht denn wirklich Handlungsdruck beim Bahnausbau (Achtung, leichte Übertreibung :P)?
Es muss ja irgendwo eine Konzeption geben, wie man sich die Sache im Vollausbau (also mit Görlitzer Bahn bis Grünau und Bahnhof KW) mal vorgestellt hat. Die aktuelle Zuglage in KW bestand vorher ja auch nicht, ich kann mich an Zeiten erinnern, wo die Senftenberger RB direkt nach dem RE 2 kam und den Anschluss zum Flughafen herstellte. Die Verlängerung der RB 22 (Potsdam-Flughafen) in den "Nullknoten" ging erst mit der Einführung der RB 24 (Senftenberg-Eberswalde) zum Ostkreuz einher, vorher fuhr ja die RB 19 Senftenberg-Flughafen und dann anfangs auf die Stadtbahn und später in den Tunnel.
Und wenn man das ganze jetzt weiterspinnt und sagt, künftig stellt der RE 7 Stadtbahn-BER-KW-Lübbenau-Senftenberg/Cottbus (Flügelung) die Flughafenanbindung her und die RB 22 wird zum BER zurückgenommen, dann entfällt im Bahnhof KW schon wieder ein wesentlicher Zwangspunkt und der Ausbau KW-Grünau wird wieder interessanter. Alternativ könnte man den RE 9 (Hbf tief-BER) nach KW und darüber hinaus verlängern, Möglichkeiten gäbe es mehr als genug, um diesen Zwangspunkt zu verschieben.
Jogi @ 9 Feb 2017, 15:02 hat geschrieben:Ist doch etwas ;) Und nicht nur vermutlich, so lange Du nicht ausschließlich High-End-Bio-Ware kaufst, bist Du mit primärem Selberkochen definitiv günstiger dran als mit Fertigfutter. Von den gesundheitichen Vorteilen gar nicht zu reden (OT: "Leschs Kosmos" (ZDF) über die "verborgene Gefahr" Zucker vom letzten Dienstag).
Bei mir entfällt zumindest schon mal der große Risikofaktor Fleisch, wodurch selber kochen in den meisten Fällen eh die bessere Idee ist als Fertigfraß oder Fast Food.
Jogi @ 9 Feb 2017, 15:02 hat geschrieben:Kurzer Hinweis, der Großteil der Strecke liegt in Sachsen-Anhalt; die Landesgrenze ist zwischen Großwudicke und Schönhausen.

Gleichzeitig generieren die Zwischenhalte mutmaßlich wenig Potential: Hämerten hat etwas über 800 Einwohner, Schönhausen über 2.000, dafür liegt der Bahnhof recht weit vom Ort entfernt, Großwudicke liegt im Norden der freien Gemeinde Milower Land mit 8.000 Einwohner. Da dürfte die Hauptausrichtung ab Schönhausen eher auf Stendal zulaufen, Großwudicke eher nach Rathenow und Brandenburg.

Das Land Sachsen-Anhalt dürfte dann mit den RegioShuttles weniger Zuschüsse zahlen (günstigere Betriebskosten; höhere Zuverlässigkeit) im Vergleich zu den "hochgezüchteten" RE-Fahrzeugen. Die Anbindung an Berlin stellen DB Fern und Regio Nordost ja netterweise eigenwirtschaftlich her.

Angesichts der notwendigen Überholung eher wenig, die im Anbetracht der längeren RE-Fahrzeit (für Stendal-Berlin Hbf etwa 85 Minuten) kaum ins Gewicht fällt. Bei der langen Strecke dürfte die Zuverlässigkeit deutlich wichtiger sein - und da sind die eigenen Gleise mehr wert ;)
Mhm schon alles nachvollziehbar. Wenn man keinen VBB-Übergangstarif bis Stendal bekommt, ist es für Pendler vermutlich mit dem IC eh besser, den ich gar nicht so auf dem Schirm hatte. FV-Pendler sind für mich nach wie vor eine ungewöhnliche Gattung, in Cottbus hatte ich einfach nie die Wahl.
JeDi @ 9 Feb 2017, 15:22 hat geschrieben:Kleine Korrektur: Nullknoten RE2 (Cottbus-Wismar) und RB22 (KW-Potsdam); Halbknoten RB24 (Senftenberg-Eberswalde) und RB36 (betrieben durch die NEB: KW-Frankfurt). Nachteil: keine Schnelle Verbindung von den RB-Halten der Görlitzer Bahn und aus Richtung Beeskow-Frankfurt zum Flughafen Schönefeld, obwohl man quasi in Sichtweite dran vorbei fährt.
Wenn der BER dann mal aufmacht und das Netz entsprechend wie seit Jahren geplant umgestellt wird, sollte die RB 24 (bzw. dann RE 7) aber den Schwenk zum Flughafen zurückbekommen. In Cottbus plädiert man ja auch seit Jahren für eine direkte Flughafenanbindung. Die Lokalpresse verkaufte die Stadt kürzlich erst als Schlafstadt für Berlin, wofür sowohl schnelle Stadtbahn- als auch schnelle Flughafenanbindung immer wichtiger werden.
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Vielen Dank für die Eindrücke aus Cottbus!

