Tag 19 Budapest → Basel
Um etwaige Schließfachprobleme am Bahnhof zu umgehen, buche ich online eine Gepäckaufbewahrung. Für knapp 7€ kann ich meinen Koffer in einem Hotel in Bahnhofsnähe abgeben und später wieder abholen. Danach schaue ich mich nach interessanten Fahrzeugen am Busbahnhof um. Ich kann zwischen Ikarus-Trolleybus und Ikarus-Dieselbus wählen und entscheide mich für Letzteren.

Ich schaue in der BudapestGo-App nach, wo der eigentlich hinfährt. Die Linie führt Richtung Norden und ich kann dann irgendwann in die Tram oder Metro umsteigen und zurückfahren. Es sind einige Fahrgäste unterwegs, doch der Bus ist nicht überfüllt. An einer Haltestelle gibt der Fahrer Gas, der Motor heult auf, doch wir rühren uns nicht vom Fleck. Er drückt irgendwelche Schalter und Knöpfe, wieder heult der Motor auf, doch wieder passiert nichts. Nach einem weiteren Versuch geht es dann wieder. Ein paar Haltestellen weiter stirbt der Motor kurz nach dem Anfahren von einer Haltestelle ab, der Bus bleibt stehen und blockiert die ganze Straße. Der Fahrer drückt genervt alle möglichen Knöpfe, wieder und wieder. Nichts. Motor aus, Motor wieder ein. Nichts. Nach etwa zwei Minuten gelingt es ihm dann schließlich, den Bus wieder in Bewegung zu setzen. Ich habe schon die Befürchtung, dass die Ikarus-Fahrt vorzeitig enden wird. An der nächsten Haltestelle hält er in der Busbucht an und wieder lässt sich der Bus nicht mehr in Bewegung setzen.
Alle müssen aussteigen und mit dem nächsten Bus weiterfahren.
Ich passiere das Eisenbahnmuseum, das muss ich mir fürs nächste Mal merken, denn es hat montags geschlossen. Schließlich steige ich aus, um ein paar Tramfotos zu machen. Zwischen den Wolken gibt es immer wieder Sonnenlücken. Auf der Linie 14 sind Tatra-Großzüge und einige Urbos unterwegs.
Während 4206 im Wendegleis die Abfahrtszeit abwartet, rollt 4057 in die Haltestelle Angyalföld kocsiszín.
4244 folgt
2246 nebst 4241
Ikarus-Wagen 805 ist munter unterwegs
4082 passiert die prächtige Stadtteilverwaltung am Szent István tér
4257 am Szent István tér
4123 wenige Meter weiter
Blumen und Langós
4248 gefolgt von 4029 am Újpest-központ
Allmählich kehre ich um und gehe in die Metro. Auf dem kurzen Stück der M3 im Norden, das nicht wegen Sanierung geschlossen ist, werden modernisierte Metrowaggonmasch-Züge eingesetzt. Von innen ist ihre Geschichte noch gut erkennbar.
Auch von außen gibt es noch das charakteristische Aussehen.
Nur die modernisierte Front passt irgendwie nicht so recht.
Die Fahrgastzahlen bleiben auf den wenigen Haltestellen überschaubar, weiter geht es im Ersatzbus. Für die Dauer der mehrjährigen U-Bahnsperrung sind auf weiten Strecken temporäre Busspuren markiert, die ein zügiges Vorankommen ermöglichen. Da stören eigentlich nur noch die Ampeln.
Bald beginnt meine vorab gebuchte Führung durch die Oper, welche erst kürzlich nach mehrjähriger Sanierung wiedereröffnet wurde. Ich gehe ein kurzes Stück zu Fuß und stehe vor dem imposanten Gebäude.
Budapest wollte seinerzeit auch eine Oper, um mit den Metropolen wie Wien und Paris mitzuhalten. Doch dafür musste der Kaiser von Österreich-Ungarn um Erlaubnis geboten werden. Der stimmte dem Bau zu, unter der Bedingung, dass die Oper in Budapest nicht größer als die in Wien wird. Notgedrungen stimmten die Ungarn zu und so wurde die Oper gebaut.
Dabei kamen mit wenigen Ausnahmen heimische Materialien und Arbeitskräfte zum Einsatz. Mit einer besonderen Technik wurde Blattgold ganz fein aufgebracht, sodass insgesamt nur rund 3 kg Gold gebraucht wurden – bei diesem Anblick kaum zu glauben...
