Schönen guten Tag,
da hier in dem Strang eine ganze Menge Ungenauigkeiten oder zum Teil auch Falsches zur Kölner Stadtbahn im Speziellen und zu NRW im Allgemeinen behauptet wird, habe ich mich dazu entschlossen, eine kurze Abhandlung zu schreiben.
Vor dem Zweiten Weltkrieg war für Köln ein U-Bahnsystem in Form eines Kleeblatts geplant, die Weltwirtschaftskrise verhinderte jedoch die Umsetzung. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss der Kölner Stadtrat die Schaffung einer U-Straßenbahn in der Innenstadt. Da damals in den 60er Jahren noch keine Förderung existierte, musste die Stadt die Baukosten alleine tragen, deshalb entschloss man sich für eine sparsame Trassierung, trotz allem hielt man sich aber die Möglichkeit offen, später andere Fahrzeuge als Straßenbahnen einsetzen zu können. Die Tunnelanlagen wurden so geplant, dass Fahrzeuge, wie sie bei der Berliner Großprofil-U-Bahn eingesetzt werden, benutzbar gewesen wären. Dafür stimmte man die Parameter auf einen Drehzapfenabstand von 10 m ab, was schon mehr war als in Berlin, wo man mit 9,5 m auskommt. Die Wagenbreite wurde in Anlehnung an die Berliner U-Bahn auf 2,65 m ausgelegt. Die Bögen sind eng, aber enge Bögen gibt es auch in Berlin oder Hamburg, sowie Paris und Madrid. Es ist jedoch nicht so, dass die Bögen so eng sind, dass sie einer Straßenbahnstrecke entsprechen. Weiterhin wurde auch nicht nur niveaugleich gebaut, das Gleisdreieck Appellhofpl. ist in Ost-West-Richtung niveaufrei ausgeführt, man hat hier die Hauptfahrtrichtung gesehen, was sich hinterher als Trugschluss herausstellte. Die Abzweige Poststr. und Appellhofpl. Nord-Süd wurden niveaugleich gebaut, das stimmt, allerdings sollte man nicht vergessen, dass es so etwas auch bei U-Bahnen gibt, ich erinnere hier an die London Underground oder die Subway in Chikago.
Und noch eins: Die Kölner U-Straßenbahn wurde nicht gebaut, um Platz für Autos zu schaffen, denn dort, wo sie gebaut wurde, gab es meist keine oberirdische Strecke, das war also ein echter Neubau.
Ende der 60er Jahre dann begann man in NRW, das System Stadtbahn zu entwickeln. Dabei gab es zwei Modelle:
1) Stadtbahn als kreuzungsfreie Bahn zur Stadterschließung und Städteverbindung, also eine Mischung aus U-Bahn und S-Bahn. Dieser Weg wurde im Ruhrgebiet und in Düsseldorf favorisiert, die Stadtbahn Rhein-Ruhr wurde gegründet.
2) Stadtbahn als Mischsystem Straßenbahn/U-Bahn/S-Bahn zur Stadterschließung und Städteverbindung. Diesen Weg wählte man in Köln und Bonn. Die Stadtbahn Rhein-Sieg wurde gegründet.
Bei der Stadtbahn Rhein-Ruhr plante man ein kreuzungsfreies unabhängiges System, da die bestehenden Straßenbahnstrecken meist nicht einbindungsfähig waren. Deshalb plante man den Stadtbahnwagen Ruhr, auch Stadtbahnwagen Typ A genannt, einen DT mit Stromschienenbetrieb, 2,65 m Breite, 36,9 m Länge, sechs Türen pro Seite und einem Drehzapfenabstand von 12 m. Der Stadtbahnwage A ist dem Stuttgarter DT8 also längst nicht so ähnlich, wie gerne behauptet wird.
Bei der Stadtbahn Rhein-Sieg ging man den anderen Weg. Zum einen waren Vorort- sowie Eisenbahnstrecken einzubinden, zum anderen waren eine Menge Straßenbahnstrecken einbindungsfähig. Auch musste die Kölner U-Straßenbahn eingebunden werden. Man entschied sich also für das Mischsystem. Damit war auch klar, dass man mit dem Stadtbahnwagen Ruhr nichts anfangen konnte und entwickelte den Stadtbahnwagen Kölner Bauart, auch Typ B genannt. Dieser Wagen erhielt eine Breite von ebenfalls 2,65 m, orientierte sich in vielen Punkten am Berliner F74, wurde jedoch als GT ausgeführt. Der Drehzapfenabstand beträgt 10 m in Anlehnung an die ersten Kölner Tunnel, der minimale Kurvenradius beträgt 25 m. Das Fahrzeug hat Klapptrittstufen und Dachstromabnahme kann aber auch im Stromschienenbetrieb eingesetzt werden. Bei den späteren Versionen mit Schwenktrittstufen ist das jedoch nicht mehr möglich. Auch gibt es Fahrzeuge ohne Stufen. Die Fahrzeuge hatten damals eine Vmax von 100 km/h, später waren auch andere Versionen verfügbar.
Das Fahrzeug ist genau die „eierlegende Wollmilchsau“ die man für die Mischung aus Straßenbahn/U-Bahn und S-Bahn braucht.
