[SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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[SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Einmal Skandinavien im Winter, bitte:
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10 Tage vorher

Ups, da war der Liegewagen schon ausgebucht. So schnell kann es gehen. Dann halt der Schlafwagen, dessen Zuschlag von 74 auf 94€ angehoben wurde.


6 Tage vorher

Und Schweden hebt mit Stichdatum einem Tag vor meinem Reisebeginn alle Coronarestriktionen auf – das passt.


Tag 1 Basel → Hamburg

Eine stressige Woche geht zu Ende, ich renne auf die herannahende Tram zu. Am Bahnhof kaufe ich mir einer Pizza, da ich noch nicht zum Abendessen gekommen bin. Die Verkäuferin schneidet das Endstück ab, schiebt den Rest in den Ofen und ich bin sehr froh, dass sie mir das Endstück dann auch mitgibt, ehe es weggeworfen wird.
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Doch oh weh, der rot hinterlegte Schriftzug «unbestimmte Verspätung» verheißt nichts Gutes. Wir haben noch keine Lok. Dem Schaffner ist nichts Näheres bekannt, er hofft aber, dass es nicht länger als eine Stunde dauern wird. Schon mal ein toller Start in die Reise… Ich steige ein, der Schlafwagenschaffner erkundigt sich, ob ich wüsste, wohin. Ich bejahe. Mein 2er-Abteil ist oben, sehr schön. Nur den schweren Koffer über die schmale Treppe hochzuwuchten stellt eine Herausforderung dar. Die Betten sind schon ausgeklappt, was das Sitzen unmöglich macht. Ich bitte den Schaffner, sie nochmal runterzuklappen, damit ich essen kann. Er schaut in der Buchungsliste nach, es sieht danach aus, dass ich das Abteil für mich habe. So kommt er meinem Wunsch gerne nach und ich kann endlich mein Abendessen nachholen. Mit +7 fahren wir dann auch schon los. In einigen anderen Abteilen funktioniert das Licht offenbar nicht und der Schaffner erkundigt sich, ob das Problem bei mir auch bestehen würde, da ich im Dunklen sitze. Aber nein, ich habe es ausgeschaltet, die Rollos hochgezogen und genieße die Fahrt in die Nacht. Da es bewölkt ist, sehe ich jedoch keinen Sternenhimmel. Nur die Oberleitung tanzt hin und her und hin und her. Grundsätzlich finde ich die Konstruktion aber genial, wenn die Reise im Schlafwagen mit Blick in den Nachthimmel starten kann, auch wenn es an Platz für das Gepäck mangelt. Ich fülle das Frühstücksblatt aus, kreuze zweimal Nutella an und merke das noch kurz an, als der Schaffner zum Einsammeln vorbeikommt. «Ach, du kriegst auch dreimal Nutella!» Wunderbar, und bitte das Frühstück erst eine halbe Stunde vor Ankunft, nicht morgens um sechs. Ob ich wohl vorhätte, das Frühstück in mich reinzustopfen, will er etwas skeptisch wissen. Für mich reicht es und ich brauche halt meinen Schlaf…
In Freiburg sind wir schon wieder pünktlich, Blechelse verkündet als Anschlüsse die nächsten zwei ICE nach Basel SBB über Basel – sehr sinnvoll…
Der Inhalt des Nightjet-Beutels hat sich seit letztem Sommer verändert, der Kugelschreiber im Nightjet-Design ist einem Standardprodukt gewichen, neu dabei sind – zum Glück – Ohrstöpsel, denn die habe ich daheim vergessen und die Heizung gibt ein nervtötendes Geräusch von sich. Die Sektflasche ist dagegen verschwunden.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 2 Hamburg → Göteborg

Die Nacht war erfreulich erholsam. Kurz vor Lüneburg öffne ich die Rollos. Die blaue Stunde zieht vorbei. Dank des Richtungswechsels in Frankfurt bin ich jetzt auf der Ostseite und kann dem allmählich aufziehenden Morgenrot zusehen.
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Das Frühstück hat sich im Vergleich zum letzten Jahr eindeutig verbessert. Das Getränk gibt es in einer Tasse statt einem Pappbecher und die Marmelade aus einem Gläschen statt aus einer Plastikverpackung schmeckt auch nach mehr als nach gezuckertem Geliermittel.
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Wenig später beginnt schon Hamburg. Die Wolken färben sich rot, das Esig dagegen überraschenderweise nicht. Wir rollen ohne Halt über den Oberhafen, über dessen Oberfläche sich gerade die Sonne erhebt und pünktlich auf die Minute in den Hauptbahnhof.
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Ich nutze die Stunde Aufenthalt zum Ausblick aus der Wandelhalle und schaue maskierten Robotern zu, wie sie ihren Zügen hinterherrennen.
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An Gleis 8 fährt ein: ICE nach Wien über Berlin, Leipzig, Erfurt. Vorsicht bei der Einfahrt.
Die Bahnhofshalle bleibt dunkel. Vermutlich hat die Sonne den Kampf gegen den Hochnebel verloren.
An Gleis 11 wird bereitgestellt: IC nach Kopenhagen.
Na endlich, ich habe schon wieder genug von Deutschland gesehen.

Eine Frau mit ihren beiden älteren Söhnen verstaut umständlich Gepäck. «Wollen Sie durch?» Keine Eile, bitte. «In Dänemark ist Freedom Day», erzählt sie kurz darauf ihren Söhnen. «Ah, chillig», kommentiert einer der beiden. Ich vernehme Schwiizerdütsch im Wagen, da bin ich wohl nicht der Einzige mit dieser Reiseroute. Wirklich schade, dass der NJ nicht weiterfährt. Das wäre eine tolle Verbindung, die mit Sicherheit gut genutzt werden würde.

Pünktlich rollen wir los und in einen trüben Morgen. Nur kurzzeitig traut sich die Sonne durch. Es folgt die Rendsburger Hochbrücke.
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Vr0. Vorsignal-Wiederholer: Vr0. Hp0. Ein Güterzug kommt entgegen, dann geht das Signal auf. Kurz vor der Grenze setzt Schneefall ein.
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Mit +8 erreichen wir Padborg, flotte Grenzkontrolle und mit unveränderter Verspätung geht es auch schon weiter. Doch wir laufen auf den überall haltenden Zug aus Flensburg auf und stehen bald bei +20 – alles wie gewohnt. Nun klart es auf und ein sonniger Februartag begleitet mich auf der weiteren Fahrt.
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Bis Kopenhagen werden +30 daraus, ich wechsle schnell den Bahnsteig, um zumindest den Öresundszug 20 min später als ursprünglich geplant zu erwischen. Die knappe Stunde bis Lund verläuft ohne besondere Vorkommnisse.
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Nachdem ich meinen Koffer im Schließfach verstaut habe, stelle ich fest, dass die Tram heute im Gegensatz zu meinem letzten Besuch fährt. Lund besaß im Gegensatz zu vielen anderen schwedischen Städten nie eine Straßenbahn – von den ersten Überlegungen bis zur Eröffnung dauerte es dort schlappe 120 Jahre…
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Es ist sonnig, aber ein eisiger Wind kühlt mich schnell aus, ehe ich die nächste Tram nehme, die alle 15 min (abends alle 20 min) fährt.
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Ein Großteil der Strecke liegt in noch unfertigen Stadtentwicklungsgebieten oder auf der grünen Wiese, doch auf dem bereits bebauten Teil ist die Nachfrage hoch und bereits beim Einzug werden viele Menschen direkten Zugang zur neuen Tram haben.
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Das Interesse am neuen Verkehrsmittel in Lund ist groß – immer wieder fotografieren Passanten und Fahrgäste die Tram.
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Für Fotos laufe ich ein Stück entlang der Strecke und bin heilfroh, als ich nach einer halben Stunde wieder ins Warme kann.
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USB-Ladestellen gibt es nicht nur in den Fahrzeugen, sondern sogar an den Haltestellen. So muss niemand zu keiner Zeit aufs Handy verzichten. Die Mehrzweckbereiche sind recht aufwendig gestaltet. Ob man mit begrünten Haltestellendächern nicht ein wenig über das Ziel hinausschießt, sei mal dahingestellt. Interessant finde ich auch die durchgängig beleuchtete Tramtrasse.

Die fünfteiligen Zweirichtungswagen haben symmetrisch angeordnete Türen, Einzeltüren im ersten und fünften Teil hinter dem Führerstand, zwei Doppeltüren im zweiten und vierten Teil, in denen sich außerdem kein einziger Sitzplatz befindet.
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Vierer gibt es nur im dritten Teil, vermutlich dem nicht angetriebenen.
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Im ersten und fünften Teil sind statt den Fensterplätzen die Fahrmotoren angebracht.
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100% Niederflur bleiben also weiterhin ein Kompromiss in irgendeiner Form und der Trend zum Tanzsaal-Fahrzeug setzt sich fort. Selbstverständlich kann man kontaktlos Fahrkarten lösen, wobei mir nicht klar ist, was man da eigentlich löst, da einfach ein grüner Haken ohne Auswahlmöglichkeit angezeigt wird. Ist das jetzt eine Einzelfahrt mit Unterbrechungsmöglichkeit oder eine Zeitkarte für x Minuten?

Bei so vielen Piktogrammen fragt man sich schon, ob die Prioritäten richtig gesetzt sind – die Info, wo man mit Kinderwagen einsteigen soll, schätze ich dann doch bedeutsamer ein als die Lademöglichkeit für Handys…
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Selbstverständlich gibt es keine echten Spiegel mehr, nur noch Kameras.
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Die grüne Farbgebung, ähnlich den Tw 6000 in Hannover, gefällt mir bei den nagelneuen Urbos genauso gut wie bei den Altwagen.
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Von der Endstation ESS verbindet die Tram die gleichnamige Forschungseinrichtung mit der Innenstadt und dem Bahnhof. Momentan ist dort noch nicht viel außer einer Windmühle…
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…und im Hintergrund die Betriebsstrecke zum Depot.
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Bei der Rückfahrt schaue ich dem Fahrer über die Schulter, doch bereits nach einer Haltestelle öffnet er die Tür und labert mich auf Schwedisch voll, ehe ich ihm zu Verstehen geben kann, dass ich leider kein Wort verstehe. «I don’t speak English», sagt er daraufhin, um sogleich anzufügen: «I don’t like it when somebody is looking at me.” Dann setze ich mich halt hin, aber meine Augen werde ich während der Fahrt trotzdem nicht schließen… Mit einem Klingeln begrüßt er ein winkendes Kind an der Strecke. Nach einer Viertelstunde bin ich wieder am Bahnhof, hole mein Gepäck und besteige den Bombardier Regina-Triebwagen nach Göteborg. Für über eine halbe Stunde eingesparte Reisezeit auf drei Stunden und die großzügigen Sitze lohnt sich der Aufpreis für die Reservierung. Mit 200 km/h saust der gut gefüllte Zug durch die Abenddämmerung.
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Mit -3 geht die durchaus lange Reise zu Ende.
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Kaum zu glauben, dass es fast ein halbes Jahr her ist, das ich in diesem Bahnhof ausgestiegen bin. Es fühlt sich viel kürzer an und sehr schön, wieder hier zu sein. Ich warte auf die Tram und siehe da, ich werde sogleich mit einem Altwagen belohnt. Das ist doch ein guter Start zur Rückkehr nach Göteborg.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Südostbayer »

Danke für den Reisebericht!

Selbstverständlich kann man kontaktlos Fahrkarten lösen, wobei mir nicht klar ist, was man da eigentlich löst, da einfach ein grüner Haken ohne Auswahlmöglichkeit angezeigt wird. Ist das jetzt eine Einzelfahrt mit Unterbrechungsmöglichkeit oder eine Zeitkarte für x Minuten?
Wäre das nicht praktisch dasselbe?

Man erwirbt eine Fahrtberechtigung für eine Stunde in der Stadtzone, https://www.skanetrafiken.se/biljetter/ ... betalkort/ . Diese Kaufmöglichkeit gibt es in Skåne nur in den grünen Stadtbussen bzw. Straßenbahnen, also weder außerhalb der Städte noch in Regionalbussen, die in die Städte fahren. Auch andere schwedische Verbünde verwenden dieselbe Logik: Kontaktlose Bezahlung wird für ein einzelnes standardisiertes Ticket verwendet, mit allen daraus entstehenden Vor- und Nachteilen.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Südostbayer hat geschrieben: 27 Apr 2022, 10:41 Man erwirbt eine Fahrtberechtigung für eine Stunde in der Stadtzone, https://www.skanetrafiken.se/biljetter/ ... betalkort/ . Diese Kaufmöglichkeit gibt es in Skåne nur in den grünen Stadtbussen bzw. Straßenbahnen, also weder außerhalb der Städte noch in Regionalbussen, die in die Städte fahren. Auch andere schwedische Verbünde verwenden dieselbe Logik: Kontaktlose Bezahlung wird für ein einzelnes standardisiertes Ticket verwendet, mit allen daraus entstehenden Vor- und Nachteilen.
Sehr gerne! Danke dir fürs Verlinken des entscheidenden Hinweises - das System ist sogar ziemlich gut: Einchecken löst eine Fahrkarte für 1h, steigt man innerhalb dieser Zeit um, muss man wieder Einchecken, zahlt aber nichts mehr. Checkt man nach Ablauf der Stunde nochmal ein, löst man eine 24h-Karte, zahlt also nie mehr als 2 Einzelfahrten. Sehr simpel, aber in meinen Augen gut gelöst und ziemlich sicher vor Fehlbuchungen.
Südostbayer hat geschrieben: 27 Apr 2022, 10:41 Wäre das nicht praktisch dasselbe?
Nein, in München z.B. darf man die EInzelfahrt zwar innerhalb des Zeitraums unterbrechen und später weiterfahren, aber eben nicht zurück. Die Schweiz oder Tschechien kennen solche Einschränkungen z.B. nicht - innerhalb des Zeitraums darf man in alle Richtungen fahren.

Tag 3 Göteborg

Ideal ist die Wettervorhersage für die nächsten Tage wahrlich nicht. Heute bedeckt, aber trocken, die nächsten Tage eigentlich ständig Regen und Temperaturen im leichten Plusbereich bei kräftigem Wind. Da ich unter der Woche arbeiten muss, habe ich dann nur wenig Zeit für größere Ausflüge und entscheide, bereits heute auf eine der Inseln zu fahren. Die Wahl fällt schließlich auf Styrsö, weil es dort auch eine zu dieser Jahreszeit geöffnete Gaststätte gibt.
Los geht’s an der Hagakyrkan, geprägt durch die Bauarbeiten für den S-Bahntunnel.
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Und schon wieder bekomme ich einen Altwagen – mit der Abstellung der M28-Wagen im Oktober 2021 hat sich die Hochflur-Flotte etwa halbiert.
[url=https://flic.kr/p/2nh6hgf]Bild


Ich nehme die Tram bis Saltholmen. Der Fahrer ist zügig unterwegs und die ganze Zeit leicht vor Plan unterwegs. Die Vorrangschaltung funktioniert relativ gut, doch die Freigabe kommt oft ein paar Sekunden zu spät, sodass vor den Signalen abgebremst werden muss.

Attacke!
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Weiter geht es mit der Fähre über das graue Meer und eine halbe Stunde später stehe ich auf der windigen Insel, auf der es immerhin unter anderem eine Schule, eine Bibliothek und zwei Supermärkte gibt.
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Durch den Wald laufe ich zum höchsten Punkt und sobald ich den windgeschützten Bereich verlasse, zerrt der Sturm an mir.
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Blick auf die Nachbarinsel Donsö, die über eine Brücke von Styrsö erreichbar ist
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Schnell ein paar Bilder und wieder zurück in den Wald… Durch den vielen Regen ist der Boden aufgeweicht und der Weg gelegentlich eine ziemliche Schlammschlacht.
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Nur eine Handvoll Menschen begegnet mir, von der belebten Insel und den spielenden Kindern wie im Sommer ist nichts zu sehen.
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Ich übe schon mal für den späteren Teil der Reise, in dem die Vogelbeobachtung eine wichtige Rolle spielen wird.
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Zu sehen ist eine Eiderente.

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Ein kurzes Stück direkt am Wasser wird es nochmal stürmisch, dann kommt der Wind von hinten. Ich laufe durch den Ort zurück zum Fähranleger und gönne mir noch eine Stärkung. Vier junge Frauen betreten wenig später die Gaststätte. Der Wirt spricht sie schließlich an und fragt, woher sie kommen. «Aus dem Irak.» Sie sprechen Schwedisch miteinander und wenig später stellt sich heraus, dass der Wirt aus dem Iran stammt. Styrsö, Schmelztiegel der Kulturen… Mit der nächsten Fähre geht es zurück nach Saltholmen und in die nächste Tram, wieder ein Altwagen. Ich beschließe schon bald, nochmal für einen Fotostop auszusteigen, ehe es zu dunkel wird. Leider wird jetzt schon auf einen 12-Minuten-Takt ausgedünnt.
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Doch ich warte lange auf den Gegenkurs und bin mir sicher, dass die Wendezeit nicht ausreichen wird, um die Verspätung aufzuholen. So kommen noch zwei weitere Kurse stadtauswärts durch, ehe endlich nach über 20 Minuten Wartezeit der nächste stadteinwärts kommt. Immerhin ist es ein Asea-Wagen, die besonders gut beheizt sind. Es ist eine schwierige Fahrt, der Wagen schleudert und gleitet auf den schlüpfrigen Schienen der hügeligen Stadt. Am Järntorget werden dann alle rausgeschmissen, um den Kurs vorzeitig zu wenden – das war auch nur noch eine Frage der Zeit.

Und die gute Nachricht des Tages: Auch Norwegen hat mit sofortiger Wirkung alle Corona-Maßnahmen beendet.
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Jean
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Jean »

Sorry wenn ich das so schreibe: du machst deinem Nick wieder alle Ehre. 8)
Für den ÖPNV Ausbau Gegen Experimente und Träuereien. Eine Trambahn braucht einen eigenen Fahrweg, unabhängig vom MIV!
Fahrradwege auf Kosten des ÖPNV braucht keiner!
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Jean hat geschrieben: 28 Apr 2022, 07:14 Sorry wenn ich das so schreibe: du machst deinem Nick wieder alle Ehre. 8)
Ich habe den doppldeutigen Nick nicht völlig unbedacht gewählt ;)


Tag 4 Göteborg

Jeden Sonntag hat das Trammuseum geöffnet und das möchte ich sogleich nutzen, auch wenn Sonderfahrten mit historischen Fahrzeugen nur im Sommer durchgeführt werden.
Auf der Hinfahrt schlägt mir die Fahrplanauskunft vor, zunächst mit der Tram bis Brunnsparken zu fahren, dann in 3 min. 370 m bis zum Hbf zu laufen und dort in den Bus 60 umzusteigen. Abgesehen davon, dass dieser Umstieg nur im Sprint zu schaffen ist, ist er auch noch völlig unnötig. Denn der Bus hält ebenfalls an der Haltestelle Brunnsparken. Vielleicht ist die Fahrplanauskunft auch durcheinandergekommen, da dieses Wochenende wegen Bauarbeiten am Hbf keine Tram so fährt wie geplant.
Zur Besichtigung der Wagenhalle muss man sich einer Führung anschließen. Es wird ein Kollege gesucht, der die Führung auf Englisch machen kann und dann bekomme ich meine Privatführung. Alle Instandhaltungsarbeiten sind auf Basis Freiwilliger, genau wie die Führung. Die schwedische Führung übernimmt ein älterer Herr, der auf einen Gehstock angewiesen ist. Mein Führer erzählt mir, dass es aber durchaus auch Kollegen aus dem höheren Management geben würde, die ihre Wochenenden hier verbringen.
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Und bevor jemand fragt – und diese Frage hat mir bisher jeder gestellt, der dieses Bild gesehen hat - die Beflaggung hat nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun. Denn erstens entstand das Bild vor Kriegsbeginn und zweitens hat Schweden zufällig dieselben Farben auf der Flagge.