Als der Kaiser die Oper zum ersten Mal erblickt hat, soll er gar nicht erfreut gewesen sein. Sie hätte nicht nur nicht so groß wie die in Wien sein sollen, sondern auch nicht so schön… Das Gebäude hielt damals einige technische Besonderheiten bereit – unter den Sitzen wurden im Sommer Eisblöcke zur Kühlung verstaut, im Winter wurde auf diese Weise geheizt.
Auf dem Dach befand sich ein großer Wassertank, um Brände zu bekämpfen, da die Opern anderer Städte verheerenden Bränden zum Opfer gefallen waren. Um das Gemälde an der Decke fertigzustellen, benötigte der Maler über 6 Jahre.
Die Königsempore war der damaligen Königsfamilie vorbehalten, die außerdem über einen separaten Eingang verfügten, um nur unter ihresgleichen zu sein. Auch heute noch werden diese Plätze nicht verkauft – sie sind den höchsten Politikern und ihren Gästen vorbehalten.
Blick von der Terrasse nach oben…
…und auf die Andrássy út
Vor der Terrasse befand sich der Rauchergang, vom restlichen Bereich damals durch dicke Vorhänge abgetrennt, um den Geruch vom restlichen Gebäude fernzuhalten.
Angeblich war durch die viele Qualmerei die Sicht teilweise so schlecht, dass man die ausgestreckte Hand nicht mehr sehen konnte. Die Aschenbecher waren mit Wasser gefüllt, um Bränden vorzubeugen. Zum Schluss gibt es noch eine rund zehnminütige Live-Vorstellung (zu Musik aus Lautsprechern) im Haupttreppenhaus – für mich eine große Überraschung, die den interessanten Besuch vervollständigt.
Nun habe ich mir eine Gulaschsuppe zur Stärkung verdient. Dafür nehme ich die Milleniums-U-Bahn, welche in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde.
Der nächste Programmpunkt ist eine Fahrt mit Ex-Hannoveraner Wagen Richtung Osten. Sie werden in Budapest seit 2001 eingesetzt.
1536 am Blaha Lujza tér
Die Fahrten sind gut nachgefragt, aber nie überfüllt und es finden sich immer noch freie Plätze.
1337 an der Magdolna utca
1559 wenige Schritte weiter
1549 an der Kőbányai út / Könyves Kálmán körút
Hier wird die Halbringlinie 1 gekreuzt
1569 bei Eiffel Műhelyház
Die Stelle bei Köbánya alsó hat mich bereits beim vorherigen Besuch angelacht und dieses Mal ist das Wetter deutlich besser.
Zu Beginn sind die Ampeln die größte Behinderung, weiter draußen wird der Gleiszustand dann katastrophal. Plötzlich steigt der Fahrer aus, knallt die Tür seiner Kabine mit voller Wucht zu und stellt die Weiche von Hand. Beim Wiedereinsteigen wird er von einem Mann angesprochen, doch ich weiß nicht, worum es geht. Jedenfalls knallt er die Tür wieder mit einer solchen Wucht zu, dass ich Angst habe, dass das Glas bricht. Der Mann spricht weiter durch den Spalt mit dem Fahrer. Der fährt plötzlich wie ein Henker, gibt Vollgas, um 50 m weiter wieder auf 5 km/h abzubremsen und dann 2 Minuten im Schritttempo zu fahren. Plötzlich wieder Vollgas, 100 m später Vollbremsung an der nächsten Haltestelle, sodass die Magnetschienenbremsen fallen. Mir wird angst und bange bei dem Fahrstil, ob es sich tatsächlich um entsprechende Langsamfahrstellen handelt oder er absichtlich so langsam bummelt, ist mir nicht klar. Jedenfalls bin ich froh, nach einer Weile für ein Foto auszusteigen.
1549 nähert sich der Sírkert út
1614 ebendort
1549 an der Haltestelle Új köztemető vor einem riesigen Friedhof
Die Bahnen kommen nicht so regelmäßig und mir gelingt keine Befahrung bis zum Streckenende zwei Stationen weiter, ohne meinen Aussichtspunkt in der Nähe der Zitadelle von der Liste streichen zu müssen. Also fahre ich zurück, der Fahrer fährt zwar an einigen Stellen recht langsam, aber nicht so merkwürdig wie der andere Kollege. Mit dem Bus geht es über die Donau und ich bin pünktlich zum Anbruch der blauen Stunde auf dem Hügel.
