Europapolitik

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Cloakmaster
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Beitrag von Cloakmaster »

In Norditalien gab es doch auch einige Abspaltungsversuche des reichen Norden von ärmeren Süden. Geht es den Katalanen nur darum, oder was steht hinter der Motivation? Stimmzettel einziehen und Prügeleien können jedenfalls nicht Teil der Lösung sein
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Balduin
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Beitrag von Balduin »

Wie bei den Katalanen ist bei den Norditalienern erst mal eine reine Geldfrage. Um natürlich eine moralische Rechtfertigung zu haben, haben die Speratisten in Katalonien dann aber eine Blut und Boden Ideologie aufgebaut - sagt ja mal einiges aus über die Leute die das erfunden haben und diejenigen, die jetzt bereitwillig hinterherlaufen...

Wo man wirklich eine gewisse ethnische Berechtigung sehen kann ist Südtirol und Siebenbürgen- da ist der jetzige Status ja das Ergebnis von historischen Ungerechtigkeiten und Willkürherrschaft.
Der sprachlich-kulturelle Unterschied zwischen "Katalonien" und "Restspanien" ist hingegen eher kleiner als jetzt der zwischen Schwaben und Friesen (für sich betrachtet) in Deutschland. Übrigens, in Deutschland verbietet das GG auch klar Sezessionismus. Also, würde jetzt als bestes Beispiel ein Seehofer sich so aufführen wie der Putschdämon dürfte die Reaktionen kaum anders ausfallen. Der Witz dabei sind ja mal wieder die deutschen Salonbolschewisten, die gerade Katalonien zu ihrer neuen Wichsvorlage machen (weil da wohl ein linkes Paradies entstehen könnte, ist ja klar aufgrund der besagten faschistoiden Tendenzen der Protagonisten...). Würde eben andersrum gerade in Deutschland mit Bayern so eine Situation sein- genau diejenigen hätten schon längst gefordert dass GSG9/KSK die CSU-Führung eleminiert...
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Balduin
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Beitrag von Balduin »

Und noch ein Nachtrag zum Thema Finanzen: Die von diversen (linken!) Leuten auch hierzulande unterstützte Argumentation ist ja auch, die Katalanen sollen nicht mehr mehr den Rest von Spanien subventionieren müssen. Ein Treppenwitz: Sagt die AfD ja ganz genauso, Deutschland soll aus der EU austretten um nicht mehr für die Südeuropäer zahlen zu müssen...
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Beitrag von Metropolenbahner »

Balduin @ 11 Oct 2017, 11:48 hat geschrieben: Und noch ein Nachtrag zum Thema Finanzen: Die von diversen (linken!) Leuten auch hierzulande unterstützte Argumentation ist ja auch, die Katalanen sollen nicht mehr mehr den Rest von Spanien subventionieren müssen. Ein Treppenwitz: Sagt die AfD ja ganz genauso, Deutschland soll aus der EU austretten um nicht mehr für die Südeuropäer zahlen zu müssen...
Da zuvor Bayern genannt wurde: War es da in Sachen Länderfinanzausgleich nicht genauso?

Am Ende gehts immer nur ums Geld, höchstens Korsika wäre die Ausnahme dieser Regel.

Noch zu nem Austritt Bayerns: Ja das GG sagt aktuell nicht viel dazu, aber man könnte das GG halt auch entsprechend ändern.
Unabänderlich sind nur die Menschenrechte am Anfang.

Was würde wohl Merkel machen, wenn eine fair durchgeführte, demokratische Volksabstimmung in Bayern ergäbe, dass die Mehrheit für Eigenständigkeit wäre?

Das liefe vermutlich aufs Gleiche hinaus wie in Spanien: Man würde versuchen diese Abstimmung zu torpedieren, um hinterher nicht wie ein Diktator dastehen zu müssen.

Nebenbei hier die Sicht eines bayrischen Anwalts zum möglichen Austritt:
https://sie-hoeren-von-meinem-anwalt.de/201...stritt-bayerns/
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Beitrag von NJ Transit »

Metropolenbahner @ 11 Oct 2017, 13:27 hat geschrieben: Unabänderlich sind nur die Menschenrechte am Anfang.
Nicht nur. Art. 79(3) deckt auch Art. 20(4) ab - den könnte das BVG entsprechend kontraseprationistisch interpretieren.
Das Problem der meisten Unabhängigkeitsbestrebungen ist, dass viele seperationistische Bündnisse oder Regionalregierungen das Referendum als Argument verwenden, den Sezessionsprozess einzuleiten.

Sinnvolle Sezessionen laufen ab, indem zunächst beide Seiten - Zentral- und Regionalregierung - sich auf einen Fahrplan für einen Unabhängigkeitsprozess, realistischerweise über einen Zeitraum von 3-5 Jahren, einigen. In Europa müsste dabei auch die EU am Tisch sitzen. Ausschlaggeber dafür kann gerne ein Referendum in der betroffenen Region (nicht landesweit) sein. Am Ende steht ein Deal, über den nochmal abgestimmt wird. Solche Prozesse können sich allerdings ganz schön lang ziehen, über die Jurafrage wurde einen guten Teil des 20. Jahrhunderts lang verhandelt.