1902 wurde das Tramnetz Göteborg elektrifiziert. Damals war die mögliche Fahrzeugbreite noch geringer (heute 2,60 m). Nur auf der Außenstrecke nach Saltholmen, die damals noch als Eisenbahn klassifiziert war, konnten bereits breitere Wagen fahren. Hier ist der Unterschied zwischen dem kleineren Profil im Vordergrund und dem größeren M28-Wagen im Hintergrund sichtbar.
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Warum auf dem Wagen 133 Hakenkreuze drauf sind, kann ich leider nicht sagen. Das ist mir erst beim Sichten der Bilder aufgefallen.

Ein Großteil der ausgestellten historischen Wagen sind fahrfähig, dafür mussten sie aus Sicherheitsgründen mit Magnetschienenbremsen nachgerüstet werden. In den Sommermonaten werden sie regelmäßig eingesetzt, Infos hier: https://www.ringlinien.org/sv/aktuellt/

Die größere Fahrzeugbreite ist auch im Innenraum deutlich erkennbar – hier der breitere Wagen 208 für die Strecke nach Saltholmen…
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…und der gemütlich gestaltete Wagen 43 für das Stadtnetz mit Vorhängen – da können moderne Fahrzeuge wirklich nicht mithalten.
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Fahrschalter
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Dieser Fahrerarbeitsplatz ist purer Luxus verglichen mit den ersten Fahrzeugen – etwa 10 Jahre lang war der Führerstand komplett offen (!).
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Wappen außen mit viel Liebe zum Detail
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Die 2021 ausgemusterten M28-Wagen sind reif fürs Museum.
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Früher gab es auch Güterverkehr auf dem Tramnetz, hier eine Lok.
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Die Zieltafeln wurden in verschiedenen Farben gehalten, um Analphabeten die Mitfahrt zu erleichtern.

An diese Busse hat mein Führer keine guten Erinnerungen – die Lenkung wäre sehr schwergängig gewesen…
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Nach dem 2. Weltkrieg wurde Schweden sehr stark durch kulturelle Einflüsse aus Amerika geprägt, was sich auch an der Gestaltung der Wagen bemerkbar macht. Sie orientiert sich von außen stark an den PCC-Wagen (obwohl es kaum technische Gemeinsamkeiten gibt) und der Fahrerarbeitsplatz erinnert stark an die Ausstattung eines Autos.
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Nichtsdestotrotz wirkt der Innenraum in meinen Augen sehr hochwertig, hier noch mit Schaffnerarbeitsplatz.
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Später verschwand dann das „Lenkrad“ und die „Handbremse“ – die Querstange wurde nachträglich eingebaut, weil die Fahrer sich irgendwo festhalten wollten.
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Leider erhielt dann diese merkwürdig versetzte Bestuhlung Einzug, was es selbst für mich als schlanke, bewegliche Person sehr schwierig macht, die Fensterplätze zu erreichen.
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Diese Leitern waren auch nur kurzlebig, da sie von „blinden Passagieren“ genutzt wurden.
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Weit über 100 Wagen aus drei Serien prägten das Stadtbild über Jahrzehnte und bis heute sind noch 60 M29-Wagen im Einsatz. Das dreifarbige, hellblau – dunkelblau – mittelblaue Farbschema war allerdings nicht sehr langlebig, schon bald kehrte man zum einheitlichen Blau zurück. Die Fahrzeuge waren stets untereinander kuppelbar und technisch auf bis zu Achtfachtraktion ausgelegt, auch wenn planmäßig maximal Vierfachtraktionen eingesetzt wurden. Bereits einige Jahre vor der Umstellung auf Rechtsverkehr 1967 wurden die Fahrzeuge mit Türen auf der rechten Seite ausgeliefert und dann zunächst um 180° gedreht Heck an Heck gekuppelt eingesetzt. Dies hatte den großen Vorteil, dass über Nacht nicht die gesamte Fahrzeugflotte getauscht werden musste, sondern nur die Wagen gedreht werden.


Auch Busse wurden bereits vor der Umstellung mit Türen rechts beschafft. Sie konnten nur auf bestimmten Linien eingesetzt werden, die mit Haltestelleninseln auf der zunächst «falschen» Seite ausgestattet waren. Ausgemusterte Busse für den Linksverkehr wurden anschließend unter Anderem nach Bangladesch verschenkt. Hier ein Exemplar mit Frontmotor.
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Den Fahrerarbeitsplatz stelle ich mir ziemlich ungemütlich vor – die Bank links fand mein Führer als Kind dagegen super.

Von 1940 bis 1964 gab es außerdem zwei Trolleybuslinien.
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In der Halle steht ein Unikat aus Oslo, das technisch ein Tatra-Wagen mit einer optischen Anpassung an die in Oslo übliche Front ist. Es handelt sich um einen der sehr wenigen Exporte aus dem Ostblock vor dem Mauerfall – doch in Oslo war man offenbar nicht so begeistert von dem Fahrzeug und hat dann doch keine davon bestellt. Nicht, dass die später beschafften Ansaldobreda-Wagen viel besser gewesen wären…
Er ist zum Partywagen umgebaut worden, hat sogar ein WC und kann für Anlässe gemietet werden.
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Die früheren Uniformen hatten stets etwas Militärisches.
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Der Kollege in der Mitte trägt dick gepolsterte Schuhe gegen die Kälte.

Wie schade, dass die historischen Netzplantafeln nicht in meinen Koffer passen… Dafür kaufe ich einen Papier-Netzplan von 1989, der topografisch korrekt ist.

Unweit des Trammuseums befindet sich das Depot Gårda.
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Die Linie 60 ist fest in der Hand von Volvo-Elektrobussen, gebaut in Polen, wie mein Führer nicht ganz ohne Unverständnis anmerkt, da Volvo den Hauptsitz in Göteborg hat.
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Zur blauen Stunde breche ich auf eine Nachtfototour auf. Noch ist es trocken, doch ein frischer Wind weht.
352 an der Vasa Viktoriagatan
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Nach und nach werden die Asea- und die Sirio-Wagen mit LED-Anzeigen statt den Rollbändern nachgerüstet. 313 am Grönsakstorget
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Auf mich wirkt es so, als würde man versuchen, mit vielen bunten Lichtern die skandinavische Dunkelheit vertreiben zu wollen.
Ein Hinterhofcafé
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Fußgängerzone
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Seitenstraße mit Blick auf die Domkirche
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Blick nach oben
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Ausblick zum Skansen Kronan…
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…und den abendlichen Verkehr.
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Kino
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Besonders liebevoll beleuchtet ist der Järntorget.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 5 Göteborg

Mit der Tram fahre ich zum Universeum, einem Wissenschaftsmuseum mit großem Aquarium und Tropenhaus. Doch der Umstieg klappt nicht reibungslos, weil mal wieder größere Verspätungen auftreten. Da bleibt Zeit für ein paar Fotos im Regen.
425 am Linnéplatsen
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497 folgt
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Das Tropenhaus ist jedenfalls den Besuch wert. Zahlreiche bunte Vögel können bestaunt werden. Nachdem sich meine Kamera aklimatisiert hat, kann man auch etwas auf den Fotos erkennen.
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Der machts richtig
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Außerdem gibt es Frösche, Schlangen und ein Aquarium.

Es ist und bleibt ein verregneter Tag und daran wird sich wohl auch nicht viel ändern.
Reger Feierabendverkehr herrscht am Korsvägen, im Hintergrund der Vergnügungspark Liseberg.
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Da hilft nur noch ein Kaffee, um wachzubleiben. Dafür bietet sich das Haga-Quartier an.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von 218217-8 »

Entenfang hat geschrieben: 29 Apr 2022, 00:53Warum auf dem Wagen 133 Hakenkreuze drauf sind, kann ich leider nicht sagen. Das ist mir erst beim Sichten der Bilder aufgefallen.
Das war damals das ASEA-Logo. 1933 wurde das Logo dann "aus aktuellem Anlass" geändert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Allm%C3%A ... tiebolaget
Entenfang hat geschrieben: 29 Apr 2022, 00:53An diese Busse hat mein Führer keine guten Erinnerungen – die Lenkung wäre sehr schwergängig gewesen…
Ich vermute mal, die hatten keine Servolenkung. Die war damals auch noch nicht üblich. Vermutlich waren die verbliebenen Fahrzeuge dieser Serie die letzten Busse ohne Servolenkung in Göteborg oder in seinem Betriebshof, als dein Führer damals angefangen hat. Deshalb verbindet er speziell dieses Modell mit der schwergängigen Lenkung. Aber zu der Zeit, als sie gebaut worden sind, war das normal.

Vielen Dank an der Stelle für den Bericht. Wenn ich mir den Reiseverlauf auf der Karte anschaue, dann erwarten uns noch viele Folgen des Berichts. Darauf freue ich mich schon jetzt.
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Entenfang
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

218217-8 hat geschrieben: 30 Apr 2022, 13:27
Entenfang hat geschrieben: 29 Apr 2022, 00:53Warum auf dem Wagen 133 Hakenkreuze drauf sind, kann ich leider nicht sagen. Das ist mir erst beim Sichten der Bilder aufgefallen.
Das war damals das ASEA-Logo. 1933 wurde das Logo dann "aus aktuellem Anlass" geändert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Allm%C3%A ... tiebolaget
Aha, danke für die Erklärung. :)
218217-8 hat geschrieben: 30 Apr 2022, 13:27 Vielen Dank an der Stelle für den Bericht. Wenn ich mir den Reiseverlauf auf der Karte anschaue, dann erwarten uns noch viele Folgen des Berichts. Darauf freue ich mich schon jetzt.
Ja, da habe ich noch bisschen was!


Tag 6 Göteborg

Kleine Mittagsausfahrt in ein Viertel, dass mir auf der Fahrt nach Saltholmen gut gefallen hat.
448 erklimmt die Steigung bei Majvallen
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499 ist in der Gegenrichtung unterwegs
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Diese kleine Baustelle spielt mir sehr in die Hände, weil dadurch weniger Zufahrgefahr besteht.
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An der Fjällgatan gibt es einen kleinen Friedhof
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Schließlich nehme ich noch eine Tram nach Mölndal, womit meine Netzbefahrung in Göteborg abgeschlossen ist. Auch wenn es nicht der längste Außenast ist, führt er als einziger über die Stadtgrenze und hatte deswegen früher einen höheren Tarif. Heute gehört Mölndal aber zur Zone A wie das gesamte Stadtgebiet Göteborg. Es handelt sich um eine klassische Strecke in Straßenmitte einer Ausfallstraße, die recht motivarm durch die übliche Vorstadtbebauung führt.
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In Mölndal gibt es einen großen Umsteigeknoten zu Zug und Bus. Mit Letzterem trete ich den Rückweg an – nett finde ich die Beschleunigung durch eine Busspur mitten durch den Kreisverkehr.
https://goo.gl/maps/hFNzTEQJDuMUR7vo9

Am Nachmittag zeigt sich für wenige Minuten die Sonne, ich hoffe auf einen hübschen Sonnenuntergang und suche den Aussichtshügel Skansen Kronan auf, der mir letzten Sommer einen wunderschönen Ausblick gebracht hat. https://flic.kr/p/2mVfGGP
Doch die Wolken gewinnen die Oberhand sehr schnell wieder.
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Immerhin ist es trocken und ich nutze noch die blaue Stunde für einige Bilder am Brunnsparken, wo man während der HVZ Mühe hat, die Tramgleise zu überqueren. Jemand fotografiert die Flexitys, die inzwischen auf sehr vielen Linien eingesetzt werden. Dass diese Woche kaum eine Linie so fährt, wie sie soll, liegt am Tausch von den Haltestellengleisen am Hbf Richtung Norden, was übrigens 9 Tage dauert und nicht monatelang.
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Und wo ich schon mal am Bahnhof bin, dürfen natürlich auch ein paar Nachtaufnahmen nicht fehlen.
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Die Front der norwegischen Triebwagen erinnert mich, wie schon bei meinem ersten Besuch in Norwegen 2015, ein wenig an ein U-Boot.
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Als nächstes möchte ich einen der X11-Triebwagen fotografieren, doch da sehe ich eine Fahrkartenkontrolle am Bahnsteigzugang. Eine Nachfrage reicht, ich darf trotzdem durch. Ich fand die Triebwagen schon bei meinem letzten Besuch einladend.
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Vom Brunnen zum Blumentopf
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Anschließend spiele ich begrenztes Altwagen-Roulette: Ich nehme die Linie mit dem nächsten Hägglunds-Wagen bis zur Endstation außer nach Mölndal (wo ich erst heute Mittag war) und Saltholmen (wo ich vor 3 Tagen war). Doch am Hbf haben alle Abfahrten innerhalb der nächsten 15 min. ein Rollstuhlsymbol, also fahre ich zurück bis Brunnsparken.
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Und siehe da, die nächste 3 Richtung Marklandsgatan ist ein Hochflurwagen. Der Fahrer schafft es, bis zum Ende ganze 3 Minuten Verfrühung einzusammeln, obwohl er immer mal wieder langsamer fährt oder länger an den Haltestellen wartet. Da meine nächste 2 zur Rückfahrt inställd ist, habe ich 15 Minuten Fotoaufenthalt.
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Eine Fahrerin präsentiert wilde Gesten, während sie die Kamera passiert. Die hat Spaß an ihrem Job…

Der Fahrer des Hägglundswagen dagegen scheint von meiner Motivwahl überhaupt nicht begeistert zu sein – auch wenn ich nicht verstehe, was er mir über die Straße zuruft.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von 218217-8 »

Was mir gerade erst auffällt: Es ist ja eine Winterreise. Und wir sind in aktuell Göteburg. Gibt es da keinen Schnee?
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Südostbayer
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Südostbayer »

Entenfang hat geschrieben: 27 Apr 2022, 21:36
Südostbayer hat geschrieben: 27 Apr 2022, 10:41 Wäre das nicht praktisch dasselbe?
Nein, in München z.B. darf man die EInzelfahrt zwar innerhalb des Zeitraums unterbrechen und später weiterfahren, aber eben nicht zurück. Die Schweiz oder Tschechien kennen solche Einschränkungen z.B. nicht - innerhalb des Zeitraums darf man in alle Richtungen fahren.
Einzelfahrt im Sinne einer Relation? Ja, dann hast Du Recht. Das ist allgemein in Ticketsystemen mit automatisiert prüfbaren Fahrtberechtigungen eher unüblich. Der ab einer gewissen Komplexität des Netzes höhere Aufwand, einen Richtungsbezug abzubilden, dürfte in keinem sinnvollen Verhältnis zu (vermeintlichen) Einnahmeverlusten durch "Rundfahrer" stehen.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

218217-8 hat geschrieben: 30 Apr 2022, 22:35 Was mir gerade erst auffällt: Es ist ja eine Winterreise. Und wir sind in aktuell Göteburg. Gibt es da keinen Schnee?
Tja, schön wärs gewesen... Tatsächlich gibt es in Göteborg eher wenig Schnee und wenn, dann bleibt er nicht lange liegen. Meinte zumindest meine Airbnb-Gastgeberin, die seit 30 Jahren dort wohnt. Während meines Aufenthalts in Göteborg waren die Temperaturen zwischen 3° und 8° und immer wieder Regen, mal mehr, mal weniger stark und dazu sehr windig.

Tag 7 Göteborg

Die wenigen Sonnenstrahlen des Vormittags nutze ich für einen kurzen Spaziergang auf den Aussichtshügel am Landala-Reservoir.
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Ein schneller Rundumblick
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Ein schnelles Tramfoto darf auch nicht fehlen – 429 schlängelt sich durch die Häuserschlucht an der Brunnsgatan
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Und dann ein Zufallstreffer – eine Heck-an-Heck-Traktion, wie sie in den Jahren vor der Umstellung auf Rechtsverkehr eingesetzt wurde, um Neuwagen bereits mit Türen auf der rechten Seite beschaffen zu können und die Wagen in der Nacht der Umstellung bloß drehen zu müssen.
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Nachmittags setzt Nieselregen ein, ich breche zur blauen Stunde auf. Die Trambahnen sind gut gefüllt.
Nochmal Korsvägen mit Liseberg
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Ich lege einen Fotostop in einem ruhigen Wohnquartier ein. Eine ältere Frau müht sich beim Einparken ab, setzt mindestens zehnmal vor und zurück. Dann schauen sie und ihr Mann das Ergebnis von außen an und finden es offenbar als nicht zufriedenstellend, denn die Frau setzt sich nochmal rein und setzt unter wirren Gesten des Mannes noch fünfmal vor und zurück. Dann scheint es zu passen und sie schließen das Auto ab. Der Mann spricht mich an, offenbar kann er kein Englisch – na sowas, dass ich das in Schweden noch erlebe… Aber mit Gesten weiß er sich zu helfen und er hat sich offenbar gewundert, ob ich ihn fotografieren würde. Aber dann muss ihm wohl aufgefallen sein, dass man durch den Objektivdeckel schlecht fotografieren kann… I’m waiting for the tram. «Ahh, Sporvågn?» Genau. Sporvågn. Manche schwedischen Wörter klingen schon sehr lustig, wenn man sie wörtlich übersetzt. Trådbuss für Trolleybus und Farthinder für Bodenwelle gehören zu meinen Favoriten.

Später Gruß an die Kollegin, deren Gesten ich leider erst beim Sichten entdeckt habe…
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Ich hoffe schließlich auf irgendeinen Altwagen auf irgendeiner Linie in der Nähe, doch sie sind seit der Abstellung der M27-Wagen längst nicht mehr so weit im ganzen Netz verbreitet wie letzten Sommer. Auf den Linien 3 und 10 scheinen sie noch vergleichsweise häufig eingesetzt zu werden, auf der 1, 5 und 8 habe ich dagegen keinen einzigen mehr gesichtet.