Ich habe mir Cottbus letzten Herbst zwei Tage lang angesehen und finde, dass es eine der schönsten unter den "kleinen Großstädten" Deutschlands ist. Ich würde es sogar als ein wirkliches Kleinod für Architekturfans bezeichnen, vielleicht kein Kleinod von Weltrang, aber für die, die die "klassischen" Touristenstädte in Deutschland schon durch haben, absolut empfehlenswert. Auch die Atmosphäre in der Stadt ist angenehm, das Angebot an Einkaufsmöglichkeiten und abwechslungsreicher Gastronomie wirklich überdurchschnittlich für eine Stadt dieser Größenordnung.

Eine Stadt ähnlicher Größe in den neuen Bundesländern hat mir übrigens ebenfalls recht gut gefallen, nämlich Zwickau. Insbesondere für Fans von Gründerzeit-Architektur ist hier auch einiges geboten, vor allem im Bereich nördlich des Stadtkerns; die Stadt ist groß genug um interessant zu sein, aber klein genug, um Ruhe und Entspannung zu bieten.

Auch Bautzen, Zittau und vor allem Görlitz sind wirkliche Kleinode, die abseits der üblichen Massentourismus-Routen den meisten leider völlig unbekannt sein dürften. Im hohen Norden kann das auch über Stralsund und Schwerin gesagt werden.

Brandenburg an der Havel hat auch was, kann aber mit den vorgenannten Städten meiner Meinung nach nicht ganz mithalten. In Chemnitz sind die zahlreichen Gründerzeitbauten auf dem Kaßberg empfehlenswert, dem Stadtzentrum (das nach dem 2. Weltkrieg ähnlich wie in Magdeburg aufgrund der allumfassenden Zerstörungen fast komplett abgeräumt wurde bis auf zwei, drei historische Gebäude) konnte ich jedoch nur wenig abgewinnen. In Halle an der Saale ist der Markplatz mit dem Panorama der fünf Türme sehenswert und die Gründerzeithäuser, die hier in mittelalterlich erhaltenen Straßenstrukturen stehen, durch welche sich die Trambahn schlängelt, kann man sich auch mal ein paar Stunden lang ansehen, insgesamt hat die Stadt aber für mich kein besonders einladendes Flair ausgestrahlt - insbesondere der Straßenverkehr ist eine Katastrophe, vermutlich die Stadt dieser Größenordnung mit dem größten Verkehrschaos, das ich je gesehen habe. Viel Spaß als Fußgänger beim Überqueren größerer Kreuzungen oder Straßenzüge ohne Ampel und ohne Zebrastreifen mit niemals abreißendem Verkehr aus fünf Richtungen gleichzeitig.

Gera und Rostock fand ich persönlich nicht sehenswert.

Der östlichere Teil Deutschlands besteht eben nicht nur aus Berlin, Leipzig und Dresden ;) (auch wenn das die drei größten Städte in diesem Bereich sind und auch ich - in genau dieser Reihenfolge - als erstes diese drei Städte besucht habe)
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Beitrag von Lobedan »

In dieser Zusammenstellung fehlen jetzt mindestens noch Jena und Erfurt. Ersteres bietet in meinen Augen auch eine sehr interessante Mischung aus altem Stadtkern und vielen neueren, industriell geprägten Ecken. Und Erfurts Altstadt ist für mich eine Instanz für sich. Überlaufene Hauptwege und dazwischen viele ruhige Gassen, die fast wie ein Geheimtipp aus dem Lonley Planet wirken. Dazu sehr viel tolle Gastronomie in teils mittelalterlichen Ambiente.
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