Die Probleme daran: erstens eignet sich so ein Prozess schlecht für Populismus. Es gibt keine lauten kämpferischen Unabhängigkeitserklärungen, der gern glorifizierte Kampf für die Unabhängigkeit findet in Konferenzsälen statt und nicht auf der Straße. Ebenso benötigt es den Druck internationaler Organisationen oder eine sehr kompromissbereite Zentralregierung, um diese Verhandlungen auf Augenhöhe führen zu können - und um zu sichern, dass das endgültige Referendum als Wahl zwischen zwei gleichberechtigten Optionen, in einem klassichen demokratischen Wettstreit der Ideen, stattfindet. Die endgültige Abstimmung findet natürlich auch nur im Sezessionsgebiet statt, alles andere widerspräche dem Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Erfolgreiche, ruhige Sezessionen sind leider selten. Die Beispiele Montenegro und Mazedonien zeigen aber, dass eine einvernehmliche Lösung besser für alle Beteiligten ist. Der Sonderfall hier war jedoch, dass die jugoslawische Verfassung - als eine der ganz ganz wenigen - ein explizites Recht auf Sezession vorgesehen hat. Viele Verfassungen sind nicht wirklich deutlich, was die Modalitäten oder das Recht anbelangt. Hier sind vor allem politische Lösungen gefragt. Da kann es zu Situationen kommen wie aktuell mit dem Vertrag von Lissabon: ein Zurückziehen der Benachrichtigung zum Verlassen der EU ist weder in Art. 50 noch sonstwo explizit vorgesehen; dass allerdings irgendwer - inklusive dem ECJ - was dagegen vorbringen würde, ist äußerst unwahrscheinlich.
In Spanien ist die Situation anders gelagert, eine Sezession ist nicht mit der Verfassung vereinbar. Die einzige Chance, den Prozess sauber durchzuführen, ist also über das Völkerrecht. Art. 1(2) der UN-Charta sieht explizit das Selbstverwaltungsrecht der Völker vor. Noch expliziter ist das Prinzip in ICCPR und ICESCR festgelegt. In all diesen Verträgen ist Spanien ratifizierte Vertragspartei. Internationales Recht bricht zwar keine Verfassungen - immerhin ist es eine reine Selbstverpflichtung - aber wie viel Legitimität würde man einer Verfassung zumessen, die andere essentielle Elemente internationaler Menschenrechte explizit bricht?

Bleibt noch die Frage nach dem “Volk”. Das ganze ist nicht definiert und wird es wohl auch nie werden. Als einzige Möglichkeit, zu klären, ob Katalanen ein Volk sind oder eine Volksgruppe, bleibt die politische Verhandlung. Fest steht: solche Begriffe sind überaus relevant, das Streichen des Begriffes “Volk” durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Unabhängigkeitsstatut Kataloniens befeuerte den Unmut und brachte der Sezessionsbewegung neuen Schwung. Die Streichung der Serben als konstituierendes Volk aus der kroatischen Verfassung unter Franjo Tudjman und der HDZ-Regierung im Jahre 1990 führte zusammen mit Propaganda aus Belgrad zum Aufstieg von Milan Babic, zur Baumstammrevolution und folglich zim Kroatienkrieg.

In den wenigsten Fällen sind die Parteien tatsächlich zu einer autochthonen Lösung fähig. Daher bedarf es in vielen Fällen zwischenstaatlicher Akteure zur Findung eines praktikablen Verhandlungsprozesses, welche aber wiederum von beiden Seiten akzeptiert sein müssen. Es gibt viele Foren für solche Gespräche, wie beispielsweise die OSZE - die EU ist allerdings keines davon - die EU ist eher eine weitere, möglicherweise beobachtende, möglciherweise mit den Separatisten in späterem Stadium direkt verhandelnde Partei.

Im akuten Fall hätte man wohl viel durch eine echte föderalistische Verfassung vor ca. 10 Jahren lösen können. Ob es dafür jetzt zu spät ist, hängt von der Verhandlungsführung, der Kompromissbereitsschaft von PP und JxSí, von Rajoy und Puigdemont, und der Akzeptanz so einer Lösung in der Bevölkerung ab. Devolution ist jedenfalls selren ein langfristig erfolgreicher Lösungsweg für autonome Selbstbestimmung, dazu braucht es tendenziell tatsächlich eine föderale Verfassung. Im dümmsten Fall kann sowas nämlich auch im Kernland kippen (so geschenen in Jugoslawien, als Voivodina und das Kosovo letztlich mehr Macht innerhalb der Republik Serbien hatten als Zentralserbien).
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Beitrag von Metropolenbahner »

NJ Transit @ 11 Oct 2017, 14:36 hat geschrieben: Nicht nur. Art. 79(3) deckt auch Art. 20(4) ab - den könnte das BVG entsprechend kontraseprationistisch interpretieren.
Das Problem der meisten Unabhängigkeitsbestrebungen ist, dass viele seperationistische Bündnisse oder Regionalregierungen das Referendum als Argument verwenden, den Sezessionsprozess einzuleiten.
Puhh, schwierige Frage. Wenn ich das wortwörtlich auslegen würde, wäre es allerdings kein Problem. In den Artikeln geht es nur um die Rechtssprechung und die Bund <> Länder-Gliederung, kurz also um die föderale Struktur.
Verboten wäre damit z.B. ein Zentralstaat. Wenn aber ein Bundesland austreten möchte, dann würde dies nichts an der Organisationsform des Bundes ändern. Damit sollten die Artikel kein Problem darstellen.

Aber: Ein Bundesrichter mag das anders sehen ;)

Ansonsten geb ich Dir bei Deinen Ausführungen recht, das muss geordnet für beide Seiten ablaufen. Schön wars z.B. bei Tschechien <> Slowakei, da ging das ganz gesittet zu.

Aber wenn eine Partei dagegen ist, gibts Streit, schlimmstenfalls Bürgerkrieg. Sowas geht schnell, siehe Ex-Yugoslawien.

Abseits der ganzen Spezialfälle und Detailfragen finde ich es aber schon etwas schlecht, wieso es keine anderen Möglichkeiten gibt. Durch die EU hat man sowieso einen supranationalen Überbau, also wieso keine einfacheren Sezessionen innerhalb der EU? Ob die Grenzen zw. Katalonien und Spanien nun offen sind, weil beide zu Spanien gehören, oder zur EU ist doch egal. Genauso ob ein eigenständiges Katalonien Geld an die EU und die EU dann wieder an bedürftige Regionen in Spanien transferiert oder wie jetzt direkt.

