Die Fragestellung lässt sich noch erweitern: Mussten die 120 Container eigentlich alle zum Zeitpunkt X irgendwo in Bayern vor Ort sein oder hätte ein stufenweiser Zeitplan auch genügt? Ich vermute mal stark letzteres, weil kaum ein Produktionsunternehmen den Inhalt von 120 Containern "was-auch-immer" in einer Schicht verarbeiten wird und kaum ein Handelsunternehmen die Lager-, Umschlags- und Distributionskapazität haben dürfte, den Inhalt von 120 Containern "was-auch-immer" an einem Tag zu verarbeiten. Wäre auch wirtschaftlich nicht ganz das, was heute üblich ist, einen Betrieb auf solche Belastungsspitzen auszulegen. Mal abgesehen davon, dass es auch ein paar Minuten gedauert haben dürfte, 120 LKW abzuladen.Das liegt nicht am Verkehrssystem, sondern nur daran, dass im System Lkw zu viele Marktteilnehmer sind. Sonst wäre es nicht möglich für einen Einzelauftrag mal eben 120 Container-Lkw zu besorgen. Das geht nur, wenn zu viel freie Kapazität am Markt ist. Und das ist bei der Bahn aktuell nicht gegeben. Das System Eisenbahn könnte dir die Container sicher in weniger als einer Woche nach München fahren. Sofern die Verladeterminals das hergeben, einen Zug mit 30 Tragwagen 4x pendeln lassen, das würde schon reichen. Nur dürften derartig große Einzelanfragen so selten sein, dass kein EVU mal eben so einen Zug rumstehen hat für den Fall, dass mal jemand kurzfristig 120 Großcontainer gefahren haben will. Wenn der Eigentümer z.B. von DB Schenker es wollen würde, könnte das Unternehmen freilich mehr Kapazitäten für Dispo-Verkehre aufbauen. Das macht aber kein EVU, weil's Geld kostet. Einen meist osteuropäischen Lkw-Fahrer teils tage- oder auch in Einzelfällen wochenlang ohne Fahrt im Lkw campen zu lassen bis man wieder einen passenden Auftrag hat, geht da schon sehr viel einfacher... Und wenn man dann doch zeitnah eine Anschlussfahrt hat: Das traurige an der Lkw-Flut ist ja auch wie viele Leer- oder Schwachlastfahrten dabei sind.
Wobei ich mich frage, wer weiß keine drei Wochen vorher, dass er offensichtlich einmalig 120 (!) Großcontainer nach Hamburg geschippert bekommt? Angenommen, das Schiff fährt wie so oft in China los, dann ist das Schiff ja schon auf halbem Weg, wenn man sich die Frage stellt... ähm... wie befördert man die Container weiter. Ich kenne es jetzt so, dass man mal ein, zwei, vielleicht fünf Container bekommt, z.B. wenn man ein paar tausend Modellbahnen in China hat fertigen lassen. Aber mal eben von jetzt auf gleich 120 Stück ohne dass man vorher oder nachher ähnliche Transporte hat? In welcher Branche kommt das vor?
Fährt man regelmäßig viele Container, gibt's ganz sicher ein EVU, das extra dafür Kapazitäten schafft. Regelmäßige Massenverkehre per Bahn funktionieren ganz großartig. In Ingolstadt werden täglich ca. 1.500 neue Autos von der Bahn abgeholt, während andere Züge, die Teile und Rohstoffe für im Schnitt ebenso viele Autos anliefern. Anderswo werden große Kohlekraftwerke gefüttert. Funktioniert einwandfrei. Man kann es ja auch nicht als Versagen des Verkehrssystems Regionalbus werten, wenn man untertags nicht mal eben binnen einer Woche 50 Busse bekommt. Auch mal eben schnell vier, fünf große, verfügbare Frachtflugzeuge dürfte man eher schwer finden. Wie gesagt, sich einfach mal so derart viele freie Kapazitäten zu erlauben wie der Lkw-Markt derzeit, ist glaube ich ziemlich einmalig. Und mit den Gigalinern hat man als Unternehmer halt die Möglichkeit im üblichen Paletten- und Stücktrachtbereich die selbe Kapaziät mit weniger Fahrern und weniger Zugfahrzeugen, also weniger Kosten im Markt platzieren zu können. Oder um den Markt mit noch mehr Kapazität zuzusch...en, die eigentlich keiner so wirklich braucht.
120 verfügbare Container-Lkw zeigt also eigentlich nur, dass die Lkw-Transporteure a.) für ihre Flottengröße eigentlich viel zu wenig zu tun haben oder vielleicht auch einfach, dass b.) jede Woche wer anders 120 Container per Lkw transportiert haben will (ist ja wurscht, wer die Kapazitäten auf den Schiffen gebucht hat) und sich die Transporteure deswegen trauen die Kapazitäten vorzuhalten. Würden die Firmen öfters bei der Bahn anfragen, könnte sie das selbe tun. Könnte somit auch ein Henne-Ei-Problem sein. Was war zuerst nicht da, die Kapazität der Bahn oder die Nachfrage danach?
Vor diesem Hintergrund wären die 120 Container eventuell sogar im Regelzugverkehr darstellbar gewesen. Wenn man sich die täglichen Seehafen<->Hinterland - Züge wie z.B. BoxXpress und ähnliches mal anschaut, verkehren diese mit der immer gleichen Wagengarnitur (sollte hinsichtlich Instandhaltung mit RIGA vergleichbar sein) in der immer gleichen Länge mit der immer gleichen Zahl von Stellplätzen. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Züge mal voller, mal leerer sind, sprich mal hat man fast alle Stellplätze ausverkauft, mal kommen aber auch eine Reihe leerer Tragwagen im Zugverband, die erst wieder 2 Tage später oder in der Gegenrichtung gebucht sind, aber vorhanden, da der Zug immer in dieser Länge und mit diesem gleichen Wagensatz verkehrt. In diesem Sinne und vor dem obigen Hintergrund eines kontinuierlichen Materialflusses wäre also eher nicht die Fragestellung gewesen: Wie bekomme ich in einem Schlag 120 Container von Hamburg nach Süden, sondern wie bekomme ich 15 Arbeitstage lang je 8 Container von Hamburg nach Süden, was sich sehr viel einfacher bewerkstelligen lassen sollte?! Das Gequengel "Bahn kann ja nix" riecht mir hier also streng nach Schwächen der beteiligten Logistiker.