Ein alltäglicher Abend am Redbergsplatsen
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359 tankt Saft für die nächste Runde
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Ich nehme die 3 und übersehe, dass sie nicht zu mir fährt, sondern aufgrund der Baustelle am Hbf zweigeteilt ist und vorzeitig wendet, sodass ich ein Stück laufen muss und dann mit der 11 zurückfahre.
Zugegebenermaßen, von der Magie des Nordens ist nach einer Woche noch nicht so viel zu spüren.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 8 Göteborg -> Oslo

Wow, Sonne. Gibt es hier sowas überhaupt?
Die Hagakyrkan spiegelt sich in der Smyrnakyrkan
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Fotostop am Järntorget mit Fernwärmekraftwerk
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Weiter geht es zur Fähre Stenpiren, die gratis über die Göta älv nach Lindholmen genutzt werden kann. Es stand wohl mal der Bau einer Brücke zur Debatte, doch der Plan wurde verworfen und stattdessen kostenlose Fähren angeboten.
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Die kurze Überfahrt kann man gleich nutzen, um das Fahrrad aufzupumpen.
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Der Fährmann erkundigt sich, ob ich gute Fotos machen konnte. Durchaus.

Unter der Woche tagsüber fahren sie häufig, am Wochenende aber nur im Takt 20.

Kleine Fähre, große Fähre
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Lindholmen
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Die Bustrasse bleibt für mich eine Betonschneise in der Stadt – von einer städtebaulichen Integration wie mit einer begrünten Tramtrasse ist sie weit entfernt.
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Interessante Gestaltung einer Doppelhaltestelle, die es nur ermöglicht, das hinten haltende Fahrzeug zu überholen, aber viel weniger Platz braucht als zwei Haltepositionen mit Überholmöglichkeit hintereinander. Und diese Gestaltung macht hier durchaus Sinn – denn die nachträgliche Recherche bestätigt, was ich vermutet habe. In den meisten Bussen gilt Vordereinstieg, ausgenommen davon sind nur die am stärksten frequentierten Stadtverkehrslinien. An dieser Haltestelle halten sowohl Hauptlinien als auch andere Linien. Letztere halten hinten, dauert der Einstieg also wegen der Fahrkartenkontrolle länger, kann ein Fahrzeug einer Hauptlinie überholen und vorne halten.
Und hier kommt mein Bus, eine normale Linie mit Vordereinstieg, hält also hinten.
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Mein zweiter Eindruck bestätigt nur meinen ersten Eindruck, nämlich dass der Göteborger ÖPNV sehr gut durchdacht und geplant ist.


Ich besteige den Ramsberget, von dem man einen guten Blick über den Hafen und einen Großteil der Stadt genießt, allerdings ist der Erholungsfaktor durch die unten vorbeiführende Schnellstraße begrenzt.
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Ich nehme die Tram zurück bis Brunnsparken. Wo fährt jetzt nochmal mein 2er ab? Die 6 Tage haben nicht gereicht, um die baustellenbedingten Haltestellenverlegungen zu durchsteigen. Ich positioniere mich irgendwie so, dass ich alle Fahrtrichtungen im Blick habe, um dann schleunigst zur richtigen Stelle zu sprinten, sobald die gewünschte Tram in Sicht kommt. Als Problem stellt sich nur heraus, dass die Rollbänder mit den Liniennummern so oft defekt sind. Das Ziel selbst kann man ebenso wie die ersatzweise in die Frontscheibe gestellten Tafeln erst viel später erkennen. Ein paar Tropfen fallen schon wieder, mein Timing war also perfekt.
Der Winter hat der Straße übel zugesetzt
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Ich sammle mein Gepäck ein und gehe wieder zur Tram. Ein älterer Mann spricht mich an. Ehhh, do you speak English? «Yes, are you going to travel?” Dabei deutet er auf meinen riesigen Koffer. Yes. “To the South?” Nope. Könnte kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein… “Where are you from?” Germany. “Ah, sprechen Sie Deutsch?” Ein bisschen.

Auf der Mittagskarte im bereits bekannten Restaurant steht Kålpudding. Als Beilagen gibt es Preiselbeeren und gekochte Kartoffeln. Aber was verbirgt sich hinter diesem ominösen Kålpudding? Ich frage die Bedienung. «That’s ehhhhm… that’s meat with ehhhhhm… sorry, I have to ask my colleague.” Sie geht zur Kollegin, dann zum Tresen, dann spricht sie noch mit einem Gast am Tresen. Wenn das so schwierig zu übersetzen ist, muss es wohl was sehr typisch Schwedisches sein und ich lasse mich darauf ein. Die nachträgliche Recherche ergab, dass es ein Auflauf aus Kohl (ok zugegebenermaßen, da hätte ich draufkommen können) und Hackfleisch ist. Wie versprochen schmeckt das Gericht jedenfalls hervorragend.
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Nach einem Kaffee bin ich bereit für die nächste Etappe.
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Das U-Boot auf Schienen wartet bereits, es herrscht freie Platzwahl. Die Sitzanordnung ist das genaue Gegenteil zur Schweiz – es gibt fast nur Reihenbestuhlung und die ist so dämlich angeordnet, dass annähernd die Hälfte Wandfensterplätze sind. Außerdem gibt es im ersten Wagen nur Sitzplätze gegen Fahrtrichtung, was mir mit Neigetechnik nicht zusagt, sodass ich einen Wagen nach hinten laufe.
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0931
„Umweltfreundlich reisen soll einfach sein“ – ich habe das Gefühl, dass die skandinavischen ÖV-Betreiber seit Greta noch viel stärker auf dieses Pferd setzen als beispielsweise in Deutschland oder der Schweiz.

Attraktiv wirkt auch der Sitzplatz am Notausgangsfenster.
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Es verkehren nach über anderthalb Jahren Coronapause wieder vier Zugpaare pro Tag zwischen Oslo und Göteborg. Im schwedischen Teil ist die Auslastung unterirdisch, was vermutlich auch an der Nichtanerkennung des Verbundtarifs liegt. In Schweden scheint man leider große Freude an mühsamen Tarifhürden bei der Eisenbahn zu haben. Ich aktiviere die Fahrt im digitalen Interrailpass, der mir wie auch schon für den SJ IC fälschlicherweise vorgaukelt, dass eine Platzreservierung obligatorisch wäre. Hier klicken, bitte und Provision bezahlen. Nicht, dass das jetzt falsch verstanden wird – ich finde es gut, dass man die Platzreservierungen direkt über Interrail kaufen kann und ich finde es auch in Ordnung, dass man dafür einen Aufpreis zahlen muss. Aber dann bitte nicht Züge reservierungspflichtig machen, die es nicht sind, was für den weniger erfahrenen Budgetreisenden unerfreuliche Zusatzausgaben verursacht.
Nervtötend ist jedenfalls das Klappern der Tische. Diese sind mit einer Klemme am Vordersitz befestigt und der ganze Wagen klappert während der Fahrt fröhlich vor sich hin. Das ist ja noch schlimmer als die Mülleimerdeckel im 612er… Die Holzoptik dagegen gefällt mir gut. Ein paar Regentropfen laufen die Scheibe hinunter, während Göteborg zurückbleibt.
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Doch bald traut sich die Sonne hervor.
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Die Fahrt ist kurzweilig, führt durch endlose Wälder und an einigen zugefrorenen Seen vorbei.
Einige Schneereste liegen im Schatten der Bäume. Ich erinnere mich noch recht gut an diese eher wenig beachtete, aber durchaus landschaftlich sehr reizvolle Strecke, als ich 2015 das erste Mal in Norwegen war. «Ladies and gentlemen, we have just crossed the border. Welcome to Norway. Remaining travelling time to Oslo is two hours and ten minutes.” Am Bild vor dem Fenster ändert sich eigentlich gar nichts, Norwegen geht so weiter, wie Schweden aufgehört hat. In Norwegen füllt sich der Zug mit jedem Halt. Die tiefstehende Sonne zeigt sich und taucht die Landschaft in magisches Licht, Licht wie man es wohl nur im hohen Norden findet.
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Ein Fjord zieht vorbei, in dem die Sonne schließlich versinkt.
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Zu guter Letzt taucht dann das Lichtermeer von Oslo hinter dem Fjord zur blauen Stunde auf – ein wahrhaft spektakuläres Ende dieser Etappe, die verglichen mit der ersten so kurz ist, dass sie gefühlt mit einem Wimpernschlag schon wieder vorbei ist. Und diese Brücke mit Blick über den Yachthafen markiere ich mir gleich in maps.me, da sollte ich nochmal vorbeischauen.

Der Bahnhof Oslo S liegt in einem modernen Hochhausviertel, der Zug wird nach nur 10 min bereits wieder die Rückfahrt antreten.
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Viel hat sich hier in den letzten 6 Jahren nicht verändert… https://flic.kr/p/Cu6eSc

Der gemütliche Warteraum im Bahnhof
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Ich hole mir noch eine Platzreservierung für den Zug von Bodø nach Trondheim und bitte um einen Platz auf der rechten Seite. Online habe ich es nicht geschafft, für diesen von der SJ betriebenen Zug innerhalb Norwegens nur eine Reservierung zu kaufen.
Dann kaufe ich mir eine 7-Tageskarte (günstiger als 3 Tageskarten), leider habe ich weder online noch im Kundenzentrum einen Plan gefunden, der alle Verkehrsmittel vereinigt und nehme den Bus. Im Endeffekt dauern die zwei Haltestellen vermutlich länger, als wenn ich zu Fuß gegangen wäre. Der Bus ist voll, rappelvoll sogar.
Das Viertel, in dem meine Unterkunft liegt, riecht schon beim Gehen durch die Straße multikulturell. In meiner Straße gibt es gleich zwei Hijab-Geschäfte. Mein Gastgeber meint noch, ich solle mir bitte keine Gedanken wegen der Sicherheit machen. Ja, es gäbe hier zwar viele Drogensüchtige, aber die würden alle ausreichend staatliche Unterstützung bekommen. Die zahllosen Videoüberwachungshinweise an allen Eingangstüren sprechen zwar eine geringfügig andere Sprache, aber was solls. Ich habe das Viertel in Bahnhofsnähe noch von meinem ersten Besuch als recht rau in Erinnerung.

Nach einer kleinen Stärkung breche ich zu einer kurzen Nachtfototour auf.
Ohne Baustelle geht’s nicht
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Die Ankerbrua bietet sehr hübsche Statuen
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Ein paar Eisreste an der Akerselva…
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…und ein paar moderne Bürogebäude.
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Auch zu später Stunde an diesem Donnerstag sind die Trambahnen noch sehr gut gefüllt. Die jungen Menschen genießen die endlich wiedergewonnene Freiheit. Eine Tram hält, zwei kommen angerannt, trauen sich aber zunächst nicht, vor der Tram die Gleise zu überqueren. Sie bleibt noch stehen und nach 15 Sekunden trauen sie es sich doch. Kaum sind sie auf dem Bahnsteig, fährt die Tram ihnen vor der Nase weg. Ganz schön gemein.
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Zum ersten Mal sehe ich einen Supermarkt, der nur SB-Kassen hat. Da bin ich eine Weile beschäftigt, bis ich das ganze Obst und Gemüse aus dem Menü ausgewählt habe…
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 9 Oslo

Ein sonniger Tag begrüßt mich, schon wieder sind die Temperaturen deutlich im Plusbereich.
Jakob kirke
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Junge Männer im pinken Foodora-Outfit sausen mit ihren Pedelecs über den Bürgersteig. Eine Buslinie vor meiner Haustür fährt direkt bis Tjuvholmen, einem Neubauquartier am Oslofjord. Ich bin der einzige Fahrgast an der Haltestelle und winke den Bus lieber heran, denn Norwegen gehört neben Tschechien und der Slowakei zu den Ländern, in denen schon mal ein Fahrzeug mit 50 km/h an mir vorbeigefahren ist, weil ich kein Handzeichen gegeben habe.
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Eine bunte Mischung aus MAN, Solaris und VDL Elektrobussen ist in der Stadt unterwegs, wobei letztere noch in der Minderheit sind. Ich habe nur ein paar Minuten, um mich in Tjuvholmen umzusehen, ein Stadtviertel, dass auf künstlich aufgeschüttetem Land entwickelt wurde, ehe ich zum Fähranleger muss. Die Sonne kann zumindest im Hafenbecken nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Bild im Winter entstanden ist.
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Eine Rikscha weit entfernt von ihrer Heimat, da kommen gleich Erinnerungen auf…
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Osloer Stadtmusikanten
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Einmal pro Stunde verbindet eine Fähre Aker Brygge mit den vorgelagerten Inseln. Mein heutiges Ziel ist Hovedøya. Wo genau fährt die nun ab?
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Die erste ist ikke i traffik, die nächste überquert den Fjord nach Nesoddtangen und oh, dahinten gibt es ja noch einen Anleger. Ich habe weniger als zwei Minuten und dummerweise ist eine Baustelle so im Weg, dass ich noch mindestens 300 m laufen muss. Also nehme ich die Beine schleunigst in die Hand – ohhh, vorsichtig, da im Schatten des Bauzauns ist es ganz vereist – und sehe, wie die Rampe gerade eingefahren wird. Doch der Fährmann ist nett, sieht mich herbeistürmen, fährt sie nochmal aus und winkt mir zu, unter dem bereits ausgelegten Absperrband durchzukriechen. Man kann auch mal Glück haben.
Ein paar Relikte erinnern an die vergangene industrielle Nutzung des Geländes – das Logo des lokalen Verkehrsbetriebs Ruter ist übrigens ein simpler Hashtag (für die Digitalen) oder Kreuz (für die Musiker).
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Auch ein paar Einheimische nutzen den sonnigen Tag für einen kurzen Spaziergang auf der Insel, die nur wenige Minuten Fahrt vom Zentrum entfernt ist.
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Dort befinden sich die Ruinen eines Klosters aus dem Jahr 1147, welches 1532 niedergebrannt und dann als Quelle für Baumaterial für die Festung Akershus genutzt wurde. Daher finde ich es umso erstaunlicher, wie viel fast 500 Jahre später noch vorhanden ist.
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Einige Stellen sind noch böse vereist
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Ich lasse den Blick über den Oslofjord schweifen, das Gebäude rechts im Bild ist das Museum für moderne Kunst (und so sieht es auch aus).

Schließlich laufe ich dann noch bis ans andere Ende der Insel.
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Das ist mal ein attraktiver Standort für eine Bank
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Am Ostende ist das geschäftige Treiben des Hafens gut vernehmbar.
Ein Tw der BR 73 rollt vorüber
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Es folgt ein modernisierter Tw der BR 69
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Und da oben fährt auch eine Tram, das merke ich mir gleich mal für später.
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Kreuzfahrtschiffe lassen die Häuser daneben immer wie aus einem Diorama erscheinen…
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Die Oper, welche ein bisschen an ein Schiff erinnert und deren Dach man jederzeit besteigen kann
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Festung Akershus, die Backsteintürme dahinter sind das Rathaus
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Dann laufe ich zurück zum Fähranleger.
Während ich warte, spricht mich ein mittelalter Mann an. "Can I ask you something?” Englisch mit einem Akzent, den ich nicht wirklich zuordnen kann. Vielleicht was Osteuropäisches. «Do you know where I can ask for a job for the boats?” Dabei deutet er auf die zahlreichen Boote, die hier zur Reparatur aufgebockt sind. Zahlreiche Werkzeuge und leere Behälter unbekannten Inhalts liegen herum, den Geruch nach Farbe habe ich zuvor wahrgenommen und ein Hinweisschild warnt vor kontaminiertem Boden im gesamten Hafenbereich. Kinder sollten ferngehalten werden und Kontakt mit der Erde vermieden werden.
Leider habe ich keine Ahnung, im Gegensatz zu den bootsvernarrten Norwegern habe ich ja keins. Die Fähre kommt, ein paar Ausflügler gehen von Bord, ein paar an Bord, dann legt die Fähre wieder ab. Ein junges Pärchen kommt angerannt, der Kapitän ist gnädig, legt nochmal an und lässt sie einsteigen. Deutsche, aber ohne Maske. Was ist da los?

Nochmal Rathaus und Festung
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Rathaus und Tram
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Die Haltestelle fügt sich gut in die Umgebung ein.
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Nach ein paar Minuten kommt die Tram, vor mir steigen zwei mit FFP2-Maske ein. Ah, sind dieselben vom Schiff. Klischee gerettet. Fairerweise muss ich noch anmerken, dass in der gut gefüllten Tram noch mehr Deutsche sind, die aber keine Maske tragen. Interessant finde ich persönlich auch nach einigen Tagen Beobachtungen, dass die wenigen Maskenträger sehr bunt gemischt sind. Alte wie Junge, Einheimische wie Fremde, Dicke wie Dünne. Ich kann keinen klaren Unterschied mehr erkennen, wie noch letzten Sommer in Schweden.

Später breche ich zum Sonnenuntergang auf.
154 und 117 an der Nybrua
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101 vor dem Bahnhof
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Ich nehme die Tram Richtung Ljabru, einer Endstation im Südosten, in einem Wohnviertel über dem Oslofjord. In der Innenstadt sind Busse und Trambahnen unglaublich langsam, was sicher daran liegt, dass wirklich jede einzelne Kreuzung alle 100 m eine Ampel hat und eine Vorrangschaltung gar nicht so gut sein kann, um die alle auf Kurs zu bringen. Es wäre wohl die Quadratur des Kreises, Entschuldigung, ich meine natürlich die Haltestelle Kvadraturen. Die Innenstadt von Oslo ist leider nicht flächendeckend verkehrsberuhigt, abgesehen von der Einkaufsstraße Karl Johans Gate, die vom Hbf zum Nationaltheater führt, gibt es fast nur Asphaltwüsten.
Die Dronning Eufemias Gate, welche von Süden zum Hbf führt, ist während der HVZ für den MIV gesperrt. Ziel dieser temporären Straßensperrungen, die in Oslo auch an anderen Stellen schon probiert wurden, ist eine Beschleunigung des Busverkehrs. Soweit ich das aber gesehen habe, waren da trotzdem eine ganze Menge Autos in der eigentlich verbotenen Zeit unterwegs.
https://www.aftenposten.no/oslo/i/0VwAM ... n-som-bryr
In dieser Straße hat die Tram zwar ihre eigene Trasse, doch auch dort bremsen die vielen Ampeln sie aus. Später führen die Gleise dann auf eine eigene Trasse, doch ein gutes Stück gilt vMax 10 bis 20, warum, kann ich nicht erkennen. Möglicherweise gibt es Gleislageprobleme, genau wie mitten auf der Kreuzung vor dem Hbf, wo sich eine 0,5 La hervorragend macht, wenn dann die Räumzeiten nicht mehr ausreichen und die Tram mitten auf der Kreuzung feststeckt und alles blockiert. Ampfingstraße lässt grüßen.
Immer wieder gibt es von der Strecke tolle Blicke über den Fjord und bald wird es dann auch eine Schnelltramstrecke, die den Namen verdient und 70 km/h sind erlaubt. Die Haltestellenabstände sind riesig und BÜ sichern das schnelle Vorankommen. Ich fahre bis zur Endstation, frage mich, wozu eigentlich das zweite Gleis an der Schleifeneinfahrt dient und sehe es sogleich.
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Offenbar sind aufgrund von Verspätungen die Fahrzeuge der beiden Linien in der falschen Reihenfolge angekommen und so muss eines der Fahrzeuge in der Ausweiche warten, bis das andere überholt hat, da die Schleife und die Haltestelle nur eingleisig sind. Für die Fahrgäste, die so lange im Fahrzeug warten müssen, ist das natürlich unerfreulich.