Aber gut: Da kommt dann halt das andere Problem zum Tragen: Die EU ist zwar ein guter Überbau, aber eben kein vollwertiges Dach. Es gibt einiges, aber vieles fehlt auch noch, Stichworte wären da z.B. gemeinsame Finanz-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Von daher ist das alles im Moment halt so, wie es ist. Mit allen Vor- und Nachteilen.
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Beitrag von Trapeztafelfanatiker »

146225 @ 11 Oct 2017, 05:57 hat geschrieben: Das ist genau der Punkt, der mich stört, dass nicht miteinander geredet wird. Auch ein Staat ist nix fest gefügtes für die Ewigkeit, und von Motiven und Zielen und auch von den Handelnden mal losgelöst, wäre es in diesem Fall schon lange besser gewesen, man hätte viel und vernünftig miteinander geredet - das hätte natürlich die Bereitschaft vorrausgesetzt, dass man in Barcelona willens ist, die Argumente für die Einheit Spaniens zu hören, es hätte aber auch von Madrid verlangt, nicht nur stur zu sagen "eh alles verfassungswidrig" und mal eben die Polizei mit dem Knüppel vorbei zu schicken. Das sind keine Lösungen, das schürt nur Spannungen.
Mich stört das nicht, denn es gibt keinen Grund mit kriminellen Verfassungsbrechern zu sprechen. Mit den anstehenden Neuwahlen werden eh wieder die gemäßigten Kräfte gestärkt.
Wieso hier ein Dialog? Würdest du in Deutschland einen Dialog mit einer AfD-MLPD-Landesregierung (sagen wir Saarland), die sich abspalten will, führen wollen?
Die Regionalregierung ist eine Ansammlung von Rechtsnationalen und Linksextremisten. Was will man mit solchen Leuten verhandeln?

Jaja die Knüppel, das hat gut für den Opfermythos gepasst. Sogar die katalanische Regierung hat ja zugegeben, dass ganze 5 oder 6 Leute im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Gewalt ist nie in Ordnung, jedoch war sie resultierend daraus dass die Polizei bei der Räumung von den Demonstranten eingekesselt wurde.
Bei jeder Castor- oder Atomkraftdemo in Deutschland geht es ähnlich zu.
Trotzdem war das Vorgehen natürlich dämlich. Man hätte doch einfach wählen lassen sollen, da das eh nicht anerkannt wird.

Natürlich geht es nur um nationalistischen Egoismus. Katalonien geht es gut, aber sie haben ihren Wohlstand Spanien zu verdanken, denn der größte Teil des Handels findet mit dem restlichen Spanien statt (und bei einer Abtrennung gibt es einen Boykott). Katalonien hat die höchste Verschuldung in ganz Spanien, aber die Schulden würden sie nicht übernehmen wollen, nur die Vorteile.
Es ist sogar so dass in den Schulen spanisch diskriminiert wird und die Kinder von klein auf mit alten Geschichten die hunderte Jahre alt sind und nicht mehr in die heutige Zeit passen, indokriniert werden.

Neuwahlen sind das einzig richtige und jetzt wo die Leute wissen dass sie niemals in die EU kommen würden, ihnen die Firmen alle abhauen und sie dann verarmen, werden die Seperatisten auch nicht mehr so viele Stimmen kriegen.
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Beitrag von 146225 »

Trapeztafelfanatiker @ 11 Oct 2017, 21:32 hat geschrieben: Mich stört das nicht, denn es gibt keinen Grund mit kriminellen Verfassungsbrechern zu sprechen
Dieser Satz stört mich erheblich - wenn ich jeden, der andere Meinung ist als andere oder gar als vermeintliche Mehrheiten, so abqualifiziere und keinen Grund sehe, über das Konfliktthema zu reden, dann wird es nie einen Fortschritt, auch nicht zum besseren, geben.
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Balduin
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Beitrag von Balduin »

146225 @ 12 Oct 2017, 06:04 hat geschrieben: Dieser Satz stört mich erheblich - wenn ich jeden, der andere Meinung ist als andere oder gar als vermeintliche Mehrheiten, so abqualifiziere und keinen Grund sehe, über das Konfliktthema zu reden, dann wird es nie einen Fortschritt, auch nicht zum besseren, geben.
Öhm, wie war das anderswo beim Thema AfD...
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Beitrag von Trapeztafelfanatiker »

146225 @ 12 Oct 2017, 06:04 hat geschrieben: Dieser Satz stört mich erheblich - wenn ich jeden, der andere Meinung ist als andere oder gar als vermeintliche Mehrheiten, so abqualifiziere und keinen Grund sehe, über das Konfliktthema zu reden, dann wird es nie einen Fortschritt, auch nicht zum besseren, geben.
Dir ist schon klar dass das eine Regionalregierung aus AfD und MLPD nach deutschen Maßstäben ist?

Dich möchte ich sehen wenn es so etwas in Baden-Württemberg gäbe und man sich abspalten will und zufällig genau so um die 30-40% Befürworter hat, die wahltechnisch durch Massenmobilisierung die Mehrheit der Stimmen erreichen könnte.

Ich verstehe daher nicht wieso man mit zweierlei Maß misst, denn Seperatisten sind immer nationalistisch und egoistisch.

Die spanische Verfassung (die ja gerne von Seperatistenfanatikern als Post-Frankistisch bezeichnet wird) ist fast eine Kopie des deutschen Grundgesetzes!
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Beitrag von 146225 »

Ja dann. Dann gibt es ja nix mehr zu reden, Madrid soll Katalonien dann bitte mit aller Härte niederhalten - das wird mit Sicherheit alle Probleme sofort lösen.

Ach, und das Beispiel mit der MLPD-AfD-Regierung hinkt insoweit, dass deutsche Kommunisten nicht mit den Nachfahren der Nazis zusammenarbeiten würden. Das ginge denen dann doch ein bisschen zu sehr gegen das Selbstverständnis. Natürlich sind beides Unrechtssysteme, keine Frage - aber keine kompatiblen.
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Beitrag von NJ Transit »