Zur damaligen Zeit war in NRW genug Geld vorhanden und man fing fleißig an, zu bauen, doch bald schwante den Betrieben im Rhein-Ruhr-Raum, dass das groß gesteckte Ziel mit der reinen Stadtbahn und Wagen Typ A langfristig nicht finanzierbar gewesen wäre und so schwenkte man auf den Kurs der Stadtbahn Rhein-Sieg um, was weitreichende Folgen haben sollte, da dieses System gut für Köln und Bonn geeignet war und ist, aber für den Rhein-Ruhr-Raum sollte es sich als Fehlentscheidung herausstellen, aber das hat nichts mit Köln zu tun und wäre ein anderes Thema.
Für Köln und Bonn, also den Bereich der Stadtbahn Rhein-Sieg, wurden nun großzügige Streckenparameter entwickelt und umgesetzt. Deshalb ist die Aussage, in Köln gäbe es nur eine tiefergelegte Straßenbahn schlicht falsch. Wenn überhaupt trifft das nur auf den Innenstadttunnel zu, also etwa vier Kilometer von ca. 40 km echter Stadtbahn. Die restlichen Tunnel- und Hochbahnanlagen stehen allgemein gängigen Parametern in nichts nach, sind meist niveaufrei angelegt und für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt. Wenn man in Köln ist, sollte man halt nicht nur zwischen Ebertplatz und Poststr. pendeln, um sich seine Meinung zu bilden.

Auch bei der neuen Nord-Süd-Stadtbahn, die keinesfalls eine U-Bahn ist, der Begriff wird in NRW offiziell gar nicht verwendet, wird am Breslauer Pl. niveaufrei ausgefädelt, nur der Abzweig in unmittelbarer Nähe zum Dom ist niveaugleich da man dort nicht noch mehr buddeln wollte. Es ist in einer Stadt mit 2000 Jahren Römergeschichte und einer der größten Kirchen der Welt eben etwas schwieriger Tunnel zu bauen, als in München, das sollte man nicht vergessen.
So, nun noch etwas zum Thema Straßenbündigkeit, hier wurde bemängelt, die Stadtbahn hätte ja hier und da keinen eigenen Bahnkörper. Dazu nur so viel: 90 Prozent des Netzes befinden sich auf besonderem, unabhängigem oder kreuzungsfreiem Bahnkörper. Nur ca. 10 Prozent sind straßenbündig. Das ist ein recht guter Wert.
Das Kölner Stadtbahnnetz sieht in etwa so aus (alle Angaben sind ungefähre Werte):
20 km straßenbündig
50 km besonderer Bahnkörper
40 km reine Stadtbahn, kreuzungsfrei (meist im Tunnel)
40 km unabhängig nach BoStrab
50 km unabhängig nach EBO
Insgesamt also 200 km.
Die EBO-Strecken sind keine DB-Strecken, sondern kommunale EBO-Strecken, die fast überall exklusiv der Stadtbahn zur Verfügung stehen.
Um zum Ende zu kommen, sei gesagt, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit der Kölner Stadtbahn in etwa der der Stuttgarter Stadtbahn entspricht oder der der Berliner Kleinprofil-U-Bahn. Die Kölner Stadtbahn hat stetig steigende Fahrgastzahlen, die sich in einem Bereich befinden, von dem man bspw. in Stuttgart nur träumen kann.
Ich werde hier auch den Eindruck nicht los, das manch Münchener den Kölnern unbedingt sein Münchener Netz aufdrücken will, wenn Köln das gewollt hätte, hätte es das machen können, es gab durchaus Gelegenheiten dazu, man hat sich jedoch bewusst dagegen entschieden und ich denke, ein Netz von 200 km Länge spricht für sich, oder?
Ein kleiner Tipp nach München: Bevor ihr anderen Ratschläge erteilt, kümmert Euch doch bitte erst um Eure Flughafenanbindung, denn die ist wirklich nicht so toll, übrigens ganz im Gegensatz zu Köln, da ist sie tip-top.
Nun schließlich noch eine Klarstellung zum Thema Stadtbahn in NRW:
Der Volksmund mischt zwar die Begriffe U-Bahn und Stadtbahn, aber offiziell gibt es keine U-Bahnen. Der Begriff Stadtbahn kennzeichnet die Bedeutung der Netze für den städteverbindenden Verkehr, daher kommt der Begriff. Auch eine absolut kreuzungsfreie Bahn wie die U18 in Essen ist eine Stadtbahn und keine U-Bahn. Dabei spielt es auch keine Rolle, was der VDV dazu sagt, denn der hat keinerlei rechtsverbindliche Kompetenz.
Auch können Stadtbahnen genauso leistungsfähig wie U-Bahnen sein, das beweist Düsseldorf mit seinem Pendelverkehr zwischen Altstadt und Hbf. zu Karneval. Da werden auf dieser Tunnelstrecke B-Wagen in Vierfachtraktionen gefahren, diese 112 m langen Züge stehen einer U-Bahn in nichts nach.
Insofern unterscheidet sich der NRW-Stadtbahnbegriff von den Begriffen in Hannover oder Stuttgart.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass diverse NRW-Städte sowohl Stadtbahn als auch Straßenbahn haben. Es ist also eine gute Idee, sauber zwischen Stadtbahn und Straßenbahn zu unterscheiden, wenn man nicht in der falschen Bahn sitzen will.