Ich fahre ein paar Haltestellen zurück und was sehe ich da – ein nagelneuer Urbo steht in der Zwischenwendeschleife Bråten. Ich erinnere mich dunkel, dass Oslo nun endlich Neufahrzeuge bestellt hat, da ein Großteil der Flotte noch immer hochflurig ist und außerdem dem Fahrgastaufkommen nicht ansatzweise gewachsen.
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Die Gleislage in der Schleife sieht auch nicht mehr optimal aus
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122 kommt angebraust
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In Oslo verkehren bis auf vereinzelte Fahrten mit den nagelneuen Urbos nur zwei Wagentypen – die nicht kuppelbaren, hochflurigen 22 m kurzen SL-79 von Duewag/ABB…
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…und die 33 m langen Zweirichtungswagen SL-95 von Ansaldobreda.
Letztere sind 70% niederflurig und haben asymmetrisch angeordnete Türen mit einem Mehrzweckbereich gegenüber.
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Die Sitze sind gemütlich gepolstert und die Wagen gut beheizt, was ihre Nutzung für mich zum Ausruhen zwischendurch attraktiv macht.
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Bei beiden Fahrzeugtypen durfte die erste Tür zum Zeitpunkt meiner Reise trotz Aufhebung sämtlicher Corona-Restriktionen nicht genutzt werden, da der Fahrer davor keinerlei Abtrennung zum Fahrgastraum hatte.

In den nächsten Jahren sollen beide vorhandenen Wagentypen durch 34 m lange Urbos abgelöst werden.
Die Strecke erinnert mich an die nach Grünwald, denn hier wohnen definitiv die Gutverdiener.
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Wenig später kommt der Urbo…
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…dann suche ich den auserwählten Aussichtspunkt auf. Von Sonnenuntergang kann keine Rede mehr sein, es ist komplett zugezogen.
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Also steige ich ab, überquere die Bahnstrecke, auf der ich gestern Abend angekommen bin…
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…und laufe bis zur Brücke auf die Insel Ulvøya.
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Sie ist so schmal, dass sich darauf keine zwei PKW begegnen können und ich mich ans Geländer pressen muss, als der Bus kommt.

Zuerst plane ich, unten an den Bootsanlegestellen einem Trampelpfad zu folgen, doch es gibt einige vereiste Stellen, die ich in der hereinbrechenden Dunkelheit bald nicht mehr erkennen werde und das Stativ macht das Balancieren auf dem schmalen Pfad nicht einfacher. Da folge ich lieber der Straße, stelle fest, dass glücklicherweise ein Bus von 6 bis 24 Uhr im Halbstundentakt bis hierher fährt (es gibt sogar einen kleinen Supermarkt an der Bushaltestelle und der wird rege besucht)…
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…und erreiche schließlich auch den Aussichtspunkt zwischen den Häusern. Der Ausblick zur blauen Stunde ist magisch, ist schon ein genialer Wohnort hier.
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Nach rund einer Dreiviertelstunde laufe ich zurück zur Haltestelle und frage mich, ob hier eigentlich jemand mit dem Bus fährt. Vermutlich hat hier jeder mindestens zwei Autos zur Auswahl. Doch tatsächlich sind es außer mir noch sieben weitere Fahrgäste, die einsteigen. Der nagelneue Solaris scheint ein bisschen zu zicken, denn der Fahrer muss den Bordrechner offenbar neu starten, ehe die Fahrt leicht verspätet starten kann. Auf den schmalen Straßen müssen immer wieder umständliche Ausweichmanöver mit dem Gegenverkehr praktiziert werden. Eine Frau läuft die Straße hinunter, der Busfahrer hält an und bietet ihr an, mitzufahren. Sie willigt gerne ein.
Wieder auf der Hauptstraße steigen fast alle an der nächsten Station aus. Und warum, verstehe ich auch kurze Zeit später. Der Bus fährt noch eine Schleife über die nächsten beiden Inseln und dann noch durch das Hafengebiet, sodass man mit Umstieg wesentlich schneller im Zentrum ist. Ich habe Zeit, bleibe sitzen und sehe zu, wie mit jedem Ausweichmanöver die Verspätung anwächst, von 2 auf 3 auf 4 Minuten. Dass der Fahrer an einigen Haltestellen anhält und die Türen öffnet, obwohl dort niemand ein- oder aussteigen will, verbessert die Situation natürlich nicht. Ich habe das Gefühl, dass die Türöffnung erst mit einigen Sekunden Zeitverzug erfolgt, dafür dann mit viel bunten Lichtern. Rot, sobald jemand die Haltewunschtaste drückt, Grün, sobald die Türen freigegeben sind, Rot beim Schließen, dann Weiß, dann dunkel. So viel Weihnachtsbeleuchtung dafür, dass man länger braucht. Schöne neue Technik… Die Fahrgastinfo muss zwischendurch auch mal neu starten, der Ubuntu Startbildschirm wird sichtbar, dann zeigt sie aber wieder die nächsten Haltestellen an. Mit +5 wird dann endlich der Hbf erreicht.
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Jemand hat auf einen E-Roller zwei weitere Roller quer draufgestellt und fährt so durch die Gegend.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 10 Oslo

Ich starte den Tag in der Festung Akershus und setze mich dort auf einer Bank in die Sonne. Die Festung stammt mutmaßlich vom Ende des 13. Jahrhunderts und wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrfach belagert, da Norwegen und Schweden ständig im Clinch lagen.
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Die Festung wird auch heute noch teilweise militärisch genutzt.

Blick über den Hafen…
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…und in den Fjord
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Blick über den Rathausplatz zur Skisprungschanze Holmenkollen
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Bis 1980 führte eine Eisenbahnverbindung von West nach Ost über diesen Platz.
https://digitaltmuseum.no/011014896710/ ... bakgrunnen
Außerdem gibt es die Tram hier erst wieder seit 1995, nachdem sie in den 60er Jahren dem Autoverkehr geopfert wurde. Die Straße verschwand in einem Tunnel.

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https://digitaltmuseum.no/011012640808/ ... husplassen
Auch hier ist noch das Gleis der Verbindungsbahn zu sehen.

Straßenszene – das gelbe Hinweisschild auf den nächsten Luftschutzkeller ist mir erst bei der Sichtung aufgefallen und bekommt vor dem Hintergrund des wenige Tage nach dieser Aufnahme ausgebrochenen Krieges gleich eine völlig andere Bedeutung.
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Dann schaue ich mir noch das Rathaus an, innen wie außen ein interessantes Gebäude, dessen architektonischer Entwurf von 1930 stammt, die Fertigstellung sich aber aufgrund des 2. Weltkriegs bis 1950 verschob.
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Holzschnitzereien mit Fabelwesen schmücken die Wand
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Die vielen Stufen werden von Skatern bevölkert
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106 vor dem Nobel Peace center
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Das mächtige Gebäude von der Rückseite
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Inzwischen hat sich die Sonne weitgehend verabschiedet und nach einem Spaziergang zum Nationaltheater mit mehr oder weniger überraschenden Fahrzeugen…
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…an der Uni vorbei…
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…durch moderne Passagen…
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…entlang Baustellenzäunen mit klugen Sprüchen…
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…zum St. Olavs plass mit dem weithin sichtbaren Kunstwerk…
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…laufe ich wieder zurück zur Tram mache noch eine kleine Rundfahrt.
141 bei Tullinløkka
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Es folgt 136
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170 in Gegenrichtung
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Durch dichte Bebauung führt die Strecke bergauf und endet schließlich am großen Krankenhaus Rikshospitalet. Da es dort keine Wendeschleife gibt, können auf den Linien 17 und 18 nur die Zweirichtungswagen von Ansaldobreda eingesetzt werden.
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Da die Strecke vor der Auslieferung der Zweirichtungswagen fertiggestellt wurde, gab es einige Zeit eine provisorische Wendeschleife.

Nach einem kurzen Fotostop fahre ich wieder zwei Stationen zurück und steige dann in die U-Bahn um.
Alles ist klar beschildert, da bleiben keine Fragen offen
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162 bei Forskningsparken
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Eigentlich ist der Name in Oslo ziemlich unpassend, denn unterirdisch fährt sie eigentlich nur im Innenstadtbereich. Die langen Außenäste sind überwiegend oberirdisch angelegt. Im Gegensatz zur Tram gibt es bei der U-Bahn nur einen Grundtakt 15.
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Das Lichtraumprofil der U-Bahn ist riesig und erlaubt 3+2-Bestuhlung.
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Interessant finde ich wieder mal die völlig unterschiedlichen Betriebskonzepte von Ringlinien, da sie immer eine Herausforderung darstellen. In Oslo verkehrt die Linie 5 von ihren beiden Endpunkten kommend einmal im Kreis und dann zum anderen Endpunkt. Dabei werden viele Stationen des Rings doppelt durchfahren und die Gesamtreisezeit beträgt über eine Stunde.
https://ruter.no/reise/rutetabeller-og- ... rt/t-bane/
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Für mich heißt es allerdings in Storo bereits wieder aussteigen und auf kurzem Weg zur Tram umsteigen.

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Der Straßenzustand im Gleisbereich ist an etlichen Stellen katastrophal. Die Strecke geradeaus nach Kjelsås war bereits für zwei Jahre stillgelegt, ehe sie dann doch wieder in Betrieb genommen wurde.

Die Tram bringt mich durch Grünerløkka, einem typischen innenstadtnahen Gründerzeitviertel durch die belebten Straßen zurück. Die Hauptachse durch dieses Quartier ist der Tram und dem nichtmotorisierten Verkehr vorbehalten, wodurch die Tram zügig vorankommt.

Eigentlich wollte ich wieder den Sonnenuntergang beobachten, doch auch heute wird nichts daraus. Nach einem kurzen Stop im Barcode-Quartier, einem Hochhaus-Neubauviertel des neuen Jahrtausends…
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…fahre ich auf den Ekeberg.
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Heute sind die Trambahnen längst nicht so voll, man merkt, dass Wochenende ist. Die Aussicht von dort kann sich jedenfalls sehen lassen, auch wenn sich das Kreuzfahrtschiff stark ins Bild drängt.
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Blick über das Barcode-Viertel
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Hafen
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Ist das Kunst oder kann das weg?
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Auf den ersten Blick begeistert hat mich dagegen dieses Werk:
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Durch die Beleuchtung wirkt die vielleicht 20 cm dicke Konstruktion enorm plastisch.

Allmählich senkt sich die Nacht über die Stadt
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Alles schläft, einsam wacht nur die angestrahlte Büste über Oslo
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Nach einigen zufriedenstellenden Bildern trete ich die Rückfahrt an.
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Eigentlich wollte ich in die Linie 12 umsteigen und noch Bilder der Festung Akershus mit Hafen machen. Doch ich müsste 9 min warten oder das Stativ annähernd gleich lange zusätzlich schleppen und so bleibe ich einfach in der Tram sitzen. Hier ist es schön warm und ich habe einen guten Platz in der ersten Reihe. Da in den Ansaldobreda-Wagen die Innenraumbeleuchtung vorne stark abgedunkelt ist, kann man gut nach draußen sehen.
Die dichte Bebauung weicht bald prächtigen Stadtvillen, die eine gewisse Gemütlichkeit ausstrahlen. Bald führt die Strecke auf unabhängigen Bahnkörper durch eine Wohnsiedlung. Schließlich stößt die Tramstrecke in Jar auf die U-Bahnlinie 3. Dort wechselt die Tram auf die U-Bahngleise und hält auf separaten Ausweichgleisen an niedrigen Bahnsteigen hinter denen der U-Bahn. Den nächsten U-Bahnhof Ringstabbek passiert die Tram mangels geeigneter Bahnsteighöhe ohne Halt und endet dann auf einem mittig angelegten, höheren Gleis am selben Bahnsteig wie die U-Bahn im Stadtteilzentrum Bekkestua. Alles in allem eine sehr interessantes bauliches wie betriebliches Konstrukt.
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Mit der nächsten U-Bahn fahre ich zurück zum Hbf.
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Christian IV wacht über den Stortorget
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Oliver-BergamLaim
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Wieder ein hochinteressanter Lesegenuss! Gibt es eigentlich spürbare Unterschiede im Preisgefüge zwischen Schweden und Norwegen (also ganz generell bei Restaurants, Lebensmitteln, Unterkünften, ÖPNV-Tickets), oder ist einfach alles pauschal als "überall gleich skandinavisch teuer" zusammenfassbar?
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Oliver-BergamLaim hat geschrieben: 05 Mai 2022, 15:20 Wieder ein hochinteressanter Lesegenuss! Gibt es eigentlich spürbare Unterschiede im Preisgefüge zwischen Schweden und Norwegen (also ganz generell bei Restaurants, Lebensmitteln, Unterkünften, ÖPNV-Tickets), oder ist einfach alles pauschal als "überall gleich skandinavisch teuer" zusammenfassbar?
Das hört man doch gern. :)

Norwegen ist deutlich teurer als Schweden. Schweden ist vielleicht etwas teurer als Deutschland, aber gar nicht mal so sehr.
Restaurants sind in Norwegen eher doppelt so teuer als in Schweden, Lebensmittel würde ich etwas teurer schätzen, Unterkünfte deutlich teurer und ÖPNV etwa gleich (und teurer als in Deutschland).

Tag 11 Oslo

Entgegen der Erwartung startet der Tag schon wieder sonnig. Zuerst versuche ich, für meinen morgigen Flug einzuchecken, da das Zeitfenster inzwischen erreicht ist. Bei Widerøe heißt es, man könne nur für Flüge einchecken, die mit Widerøe beginnen. Doch mein erster Flug bis Tromsø ist mit Norwegian, also probiere ich es in deren App. You have to check in at the airport. Und ich wollte den Arbeitsaufwand morgen früh reduzieren…
Ich spaziere erst zu einem kleinen Holzhausquartier. Das ist schon mal eine attraktive Terrasse.
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Ein Mann werkelt im Garten und spricht mich an. Dieser Weg hier wäre nicht privat, ich könne gerne durchgehen. Dabei deutet er auf ein Gartentor.
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Anschließend laufe ich weiter Richtung Tram und finde es spannend, wie schnell sich Altbauten und Beton-Glas-Komplexe abwechseln.
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129 und 133 in der Häuserschluchten am Tinghuset
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Es folgen 164 und 102
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170 passiert überlebensgroße Tauben
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Meine Tram Richtung Majorstuen kommt direkt hinter einer anderen und muss daher vor der Haltestelle warten. Ich warte auf die Abfahrt der ersten Tram, doch die zweite fährt dann einfach durch. Na toll, wofür gibt es denn überhaupt Haltestellen, wenn man einfach irgendwo anhält… Sonntags fährt die Tram nur im Takt 15, also beschließe ich, einen kurzen Fußweg zur U-Bahn in Kauf zu nehmen. Bei Majorstuen gibt es ein kleines Trammuseum. Leider sind die Fahrzeuge so dicht beieinander aufgestellt, dass man kaum dazwischen durchgehen kann. Das Zufahrtsgleis ist zugeparkt und die Oberleitung abgebaut. In Oslo finden leider keine regelmäßigen Fahrten mit historischen Fahrzeugen statt, da diese nicht mit der auf 750V erhöhten Spannung klarkommen.
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Dieses Schild am Museum ist denen der U-Bahn nachempfunden.
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Die alte Holmenkollenbahn hatte Skihalterungen außen…
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…und wird heute offenbar für Schulungen genutzt.
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Die blaue Farbgebung gehört schon seit eh und je zu Oslo, selbst als die Stadt noch Kristiania hieß (bis 1924).
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Der Versuch, auf diese olivgrün – braune Farbgebung umzustellen, scheiterte kläglich und hatte nicht lange Bestand.
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Die alten Fahrzeuge der Ekebergbanen hatten bereits einen niederfluirigen Einstieg.
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Zur Einhaltung des Lichtraumprofils in den Kurven sind die Wagenenden stark angeschrägt
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Wann kommt die nächste Tram?
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Damals, als man noch gute Sicht durch das ganze Fahrzeug hatte…
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Die kurze Geschichte des Obusses in Oslo reicht von 1940 bis 1968.
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Die amerikanische Prägung ist auch an den norwegischen Fahrzeugen der 60er Jahre nicht spurlos vorbeigezogen.
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Die U-Bahn Oslo geht aus dem Zusammenschluss und Umbau mehrerer Vorortbahnen hervor. Diese hatten durchaus bequeme Sitze…
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Dann wurde die Einrichtung etwas schlichter.
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Mit dem Zusammenschluss zur U-Bahn prägten diese orange-roten Wagen das Bild mehrere Jahrzehnte…
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…ehe dann ab 2007 die gesamte Flotte durch Neufahrzeuge von Siemens ersetzt wurde.
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Nach der Besichtigung nehme ich die U-Bahn Richtung Frognerseteren. Nanu, so viele Fahrgäste mit Ski und Schlitten? Hier liegt doch fast gar kein Schnee… Bald macht das Grau Platz für ein wenig Schnee, der stetig mehr wird.
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Kaum zu glauben, was minimale Temperaturunterschiede ausmachen können. 400 m über der Stadt liegt eine geschlossene Schneedecke und eine Winterlandschaft vom Feinsten. Am Wochenende wird der Betrieb auf der Linie verstärkt, denn von der Endstation führt eine Rodelbahn zur Haltestelle Midtstuen, wo sich der Zug mit Familien, Teenagern und Expats mit Schlitten und Skis füllt. Meine Sitznachbarn um die 14 Jahre alt unterhalten sich angeregt und bewerfen sich gegenseitig mit kleinen Eisklumpen, die sich von ihren Schlitten lösen. Im Vierer gegenüber lümmeln drei etwas ältere Teenager und starren in ihre Handys.
Die Sonne verschwindet, Wind kommt auf und erste Flocken fallen, als ich oben ankomme.
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Die Holmenkollen-Linie hat als einzige noch BÜ und höhengleiche Reisendenübergänge. Die Stromschiene endet ein paar Meter vor dem Übergang, wie man gut erkennen kann. Da es sich um Dreiwagen-Züge handelt, ist die Lücke kein Problem.