Metropolenbahner @ 11 Oct 2017, 16:04 hat geschrieben:Puhh, schwierige Frage. Wenn ich das wortwörtlich auslegen würde, wäre es allerdings kein Problem. In den Artikeln geht es nur um die Rechtssprechung und die Bund <> Länder-Gliederung, kurz also um die föderale Struktur.
Dieser Artikel gehört eigentlich in einen anderen Kontext. Art. 20(4) kam parallel zur Notstandsverfassung '68, vorrangig mal ein Versuch, APO und andere zu besänftigen, und um einen Artikel zu haben, auf den man zeigen kann, wenn man die Änderungen im Grundgesetz mit Art. 48 WRV vergleicht. Er bezieht sich daher explizit auf das gesamte Grundgesetz, nicht nur auf die sonst in Art. 20 behandelte Gliederung des Bundes in Länder.
Metropolenbahner @ 11 Oct 2017, 16:04 hat geschrieben:Schön wars z.B. bei Tschechien <> Slowakei, da ging das ganz gesittet zu.
Das ist ein Paradebeispiel, ja - auch wenn das nun eher die Scheidung einer Zweckehe als die Sezession eines Landesteil war.
Metropolenbahner @ 11 Oct 2017, 16:04 hat geschrieben:Durch die EU hat man sowieso einen supranationalen Überbau, also wieso keine einfacheren Sezessionen innerhalb der EU?
Die EU hat leider nur supranationale Elemente, ist es aber nicht wirklich. Die Marschrichtung gibt immer noch vor allem mal der Europäische Rat vor, und der besteht nunmal aus Regierungschefs und Staatsoberhäuptern. Gleichzeitig muss bei einer Sezession aus einem Mitgliedsstaat auch das Verhältnis Sezessionsgebiet - EU neu geregelt werden, daher, wie gesagt, gehört die EU als weitere Partei an den Verhandlungstisch und nicht in die Vermittlerrolle.
Metropolenbahner @ 11 Oct 2017, 16:04 hat geschrieben:Ob die Grenzen zw. Katalonien und Spanien nun offen sind, weil beide zu Spanien gehören, oder zur EU ist doch egal.
Leider ist die EU nicht so weit. Hätten wir eine souveräne EU und eine weiter verringerte Bedeutung der Nationalstaaten wäre das wohl relativ problemlos möglich.
Metropolenbahner @ 11 Oct 2017, 16:04 hat geschrieben:Genauso ob ein eigenständiges Katalonien Geld an die EU und die EU dann wieder an bedürftige Regionen in Spanien transferiert oder wie jetzt direkt.
Zumal ja auch Katalonien bereits jetzt "direkt" Geld von der EU bekommt. Die Verwaltung von Struktur- und Kohäsionsfonds obliegt der Generalitat.
Metropolenbahner @ 11 Oct 2017, 16:04 hat geschrieben:Aber gut: Da kommt dann halt das andere Problem zum Tragen: Die EU ist zwar ein guter Überbau, aber eben kein vollwertiges Dach. Es gibt einiges, aber vieles fehlt auch noch, Stichworte wären da z.B. gemeinsame Finanz-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
So lange Deutschland immer noch grundlos einfach mal Schengen für weitere sechs Monate außer Kraft setzen kann, oder Polen und Ungarn sich bei ihren Vertragsverletzungsverfahren gegenseitig aus der Scheiße ziehen können, ist deutlich, wie zahnlos die EU trotz des im Grunde starken ECJ ihren Mitgliedsstaaten gegenüber eigentlich ist.

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Trapeztafelfanatiker @ 11 Oct 2017, 22:32 hat geschrieben:Mich stört das nicht, denn es gibt keinen Grund mit kriminellen Verfassungsbrechern zu sprechen.
Doch, die Findung einer einvernehmlichen Lösung, die auch für die zwar nicht in der Mehrheit befindlichen, aber doch einen großen Teil der Bevölkerung ausmachenden Sezessionsbefürworter tragbar ist und den Konflikt langfristig für die nächsten Generationen löst.
Trapeztafelfanatiker @ 11 Oct 2017, 22:32 hat geschrieben:Mit den anstehenden Neuwahlen werden eh wieder die gemäßigten Kräfte gestärkt.
Ein Vorteil im künftigen Dialog für deine Position, falls das denn so kommt. Man kann sich seinen Verhandlungspartner aber nicht aussuchen. Aktuell ist Carles Puigdemont der legitime Regierungschef von Katalonien und seine Partei die demokratisch legitimierte Regierungspartei. Du sprichst einem gewählten Politiker die Legitimität rein aufgrund dessen ab, dass dir seine Position nicht gefällt - so funktioniert Demokratie aber nicht.
Trapeztafelfanatiker @ 11 Oct 2017, 22:32 hat geschrieben:Wieso hier ein Dialog? Würdest du in Deutschland einen Dialog mit einer AfD-MLPD-Landesregierung (sagen wir Saarland), die sich abspalten will, führen wollen?
Ja. Schon allein, weil die Ereignisse in Spanien und vielen anderen Teilen der Welt zeigen, dass nur Dialog und aktives Peace Management zu einer dauerhaften Beilegung seperationistischer Konflikte beitragen können. Welche Parteien dafür an der Macht sind ist prinzipiell mal unerheblich, solange sie demokratisch gewählt wurden.
Trapeztafelfanatiker @ 11 Oct 2017, 22:32 hat geschrieben:Die Regionalregierung ist eine Ansammlung von Rechtsnationalen und Linksextremisten. Was will man mit solchen Leuten verhandeln?
Die Regionalregierung ist eine Ansammlung von Volksvertretern, die die Gesinnung haben dürfen, die ihnen und ihren Wählern gefällt, nicht die, die dir gefällt.
Trapeztafelfanatiker @ 11 Oct 2017, 22:32 hat geschrieben:Die Regionalregierung ist eine Ansammlung von Rechtsnationalen und Linksextremisten. Was will man mit solchen Leuten verhandeln?
Die Regionalregierung ist eine Ansammlung von Volksvertretern, die die Gesinnung haben dürfen, die ihnen und ihren Wählern gefällt, nicht die, die dir gefällt.