Buda und Pest reichen sich die Hände
Es ist ein windiger, herbstlicher Abend und nicht mehr viele Menschen sind unterwegs. Ich dagegen habe nichts gegen das kühle Wetter.
Blick vom Gellérthegy
Erzsébet híd
Bald nehme ich den Bus zurück, um noch Zeit für einen Langos zum Abschiedsessen zu haben. Der Verkäufer empfiehlt mir, mit Knoblauch zu probieren, was ich bisher noch nie getan habe. Ich stimme zu – zwar intensiv, aber durchaus lecker. Dann fahre ich zurück zum Bahnhof, hole meinen Koffer ab.
Ich teile mir das Liegewagenabteil mit einem älteren Herrn, der aus Ungarn stammt, aber nach der Revolution 1956 zuerst nach Belgien und anschließend in die USA ausgewandert ist und seitdem in Colorado lebt. Nun besucht er noch seinen Bruder in Zürich. Die Fahrt startet mit +7, die anderen beiden Liegen bleiben frei. Ratterratter. Dongdong. Ratterratter. Ohje, der Wagen hat eine üble Flachstelle und scheint generell nicht in bestem Zustand zu sein. In einem WC gibt es kein Wasser im Waschbecken, im Waschraum keine Seife, im anderen WC kommt mir ein Spiegel in jeder Kurve entgegen. Die Verspätung nimmt leicht zu, bei der Einfahrt in Györ leuchtet ein Eisenbahner, einen dieser mich schon immer faszinierenden Hammer in der Hand, die Räder mit einer hellen Lampe ab. Nach ein paar Minuten geht es dann weiter. Ratterratter. Dongdongdong. In den Bögen spürt man die Flachstelle nicht so stark wie auf gerader Strecke. In Hegyeshalom stehen wir wieder fast 20 min herum, immerhin nicht 60 wie bei meiner letzten Fahrt. Mit +30 geht es weiter und ich ahne schon, dass ich morgen länger schlafen kann. Hunderte rote Lichter tauchen in der Schwärze der Nacht auf, als wir die Grenze nach Österreich überquert haben, Warnlampen an Windrädern. Ich genieße noch die Reise in die Nacht bis Wien und lege mich dann hin. Es dauert eine Weile, bis ich einschlafe, ich spüre noch die schnelle und verhältnismäßig ruhige Fahrt über die ausgebaute Westbahn.
Mein Schlaf ist nicht besonders erholsam, die Decke ist irgendwie zu kurz und über Nacht ist es etwas kühl im Abteil geworden. Der Wagen hat einen ziemlich unruhigen Lauf und die Flachstelle tut ihr Übriges, um mir den Schlaf zu vermiesen. Irgendwann werde ich mit Druck auf den Ohren wach, muss wohl der Arlberg sein. Das nächste Mal höre ich ein dumpfes Klopfen. Nein, das kommt nicht vom Drehgestell. Der ältere Mann öffnet die Abteiltüre. Ich sehe nur ein Gesicht mit Maske vor hellem Hintergrund. „Guten Morgen, Schweizer Zoll. Haben Sie etwas zu verzollen?“ Grmblmpfnein. Die Tür geht wieder zu, das Licht verschwindet. Schon 7:35 Uhr, wir haben noch mehr Verspätung aufgebaut. Ich döse wieder ein. Es ist nach 9, als wir durch Pfäffikon rollen und ich bin mir sicher, dass es Geld zurückgeben wird.
Mit +62 erreichen wir schließlich Zürich, der nette ältere Herr wünscht mir viel Glück im Leben und wir verabschieden uns. Auf mich wartet der TGV nach Basel in Form eines vierteiligen Twindexx, was an diesem Dienstagvormittag aber völlig ausreichend ist. Mit exakt +60 geht die Reise also zu Ende.