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Die meisten Bahnsteige auf dieser Linie sind außerdem zu kurz für Dreiwagenzüge und die Türen eines Wagens bleiben beim Halt verschlossen.
Das Design der Züge gefällt mir gut, die knallige Farbgebung der älteren Fahrzeuge finde ich aber besser als schlichtes Weiß, das ohnehin im Alltag zu einem schmutzigen Weiß wird.
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Da ich die nächsten Tage (hoffentlich) noch genügend Gelegenheit bekommen werde, Schneewanderungen zu unternehmen, konzentriere ich mich lieber auf ein paar Schneefotos mit U-Bahn. So oft sieht man es vermutlich auch nicht, dieses Verkehrsmittel zum Ski- und Schlittenfahren zu nutzen. Die Verstärkerfahrten kommen mir sehr gelegen, sodass sich meine Wartezeiten im frischen Wind in Grenzen halten und ich in relativ kurzer Zeit ein paar Aufnahmen in den Kasten bekomme.
3183 am Voksenkollen
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Durch den Winterwald rollt 3366 bergauf
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Ein paar Skifahrer laufen auf die U-Bahn zu, doch der Fahrer schließt vor ihrer Nase die Türen und fährt ohne einen einzigen Fahrgast ab. «Really? Really???», ruft einer der stehen gelassenen Personen hinterher. Beim nächsten Kurs ist der Ablauf ganz ähnlich, nur bekommt der schnellste noch seine Ski in die schließende Tür und der Fahrer macht nochmal auf. Dann blockiert er die Türe, bis alle auf ihren Skischuhen herbeigehumpelt kommen. Ein Paar schiebt einen Kinderwagen durch den Schneesturm auf den Bahnsteig. Oh, meine Ohren vernehmen Schwiizerdütsch.
Viele Stationen liegen in engen Bögen…
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…was zu ziemlich großem Abstand zwischen Zug und Bahnsteig führt.
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BÜ mit U-Bahn, eine Seltenheit
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Blick über die Winterlandschaft, von der man unten in Oslo nichts erahnt
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3157 bei Voksenlia
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3115 naht und ich kann dem Schneesturm entfliehen – ahhh, schön warm…
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Ein Hinweisschild zeigt dem Fahrer an, an welchen Stationen die Türen des ersten oder letzten Wagens verschlossen bleiben müssen.

Langsam füllt sich die U-Bahn, man hört ein wenig Deutsch, viel Englisch. «This Indian bread is very good», kommentiert ein Inder im Vierer gegenüber (bitte einen typischen südindischen Akzent dazudenken). «I somehow expect the T-bane drivers to wait», kommentiert eine der Frauen, die vorhin zugestiegen ist.

Bei Frøen überquert die Trasse der Holmenkollenbahn die Ringbahn und es gibt einen BÜ vor Fußgänger.
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War da eigentlich irgendwo Schnee?
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Die Vergangenheit der Strecken als Vorortbahn ist kaum zu übersehen. Früher waren diese mit Oberleitung elektrifiziert und wurden auf Stromschiene umgerüstet. Außerdem wurden die Bahnsteige, wo möglich, verlängert.
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Ab Majorstuen nehme ich die Tram. Die ersten beiden Sitzreihen sind abgesperrt und neben dem Fahrer sitzt eine weitere Frau, die ein kleines Schaltpult mit einem roten Nothaltknopf in den Händen hält. Das Kabel zu diesem Schalter führt irgendwo in die Deckenverkleidung. Vermutlich ist sie die Fahrlehrerin. Gaaanz vorsichtig fährt der Fahrer los, bremst immer sehr rechtzeitig ab. Nach zwei Haltestellen setzt sich die Fahrlehrerin mit dem Schaltpult in die erste Reihe und zieht sich somit etwas zurück, um den Fahrer allein fahren zu lassen. Es ist wirklich sachte unterwegs, hat aber auch keine einfache Strecke durch viele enge Straßen mit engen Bögen und der leichte Schneefall macht die Schienen der bergauf, bergab führenden Schienen rutschig. Der Fahrer sandet großzügig und steuert die bald gut gefüllte Tram mit Bedacht durch den Verkehr. Entgegenkommende Fahrzeuge grüßt er nur kurz, so als würde er sonst die Kontrolle verlieren, obwohl die rechte Hand ohnehin nur auf einem Haltegriff ruht. Aber schließlich bringt er mich sicher ins Altbauviertel Grünerløkka, das ich gestern durchquert habe und wo ich einige nette Cafés aus dem Fenster gesehen habe.
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Paulus kirke
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Irgendein Angebot gibt es in diesem Geschäft, entnehme ich zumindest den roten Hinweisen.
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Nach einer Stärkung fahre ich noch die Strecke bis Grefsen Station ab, allmählich weichen die Cafés Schnellimbissen.
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In Torshov entdecke ich einen Rest des Sagene Ring, einer weiteren Strecke von hier in die Innenstadt.
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Am Ende an der Grefsen station gibt es ein Depot und die Tram fährt als Linienwechsler weiter und über eine andere Strecke zurück in die Stadt.
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Inzwischen schneit es stark, endlich erhält der Winter auf meiner Reise Einzug. Besser spät als nie.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Sehr geehrte Leser, leider hat sich die Weiterfahrt des Reiseberichts um wenige Tage verspätet. Grund hierfür war die Belegung des Streckenabschnitts durch eine andere Reise. Wir bitten um Entschuldigung.

Tag 12 Oslo → Vadsø

Der Wecker klingelt früh, viel zu früh. Ich schmeiße die letzten Sachen in meinen Koffer und breche zum Bahnhof auf. Ein wenig Schnee liegt auf dem Bürgersteig.
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Schon wieder gaukelt mir die Interrail-App vor, dass der Regionalzug zum Flughafen reservierungspflichtig wäre, obwohl er das nicht ist. Und dass die App mit «funktioniert auch offline» wirbt, stimmt auch nicht. Die Fahrplanauskunft zwar schon, aber um meine Fahrt zu aktivieren und einen gültigen Fahrschein zu erhalten, braucht sie Internet. Es ist zwar nur eine kurze Fahrt für einen Reisetag, aber da ohnehin einer übrig bleibt und die Einzelfahrt rund 14€ kostet (der nicht im Interrailpass inbegriffene Flytoget kostet sogar 21€, obwohl er gar nicht schneller als der Regionalzug ist, aber zumindest öfter fährt), lohnt sich die Aktivierung für mich. Einige Fahrgäste holen den zu kurzen Schlaf der letzten Nacht nach.
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Eigentlich war geplant, hier auf Niklas und Fredi zu stoßen, die gestern spätabends aus München hergeflogen sind und sich die Nacht am Flughafen um die Ohren geschlagen haben. Die nächsten zehn Tage werden wir als eingefleischte Winterliebhaber gemeinsam verbringen.
Doch am Ende hat sich herausgestellt, dass ich einen Flug um 08:00 Uhr und sie einen um 08:05 Uhr gebucht haben. Tatsächlich fliegen sozusagen im Blockabstand gleich zwei Flugzeuge hintereinander von Oslo nach Tromsø. Mein Flug startet pünktlich, wir bekommen eine Enteisungsdusche und dann geht’s auch schon los. Der Blick aus dem Fenster wird bald vielversprechend. Als sich die Wolkendecke lichtet, kommen tief verschneite Hügelketten in Sicht, die von der tief stehenden Sonne angestrahlt werden.
In Tromsø geht es nach nur einer halben Stunde auch schon weiter. Es ist eine winzige Propellermaschine und ich vermisse meine beiden Reisekollegen. Doch ohne mobiles Internet keine Kommunikation, die Tür wird geschlossen und… Ach du Scheiße. Das Ding klingt absolut nicht vertrauenserweckend und als wir dann starten, dröhnt und vibriert die Maschine mindestens dreimal so heftig wie ein 612er im Großraum. Naja, runter kommen sie alle, nicht wahr?
Das kleine Flugzeug ist zu rund zwei Dritteln gefüllt. Die Flugbegleiterin packt Getränke und Knabberzeug auf den Trolley und geht damit durch den Gang. Doch niemand kauft etwas auf dem nur 45 min. kurzen Flug und so räumt sie alles wieder in den vorgesehenen Stauraum. Dann geht es für einen Zwischenstop runter nach Alta. Rund die Hälfte steigt aus, ein paar wenige zu. Die Maschine wird nachgetankt, dann erwachen die Propeller wieder zum Leben und füllen die Kabine mit ohrenbetäubendem Lärm. Unberührte, eisige Weiten ziehen unten vorbei. Dieses Mal macht sich die Flugbegleiterin nicht die Mühe, erst alle Getränke und Snacks auf den Trolley zu laden, sondern geht einfach durch die Reihen, um nachzufragen, ob jemand etwas haben möchte. Doch wieder verkauft sie nichts. Stattdessen bietet sie jedem eine kleine Schokolade an und begrüßt den einen oder anderen Passagier persönlich. Hier geht es beschaulich zu, man kennt sich.
Kaum oben, geht es schon wieder abwärts, das Meer erscheint neben der Schneelandschaft fast schwarz. Erst denke ich, die endlose Schwärze wird das Flugzeug verschlucken, doch dann taucht plötzlich die Landebahn auf und ich bin am Ziel. Drei Minuten später ist mein Koffer auf dem Gepäckband. Das gesamte Terminal hat die Größe einer Wohnküche, mittendrin steht der Metalldetektor und im Raum nebenan ist die Küche und Aufenthaltsraum für das Personal. Wenige Minuten später tritt die Propellermaschine bereits den Rückflug an.
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Doch was jetzt? Meine Mitreisenden haben den Mietwagen gebucht und der Flughafen ist ein paar Kilometer außerhalb der Stadt. Wieder mit Internet versorgt, erfahre ich nun endlich, was eigentlich los ist. Der Flug um 08:05 aus Oslo hatte +40, da die Crew Corona hatte, weswegen sie den Anschluss verpasst haben und erst in fünf Stunden mit dem nächsten Flug ankommen werden. Kleiner Unterschied bei der Abflugzeit, großer Effekt. Aber ich habe schon wieder Glück – genau einmal am Tag kommt der Bus von Vardø, dem letzten Kaff vor dem arktischen Ozean, hier am Flughafen vorbei und fährt über die Stadt Vadsø nach Tana.
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Für die fünf Minuten Fahrt bezahle ich 6€, ziehe meinen Koffer durch den Schnee erst zum kleinen Supermarkt, dann zur Unterkunft. Dort stehe ich erstmal vor verschlossener Tür. Zum Glück geht die Vermieterin gleich ans Telefon, denn sie hat sich beim Datum geirrt und uns erst für übermorgen erwartet.
Doch das Problem lässt sich zum Glück schnell und unkompliziert lösen und die 18° drinnen sind doch die bessere Alternative zu -5° draußen. Nachdem ich mich sortiert habe, verbleibt mir noch eine knappe Stunde Tageslicht und ich ziehe sogleich los. Es weht ein eisiger Nordostwind, der mir trotz sehr warmer Kleidung zu schaffen macht. Doch der Ausblick ist es wert – endlich Winter, endlich Schnee! Die schwarzen Wolken kündigen Schnee an, der bereits auf dem Rückweg zu fallen beginnt.
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Die Dämmerung zieht sich ewig hin, während kräftig Schnee fällt. Es ist ein wahrer Wintertraum.

Ich unterhalte mich mit der Vermieterin. Sie beschwert sich, dass sie ständig Schnee schippen müsse. Vor nicht allzu langer Zeit wäre er einmal über Nacht mehr als kniehoch gefallen. Als sie endlich fertig war, wäre innerhalb von wenigen Stunden nochmal so viel Schnee gefallen. Als ich ihr sage, dass ich seit meiner Kindheit Schnee und Schnee schippen liebe, schüttelt sie nur verständnislos den Kopf. Hier würde jeden Winter so viel Schnee fallen. Als Entschädigung für das verwechselte Buchungsdatum bekommen wir eine Tafel Schokolade und zwei Fläschchen selbstgebrannten Schnaps – eine große Ehre in Norwegen, wo Alkohol außerordentlich teuer ist.
Nach weiterer Verzögerung durch Coronafälle beim Flugpersonal schaffen es meine beiden Mitreisenden doch noch ans Ziel – fast 21h nach ihrem Start in München.

Hinweis: Die nächsten Tage beinhalten ausschließlich Begierdeobjekte abseits von Gleisen. Wer sich dafür nicht interessiert, kann bei Tag 21 wieder einsteigen.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 13 Vadsø

Der Tag beginnt kalt, aber sonnig. Wir brechen zur Insel Store Vadsøya auf, die dem Ort vorgelagert ist.
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Gleich zu Beginn packen die beiden ihre Ferngläser aus und nehmen all die Vögel unter die Lupe, die im Wasser herumschwimmen und auf Felsen sitzen. Größtenteils sind es Möwen, aber auch Eiderenten. Im Kies des Ufers werden irgendwelche braunen Vögel gesichtet, die ich erst wahrnehme, nachdem ich mir das Fernglas ausleihe. Es entbrennt eine Diskussion darüber, ob es sich um Alpenstrandläufer oder Meeresstrandläufer handelt. Ein durchaus bedeutender Unterschied, denn genauso wie ich alljährlich meine abgefahrenen Eisenbahnstrecken und besuchte Trambetriebe auf Karten markiere, tragen die beiden in ihr Vogelbestimmungsbuch ein, welche Vögel sie wann und an welchem Ort zum ersten Mal gesichtet haben. Ich mache jedenfalls ein paar Fotos, um sie später nochmal in Ruhe analysieren und bestimmen zu können.

Auf der Insel sehen wir zahlreiche Hasenspuren. Doch eine Sichtung des Schneehasen wäre eher selten, meint Fredi.
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Keine fünf Minuten später hoppeln zwei durch den Schnee.
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Der Spaziergang durch den Schnee ist angenehm, denn im Gegensatz zu gestern ist es windstill und die Sonne wärmt zumindest ein wenig. Durch den niedrigen Stand wirkt es so, als würde sie innerhalb der nächsten halben Stunde untergehen. Aber das bleibt den ganzen Tag so.
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Zwei Apps sagen unabhängig voneinander für heute Abend gute Chancen auf Polarlichtsichtung voraus. Da kommt der klare Himmel natürlich sehr recht.

Über diese Vogelsichtung wird während des gesamten Aufenthalts am ausführlichsten diskutiert.
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Für mich als totalen Anfänger sieht es vom ersten Moment an nach Elster aus und bis zum Beweis des Gegenteils bleibt es auch dabei. Falls jemand eine abweichende Meinung hat, bitte mitteilen.

Zum Sonnenuntergang erklimmen wir den ortsnahen Hügel, welch ein prächtiges Wolkenschauspiel mit lilafarbenem Himmel und orange schimmerndem Schnee.
Erstmal den Briefkasten ausgraben…
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Fast scheinen wir schneller bergauf zu laufen als die Sonne hinter dem Horizont verschwindet.
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Rentiere wühlen im Schnee, wir haben immer wieder welche gesichtet.
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Nachdem wir wieder im Warmen sind, werden die Erwartungen an die Polarlichter gedämpft. Eine App sagt nur noch eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit hervor und auch die andere stuft die Erwartungen herunter.
Also kümmern wir uns zuerst ums Abendessen. Fredi geht vor die Haustür und meint: «Ich weiß ja nicht, ob das Milchstraße, Lichtverschmutzung oder Wolke ist oder vielleicht doch Polarlicht. Ihr könnt ja mal selbst schauen.» Zwar sind am Himmel ein paar Wolken unterwegs, aber eine nahezu perfekte Sichel über den ganzen Himmel wäre dann doch sehr ungewöhnlich. Und schimmert das nicht auch ein wenig grünlich oder bilde ich mir das nur ein? Wir gehen noch schnell ein paar Meter auf die Straße, doch neben der strahlend weißen Straßenbeleuchtung kann man vom potenziellen Polarlicht gar nichts mehr erkennen. Was soll’s, wir beschließen, dem ganzen einen Versuch zu geben, packen uns wieder warm ein und verlassen den Ort abermals Richtung Hügel. Noch auf dem Weg zwischen den Häusern sind wir uns inzwischen sicher, dass Polarlichter am Himmel zu sehen sind.
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Wenige Minuten später lassen wir die Straßenbeleuchtung zurück und werden nicht enttäuscht. Ich baue die Kamera auf das Stativ und bis das passiert ist, nimmt die Intensität der Polarlichter schon wieder deutlich ab. Wir gehen ein bisschen weiter und der grüne Schimmer wird wieder stärker. Ich mache ein paar Bilder. Nach drei Aufnahmen ist der volle Akku auf einen von drei Strichen runter, doch der grüne Schimmer ist auf den Fotos deutlich zu erkennen und sogar viel intensiver als mit bloßem Auge. Wir gehen weiter, entfernen uns ein Stück vom Ort.
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Das Schauspiel wird mal stärker und mal schwächer und dann ist für ein paar Minuten kaum etwas am Himmel zu sehen.
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Tatsächlich ist das Schauspiel zumindest heute nicht besonders hell und man kann es leicht übersehen, wenn man an einem beleuchteten Ort ist. So oder so ein ungewohntes Naturschauspiel und wir können uns sehr glücklich schätzen, es gleich am zweiten Tag erlebt zu haben.
Nach ein paar weiteren Fotos kapituliert der Akku endgültig. Zum Glück habe ich eine Kamera gekauft, die man im Betrieb mit einer Powerbank laden kann. Ups, von der zuvor voll geladenen Powerbank ist noch einer von vier Strichen übrig. -10° gefällt den Akkus offenbar nicht. Es reicht jedenfalls, um noch so lange Fotos zu machen, bis wir beschließen, dass wir wieder ins Warme wollen. Die Magie des Nordens, endlich haben wir sie gefunden.