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Trapeztafelfanatiker @ 12 Oct 2017, 17:18 hat geschrieben:Dir ist schon klar dass das eine Regionalregierung aus AfD und MLPD nach deutschen Maßstäben ist?
Schauen wir uns mal die Regierung an. Junts pel Si ist ein sehr buntes Konglomerat aus linken und rechten Parteien, darunter Sozialdemokraten, Christdemokraten, Linksliberalen und Konservativen, die vorrangig der Wille zur Unabhängigkeit eint. Was soll das jetzt sein in deiner Gleichung? Die AfD? Die MLPD?
Toleriert wird JxSi (es ist keine Koalition, die Regierung wird ausschließlich von JxSi gestellt - hier geht es nur um Stimmen im Parlament) von der CUP. Die CUP ist links, ja, setzt sich aber unter anderem für Basisdemokratie ein - mit der MLPD, die den Stalinismus entdämonifizieren will, ist das irgendwie auch nicht so wirklich vergleichbar. Es bleibt auch die Frage nach der Relevanz des Spektrums links-rechts in der katalanischen Politischen Landschaft verglichen mit dem Spektrum Unabhängigkeit Ja/Nein - ein Phänomen, das in vielen separatistischen Gebieten beobachtet werden kann, sei es Flandern, Nordirland oder Schottland, und das gleichzeitig Vergleiche mit "normalen" Regionen nahezu unmöglich macht.
Trapeztafelfanatiker @ 12 Oct 2017, 17:18 hat geschrieben:Ich verstehe daher nicht wieso man mit zweierlei Maß misst, denn Seperatisten sind immer nationalistisch und egoistisch.
Ein Gewisses Maß des Egoismus sprechen die Grundprinzipien des Völkerrechts aber jedem Volk zu, Stichwort Selbstbestimmungsrecht. Kein Volk kann gezwungen werden, sich von einem Vielvölkerstaat unterdrücken zu lassen. Das ist primär kein Egoismus, sondern vor allem mal eine menschenrechtlich geschützte Freiheit. Natürlich gibt es da starke Abstufungen, aber die nimmst du auch nicht vor in deiner Schwarz-Weiß-Argumentation.
Trapeztafelfanatiker @ 12 Oct 2017, 17:18 hat geschrieben:Die spanische Verfassung (die ja gerne von Seperatistenfanatikern als Post-Frankistisch bezeichnet wird) ist fast eine Kopie des deutschen Grundgesetzes!
So, und hier platzt mir jetzt dann echt die Hutschnur. Das ist absoluter Unsinn. Nein, nein, und nochmal nein.
Erstens mal: post-frakistisch. Was bedeutet das? Das bedeutet nach Franco. Wann kam die Verfassung? Nach Franco. Was hat das mit Seperatisten oder nicht Seperatisten zu tun? Nichts. Im Gegenteil, an Stelle eines Seperatisten würde ich ja eher versuchen, der Verfassung noch einen möglichst nach Franco klingenden Beigeschmack zu verpassen, war es doch Franco, der vor allem mal durch absolute Unterdrückung aller Minderheiten glänzte.
Der eigentlich unhaltbarere Teil ist das mit der Kopie des deutschen Grundgesetzes, und dazu muss man nicht vergleichende Politikwissenschaften studiert haben, um den Unterschied zu finden.
Die Bundesrepublik ist ein föderaler Staat, gegliedert in Bund und Länder. Jedes dieser Länder hat seine eigene, sich selbst gegebene Verfassung, jedes dieser Länder hat eine Souveränität, die sich einzig aus dem Grundgesetz ableitet. Die Länder besitzen eine bundespolitsche Mitsprache durch eine zweite Kammer, den Bundesrat. Die Beziehung von Bund und Ländern ist ein so zentraler Bestandteil des Grundgesetzes, dass Bund-Länder-Beziehungen einen ziemlich erheblichen Teil davon ausmachen.

In der Konsequenz heißt das: Berlin kann keinem Land seine Souveränität absprechen. Auch nicht per Verfassungsänderung, denn diese Rechte stehen in Art. 20 und unterliegen damit Art. 79(3) GG. Madrid kann hingegen Katalonien problemlos Parlament und Regierung einfach streichen.

Spanien ist ein Zentralstaat. Die Spanische Verfassung kennt keine Gliederung in Teilstaaten. Autonomierechte oder gar das Recht auf ein Regionalparlament sind einzig und allein durch die Zentralregierung in Madrid per Gesetz gewährte Rechte, die daher ohne Probleme jederzeit geändert werden können - oder aufgehoben werden können. Man spricht hier von Devolution statt von Föderation, ein anderes Beispiel dafür ist das UK. Es gibt in der Verfassung keine Passage, die Katalonien auch nur ein My an Selbstverwaltung zugesteht oder sichert. Siehe dazu auch mein letzter Beitrag, Stichwort Devolution.

Die Spanische Verfassung als Kopie des Grundgesetzes zu bezeichnen ist so, wie wenn man das Gekrakel eines Vierjährigen neben einen Franz Marc hält und meint "exakte Kopie".
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Beitrag von 146225 »

@NJ: Danke.
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Beitrag von Boris Merath »

Man muss bei separatistischen Tendenzen durchaus auch die Geschichte ansehen. Ist das Volk, das sich abspalten will, freiwillig oder erzwungenermaßen zum übergeordneten Staat gekommen? Wurde das Volk in der Vergangenheit unterdrückt? Kann sich das Volk mit dem übergeordneten Staat identifizieren? Hat das Volk eine eigene Identität?

Sieht man sich Katalonien an stellt man fest dass Katalonien zum einen eine starke eigene Identität besitzt (Sprache etc.), zum anderen immer wieder gegen den eigenen Willen in andere Staaten eingegliedert wurde (mal Spanien, mal Frankreich). Gleichzeitig neigt die spanische Regierung offenbar auch dazu, den Katalaniern durchaus mal willkürlich Rechte wieder abzunehmen etc.

Das ist eine völlig andere Situation als mit der AfD in Deutschland, und ich glaube auch nicht dass die Hauptmotivation für die Abspaltungswünsche nur das Geld ist.

Mal ehrliche Frage an alle - was würdet ihr davon halten wenn Bayern Teil von Italien wäre, und die Zentralregierung in Rom mit der italienischen Mehrheit den Bayern anschaffen könnte was sie will?

Und war nicht der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik genau genommen auch eine separatistische Bewegung, immerhin hat die DDR sich von der Sowjetunion separiert, zu der sie gehört hat? Natürlich war die Situation mit der DDR auch noch mal eine andere als mit Katalonien, dennoch kann man nicht pauschal alle Separatisten in einen Topf werfen.

Wenn es im eigenen Land separatistische Bewegungen gibt sollte man sich jedenfalls ansehen was schiefläuft, und mit den Separatisten reden und versuchen zu ergründen, unter welchen Voraussetzungen eine weitere Zusammenarbeit möglich ist. Das, was Spanien momentan macht, führt jedenfalls nur zur weiteren Radikalisierung.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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Beitrag von Catracho »

um anderen immer wieder gegen den eigenen Willen in andere Staaten eingegliedert wurde (mal Spanien, mal Frankreich).
Katalonien wurde nie in Spanien eingegliedert und gegen "seinen" Willen erst Recht nicht. Vielmehr ist es ein "Gründungsmitglied" dieses Staates. Das Königreich Spanien ist das Produkt der Vereinigung des Königreichs Kastilien mit der Krone Aragón im Jahr 1516. Das Fürstentum Katalonien wiederum war ein Teil (von sehr vielen) eben dieser sehr föderalistisch organisierten Krone und war nichts anderes als eine Zusammenfassung (auf dem Papier) mehrerer kleinerer Grafschaften unter der ursprünglichen Herrschaft des Grafen von Barcelona. Im Übrigen: der jahrhundertealte Konflikt mit dem (spätestens ab 1707/1714) dominierenden alten kastilischen Landesteil wurde erst im 20. Jahrhundert langsam aber stetig zu "Katalonien vs Spanien" vereinfacht bzw. hat sich dahingehend gewandelt.
immerhin hat die DDR sich von der Sowjetunion separiert, zu der sie gehört hat?
Wie meinen?

Mfg
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Beitrag von Trapeztafelfanatiker »

146225 @ 12 Oct 2017, 18:22 hat geschrieben: Ja dann. Dann gibt es ja nix mehr zu reden, Madrid soll Katalonien dann bitte mit aller Härte niederhalten - das wird mit Sicherheit alle Probleme sofort lösen.

Ach, und das Beispiel mit der MLPD-AfD-Regierung hinkt insoweit, dass deutsche Kommunisten nicht mit den Nachfahren der Nazis zusammenarbeiten würden. Das ginge denen dann doch ein bisschen zu sehr gegen das Selbstverständnis. Natürlich sind beides Unrechtssysteme, keine Frage - aber keine kompatiblen.
Wird es nicht, jedoch hat Madrid doch sogar Verhandlungen über eine Verfassungsänderung und etwas mehr Autonomie angeboten, wenn man auf die Unabhängigkeitserklärung verzichtet. Man hat die Hand gereicht, so weit dies im Rahmen der Verfassung möglich ist und mehr als man erwartet hätte.
Wenn das nicht fruchtet gibt es Neuwahlen und ich wette dass die Seperatisten dann keine Mehrheit bekommen. Die Leute wissen jetzt was ihnen blüht und fallen nicht mehr so leicht rein. Bei einer Neuwahl hätte man gleichzeitig das Referendum, denn es wäre eine Wahl für oder gegen die Unabhängigkeit.

Warum arbeiten katalanische Kommunisten mit Rechtsnationalen zusammen? Im Grunde sind Linksfaschisten nicht besser als Rechtsfaschisten. Beide wollen allen ihr Modell aufzwingen und keine anderen Haltungen dulden. Beide haben Millionen von toten Menschen zu verantworten. Ob man jetzt politischer Enkel von Massenmördern wie Nazis oder von Stalin oder Mao ist spielt da doch keine Rolle mehr.
Beides sind Unrechtssysteme, jedoch haben die mehr Gemeinsamkeiten als man denkt, bei allen Widersprüchen.
Freiheit, Demokratie und freie Wahl wie man sein Leben gestalten will, sind ein hohes Gut.
NJ Transit hat geschrieben: Ein Gewisses Maß des Egoismus sprechen die Grundprinzipien des Völkerrechts aber jedem Volk zu, Stichwort Selbstbestimmungsrecht. Kein Volk kann gezwungen werden, sich von einem Vielvölkerstaat unterdrücken zu lassen. Das ist primär kein Egoismus, sondern vor allem mal eine menschenrechtlich geschützte Freiheit. Natürlich gibt es da starke Abstufungen, aber die nimmst du auch nicht vor in deiner Schwarz-Weiß-Argumentation.
Die Völkerrechtler der UN haben ja bereits klar gemacht dass das hier nicht greift.
Katalonien wird nicht unterdrückt und hat weitreichende Autonomierechte. Es profitiert ja vor allem vom Handel mit Restspanien.
Unterdrückt wird in Katalonien eher die spanische Sprache, gerade an Schulen und Universitäten.
Was hat Katalonien also in einem spanischen Verbund nicht? Einzig um das Geld geht es das überwiesen werden muss (so wie Bayern über den Länderfinanzausgleich meckert). Darüber kann man sicher reden und verhandeln. Jedoch gehört zu einem Staat auch Solidarität und arme Regionen brauchen eben Unterstützung.
Mal ehrliche Frage an alle - was würdet ihr davon halten wenn Bayern Teil von Italien wäre, und die Zentralregierung in Rom mit der italienischen Mehrheit den Bayern anschaffen könnte was sie will?
Nehmen wir doch naheliegend Südtirol. Da kommt doch heute auch kaum noch jemand auf die Idee sich zu separieren, außer einer rechtsnationalen Partei dort.
Die Leute haben eine Autonomie und es geht ihnen gut, das hätten sie unter dem Dach von Österreich nie.
Warum muss man Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen? Viele Katalanen haben ihre Wurzeln eben nicht in Katalonien, aber sollten sie deswegen nicht mitbestimmen dürfen? Auch muss man die vielen Unabhängigkeitsgegner schützen, die Repressionen von Unabhängigkeitsfanatikern ausgesetzt sind und deswegen nicht offen damit umgehen.
Wenn man etwas ändern will, dann eben auf demokratische Weise und nicht gegen die Verfassung.

und NJ, gut, die Verfassung ist nicht 1:1 das Grundgesetz, der Artikel 155 jedoch weitestgehend schon. Das heißt die Bundesrepublik könnte in gleicher Weise reagieren wenn sich ein Bundesland einseitig abspalten wollen würde. Das Bundesverfassungsgericht hat z. B. auch eine Klage abgelehnt, wonach Bayern das Recht auf eine Unabhängigkeit hätte.
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Iarn
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Beitrag von Iarn »