Fazit
Split habe ich als sehr touristische (und auch teure) Stadt in Erinnerung und daran hat sich nichts geändert. Schon vor 10 Jahren waren das dortige Preisniveau vergleichbar mit Deutschland. Die historische Altstadt aus der Römerzeit ist hoffnungslos überlaufen – tagsüber, aber auch abends kann man sich kaum frei bewegen, so dicht schieben sich die Menschenmassen durch die engen Gassen und das, obwohl ich außerhalb der Hauptsaison unterwegs war. Bei so vielen Touristen erstaunt es, dass die Nachtzüge aus Prag, Budapest und Wien alle nur saisonal und bis kurz nach meinem Besuchszeitpunkt fuhren. Dass die Stadt bei Touristen so beliebt ist, kann ich durchaus nachvollziehen. Neben den Überresten aus der Römerzeit gibt es westlich davon auf dem Weg zum Marjan-Hügel weitere interessante Stadtviertel mit verwinkelten Gassen und kleinen Restaurants. Der Wald auf dem Marjan-Hügel stellt in der Region durchaus etwas Besonderes dar – an der Küste gibt es nur sehr wenig Wald, sodass man dort im Sommer einen der wenigen schattigen Orte findet. Ich jedenfalls finde die Lage zwischen Bergen und Meer fantastisch und hätte gerne noch ein paar weitere Tage für die Erkundung der Umgebung gehabt.
Die Busflotte ist modern und klimatisiert, definitiv ein Fortschritt gegenüber meinem vorherigen Besuch. Tagsüber habe ich oft überfüllte Busse gesehen. Die Stadt erstickt in Autos und bräuchte dringend Verbesserungen im ÖPNV. Die Siedlungsgeografie fördert und fordert tendenziell die Entstehung von viel Verkehr – von allen besuchten Orten hatte ich in Split das Gefühl, die schlechteste Nahversorgung zu haben, dafür besonders große Supermärkte irgendwo am Stadtrand.
Ganz neu sind auch die Nextbikes, von denen ein Teil E-Bikes sind und die sich daher auch für bergige Touren gut eignen. Der erste Schritt zur Verkehrswende ist getan, allerdings muss nun noch eine viel bessere Infrastruktur geschaffen werden, damit die Busse nicht ewig im Stau feststecken, zumal auf viele Hauptstraßen ausreichend Platz für eine Busspur wäre. Radfahren ist größtenteils nur was für Abenteurer, denn man hat eigentlich nur die Wahl, entweder auf den schmalen Gehwegen mit diversen Hindernissen oder mitten in der Blechlawine auf den Hauptstraßen zu fahren. Ich habe meine Route nach Kaštel Stari bewusst so geplant, die größten Hauptstraßen möglichst zu vermeiden und dennoch waren die ersten 15 km durch die Stadt keine Freude. Außerhalb von Split waren es dann vor allem Einbahnstraßen, die das Vorankommen etwas mühsam machen, aber da es sich nur um sehr schwach befahrene Seitenstraßen handelt, bin ich einfach falschrum durchgefahren, um möglichst in Meeresnähe zu bleiben.
Die Betriebsqualität der Eisenbahn ist zumindest auf der Strecke nach Split unterirdisch. Vermutlich ist aufgrund der wenigen Kreuzungsmöglichkeiten und der fahrdynamisch nur geringen Geschwindigkeiten in den Steigungen wegen der schwachen Dieselloks kein besonders dichter Verkehr möglich und die Strecke durch den Regionalverkehr schon ziemlich ausgelastet. Der Fahrplan von Regiojet scheint mir etwas zu optimistisch zu sein und ich kann mich mit meinen +30 ziemlich glücklich schätzen. Bereits im Vorjahr galt der Zug als äußerst unzuverlässig und musste dann gelegentlich in Ogulin verenden und durch Busse ersetzt werden. Dass zweimal täglich ein 612er als IC nach Zagreb ausreicht, zeigt schon, welch geringe Bedeutung die Eisenbahn auf dieser Strecke hat, was eigentlich sehr schade ist. Denn sie ist landschaftlich sehr reizvoll, eine Reise durch die verschiedenen Vegetationszonen von mitteleuropäisch bis mediterran und ich kann sie sehr empfehlen.
Auf den ersten Blick ist Bosnien genauso geblieben, wie ich es in Erinnerung habe, irgendwo zwischen Orient und Okzident, Kirchen neben Moscheen, vollverschleierte Frauen neben freizügig gekleideten, alles drinnen wie draußen hoffnungslos verqualmt und die noch nicht geschlossenen Wunden des Krieges omnipräsent. Kulinarisch eher eintönig mit dem typischen Balkangrill, Eintöpfen und Eingelegtem, ein wenig Abwechslung bringen orientalische Einflüsse. Frisches Obst und Gemüse findet man fast nur auf dem Markt. Bereits bei meinem ersten Besuch hat mich das friedliche Miteinander der Religionen beeindruckt – beim nicht ganz so friedlichen Miteinander der drei Bevölkerungsgruppen scheint es immerhin gewisse Fortschritte zu geben. Dennoch bleibt die Situation fragil und eine für alle Einwohner befriedigende Lösung zu finden, dürfte der Quadratur des Kreises gleichkommen. Ich habe gewisse Zweifel daran, dass Bosnien in der heutigen Form mit den zwei autonomen Teilrepubliken so dauerhaft Bestand haben wird.
