Da lese ich doch heute in der Onlineausgabe einer marktradikalen Postille, die sich einst als "Sturmgeschütz der Demokratie" und "im Zweifel links" beschrieb, es gebe drei ausschlaggebende Punkte für eine Produktionsverlagerung nach Osteuropa
- Steuerliche Anreize
- Geringere absolute Lohnkosten
- Größere Nähe zu osteuropäischen Wachstumsmärkten
Behauptet wird das von einem Vertreters des Institutes der Deutschen Wirtschafts, das von BDI und BDA gesponsort ist (seltsamerweise wird beim Hans-Boeckler-Institut jedesmal darauf hingewiesen, daß es vom DGB finanziert wird, bei von Arbeitgeberverbänden finanzierten Instituten ist das vielfach nicht der Fall).
Steuerliche Anreize. In Rumänien mögen die Steuern niedriger sein. Rumänien ist einer der größten Nettoempfänger der Europäischen Union. Die Infrastruktur, die in Rumänien zur Erschließung eines solchen Werkes notwendig ist, wird also nicht aus dem Steueraufkommen des rumänischen Staates bezahlt, sondern über weite Strecken aus EU-Fördertöpfen. Und jetzt ratet mal, wer der größte Nettozahler der EU ist?! Die Verlagerung wird als vom deutschen Steuerzahler mitfinaziert.
Darum ist die Merkel so beliebt im Ausland, weil Deutschland immer gerne alles bezahlt. Da war ihr großes Vorbild Maggie Thatcher noch anders. Also nicht daß jemand denken würde, ich würde von dieser Person etwas halten, aber die hat mit ihrer Tasche auf den Tisch gehauen und gerufen "I want my money back!" (Und zwar in this bag!) während Deutschland liebend gerne Geldgeschenke vergibt.
Geringere absolute Lohnkosten. Die absoluten Lohnkosten sind
ein Faktor zur Berechnung der Lohnstückkosten, die ihrerseits nur
einer unter vielen Standortfaktoren sind. Da die absoluten Lohnkosten nur 4% der Gesamtkosten ausmachen ist das Einsparpotential hier also nicht gerade hoch, zumal ein Teil der Produktion nach Finnland verlegt wird, wo es eben keine Niedriglöhne gibt. Als Weltmarktführer mit bislang in Bochum produzierten Handies ist es ohnehin fragwürdig sich über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit zu beklagen.
Größere Nähe zu osteuropäischen Wachstumsmärkten. Die Hauptabsatzmärkte sind nach wie vor Hochlohnländer, weil da Kaufkraft vorhanden ist. Natürlich ist es toll, wenn man in Niedriglohnländern billig produzieren kann, aber Niedriglohnländer haben eben auch den großen Nachteil, daß sie aufgrund ihrer Lohnstrukturen keine Kaufkraft haben. Wenn man also in Osteuropa wirklich im großen Stil Geld verdienen will, dann muß man in Kauf nehmen, daß es dort massive Lohnsteigerungen geben wird, was übrigens den zweiten Punkt komplett neutralisiert. "Autos kaufen keine Autos" wußte Henry Ford, aber offensichtlich gibt es im Institut der Deutschen Wirtschaft Leute, die glauben, Handies würden Handies kaufen.