Polarlichter entstehen übrigens durch elektrisch geladene Teilchen von der Sonne, die Sauerstoff- und (seltener) Stickstoffatome in der Erdatmosphäre anregen. Aufgrund des Magnetfelds tritt dieses Schauspiel in Polnähe häufiger auf. Man kann Polarlichter nur bei klarem Himmel sehen, gleichermaßen in hohen nördlichen wie hohen südlichen Breiten, am häufigsten in grünen Farbtönen, aber auch in rot oder selten violett. Jahreszeitabhängig sind die Sichtungen nur beeinflusst durch die Tageslänge – im Sommer kann man aufgrund der Mitternachtssonne logischerweise keine sichten, es gibt aber keinen wissenschaftlichen Beweis, dass der Februar besser als z.B. der November ist. Da die von der Sonne emittierten Teilchen etwa zwei bis drei Tage bis zur Erde brauchen, lässt sich die Wahrscheinlichkeit für Sichtungen aufgrund der gemessenen Sonnenaktivität für diesen Zeitraum bestimmen. Letztlich gehört aber immer Glück dazu – die Polarlichter sind ein Schauspiel, dessen Erlebnis man nicht kaufen kann. Eine Kollegin war etwa zwei Wochen vor meinem Reisestart eine Woche in Finnland, hat dreimal Polarlichter gesichtet und sogar in verschiedenen Farben. Die Intensität der Polarlichter wird wesentlich durch die Sonnenaktivität beeinflusst, die etwa alle elf Jahre ein Maximum erreicht, wobei das Jahr 2022 in den niedrigen bis mittleren Bereich fällt und bisher überdurchschnittlich gut für Polarlichtsichtungen ist. 2014 war das letzte Maximum und 2025 bis 26 ist mit dem nächsten Maximum zu rechnen, dann können Polarlichter durchaus auch in Deutschland gesichtet werden.
Mein Bahnjahr 2023
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 14 Vadsø

Um die Ente der Begierde zu finden, versuchen wir uns heute auf der nahegelegenen Insel Ekkerøy. Durch die tief verschneite Landschaft folgen wir der Landstraße 20 km und verlassen diese dann auf eine kleinere Straße. Ein Bagger und eine Schneefräse sind damit beschäftigt, diese freizuräumen.
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Zwei Bewohner der winzigen Ortschaft schauen uns etwas skeptisch an, während wir nach einer Stelle zum Parken suchen, ohne im Schnee zu versinken oder alles zu blockieren.
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Uff, der Wind ist ein Schock. Die -10° an sich sind nicht das Problem, aber mit einer steifen Brise vom Meer wird es trotz entsprechender Ausrüstung schnell eisig kalt.
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Überfrorene Felsen…
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…und tiefgefrorene Algen finden wir…
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…doch die Ente der Begierde können wir nicht entdecken. Dafür gelingt mir ein schönes Bild der Meeresstrandläufer, die hiermit eindeutig identifiziert und im Bestimmungsbuch abgehakt werden können.
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Also folgen wir der Straße noch ein wenig weiter, die Anzahl an Vogelsichtungen ist jedoch überschaubar. Ein Rentier quert in aller Ruhe vor uns die Straße. Wir halten bei Gelegenheit an, laufen einmal zum Meer vor und kehren anschließend um.
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Keine Viertelstunde draußen bin ich wieder ziemlich durchgefroren. Auf dem Rückweg neigt sich die Sonne schon wieder dem Horizont zu, Nebelschwaden sind über dem Meer unterwegs und der Wind treibt den Schnee über die Straße. Es ist ein fantastischer Anblick.
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Wir versuchen es nochmal auf der Insel in Vadsø, ohne Erfolg.
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Der Tipp aus dem Bird Watcher’s camp lautet, nach Båtsfjord zu fahren. Während wir von der Brücke das Wasser absuchen, hält ein Mann im Auto neben uns. «Tourists?» Kaum zu übersehen, da ich mit der Kamera um den Hals unterwegs bin. Durch die geöffnete Scheibe labert der Mann uns voll. Er stammt aus Belgien, lebt aber seit ein paar Jahren hier in der Gegend und hätte schließlich begonnen, sich für Vögel zu interessieren. Wie schon einige vor ihm behauptet er, dass wir entweder zu früh oder zu spät dran wären, um Vögel zu beobachten. Irgendwann steigt er aus und plaudert weiter, mit der Zigarette in der Hand. Später wird sich herausstellen, dass er LKW-Fahrer ist und es ihn beruflich hierhin verschlagen hat. Er deutet schließlich auf die Wasseroberfläche. Dort würde sich etwas bewegen. Niklas folgt mit dem Fernglas und entdeckt es auch. Der Mann erklärt, dass es sich um einen kleinen Wal handeln würde, der etwa die Größe eines Delfins hat. «Come in my car, and we can go and have a look at the whale!” Mir geht das auf einmal viel zu schnell, Niklas fährt aber mit. Mit Fredi gehe ich stattdessen nochmal zum Wasser und dokumentiere den Sonnenuntergang mit den Nebelschwaden über dem Meer. Wenn doch nur der Wind nicht wäre, könnte man es gut aushalten…
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Inzwischen taucht auch Niklas wieder auf und wir kehren hungrig zur Unterkunft zurück, nachdem wir die Einladung des Mannes zum Kaffee höflich zurückgewiesen und ihn endlich losgeworden sind. Die Bedingungen für Polarlichter sollen angeblich heute wieder sehr gut sein, doch da es zuzieht, macht ein weiterer Ausflug wenig Sinn.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 15 Båtsfjord

+++Eilmeldung: Russlands Truppen marschieren in die Ukraine ein+++

Der Start in den Tag beginnt mit dieser traurigen Nachricht.

Der Tagesplan lautet, der Empfehlung zu folgen und nach Båtsfjord zu fahren. Dafür stehen wir ausnahmsweise vor 10 auf. Vor uns liegen 173 km, Google Maps sagt 2h 20, ich bin da aber skeptisch. Zumindest scheint die Straße geöffnet zu sein. Draußen ist es ziemlich windig und ein wenig Schnee fällt. Zunächst geht es von Vadsø nach Westen. Wirklich gut geräumt ist die Straße nicht, immer wieder sind kleine Schneeverwehungen auf der Straße.

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Ohne besondere Zwischenfälle erreichen wir bei bedecktem, aber niederschlagslosem Wetter einen kleinen zugeschneiten Parkplatz. Der weitere Teil des Platzes ist winterbedingt gesperrt – nicht, dass man dort hinfahren könnte. Interessant ist jedenfalls, dass immer wieder abseits vom Meer Bäume wachsen, während man in Vadsø keine sieht. Windgeschützte Lagen scheinen wichtiger zu sein als etwas höhere Temperaturen. Es folgt die Tanaschlucht. Der Fluss ist komplett zugefroren. Ein Schild verkündet etwas von Konvoifahrten nach Båtsfjord. «Was war das?», fragt Fredi. Ich könnte mir vorstellen, dass man nur einem Räumfahrzeug folgend die Straße passieren kann.
Zunächst ist es eine bewaldete, offene Landschaft, später führt die Straße entlang einer steilen, verschneiten Felswand, eine traumhafte Winterlandschaft. Im abgelegenen Austertana, einem Ort mit einigen verstreuten Häusern in einem tief verschneiten, aber windgeschützten Tal, legen wir eine Pause ein. Die Einheimischen schauen uns etwas verwundert an, vermutlich sieht man hier im Winter wenig Fremde umherspazieren. Ein angeketteter Hund bellt wie verrückt und der Besitzer versucht, ihn zu beruhigen. Kaum zu glauben, dass es hier sogar eine eigene Schule und einen kleinen Supermarkt gibt - oder vielleicht genau wegen dieser abgelegenen Lage.
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Schließlich geht es weiter – allerdings nur wenige Kilometer, dann stehen einige LKW vor einer geschlossenen Schranke.
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Konvoiabfahrten finden etwa alle drei Stunden statt, wovon wir nichts gewusst haben.
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Und die nächste ist in 10 Minuten, manchmal muss man einfach Glück haben. Pünktlich auf die Minute kommt das mächtige Räumfahrzeug aus der Seitenstraße, die Schranke wird geöffnet, die rund zehn Fahrzeuge rollen hinter dem Räumfahrzeug los.
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Dann folgt am Ende ein weiteres Sicherheitsfahrzeug und die Schranke wird geschlossen. Und warum das Ganze? Das wird bereits nach wenigen Minuten deutlich. Wir kommen aus dem Windschatten und plötzlich verschmilzt die Straßenoberfläche mit dem vom Sturm verwehten Schnee. Immer wieder ist der Schnee am Straßenrand auf beiden Seiten annähernd einen Meter hoch – ohne vorausfahrendes Räumfahrzeug würde man hier nicht weit kommen. Auf langen Abschnitten beträgt die Sichtweite keine 50 m mehr, der Straßenverlauf ist minimal an den pinkfarbenen Stangen zu erkennen und hauptsächlich daran, wohin der Betonmischer vor uns fährt – die Wirklichkeit ist übrigens viel extremer, als man auf dem Bild erahnt.
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Oft rollt der Konvoi mit 30 bis 60 km/h dahin, nur ganz selten bei besseren Sichtweiten schneller. Draußen tobt der Sturm ungehemmt und selbst unmittelbar hinter dem Räumfahrzeug bringen zahlreiche Schneeverwehungen das Auto zum Schlingern. Es ist mit Sicherheit eine der extremsten Erfahrungen, die ich je auf einer Straße gemacht habe (und das sage ich nach zweimal Indien…). 24 km später ist der höchste Punkt dieser «Passstraße» erreicht, auf 320 m über Meereshöhe. Es könnten auch 3000 sein. Dort befindet sich auch die Gabelung, wo sich die Straßen nach Båtsfjord und Berlevåg trennen. Der Konvoi kommt zum Stehen, wenige Minuten später tauchen weitere orange blinkende Lampen im Sturm auf, die beiden Konvois aus der Gegenrichtung, sozusagen zum Taktknoten. Schließlich wechselt jeder in die gewünschte Richtung und langsam setzen sich die Fahrzeuge wieder in Bewegung. Es folgen weitere 25 km in ähnlichem Stil – über eine Stunde durch einen Schneesturm auf einer kaum sichtbaren Straße zu fahren erinnert mich irgendwie an ntv-Dokus über die gefährlichsten Straßen der Welt (gezeigt wurden erfahrene amerikanische LKW-Fahrer auf indischen Passstraßen im Himalaya) oder der Ice Road Truckers, die im Winter über zugefrorene Flüsse und Seen Kanadas mit ihren 40-Tonnern fahren. Dann – nach einer gefühlten Ewigkeit – lässt der Sturm nach, die Sicht wird besser. Wir passieren bald die Schranke der Gegenrichtung, können aber leider auf die Schnelle die Uhrzeiten nicht entziffern, wann sich der «vegbom» öffnet. Schlagartig beruhigt sich das Wetter, so als wäre nie etwas gewesen. Fast viereinhalb Stunden sind wir jetzt unterwegs, rund eine halbe Stunde davon war die Pause.
Wir kommen an den Fjord und die Ferngläser werden bemüht. «Stop! Zugriff!!!», ruft Niklas. Fredi parkt auf dem Gehweg, dann springen wir heraus. Nicht vergessen, das Spektiv noch auf meinem eigentlich für spätere Nachtaufnahmen mitgenommenen Stativ zu montieren und die im Wasser treibenden Vögel zu identifizieren.
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In der Mitte eine Eisente, eine recht seltene Sichtung.

Und da kommen noch mehr Enten…
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Eine Frau mit einem Stehschlitten geht an uns vorbei, natürlich mit verwundertem Blick.

Und DAAAAAA! Tatsächlich, die Ente der Begierde, die Prachteiderente, schwimmt uns vor die Linse.
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Es reicht noch für ein paar Aufnahmen und die beiden suchen weiter das Wasser ab. Doch, oh weh, was ist das? Da kommt ein Motorboot angedüst. Die werden doch wohl nicht… «Na so ein Wunder, wenn man auf die Vögel zufährt, fliegen sie weg!» Auf dem Boot macht Niklas eine Person mit Ultra-Teleobjektiv aus, dann verschwindet das Boot auch schon Richtung Meer und die Vögel aus unserem Blickfeld.
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Wir machen kurze Brotzeit im Auto und steuern noch ein paar weitere Stellen im Ort an. Möwen kreisen, doch weitere interessante Sichtungen gibt es kaum.
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Anhand des vor Anker liegenden Schiffes verstehe ich auch, was in der Unwetterwarnung unter «Icing on ships» zu verstehen ist. Es ist wirklich nahezu komplett von einer Eisschicht überzogen.
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Je weiter wir Richtung offenes Meer kommen, desto windiger wird es. Die -7° an sich finde ich nicht allzu problematisch, doch eine steife Brise dazu und ich bin innerhalb von wenigen Minuten durchgefroren.
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Wir fahren ein wenig planlos umher und parken schließlich in der Nähe der Stelle, wo wir zuerst die Prachteiderente gesichtet haben. Tatsächlich scheint der Windschatten der Bergkette der entscheidende Faktor zu sein, warum es sich hier verhältnismäßig gut aushalten lässt.
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Ein Mädchen um die zwölf im Overall sitzt auf einer Gartenmauer und winkt uns zu, während wir weiter die Wasseroberfläche absuchen und ich noch ein paar Fotos mache.
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Eine Weile sieht es so aus, als würde die Sonne noch durchbrechen, doch bald versinkt die Gegend wieder im einheitlichen Grau.

Die Konvoi-Abfahrten lassen sich nicht ergooglen, dafür findet sich eine Bäckerei, die noch eine gute halbe Stunde geöffnet hat. Vielleicht kann man uns dort ja auch bezüglich passender Abfahrtszeiten weiterhelfen. Wir versuchen unser Glück auf einen Kaffee und etwas Süßes, fahren wieder runter in den Ort und stehen vor verschlossener Tür. Also gleich zurückfahren? Wir versuchen es, stehen bald hinter drei LKW am Vegbom, der sich erst in knapp anderthalb Stunden öffnen wird. Ganz schön lange, um einfach im Auto herumzuhocken, während es draußen langsam dunkler wird. Es scheint unten im Ort auch ein Hotel zu geben, dass geöffnet ist. Also beschließen wir, abermals runterzufahren. Die Einheimischen müssen uns wohl inzwischen für bekloppt halten, drei Fremde, die mit Ferngläsern und Kamera zugange sind und den Ort rauf und runter fahren. Tatsächlich sind wir dieses Mal erfolgreich und 2,50 € für einen Kaffee sind für Norwegen wirklich ein unschlagbar günstiger Preis.
Die Deko des Restaurants reicht von einem Globus, über diverse Schiffs- und Navigationsinstrumente bis zu Soldatenhelmen. Da ist die Neugierde natürlich geweckt, was einer der Angestellten auch bemerkt. «Would you like some information?» Aber sicher. Wie ganz Norwegen war Båtsfjord im 2. Weltkrieg durch die Nazis besetzt. Dort wurde ein russisches U-Boot 1943 von den Nazis versenkt, und die Überreste hat ein Fischer viele Jahre später geborgen. 1944 wurde außerdem ein deutsches Schiff durch einen Bomber auf Grund gelegt und dessen Laterne gehört ebenfalls zu den Ausstellungsstücken in jenem Restaurant, der eingravierte Reichsadler noch gut zu erkennen.
Der Typ mit Ultra-Teleobjektiv, dessen Boot der Mann gesteuert hat, der uns gerade die Geschichte erzählt, ist ein Star-Fotograf aus Finnland und für eine Woche in der Gegend unterwegs (was uns angesichts der verjagten Prachteiderente überhaupt nicht besänftigt). Ich erinnere daran, dass wir einen Konvoi zu erwischen haben, da wir sonst weitere zwei Stunden warten müssen. «Die Norweger haben auch die Fähigkeit, genau den Moment für Konversation zu erwischen, in dem man eigentlich dringend etwas anderes tun möchte», kommentiert Niklas später, als wir zwei Minuten vor der Konvoiabfahrt wieder hinter ebenjenem Betonmischer stehen, der schon auf der Hinfahrt vor uns unterwegs war.
Inzwischen ist es fast völlig dunkel und kaum haben wir die Schranke passiert, finden wir uns wieder auf einer sturmumtosten Straße wieder, die im Schneetreiben zeitweise gar nicht erkennbar ist. Nur der Betonmischer weist uns den Weg. Eine gute halbe Stunde später erreichen wir die Weggabelung, die Konvois sind viel länger als heute Mittag. Wenn die Sichtweite mal mehr als 50 m beträgt, kann man diese Fahrt fast schon als nettes Abenteuer ansehen.
Zwei Fotostops legen wir auf der Rückfahrt ein, zuerst fällt mir eine grell erleuchtete Skipiste ins Auge, die auch die Silhouette des Berges erkennen lässt.
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Später halten wir dann noch an der Brücke über die vollständig zugefrorene Tana – an diesem Ort hatte es bis vor wenigen Tagen (vor unserem Besuch) regelmäßig Temperaturen von -20°.
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Auf der Rückfahrt sind wir etwas schneller, nach knapp vier Stunden am Ziel. Ein weiter Weg, doch die Prachteider-Erstsichtung ist ein großer Erfolg für die Vogelexperten. Ich dagegen habe mir das irgendwie anders vorgestellt, in eher größerer Zahl und näher am Ufer, nicht nur zwei Vögel mit dem Fernglas kurz beobachten, bevor sie wieder aus dem Blickfeld verschwinden.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 16 Vadsø → Alta

Nachdem wir gemütlich gefrühstückt haben, brechen wir auf die nächste Etappe auf. Knapp 450 km klingt zwar nicht nach extrem viel, doch die Etappe hat es in sich.
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Zunächst fahren wir bis Tana, überwiegend im Schneetreiben und dann folgen wir fast 200 km der Tana-Schlucht nach Südwesten, wo sich das Wetter beruhigt. Die verschneite Straße wird bald sehr einsam, nur noch alle paar Minuten kommt uns ein anderes Fahrzeug entgegen. Wir halten an, um uns ein wenig umzusehen, stapfen durch den knietiefen Schnee und erfreuen uns am Winter.
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Aber wo bleibt die Sperbereule? Diese Erstsichtung wäre für Niklas und Fredi das große Highlight. Nur die Chancen auf eine Sichtung stehen nicht gut – selbst wenn ein Exemplar da wäre, müsste man einen 40 cm großen, schwarz-weiß gesprenkelten Vogel in dieser Landschaft erstmal erkennen…

Weiter geht’s, immer weiter durch diese unfassbar schöne Winterlandschaft, die einfach nie enden mag. «Stoooooooop! Da!!!!!!! Was war das? Das ist zu groß und zu hässlich für ein Pferd.» Wir fahren ein paar Hundert Meter zurück, um nachzusehen. Und tatsächlich, ein Elch und das Jungtier verschwinden hinter dem nächsten Gebüsch. Leider gelingt mir kein Bild mehr, selbst mit dem Fernglas sind die Elche nur noch mühsam zu erkennen. Wir lassen es gut sein, denn Elche mit Jungtieren können äußerst aggressiv werden, wenn sie sich bedroht fühlen und außerdem – wenn man bei jedem Schritt bis zum Knie oder gar Oberschenkel im Schnee versinkt, kommt man nur im Schneckentempo voran.