Auf den zweiten Blick gibt es doch einige Veränderungen in den letzten 10 Jahren zu erkennen. Bosnien ist definitiv kein Geheimtipp mehr, in Mostar und Sarajevo müssen sich die Touristenzahlen vervielfacht haben. Sogar durch Sarajevo touren jetzt Sightseeing-Doppeldeckerbusse. Man hört neben Deutsch und Englisch auch weitere Sprachen und die Englischkenntnisse vor Ort sind sehr viel besser und damit die Verständigung einfacher geworden, wobei viele ältere Menschen ohnehin Deutsch sprechen. Ob das auch auf die Republika Srpska zutrifft, ist schwer zu sagen. Diese scheint mir auf den ersten Blick nationalistischer und deutlich weniger Westlich zu sein.
Für mich ist es eindeutig, dass Bosnien das ärmste der besuchten Länder ist und die Infrastruktur dort im schlechtesten Zustand ist. Aber auch in dieser Hinsicht hat sich etwas getan – das Rollmaterial der ŽFBH ist topmodern, nur schade, dass man damit nicht weit fahren kann. Denn es gibt nicht nur seit mehreren Jahren keine internationalen Personenzüge mehr nach Bosnien (mit Ausnahme des diesen Sommer nach vielen Jahren Pause wieder eingeführten saisonalen Zuges Sarajevo – Ploče, der zum Zeitpunkt meines Besuchs bereits nicht mehr gefahren ist), sondern auch keine Personenzüge zwischen den beiden Teilrepubliken.
Belgrad ist eine lebhafte Stadt mit einem hohen Lärmpegel und hoffnungslos verstopften Straßen, touristisch noch weitgehend unentdeckt mit einem sehr günstigen Preisniveau, noch längeren Öffnungszeiten als die ohnehin schon langen in Bosnien, verbindet das Chaos einer orientalischen Stadt mit Resten der sowjetischen Mentalität und dem Hauch einer Weltstadt. Meiner Meinung nach ist klar erkennbar, dass Serbien nicht in der EU ist - der Unterschied zu Ungarn oder gar Tschechien ist in vielerlei Hinsicht enorm - aber durchaus finanziell besser aufgestellt ist als Bosnien. Kulinarisch ist die Stadt geringfügig abwechslungsreicher als Bosnien – da wundert es mich nicht, dass der Inder mit seinem kleinen Restaurant laut seinen Angaben der erste ist. Die Supermärkte sind dagegen deutlich besser sortiert als in Bosnien. Kartenzahlung ist wesentlich weiter verbreitet als in Kroatien oder Bosnien. Dort findet man gefühlt alle 20 m einen Geldautomaten, kein Wunder, kosten sie doch alle 5 € Gebühr.
Die Verkehrssituation ist chaotisch, es gibt viel zu viele Autos, die ungeduldig hupend um jeden Meter kämpfen, vor allem in der HVZ. Durch blockierte Knotenpunkte kommt der gesamte Verkehr regelmäßig zum Erliegen und bis die gordischen Knoten wieder gelöst ist, dauert es oft mehrere Minuten. Darin stecken dann auch Busse, Obusse und Trambahnen fest, die in der Innenstadt nicht überall einen besonderen Bahnkörper haben oder deren Fahrt über die Kreuzung dann trotzdem behindert wird. Immerhin gibt es auch einige Busspuren, aber viel zu wenig, um ein einigermaßen verlässliches Angebot zu schaffen. Die kleinen Fahrzeuge in Kombination mit den massiven Behinderungen durch den MIV, aber auch durch die langen LSA-Umlaufzeiten sind fatal – denn es kommen fast immer mehrere Fahrzeuge hintereinander und dann lange nichts, sodass Überfüllungen sehr häufig sind. Bei der Tram gibt es als zusätzliches Problem, dass in den meisten Wendeschleifen keine Überholmöglichkeit besteht, also die unterschiedlichen Linien keine voneinander unabhängig Wendezeit abwarten können, ohne das nächste Fahrzeug zu behindern. Dadurch kommt es vor, dass die Fahrzeuge schon im Pulk starten.