146225 @ 12 Oct 2017, 18:22 hat geschrieben: Ach, und das Beispiel mit der MLPD-AfD-Regierung hinkt insoweit, dass deutsche Kommunisten nicht mit den Nachfahren der Nazis zusammenarbeiten würden. Das ginge denen dann doch ein bisschen zu sehr gegen das Selbstverständnis. Natürlich sind beides Unrechtssysteme, keine Frage - aber keine kompatiblen.
Sarah Wagenknecht unterscheidet sich mehr durch die Frisur von Frau Petra als durch Aussagen zur Zuwanderung.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Iarn @ 12 Oct 2017, 23:26 hat geschrieben: Sarah Wagenknecht unterscheidet sich mehr durch die Frisur von Frau Petra als durch Aussagen zur Zuwanderung.
Hat für ihre Aussagen zu dem Thema aber parteiintern auch massiv Kritik geerntet.

Die Linke schreibt dazu im Wahlprogramm:
Im Gegensatz zu allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien haben wir jede Einschränkung des Asylrechts abgelehnt. Wir wollen das Grundrecht auf Asyl wiederherstellen. Menschenrechte kennen keine Obergrenze (vgl. in Kapitel XVII »Asylrecht verteidigen«).

Auch Menschen, die nicht wegen politischer Verfolgung oder vor Krieg geflüchtet sind, sondern aus anderen Motiven einwandern, wollen wir die Möglichkeit geben, in der Bundesrepublik Deutschland zu leben. Das geltende restriktive Aufenthaltsgesetz wollen wir abschaffen.

Wir stellen uns klar gegen jede Diskriminierung von Geflüchteten und Eingewanderten. Eine funktionierende Demokratie braucht gleiche politische und soziale
Rechte für alle, die hier leben (vgl.in Kapitel XVII »Gleiche Rechte für Migranten«)

Wir wollen endlich die Ursachen der Fluchtbewegungen bekämpfen, indem wir Waffenexporte verbieten, friedliche Konfliktlösung unterstützen und eine gerechtere Weltwirtschaft schaffen (vgl. Kapitel XV »Nein zum Krieg«)

Wir fordern eine Initiative zur Legalisierung von Menschen , die ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben. Diese sollen eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten, um ein geregeltes Leben in Würde führen zu können. Wir wollen echte Integrationsangebote ausbauen und Bürokratie abbauen:
Jaja, voll und ganz auf einer Linie mit der AfD.
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Beitrag von Trapeztafelfanatiker »

Boris Merath @ 13 Oct 2017, 00:28 hat geschrieben: Hat für ihre Aussagen zu dem Thema aber parteiintern auch massiv Kritik geerntet.
Das mag sein, aber viele Linke-Wähler denken genauso wie Sarah Wagenknecht gesprochen hat. Das ist ein Kreis der sich schließt und beide Seiten wollen Menschen bevormunden.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Trapeztafelfanatiker @ 13 Oct 2017, 00:41 hat geschrieben: Das mag sein, aber viele Linke-Wähler denken genauso wie Sarah Wagenknecht gesprochen hat.
Dann sollten sie mal ins Wahlprogramm schauen (hab ich oben noch eingestellt).
und beide Seiten wollen Menschen bevormunden.
Welche Partei macht das nicht? Die Unterschiede liegen darin, auf welche Art die Menschen bevormundet werden.
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Beitrag von Iarn »

Trapeztafelfanatiker @ 13 Oct 2017, 00:41 hat geschrieben: Das mag sein, aber viele Linke-Wähler denken genauso wie Sarah Wagenknecht gesprochen hat. Das ist ein Kreis der sich schließt und beide Seiten wollen Menschen bevormunden.
Boris Merath @ 13 Oct 2017, 00:44 hat geschrieben:Dann sollten sie mal ins Wahlprogramm schauen (hab ich oben noch eingestellt).
Ich wage mal zu behaupten, es lesen generell wenige Leute Wahlprogramme und eher nicht der Protestwähler, der sein Kreuz bei AfD und Linke macht.
Bei der AfD ist zum Beispiel das wirtschaftsprogramm sehr hart liberal, dass die FDP schon fast sozialistisch erscheint. Aber Parteiprogramme sind halt Schall und Rauch, wenn man gemeinsam am Marktplatz "Wir sind das Volk!" gröhlen darf.
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Beitrag von Balduin »

Boris Merath @ 13 Oct 2017, 00:28 hat geschrieben: Hat für ihre Aussagen zu dem Thema aber parteiintern auch massiv Kritik geerntet.
Und inwieweit sind das gerade bei Linkenmitglieder auch nur Lippenbekenntnisse, wie bei so vielen "Liberalen " Themen? Die DDR war ja bekanntlich laut ihrer Propaganda das Paradies für alles und jeden (und damit für alle möglichen Minderheiten, ob mit oder ohne Migrationshintergrund). Und real das genaue Gegenteil...
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Beitrag von spock5407 »

Erste Hochrechnung Österreich: 30,2% ÖVP, 26,3% SPÖ, 26,8% FPÖ, 4,9% Grüne, 5,4% Neos , 4,3% Pilz ("spin-off" von den Grünen).
Es fehlen aber noch die großen Städte. Achtung, in Österreich 4% (und nicht 5 wie bei uns) Hürde fürs Parlament.

Also wohl Sebastian Kurz (ÖVP) als Kanzler relativ wahrscheinlich. Hauptfrage dürfte damit werden: zusammen mit der SPÖ oder FPÖ.
ÖVP+FPÖ wäre wohl auch, bahnbezug herstellend, nicht gerade vorteilhaft für den öffentlichen Verkehr bei unserem Nachbarn.

Update 18:10 Uhr
27,1% SPÖ , 31,5% ÖVP , 25,9% FPÖ , 3,9% Grüne , 5,1% Neos , 4,4% Pilz
Damit wären die Grünen draussen und die FPÖ nur dritter Gewinner.