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Kurzzeitig wird die Wolkendecke bunt, es scheint so, als könnte sich die Sonne hervortrauen, doch schließlich wird der Himmel wieder grau. Noch eine letzte Pause, während sich die anbrechende Dämmerung ewig lange hinzieht.
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Ein Hund bellt uns aus seinem abgesperrten Bereich an wie wahnsinnig, während wir den einsamen Hof an der Straße durchqueren. Irgendwie kommen wir uns immer komisch vor. Ist das eigentlich eine öffentliche Straße oder nicht? Wir sind uns nicht sicher und kehren schließlich um. Einige Kühe stehen im Schnee auf der Weide und die restlichen Vierbeiner werden auch sehr neugierig. Viele Gäste kommen hier wahrscheinlich nicht vorbei…
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In Karasjok verlassen wir die Tana-Schlucht. Die blaue Stunde wird dunkler und dunkler und plötzlich setzt wieder dichtes Schneetreiben ein. Das Wetter wechselt schnell und kann die bisher relativ entspannte Fahrt wie aus dem Nichts wieder sehr anspruchsvoll machen. Mal wieder ist die Straße abschnittsweise kaum zu sehen, nur eine weiße Fläche zwischen den reflektierenden Stäben im Schnee, die den Räumfahrzeugen die Richtung weisen. Zwei Schneefräsen kommen uns entgegen und als wir uns wieder dem Meer nähern, beruhigt sich das Wetter auf einmal wieder. Hier ist nun etwas mehr los, aber immer noch unglaublich wenig Verkehr verglichen mit deutschen Bundesstraßen.
Wenig später kommt auch schon die erste Pausengelegenheit mit Blick auf das zugefrorene Meer. Welch eine tolle Stimmung.
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Mit Pausen und auf der kurvigen Landstraße verfliegt die Zeit geradezu, der Abend schreitet voran. Einen weiteren Stop gönnen wir uns auf einem Parkplatz fernab jeglicher Zivilisation unter einem Sternenhimmel, der zum Staunen bringt. Ich probiere mich an Aufnahmen, doch das ist freilich nicht ganz so simpel und nach rund zehn Minuten ziehen von Westen Wolken auf. Innerhalb weniger Minuten ist der gesamte Himmel bedeckt.
Weiter geht’s, bald schneit es wieder, dann hört es wieder auf. Kurve um Kurve, Hügel um Hügel nähern wir uns dem nächsten Etappenziel. Letztlich brauchen wir mehr als achteinhalb Stunden, doch der Weg ist das Ziel. Dankenswerterweise haben Supermärkte in Norwegen fast überall bis 23 Uhr geöffnet, wir versorgen uns für das wohlverdiente Abendessen und lassen den Tag ausklingen.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 17 Alta

Unser heutiges Ziel ist das Alta Museum, wo Felsschnitzereien ausgestellt sind. Der Großteil ist im Außenbereich und freilich unter tiefem Schnee bedeckt und daher nicht sichtbar. Dafür gibt es Eisskulpturen.
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«Oh, ich habe ja gar keine Maske dabei», bemerkt Niklas wenig begeistert, als uns ein Museumsbesucher mit Maske entgegenkommt. Es folgen zwei weitere, ebenfalls mit Maske. Sagt mal, hat jemand von euch gehört, ob die Deutsch sprechen?, frage ich. Doch wir werden uns nicht darüber einig, auch wenn die für mich nach absoluten Klischee-Deutschen aussehen. So oder so, wir gehen einfach ohne Maske rein. Ein junger Mann hinter der Kasse hat ebenfalls eine Maske auf. Was ist denn hier los?
3 Tickets, please.
«That’s 250 crowns. Hmm, seid ihr aus Deutschland?»
Noch mehr Rentner mit Masken, die von der Garderobe nach draußen strömen. Eine Seniorin ruft in die Herrentoilette: «Bist du noch da drin?» «Ja», kommt die Antwort. «Gut, ich geh dann schon mal zum Bus und warte dort auf dich. Bis gleich.»

Der Blick aus dem Fenster erfreut das Herz des Winterliebhabers
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Nach der Ausstellung kommt die Tiefschneewanderung. Wir laufen bis zum Strand runter, mal ist die Schneeschicht tragend, mal sinken wir bis zu den Oberschenkeln im Schnee ein. Wie viele verschiedene Arten von Schnee es doch gibt. Der deutschen Sprache mangelt es eindeutig an passendem Fachvokabular.
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Interessant finde ich auch verschiedene Arten von Eis.
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Dieses Eis ist nicht rutschig und sehr porös. Es bricht sofort, als ich mich draufstelle und meine Vermutung ist, dass es ein Effekt des Salzes im Meerwasser ist.

Wodurch dagegen dieser Effekt des Eises auf den Felsen zustande kommt, kann ich mir nicht abschließend erklären.
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Vielleicht hat die einsetzende Ebbe die Felsen nass zurückgelassen und sie sind sofort gefroren…

Und wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Eiszonen?
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Ganz links normaler Schnee, außerhalb des üblichen Tidenhubs. Dann links Eis, wie man es erwartet. Steinhart und extrem rutschig. Dann aus irgendeinem Grund ein eisfreier Streifen, ehe dann der Streifen des porösen Eises folgt.

Und dieses poröse Eis kann sehr kurios in runde Scheiben brechen…
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Noch mehr Eis
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Später brechen wir noch zu einem Spaziergang an den nahegelegenen Strand zur blauen Stunde auf. Doch den Weg dorthin zu finden, ist nicht ganz einfach. Wo ist jetzt Privatgrundstück und wo nicht? Schließlich finden wir doch einen Zugang, der nicht so nah an den Häusern vorbeiführt, dass wir uns unwohl fühlen. Es ist absolut windstill, nichts rührt sich. Kein Vogel, kein Fisch, keine Welle.
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Noch fällt es uns schwer zu glauben, dass ab morgen alles ganz anders sein soll. Über Nacht soll die Temperatur von -5° auf +5° steigen, der Schnee in Regen übergehen. Für Tromsø sind morgen nicht nur 25 mm Niederschlag und eine Unwetterwarnung Stufe 1/3 für heftigen Regen, sondern auch noch Stufe 1/3 für starken Wind, die höchste Lawinenwarnstufe 3/3 und zu allem Überfluss auch noch Warnung vor glatten Straßen durch Eisregen angekündigt.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 18 Alta → Tromsø

Der Tag beginnt mit Sonne und Wolken, am Zustand des Schnees ist der Temperaturanstieg aber deutlich zu erkennen. Mir ist viel zu warm, obwohl ich schon deutlich weniger angezogen habe als die letzten Tage. Da es in Tromsø den ganzen Tag schütten soll, beschließen wir, das angenehme Wetter in Alta noch zu nutzen. Zuerst bestaunen wir die Nordlichtkathedrale, deren Gestaltung an die Polarlichter erinnern soll. Für ein Polarlicht ist sie fast zu symmetrisch und ist auch als Klopapierrolle von Alta bekannt.
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437 Runden, Alta??? Sicher nicht!!!
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Dann noch eine kleine Schneewanderung auf den Komsahügel zum Abschluss, der Schnee ist abseits der Wege knie- bis brusttief (!).
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Blick über Alta
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Nordlichtkathedrale von oben
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Oben treffen wir auf eine Reisegruppe von Norwegern aus dem Süden, die von ihrer erfolgslosen Polarlichtjagd in der letzten Nacht berichten – der Himmel wäre einfach nie aufgerissen. Dieses Erlebnis kann man sich nicht kaufen.
Allmählich zieht es zu, wir laufen zurück zum Auto und starten die nächste Etappe. Sie führt fast durchgehend entlang von Fjorden.
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Eigentlich wäre fast jeder Parkplatz einen Stop wert, aber dann würden wir wohl nie ankommen.
Im Verlauf der Fahrt wird es windiger und schließlich setzt Regen ein. Ob es Eisregen oder gefrorenes Schmelzwasser ist, lässt sich nicht bestimmen. Jedenfalls sieht die Straße an mehreren Abschnitten genauso aus wie dieser Parkplatz.
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Würde man eine Schlittschuhbahn machen wollen, man könnte es nicht besser hinbekommen. Ich habe größte Mühe, ein paar Schritte über das Eis zu gehen, ohne auf die Nase zu fliegen.

Der Regen lässt zum Glück bald wieder nach…
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…und wir überqueren zwei Pässe in traumhafter Landschaft.
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Diesen wunderbaren Straßenabschnitt wird man in wenigen Jahren nicht mehr genießen können, denn derzeit wird an einer Neutrassierung gearbeitet und ein Großteil wird in einem Tunnel verlaufen.
Wie so oft wird aus einer entspannten Fahrt bald wieder eine äußerst tückische. Es folgen Straßenabschnitte, die komplett vereist sind. Dazu kommen noch riesige Pfützen durch das Tauwetter. Ein entgegenkommendes Fahrzeug ist ins Schleudern gekommen und gegen die Schneehaufen am Straßenrand geprallt, ein paar Plastikteile liegen auf der Fahrbahn verstreut und die Stoßstange ist verbeult.

Die Straße wird begleitet von mächtigen Eiszapfen, wobei das eigentlich das falsche Wort ist. Es handelt sich um richtige Eispanzer, vermutlich bis zu einem Meter dick.
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Im Eis eingeschlossener Schmutz sorgt für bräunliche Verfärbungen.
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Und weiter, immer weiter entlang der Fjorde. Und Fjorde machen den Bau von Verkehrswegen schwierig. Baut man an der Küste entlang, wird die Strecke sehr lange. Ein einziger Fjord verlängert unsere Strecke um fast 50 km. Manche Straßen sind durch Fähren unterbrochen. Brücken können nicht ohne Weiteres gebaut werden, da die Wassertiefe oft sehr groß ist und der Wind stark. Das ist der Grund, warum Norwegen hauptsächlich auf Fjordtunnels setzt und daher auch einige der längsten und tiefsten Straßentunnels der Welt hat. Um den Höhenunterschied zu überwinden, gibt es manchmal wie bei der Eisenbahn Kehrtunnel. https://goo.gl/maps/swxKWG7SWJVcQ33J6 Norwegen hat sich das Ziel gesetzt, Fährüberfahrten auf allen wichtigen Hauptverbindungen durch feste Straßenquerungen zu ersetzen und baut daher aktuell an einem neuen Rekordtunnel. https://de.wikipedia.org/wiki/Rogfast
Die blaue Stunde bricht an und mir ihr haben wir das Regengebiet erreicht. Die letzten zwei Stunden fahren wir durch strömenden Regen auf die Lichter von Tromsø zu. Mit ihren 77.000 Einwohnern kommt uns die Stadt geradezu riesig vor, nach knapp einer Woche Einöde. Mit dem Wetterumschwung haben wir natürlich Pech gehabt, doch die Stadt hat für ihre Lage ein relativ mildes Klima – der tiefste je gemessene Wert waren -18°, was im rund 400 km östlicher gelegenen Tana im Winter regelmäßig unterschritten wird.
Wir überqueren die Brücke, die auf die Insel mit dem Stadtzentrum führt und tauchen in einen Tunnel ein. Eine norwegische Besonderheit sind unterirdische Kreisverkehre, zumindest habe ich davon noch nie gehört.
https://youtu.be/Ceo3dBITv5E?t=19
Eine weitere Brücke führt uns wieder aus der Stadt hinaus, durch Vororte und schließlich in einsame Schwärze. Der Regen lässt zum Glück nach, als wir unsere Unterkunft erreichen, deren Lage man getrost mit am Ende der Welt beschreiben kann. Zur nächsten Einkaufsmöglichkeit sind es etwa 20 km und das Haus ist eines von ein paar verstreuten an einer Sackgasse entlang eines Fjords. Umso herzlicher fällt der Empfang durch die Airbnb-Gastgeberin aus. Wir sind in zwei Zimmern in einem sehr gemütlichen Einfamilienhaus untergebracht und brauchen nun keine Entbehrungen mehr in der Küchenausstattung hinnehmen – hier kann man wunderbar für eine Großfamilie kochen.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 19 Tromsø

Überraschung – ein paar Sonnenstrahlen beleuchten den Fjord, der sich vor den Fenstern am Küchentisch ausbreitet und den wir erst im Hellen richtig zu Gesicht bekommen. So ist das Wetter doch besser als befürchtet, auch wenn uns die Plusgrade nicht gefallen.
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Nachdem wir in Ruhe gefrühstückt und das Haus verlassen haben, erwartet uns sogleich die nächste mysteriöse Vogelsichtung.
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Nanu, ist das eine Goldammer? Die hat doch zu dieser Jahreszeit so weit nördlich noch gar nichts verloren…
Nach ausgiebiger Evaluation und Konsultation des Bestimmungsbuchs fahren wir ein Stück die Straße nach Tromsø zurück, wo es offenbar einen Wanderweg auf einen der umliegenden Berge gibt.
Schon wieder so ein merkwürdiger Effekt… Grünliches Schmelzwasser läuft über den Schnee.
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Jetzt probiere ich zum ersten Mal meine Spikes für die Wanderschuhe aus und finde sie super.
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Man merkt den Unterschied in der Schneemenge und -konsistenz auf den rund 400 Höhenmetern deutlich. Oben ist kaum etwas getaut, während unten schon größere Flächen frei sind. Der Ausblick ist jedenfalls hochalpin und kann mit den Schweizer Alpen mithalten.
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An exponierten Stellen hat der Wind den Schnee fortgetrieben und das Eis darunter wird sichtbar – ich bin heilfroh, dass ich die Spikes angezogen habe.
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Blick Richtung Tromsø…
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…und zurück zum Fjord, der noch etwa zur Hälfte zugefroren ist, wobei man beim Auftauen fast zusehen kann.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 20 Tromsø

Ein letzter Blick über den Fjord, ehe wir aufbrechen.
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Wir kehren in die Stadt zurück und besuchen das Polarmuseum. Neben alten Karten von Skandinavien finden sich zahlreiche Geschichten zu Expeditionen durch den arktischen Ozean und zum Nordpol. Ein waghalsiger Ansatz begann 1893 mit der Fram-Expedition. Allein durch die Bewegung des Packeises wollte der norwegische Forscher Fridtjof Nansen mit einem Schiff den Nordpol erreichen und hatte dafür einen Zeitraum von fünf Jahren veranschlagt. Als ihm klar wurde, dass ihm das auf diese Weise nicht gelingen würde, unternahm er zusammen mit nur einem Begleiter den Versuch, mit Ski und Schlittenhunden den Nordpol zu erreichen. Auch wenn ihnen das nicht gelungen ist, da sie aufgrund endender Vorräte die Rückkehr antreten mussten, grenzt ihre Rückkehr nach Norwegen nach drei Jahren an ein Wunder.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nansens_Fram-Expedition
Außerdem gibt es das harte Leben von Jägern zu bewundern, die vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Winter auf Spitzbergen verbracht haben, um Eisbären, Robben und Polarfüchse zu jagen, hauptsächlich, um die Felle zu verkaufen. Das Fleisch wurde meistens direkt vor Ort verzehrt.
Auch über Amundsens Erfolg als erster Mensch am Südpol gibt es eine Ausstellung. Dass es da noch einen anderen Typen gab, der es auch geschafft hat, aber dann halt leider auf dem Rückweg gestorben ist, wird nur in einem Nebensatz erwähnt. Bisschen Nationalstolz muss schon sein…
Das Museum ist gut besucht, neben einer größtenteils maskierten deutschen Rentnergruppe erfüllen auch noch Franzosen in Moonboots das Klischee.
Blick über den Hafen
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Später setzt Regen ein, doch eine kleine Nachtfototour möchte ich mir nicht entgehen lassen. Das ganze Eis verwandelt Straßen und Gehwege in Schlittschuhbahnen.
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Der Wind macht das Knipsen schwierig, denn so schnell kann ich die Linse gar nicht trocken wischen, wie die nächsten Regentropfen draufgeweht werden. Neue Erkenntnis - bei Sonnenschein muss man das Licht beachten, bei Regen stets mit Rückenwind fotografieren…
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Auf dem Rückweg klart es etwas auf, doch keine der Apps verkündet besonders gute Bedingungen für Polarlichter. Obwohl wir diesen Abend noch ein paar Mal aus dem Fenster schauen, bleibt der Himmel dunkel. Wir hatten Glück mit unserer Sichtung gleich zu Beginn…
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 21 Tromsø → Bodø → Trondheim

Heute trennen sich unsere Wege wieder, Niklas und Fredi brechen zu äußerst unchristlicher Zeit zurück nach München auf. Mein Wecker klingelt erst – ausnahmsweise sage ich das mal so – um 7:30 Uhr. Kurz nach acht kämpfe ich mich mit meinem Koffer über die vereisten Straßen zur nächsten Bushaltestelle. Es nieselt und trotz der immer noch üblen Straßenverhältnisse sind erstaunlich viele Radfahrer unterwegs. Der Bus zum Flughafen kommt ein paar Minuten hinter Plan und kämpft sich dann durch schmale und vereiste Wohngebietsstraßen. Weitere Verspätung gibt es, da gerade ein Bagger Schnee auf einen LKW verlädt. Es folgt eine Mall am Stadtrand und ich fahre als einziger Fahrgast bis zum Flughafen. Die Bushaltestelle befindet sich etwas abseits und man muss durch ein Parkhaus laufen, um zum Terminal zu gelangen. Nur die Airport Express Busse, die mehr als das Doppelte kosten und kaum schneller sind, halten direkt am Terminal.
Der Flughafen ist übersichtlich, es dauert nur 20 Minuten, bis ich am Gate sitze. Der Flug über Bodø nach Trondheim ist nur zu rund einem Drittel belegt, startet pünktlich und verläuft unspektakulär. Nach einer Dreiviertelstunde bin ich wieder am Boden und zehn Minuten später habe ich meinen Koffer wieder.
2 Tage mehr Zeit und ich hätte hier den Land- und/oder Wasserweg gewählt, der sicher auch interessant gewesen wäre.