Abhilfe soll nun endlich nach Jahrzehnten der Planung eine U-Bahn schaffen. Alstom und ein chinesisches Unternehmen sind daran maßgeblich beteiligt. Zunächst sollen zwei Linien gebaut werden, die im Osten miteinander verbunden sind. Später kann dann eine dritte Linie dazukommen.
https://www.lok-report.de/news/europa/i ... d-eur.html
Einige interessante Infos zum Projekt auch hier:
https://www.bgmetro.rs/index.php/en/bg- ... ment-plans
Nicht nachvollziehbar finde ich den Streckenverlauf der Linie 1 Richtung Süden, der direkt entlang einer gut ausgebauten Tramachse führt und dabei weder das Uniklinikum noch den ohnehin miserabel angebundenen neuen Hauptbahnhof erschließt. Kritiker des Projekts vermuten – wie in Serbien allgegenwärtig – Korruption, um unter anderem das Immobilienprojekt am Flussufer in der Nähe des alten Bahnhofs anzubinden und dadurch für Wertsteigerungen zu sorgen.
Zudem gibt es große Pläne zum Tramnetzausbau, doch bisher handelte es sich fast nur um leere Versprechen. Die einzige Neubaustrecke ging über die neue Ada Bridge 2019 in Betrieb, wohlgemerkt 7 Jahre nach der Fertigstellung der Brücke für den MIV. Außerdem war und ist das Tramnetz immer wieder für lange Zeiträume durch Baustellen beeinträchtigt. Inzwischen sind aber weite Teile des Streckennetzes saniert und in für Osteuropa gutem Zustand.
Eine Endlosbaustelle ist der neue Hauptbahnhof Beograd Centar, dessen Name nicht weiter von der Realität entfernt sein könnte. Baubeginn des Bahnhofs und der größtenteils im Tunnel verlaufenden Zulaufstrecken war bereits in den 70er Jahren. Ziele waren der Ersatz des innenstadtnahen Kopfbahnhofs für bessere Möglichkeiten einer HGV-Anbindung sowie ein Ausbau des S-Bahnnetzes. Nach mehreren Baustops, vor allem wegen Geldmangels, wurde 2016 endlich der Teilausbau abgeschlossen und allmählich die Regional- und Fernzüge vom alten Bahnhof verlegt. 2018 wurde dann der alte Bahnhof geschlossen und die Gleise entfernt. Dort entsteht das Stadtentwicklungsprojekt Belgrade Waterfront. Im Endausbau wird der neue Bahnhof 10 Durchfahrtsgleise haben, die Mehrfachbelegung zulassen. Hier wird also durchaus ein leistungsfähiger Eisenbahnknoten geschaffen – es bleibt zu hoffen, dass man vielleicht dereinst auch wieder ein paar mehr internationale Ziele von dort erreichen kann. Bei meinem ersten Besuch 2012 konnte ich noch mit dem Zug von Sarajevo nach Belgrad fahren – es war das letzte Betriebsjahr dieses Zuges. Dennoch bleibt die mangelhafte Einbindung in das städtische Umfeld ein großes Manko des neuen Bahnhofs und daran wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern, selbst wenn das Gebäude auf dem Betondeckel mal fertiggestellt ist. Im innerstädtischen Verkehr weist die S-Bahn (Beovoz) trotz des unterirdischen Bahnhofs Vukov Spomenik als günstigem Umsteigebahnhof nur eine eher geringe Bedeutung auf.
Statistik
Gefahrene Bahnkilometer: 4450
Planmäßige Gesamtfahrzeit Bahn: 2d 16h 33min
Reisegeschwindigkeit Bahn: 69 km/h
Gesamtverspätung (analog FGR): 181 min
Fahrzeit Fernbusse: 16h
Gesamtreisegeschwindigkeit: 62 km/h
Langsamste Etappe: Split – Mostar (33 km/h)
Kosten Fahrkarten + Reservierungen Bahn: 283 €
Kosten pro Bahnkm: 6,4 Cent
Bus, ÖPNV, Gepäck: 99 €
Fahrrad: 19 €
Fahrtkosten gesamt: 401 €