Ein österreichischer Bundeskanzler HC Strache bleibt Europa erspart.
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Beitrag von Valentin »

spock5407 @ 15 Oct 2017, 16:11 hat geschrieben: Erste Hochrechnung Österreich:  30,2% ÖVP, 26,3% SPÖ, 26,8% FPÖ, 4,9% Grüne, 5,4% Neos , 4,3% Pilz ("spin-off" von den Grünen).
Es fehlen aber noch die großen Städte. Achtung, in Österreich 4% (und nicht 5 wie bei uns) Hürde fürs Parlament.

Also wohl Sebastian Kurz (ÖVP) als Kanzler relativ wahrscheinlich. Hauptfrage dürfte damit werden: zusammen mit der SPÖ oder FPÖ.
ÖVP+FPÖ wäre wohl auch, bahnbezug herstellend, nicht gerade vorteilhaft für den öffentlichen Verkehr bei unserem Nachbarn.
Die Grünen liegen bei der Auszählung bei 3,9% - und die dann alles entscheidenden Briefwahlkarten werden erst die nächsten Tage geöffnet.
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spock5407
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Beitrag von spock5407 »

Nachdem man sich aber in den letzten Jahren in rotschwarzen Koalitionen mehrfach überworfen hatte, befürchte ich in der Tat schwarz-blau.
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Beitrag von Balduin »

Auch wenn die FPÖ in vielerlei Hinsicht mit Vorsicht zu genießen ist: Die pauschale Nazikeule hilft bei ihr wirklich nicht mehr weiter. Allein schon weil sie was Sozialpolitik etc. anbelangt ist sie mindestens genauso "Links" wie die Sozialdemokraten. Und nicht umsonst koalieren auf unteren Ebenen die SPÖ (ich glaub) durchaus erfolgreich mit ihr, und auch auf Bundesebene gab es durchaus ernsthafte Gedankenspiele. Also die FPÖ ist fast schon eine "normale" Partei. Im Guten wie im Schlechten...
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Beitrag von Cloakmaster »

So, und nun ist es passiert: Katalonien hat seine Unabhängigkeit proklamiert - und Frankreich sowie Deutschland postwendend erklärt, Katalonien nicht anerkennen zu wollen.
Hot Doc
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Beitrag von Hot Doc »

War A nicht anders zu erwarten und B aus meiner Sicht auch genau richtig so.

Spannend wird, wie Spanien in den nächsten Monaten in Katalonien agiert. Ich halte ein zunächst hartes Durchgreifen für richtig. Danach sollte man aber ernsthaft auf die teilweise berechtigten Forderungen eingehen und z.B. die Finanzierung neu regeln. Evtl. gibt sich auch die Chance zu einer Föderalismusreform........
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Beitrag von viafierretica »

Cloakmaster @ 27 Oct 2017, 19:56 hat geschrieben: So, und nun ist es passiert: Katalonien hat seine Unabhängigkeit proklamiert - und Frankreich sowie Deutschland postwendend erklärt, Katalonien nicht anerkennen zu wollen.
Sehr gut!
Das Vorgehen von Puigdemont ist an Dilettantismus nicht zu überbieten, zumal er ja nicht mal eine klare Mehrheit hinter sich hat. Städte wie Barcelona sind sehr skeptisch, und z.B. Tarragona sehr pro-spanisch eingestellt. Die Unabhängigkeitsbewegung kommt aus den Bergen im Norden, wo auch Puigdemont (welch Zufall, der Name!) herkommt.
Medienberichten zufolge war der Polizeieinsatz etc. bewusst von den Seperatisten eingeplant, um Stimmung gegen Spanien anzuheizen. Immerhin das ist gelungen.
In de vergangenen 20 Jahren wurden Geschichtsbücher in Katalanien umgeschrieben und die Rolle Kataloniens in der Vergangenheit sehr verklärt. Die Unabhängigkeit auf die Ungerechtigkeit des spanischen Erbfolgekrieg zurückzuführen, ist schon sehr grenzwertig. Da kann man in Mitteleuropa auch bald mit der Ungerechtigkeit des 30-jährigen Kriegs daher kommen. Auch die Rolle in der Franco-Zeit war nicht immer und überall so heldenhaft - so hat Madrid länger gegen die Francisten gekämpft. Zudem wird stets verkannt, dass Katalonien in den Geschichtsbüchern (außer den Katalanischen) eigentlich gar nicht vorkommt, war es ja nur EIN Bestandteil des Königreichs Aragón als eigentlicher Staat. Der Name Katalonien taucht kaum auf, der Graf von Barcelona trug auch nur die Bezeichnung Barcelona, das Wort Katalanien kam da gar nicht vor.
Die Sprachpolitik widerspricht auch der Verfassung, von der geforderten Zweisprachigkeit bleibt immer weniger übrig. Katalanien als Gastland der letztjährigen Buchmesse hat sich geweigert, die wichtigsten katalanischen Schriftsteller zuzulassen - die schreiben nämlich auf kastillisch (Castellano), also was gemeinhin als spanisch bekannt ist. Weder sprechen alle Katalanen katalanisch, und auch nur die Hälfte der Katalanisch-Sprechenden lebt in Katalonien, der Rest in Valencia bzw auf den Inseln. "Nationalstaaten" zu proklamieren, die überhaupt keine sind, ging in der Geschichte noch immer schief. Das ganz wird immer sehr zu einer echten Provinzposse, die von den echten Problemen, derer auch Katalonien genug hat, ablenkt. Wenn sich Katalanien darauf beruft, mehr Steuern einzuzahlen als es bekommt - auch Bayern oder BW zahlen mehr in die Bundeskasse ein, als rauskommt. Und Regionen wie das Baskenland waren wohl schlauer - die haben ihre eigene Finanzhoheit...
Cloakmaster
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Beitrag von Cloakmaster »

Trotzdem hat eine demokratische Mehrheit im Parlament für die Loslösung von Spanien gestimmt. Das sollte nicht so einfach weggewischt werden. Allerdings bin ich der Ansicht, daß so eine Frage nur per Volksentscheid gestellt werden kann, und nicht von einem Parlament. Stellt sich in Referendum die Mehrheit der Bevölkerung gegen einen Austritt, dann war's das. Aber wenn da ebenfalls ein Ja zur Staatsbildung heraus kommt, kann man es kaum noch aufhalten.
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