Nun bleiben mir fast zwei Stunden bis zur Abfahrt meines Zuges. Zuerst steht eine kurze Busfahrt an.
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Fahrkartenautomaten kann ich keinen entdecken und nicht überall kann man in Norwegen beim Busfahrer Fahrkarten kaufen oder es kostet einen saftigen Aufpreis. Hier könnte man, wäre nicht gerade das Bezahlterminal kaputt. Der Busfahrer empfiehlt mir, die App zu installieren und dort eine Fahrkarte zu kaufen. Also App runterladen, Zahldaten hinterlegen, eine Einzelfahrt für happige 3,90€ kaufen und nach fünf Minuten steige ich im Zentrum wieder aus.
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Die luftige Domkirche
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Da ich noch massig Zeit habe und der Regen gerade pausiert, laufe ich an der Kaimauer entlang.
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Möwen gleiten im kräftigen Wind und ein paar Tropfen zaubern sogleich einen Regenbogen über die Wellen.
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Der Warteraum im Bahnhof ist angenehm beheizt und ich nutze die knappe Stunde, die mir bis zu Abfahrt verbleibt, um mit dem Reisebericht aufzuholen, zu dem ich die letzten Tage nicht wirklich gekommen bin. Eine kleine Ausstellung gibt es auch.
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Rangierer sind eifrig am Zug zugange, laufen geschäftig hin und her. In der Wartehalle telefoniert ein etwas desolat wirkender Mann auf Englisch und hat sein Handy auf Lautsprecher gestellt. Offenbar hat er bei irgendeiner Gesundheitshotline angerufen, denn das Gespräch, dass sich für mindestens zehn Minuten im Kreis dreht, lässt sich darauf komprimieren, dass er offenbar einen Arzt braucht. Warum, wird nicht klar. Die Frau am anderen Ende hat eine Engelsgeduld und sagt immer wieder: «I understand. I understand.» Dann labert der Mann weiter in sein Handy und verschwindet glücklicherweise irgendwann ins Café im Obergeschoss.
Die Bahnstrecke nach Bodø ist erst 1962 eröffnet worden. Auch wenn es immer wieder Überlegungen in der Pionierzeit der Eisenbahn gegeben hat, Nordnorwegen auf diesem Wege an die Eisenbahn anzuschließen, kam der Bau bis 1940 nur bis Mosjøen, etwa auf halbem Wege zwischen Trondheim und Bodø. Unter deutscher Besatzung wurde der Plan einer Bahn bis Kirkenes nahe der russischen Grenze wieder vorangetrieben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Polarbahn ... arbahn.JPG
Tatsächlich fertiggestellt wurde jedoch nur ein Abschnitt von rund 150 km bis Dunderland. Während die Fertigstellung bis Fauske später erfolgte, wurde die Weiterführung in den Norden verworfen und die teils vorhandene Trasse in den 1960er Jahren für den Bau der Bundesstraße genutzt. Als neuer Endpunkt wurde dann Bodø gewählt. Auch wenn eine Weiterführung nach Norden immer wieder in verschiedenen Varianten diskutiert wird, z.B. der Abschnitt Narvik – Tromsø, halte ich eine Umsetzung für äußerst unwahrscheinlich. Schade eigentlich, denn bis Kirkenes wäre das eine wahrhaftig spektakuläre Bahnstrecke geworden…

In den letzten Jahren ist die Strecke für den GV ertüchtigt worden, unter anderem mit längeren Kreuzungsgleisen und einem Ausbau des Umschlagterminals in Fauske. Dazu kommt die Ausstattung mit ETCS. Die positiven Effekte sind deutlich sichtbar.
https://www.lok-report.de/news/europa/i ... banen.html

Eine weniger schöne Seite dieser Bahn ist der seit Jahrzehnten vernachlässigte Schutz der Wildtiere, vor allem Elche. Die geräumte Strecke wird von den Tieren gerne für Wanderungen genutzt und das hat böse Folgen – ich finde es wirklich erschreckend, dass man dafür noch immer keine Lösung gefunden hat.
https://www.lok-report.de/news/europa/i ... banen.html

Schließlich steige ich ein, mein reservierter Platz befindet sich wie gewünscht auf der rechten Seite. Zum Glück gibt es hier nicht so viele Wandfensterplätze.
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Der Zug besteht aus fünf Wagen, zwei Standardwagen, einem Speisewagen…
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…einem Familienwagen mit einem abgesperrten und offensichtlich abgebauten Spielplatz…
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…und einem Comfort-Wagen (quasi 1. Klasse) mit riesigem Sitzabstand und großen Tischen an jedem Platz, außerdem gibt es dort Kaffee und Tee gratis.
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Der norwegische FV wurde ausgeschrieben, das Los Nord bedient jetzt die SJ mit dem passenden Markennamen Nord.
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Eingesetzt werden die2selben Zuggarnituren wie vorher und plötzlich wird alles viel billiger. Stimmt in diesem Fall sogar tatsächlich, wie ich später erfahren werde. Das Angebot des NSB-Ablegers Vy lag plötzlich um die Hälfte niedriger als der Betrieb davor gekostet hat.

Der Zug ist zunächst sehr schwach ausgelastet und wir starten mit +8, weil der verspätete Gegenzug noch abgewartet werden muss. Die Verspätung dümpelt mehr oder weniger in dieser Größenordnung vor sich hin. Ich setze mich in den Speisewagen, während sich draußen Regen, Schneeregen und Schnee abwechseln. Immerhin gibt es warme Speisen, aber leider nur im Einweggeschirr. Dafür 22 € ist nicht wenig, aber ein für Norwegen durchaus üblicher Preis. Die ausgewählte Limo ähnelt farblich stark Rivella, kann geschmacklich aber nicht mithalten. Das Essen ist in Ordnung.
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Mit viel Gepfeife saust der Zug an Fjorden entlang nach Süden.
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Hält der Zug anfangs noch recht häufig, wird die Besiedelung bald spärlicher. Es folgt eine prächtige Winterlandschaft auf dem mit 680 m höchsten Punkt der Strecke unweit des Polarkreises.
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Der Fdl zeigt seine grüne Kelle und gibt die Weiterfahrt frei. In einigen Bahnhöfen gibt es gar keine ortsfesten Signale mehr, nur noch ETCS. Allmählich nimmt die Verspätung ab und der Zug füllt sich. Ein älterer Herr steigt zu, der kein Einheimischer ist. Erst vermute ich, er könnte Deutscher sein, doch dafür fehlt die Maske und sein Englisch ist fast ein bisschen zu gut dafür. Später kommt er mit einer Frau ins Gespräch und erzählt, dass er mit dem Hurtigruten-Schiff nach Norden gefahren ist und eigentlich auch wieder so zurückfahren wollte. Doch aufgrund von Sturm wäre nun schon zwei Tage kein Schiff mehr gefahren und so habe er sich für die Bahn entschieden. Er schießt ein paar Fotos durch das Fenster, genau wie ich. Die Entscheidung, diese Strecke zu fahren, hat sich jedenfalls gelohnt. Egal ob entlang der Fjorde mit Eisschollen, an teilweise zugefrorenen Flüssen oder an vereisten Felswänden, langweilig ist der Blick aus dem Fenster nie.
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Unzählige gefrorene Wasserfälle schmücken die Felswände
2009
Einige Bahnhöfe passieren wir ohne Halt, vermutlich sind es Bedarfshaltestellen. Der ältere Herr liest ein Buch auf Niederländisch, womit dieses Rätsel auch gelöst wäre. Langsam wird es draußen dunkel. Es ist wirklich zu schade, dass ich nur gut die Hälfte der Strecke im Hellen befahre. Wir kommen ein paar Minuten auf der Strecke zum Stehen es gibt eine Durchsage auf Norwegisch, die ich nicht verstehe, dann fahren wir in den Bahnhof Namsskogan und bleiben dort abermals stehen. Fast eine halbe Stunde vergeht, ehe wir ohne Abwarten eines Gegenzuges weiterfahren. Die Verspätung finde ich äußerst unschön, da sie meine Ankunftszeit verdammt nahe an die übliche Ladenschlusszeit 23:00 Uhr heranrücken lässt.

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Mit +31 geht die Reise in Trondheim zu Ende, das reicht noch für ein Foto, der Nachtzug nach Oslo steht gegenüber bereit, und einen kurzen Besuch im Kiosk, dann nehme ich den nächsten Bus zu meiner Unterkunft. Während ich die letzten Meter laufe, rollt der Nachtzug nach Bodø vorbei. Das Dröhnen der beschleunigenden Diesellok ist noch eine ganze Weile zu hören.

Und wer die gesamte Strecke zumindest virtuell auf der Lok mitfahren möchte, wird hier fündig:
https://www.youtube.com/watch?v=kIIDpuc2C_Y
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von 218217-8 »

Nanu, ist das eine Goldammer? Die hat doch zu dieser Jahreszeit so weit nördlich noch gar nichts verloren…
Nach Goldammer sieht das nicht aus, eher nach Grünfink.
Goldammer:
https://www.google.de/search?q=goldamme ... 1&dpr=1.25
Grünfink:
https://www.google.com/search?q=gr%C3%B ... 1&dpr=1.25
Entenfang hat geschrieben: 18 Mai 2022, 22:11(...) Der Flug über Bodø nach Trondheim ist nur zu rund einem Drittel belegt, startet pünktlich und verläuft unspektakulär. Nach einer Dreiviertelstunde bin ich wieder am Boden und zehn Minuten später habe ich meinen Koffer wieder.(...)
Ich bin etwas verwirrt: Der Flug ging doch nur nach Bodø, von dort bist du doch mit dem Zug weitergefahren?

Wie dem auch sei; ich verfolge den Bericht weiterhin mit großem Interesse und bin in Vorfreude auf die nächste Etappe.
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

218217-8 hat geschrieben: 18 Mai 2022, 22:40
Nanu, ist das eine Goldammer? Die hat doch zu dieser Jahreszeit so weit nördlich noch gar nichts verloren…
Nach Goldammer sieht das nicht aus, eher nach Grünfink.
Goldammer:
https://www.google.de/search?q=goldamme ... 1&dpr=1.25
Grünfink:
https://www.google.com/search?q=gr%C3%B ... 1&dpr=1.25
Aha, danke. Ich gebe das mal an die Vogelexperten weiter.
218217-8 hat geschrieben: 18 Mai 2022, 22:40Ich bin etwas verwirrt: Der Flug ging doch nur nach Bodø, von dort bist du doch mit dem Zug weitergefahren?
Ok, ich habe mich wirklich missverständlich ausgedrückt. Der Flug ging von Tromsø über Bodø nach Trondheim, ich bin aber natürlich in Bodø ausgestiegen und mit dem Zug weitergefahren.
218217-8 hat geschrieben: 18 Mai 2022, 22:40 Wie dem auch sei; ich verfolge den Bericht weiterhin mit großem Interesse und bin in Vorfreude auf die nächste Etappe.
Na das höre ich natürlich gern. :)

Tag 22 Trondheim

Strahlender Sonnenschein erwartet mich, also steht die Dokumentation der Tram auf dem Plan. Los geht’s mit den seit 2018 verkehrenden Doppelgelenkbussen von Van Hool.
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Die Fahrbahn links wurde komplett für den motorisierten Verkehr gesperrt und zum Radweg. Hoffentlich wird die Straße auch noch komplett umgestaltet, um die Betonwüste etwas zu entschärfen. Aber schade, dass man hier keine kombinierte Fahrrad-/Busspur geschaffen hat, damit die Busse nicht im Stau stehen müssen.

Auch hier merkt man wieder, wie groß der Unterschied in der Schneemenge zwischen der Innenstadt (so gut wie gar keiner) und 100 m über Meereshöhe ist (eine ganze Menge).
93 bei Ferstad
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Zu Ross und zu Schiene unterwegs bei Kvannet
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Warten auf die Tram
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97 erklimmt mit falscher Zielanzeige die Steigung
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Ein paar Fahrgäste sind auf dem Weg zum Langlaufen und Kindergartengruppen kehren von ihrem Ausflug in den Schnee zurück.
97 an der Endstation Lian
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Der zugefrorene See Lianvatnet
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Während ich auf die nächste Tram warte, hält neben mir ein Dienstfahrzeug der Betreibergesellschaft.
Ein Mann steigt aus und spricht mich an. «Ah, are you a foreigner?» Yes. «Are you intrested in trams?” Yes. Wir kommen ins Plaudern. Er arbeitet als Elektriker. Derzeit werden einige der hölzernen Oberleitungsmasten ersetzt. Zum Teil stammen sie noch von der Eröffnung der Bahn im Jahr 1924. Außerdem wird die elektrische Ausrüstung verbessert und ein neues Unterwerk errichtet, um fit für die Zukunft mit Niederflurwagen zu sein, die einen wesentlich höheren Energieverbrauch als die heute eingesetzten Hochflurwagen von LHB aus 1984 haben. Die Gråkallbanen genannte Tramstrecke ist das letzte Relikt eines einst viel größeren Netzes, das weite Teile der Stadt erschlossen hat. Doch nur vier Jahre nach der Beschaffung der Fahrzeuge wurde 1988 das gesamte Netz stillgelegt. Dass die Strecke nach Lian zunächst für Museumsfahrten erhalten wurde, war das große Glück, denn zwei Jahre später gelang die Neueröffnung, nun als private Betreibergesellschaft statt durch ein städtisches Verkehrsunternehmen. Auch wenn der Kollege die Privatisierung im Eisenbahnsektor eher skeptisch sieht, meint er hierzu sinngemäß: Als städtisches Unternehmen waren 40 Personen mit Infrastruktur beschäftigt, nach der Übernahme durch einen privaten Betreiber haben 5 gereicht (allerdings bei einem deutlich verkleinerten Netz). Er sieht den Betrieb jedenfalls sehr positiv, würde Probleme kurzfristig und unkompliziert lösen und zukunftsgerichtet denken. Da frage ich natürlich nach, was denn nun aus den unzähligen Plänen zum Wiederausbau des Netzes geworden ist. Fazit: Nichts, denn die Stadt hat Doppelgelenkbusse von VanHool beschafft und 2019 das komplette Busnetz überarbeitet. Eine Verlängerung der Tram z.B. durch das Zentrum bis zum Bahnhof sieht er auch skeptisch, denn dann würde es mehr Verzögerungen geben, die Kreuzungen könnten durcheinanderkommen und die heute sehr hohe Betriebsstabilität gefährden. Auf der anderen Seite spricht er auch den überwältigenden Erfolg der neuen Stadtbahn Bergen an, wo sich nun eine zweite Linie im Bau befindet. Zum Schluss bietet er mir an, morgen eine Führung im Straßenbahnmuseum und ins Depot zu organisieren. Da sage ich natürlich sofort zu. Wir einigen uns auf 12 Uhr.
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Ich warte auf die nächste Tram zur Rückfahrt, dann taucht plötzlich nochmal das Dienstfahrzeug auf. Er habe leider vergessen, dass er morgen um zwölf ein Meeting hätte. Wir einigen uns auf 10 Uhr, dann fahre ich zurück zum wohl bekanntesten Fotomotiv der Strecke, einer ehemaligen Eisenbahnbrücke aus dem 19. Jahrhundert, die hier eine neue Heimat gefunden hat und einen grandiosen Ausblick über die gesamte Stadt bietet.
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93 bei Munkvoll…
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…und bei Ugla
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Kreuzung in Ugla
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Der verschneite Wald ist einfach sehr einladend und so nutze ich die Gelegenheit für eine Wanderung durch den Wald, ehe ich zurückfahre.
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Eine kurze Nachtfototour durch das Kneipenviertel Solsiden soll auch nicht fehlen.
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Hafen
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Verftsbrua
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Re: [SE][NO]Die Magie des Nordens - die Jagd nach Polarlichtern und der Ente der Begierde

Beitrag von Entenfang »

Tag 23 Trondheim

99 an der St. Olavs gate…
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…und in Munkvoll
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Punkt zehn stehe ich vor dem Depot und bereitwillig zeigt mir der Kollege die Museumswagen.
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Die Gråkallbahn hatte früher eher den Charakter einer Eisenbahn und daher andere Fahrzeuge als diejenigen, die auf den Stadtlinien eingesetzt wurden. Die Ski wurden außen transportiert, weil die Nachfrage am Wochenende so groß war, dass in den Wagen kein Platz mehr war. Diese Verbreiterung des Wagens hatte aber auch ihre Nachteile – manchmal dachten die Fahrer nicht daran und schrammten an Autos entlang, die rechts neben der Bahn standen. Eine Besonderheit des Betriebs in Trondheim sind 2,65 m breite Wagen auf Meterspur. Dies war letztlich ein großer Glücksfall, denn der Plan der Politiker, die die Kompletteinstellung des Betriebs wenige Jahre nach der Neubeschaffung der bis heute eingesetzten Fahrzeuge beschlossen hatten, sah vor, die Wagen einfach weiterzuverkaufen. Doch schnell stellte sich heraus, dass das nicht so einfach werden würde. Es gab schließlich Pläne, die Fahrzeuge nach Oslo zu verkaufen, wo sie umgespurt werden sollten. Doch die dortigen Entscheidungsträger, ebenfalls Straßenbahnliebhaber, bekamen Wind von der Sache und der möglichen Wiederinbetriebnahme der Gråkallbahn und lehnten den Kauf ab. Der Widerstand der Bevölkerung gegen die Einstellung war ebenfalls groß. Also musste notgedrungen der Betrieb wiederaufgenommen werden – so ein Pech aber auch…
Zum 100-jährigen Jubiläum 2024 soll der historische Wagen wieder in Betrieb genommen werden, worauf der auskunftsfreudige Kollege und weitere Freiwillige derzeit hinarbeiten.

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Der Schneepflug war dieses Jahr im Dauereinsatz – in Norwegen war es ein sehr kalter und schneereicher Winter und er meint, ich hätte die perfekten Tage erwischt, denn die Sonne hätte sich schon seit Wochen kaum gezeigt.

Insgesamt gibt es sechs Fahrzeuge, wovon vier für den Regelbetrieb benötigt werden und ein weiteres, dass im Notfall innerhalb einiger Monate wieder betriebstüchtig gemacht werden könnte. In seltenen Fällen mussten Museumswagen aushelfen, doch bei der großzügigen Reserve ist diese «Gefahr» nicht besonders groß.

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Es gibt keine Fotos zum Betrieb des ersten Schneeräumfahrzeugs und unklar ist, wie es benutzt wurde, da die Motorisierung der alten Fahrzeuge eigentlich zu schwach dafür war.

Nach Jahren des Experimentierens mit verschiedenen Taktzeiten und Kurzläufern wird nun seit einigen Jahren stets die komplette Strecke bedient, Mo-Sa von 6 bis 6 im Takt 15, sonst im Takt 30. Auch wenn die Strecke immer noch eine gewisse Bedeutung im Ausflugsverkehr aufweist, sind es nun vor allem die Anwohner der Strecke, welche sie für die Fahrt ins Zentrum nutzen. Bei der Eröffnung und noch etliche Jahrzehnte danach war das angrenzende Gelände vollständig unbebaut.
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Schließlich fahre ich zurück Richtung Stadt.
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Die Holzmasten im Bereich des zweigleisigen Abschnitts stammen noch aus der Anfangszeit der Bahn, sind also 98 Jahre alt (!). Man sieht ihnen das Alter allerdings auch an, weswegen sie derzeit ersetzt werden.

94 überquert die Brücke zwischen Søndre Hoem und Nordre Hoem
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99 passiert bei Ila einige bunte Holzhäuser.
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Der Zustand der Fahrbahn im straßenbündigen Abschnitt ist absolut katastrophal.

Trondheim hat eine bunte Busflotte. Neben den Van Hool-Doppelgelenkwagen, und MAN-Fahrzeugen sind noch Elektrobusse von Volvo…
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…und von Heuliez (früher Renault, heute Iveco) im Einsatz.
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Kleiner Stadtspaziergang:
Blick über die Nidelva
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Nidaros-Dom
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Holzhäuser an der Nidelva
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Am Nachmittag steht nochmal eine Winterwanderung an. Der Schnee hat eine völlig andere Konsistenz als gestern, man merkt, dass der angetaute Schnee über Nacht wieder gefroren ist und es heute im Schatten auch geblieben ist. Nur eine Handvoll Menschen begegnet mir auf der fast dreistündigen Wanderung, auf der ich wie schon gestern das Problem habe, dass einige auf der Karte eingezeichnete Wege komplett zugeschneit und daher unpassierbar sind, andere Trampelpfade dagegen nicht auf der Karte eingetragen sind.
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Nach einigen Umwegen erreiche ich aber schließlich mein Ziel, den Geitfjellet mit Blick zum Gråkallen.
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Doch auch der Blick zurück…
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…und über den Fjord sind hübsch.
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Die Sonne verschwindet allmählich hinter den Wolkenschleiern und ich trete den Rückweg an, nicht ohne noch an zwei weiteren Aussichtspunkten einen kurzen Stop einzulegen. Dankenswerterweise dauert die Dämmerung hier ja ewig, sodass ich vor der völligen Dunkelheit zurück in der Stadt sein kann.
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Zwischen den beiden Bildern liegt fast eine halbe Stunde.

Und weil die Tram gerade passend da steht, noch ein Abschiedsfoto.
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Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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