
Wie man sieht: Da hängt kein Steuerwagen an der Zugspitze, und es wird an den Endbahnhöfen nicht umgesetzt, sondern, Zahnradbahn-gerecht, der Gelenk-ET hängt stets in Richtung Rorschach an der Talseite:

Wie wird der Betrieb dann abgewickelt? Zugeständnis an die Zugslänge ist eine Begleiterin, die mit dem Tf über Sprechfunk in Verbindung steht. Der Tf steht bei der Bergfahrt auf der Plattform des vordersten Sommerwagens und steuert den ET über Funk fern, genauso per Bauchladen, wie man das in Deutschland von Rangierloks kennt. Kleiner Unterschied: hier wird ein Reisezug bewegt, der bei voller Belegung sicherlich dreistellige Fahrgastzahlen hat, zuerst quer über Hauptgleise und durch einen nicht ganz kleinen Bahnhof, dann als Zahnradbahn mit einer max. Neigung von 93,6 Promille. In Deutschland kaum vorstellbar – oder? Nun, es kann ja jemand beim EBA so etwas vorschlagen und den multiplen Herzanfällen zuschauen.
Dann wäre ja soweit alles klar, aber der Zug fährt noch nicht ab. Das Bodensee-Kursschiff aus Lindau ist leicht verspätet, und das AB-Zugsteam beschließt, noch einen Moment auf potentielle Umsteiger zu warten. Tatsächlich kommen vom Anleger auch noch ein paar Leute angelaufen, die in den Zug einsteigen. Als es Planabfahrt +3 ist, meldet sich die Begleiterin per Funk beim Tf: „Solle mr no warte?“ – worauf dieser nur einen Blick auf den (leeren) Bahnsteig und einen zweiten auf die längst geschlossenen Barrieren und das freie Ausfahrsignal wirft, und fast gleichzeitig mit seiner Antwort „Nai, mir goonn jetz!“ ruckt der Zug dann an. Gleich hinter der Ausfahrt von Rorschach Bf. liegt nicht nur die Eigentumsgrenze SBB/AB, sondern neben der AB-Abstellanlage auch die Einfädelung in die Zahnstange System Riggenbach, die der Zug bis zur Endstation auch nicht mehr verlässt. Alle Zwischenhalte sind „Halt auf Verlangen“, da nicht alle in Anspruch genommen werden, sind die +3 vom Fahrgastservice am Rorschacher Hafen bis Heiden wieder egalisiert. Zwischendurch verwöhnt die stetig ansteigende Strecke mit einer wunderschönen Aussicht über den Bodensee, bis sie mit dem Halt in Wienacht-Tobel nicht nur im Halbkanton Appenzell-Ausserrhoden angekommen ist, sondern sich auch vom See langsam abgewendet hat. Für so eine schöne Zugsfahrt viel zu schnell ist der Endbahnhof Heiden erreicht. Und jetzt?
Klar, natürlich könnte man im Taktfahrplan auch wieder mit dem Zug nach Rorschach zurückfahren. Aber dann wäre es erstens nicht „gekreiselt“ gemäß Berichtsmotto und zweitens auch nicht das, was der gemeine „Freak auf Reisen“ so tut. Wie geht es dann weiter, wenn von Heiden keine Gleise mehr weiterführen? In der Schweiz ist die Lösung die gelbe Klasse! Rund um den Heidener Kirchplatz etwas oberhalb vom Bahnhof, wobei die namensgebende Kirche ein sehr ansehnlicher Bau ist, stehen die „Poschtis“ dicht an dicht, die Szenerie erinnert ein wenig an den Neuenstädter Lindenplatz, allerdings ist dort am Samstagmittag das Angebot nicht so dicht. Ins Ostschweizer Zentrum nach St. Gallen ginge es sogar im Doppelstockbus, für mich steht als Linie 225 ein Irisbus Crossway LE bereit. Nota bene reicht hier das in der Schweiz etablierte Prinzip der Selbstkontrolle aus, schlechte Witze wie „kontrollierter“ Vordereinstieg sind hier unbekannt. Gleich wie an allen Busknoten der Welt stehen die Fahrer in ihrer Pause ratschend zusammen, allerdings sind die Poschtichauffeure im Gegensatz zum üblichen Prozedere bei den LVL pünktlich zur Abfahrtszeit in ihren Bussen. Auf schmalen Sträßchen geht es bergauf-bergab via Wolfhalden und Lachen nach Walzenhausen, ganz selbstverständlich auch mit dem bekannten Dreiklanghorn. An der Haltestelle Walzenhausen Post/Bahnhof steige ich wieder aus, um den nächsten Reiseabschnitt wieder auf der Schiene zurück zu legen. Die 2000-Einwohner-Gemeinde Walzenhausen AR ist mit einer knapp 2 km langen Zahnradbahn an die große Schienenwelt angebunden, ebenfalls System Riggenbach, heute ebenfalls Teil der Appenzeller Bahnen, aber mit 600 V Gleichstrom elektrifiziert und auf 1200 mm Spurweite. Der Bahnhof in Walzenhausen ist ein unscheinbarer Betonquader in der Ortsmitte, der erst auf den zweiten Blick auffällt – man sucht auch vergebens nach Gleisen oder Fahrdraht, weil der einzige Bahnsteig im Tunnel liegt und mit seiner Treppenform zum schrägen Gleis mehr an die Endstation einer Standseilbahn erinnert. Welches Fahrzeug mich erwartet ist von vorneherein klar, es gibt nur den einen, 1958 gebauten BDeh 1/2, der den Gesamtbetrieb abwickelt. Die Strecke hinab nach Rheineck SG ist wieder interkantonal, nur durch die direktere, kürzere Streckenführung mit einer deutlich größeren Steigung von max. 250 Promille, direkter Seeblick inklusive. Am Ruderbach kommt die SBB-Strecke von St. Margrethen nach Rorschach in Sicht, parallel zu dieser geht es noch rund 600 m ohne Zahnrad bis direkt auf den Hausbahnsteig des SBB-Bahnhofs. Die Wendezeit ist recht knapp, irgendwie verbummle ich das, und so muss sich der ET das Bild mit dem (wenigstens schönen) Bahnsteigdach teilen:
