Zeil fordert PPP beim Netzausbau

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Cloakmaster
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Beitrag von Cloakmaster »

Toll Collect: Hätte den der Bund das Know-How, es selbst umsetzen zu können? Oder hätte er einen Anbieter (zB Zusammenschluß Telekom/Daimler aka TollCollect) finden müssen, der die technische Umsetzung liefert? Was hätten die wohl dem Bund in Rechnung gestellt, wenn sie nicht an den laufenden Einnahmen beteiligt wären, sondern lediglich einmal beim Verkauf des Systems an eine bundeseigene Mautgesellschaft verdient hätten?

Im Prinzip ist das eine Frage des "Make or Buy". Wenn BMW jede Schraube, jedes Plastikteil etc ihrer Autos selbst herstellen würden, würde man damit mehr verdienen? Unwahrscheinlich. Es gibt Spezialisten, welche wesentlich grössere Stückzahlen an Schrauben produzieren können, und damit den Stückpreis pro Schraube entscheidend senken. Dann müsste die Bahn aber wieder ihe Züge selbst produzieren, anstatt Siemens, Bombardier & Co. in einen Wettbewerb zu schicken, um das bestmögliche Preis/Leistungsverhältnis zu erhalten.

Anders sieht es bei Bundes-Aufgaben aus, die man bisher selbst gemacht hat, und nun an das PPP "auslagern" möchte. Beim Strassen/Schienenbau war es gang uns gäbe, die Projekte auszuschreiben, und der Bund hat dem besten Angebot den Zuschlag gegeben. Straßenbauutnernehmen gibt es mehr als genug, ob es auch soo viele Schienenbauunternehmen gibt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Da stellt sich wirklich die Frage, ob man langfristig wirklioch Geld damit spart, oder die Entlastung nur eine sehr kurzfristige ist. Wobei selbst das noch kein Kill-Kriterium pro/COntra PPP ist. Manchmal ist das GEld kurzfrisitg schlicht nicht verfügbar, da daß man sich auf eine langfristige, teurere Finanzierung einlassen kann, oder das Projekt auf irgendwann, wenn wieder Geld da ist, zu verschieben.

Generell sehe ich in PPP auch zunächst die Kosten steigen. Es mag abr durchaus erfolgversprechende und auch erfolgreiche Konstellationen geben. Das "Allheilmittel" ist PPP aber auf jeden Fall nicht.
bayerhascherl
König
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Beitrag von bayerhascherl »

Ich finde es dann sinnvoll wenn es sich nicht um "Taschenspielertricks" handelt. Beispielsweise hat der Freistaat Bayern seit Jahren einen ausgeglichenen Haushalt und plant nun auch die Altschulden bis 2030 komplett abzubauen. Das heißt dass bis dann - um wieder Handlungsfähigkeit zu gewinnen - weniger vom Staat ausgegeben werden muss als er einnimmt, logisch. Wenn man nun gleichzeitig weiter investieren will dann geht das nur per PPP oder eben gar nicht (was nicht so tragisch wäre denn das infrastrukturelle Netz ist dermaßen dicht über Deutschland gelegt dass schon der Erhalt der vorhandenen Substanz eine Herkulesaufgabe ist). Zumal die Bevölkerung altert (weniger Pendelverkehr etc.) und schrumpft.

Es ist nur eine Frage der Zeit bis daher auch der Kipp-Punkt erreicht ist da die Entwicklung der letzten 100 Jahre - immer neue Rekorde beim Verkehrsaufkommen - erreicht ist und das Aufkommen langsam zurück geht, zumindest stagniert. Wenn man langfristig denkt dann muss, an die nächste Generation gedacht, weniger in immer neue Autobahnen (oder Gleise) investiert werden sondern zuerst die vorhandene Infrastruktur bis an ihre Grenzen ausgelastet werden bevor man auch nur einen Meter neues Gleis oder Straße baut. Das Geld was man hat muss stattdessen in Schuldenabbau, Bildung und Familienförderung gehen. Damit dieses Land eine gute Zukunft hat und den Nachkommen nicht einfach nur Schulden, marode Infrastruktur und Renten bzw. Pflegenotstand hinterlassen werden. Also bei diesem Thema muss man etwas über den Tag hinaus denken.
ropix
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Beitrag von ropix »

Boris Merath @ 19 Jan 2012, 13:18 hat geschrieben: Toll Collect muss man sich näher anschauen - das könnte ausnahmsweise vielleicht sogar sinnvoll sein. [... ist es dann aber wohl doch nicht]
Also wenn Public-Private per se schon schlecht ist, wie schlimm ist dann eigentlich erst "Private" alleine, da verdient der Staat schlimmstenfalls keinen Cent.
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Mr Burns
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Beitrag von Mr Burns »

Im Gegensatz zum Autoverkehr hat die Eisenbahn die Besonderheit, daß für mehr Verkehr nicht nur einmalig in die Infrastruktur investiert werden muß, sondern daß anschließend auch der Betrieb erstmal bezahlt werden muß. In Nordrhein-Westfalen ist daran vor einigen Jahren die Verlängerung der Linie S 4 über Dortmund-Lütgendortmund hinaus nach Wanne-Eickel gescheitert. Das Geld für die Infrastruktur lag lange Zeit bereit, aber die anschließende Betrieb war nicht finanzierbar. Daran wird auch der Rhein-Ruhr-Expreß scheitern. Wie man nennenswerte Verkehrsausweitungen auf der Schiene mit der Schuldenbremse und immer neuen Debatten um Steuersenkungen in Einklang bringen will, weiß ich nicht.

Dazu kommen explodierende Infrastrukturkosten. Die BAG SPNV hat nachgewiesen, daß spätestens 2015 große Abbestellwellen drohen. Wer sich an die Privatisierungsdebatte 2007/2008 erinnern kann und sich die heutigen Verhältnisse ansieht, dem wird auffallen, daß sämtliche Worst-Case-Szenarien eingetreten sind. Der Treppenwitz der Geschichte ist, daß das auch ohne Privatisierung passiert ist.
Electrification
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Beitrag von Electrification »

Mr Burns @ 22 Jan 2012, 11:58 hat geschrieben: Dazu kommen explodierende Infrastrukturkosten. Die BAG SPNV hat nachgewiesen, daß spätestens 2015 große Abbestellwellen drohen.
Wenn man so schnell es geht die Infrastruktur abtrennt und in eine Bundesbehörde umwandelt, würde das anders aussehen. Vor allem könnte man die Preise so gestalten dass man keinen Verlust macht, eine Behörde müsste aber keine Gewinne machen, was mit Infrastruktur eh ein Witz ist!

Hier muss dringend was getan werden und nein, langfristig kommen wir nicht umhin die Mittel für den SPNV aufzustocken. Man kann auch in anderen Bereichen sparen, denn der SPNV ist eh unterfinanziert, also wurde da schon lange genug gespart.
Mr Burns
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Beitrag von Mr Burns »

Jein. Ich will nicht über die Höhe der Regionalisierungsgelder diskutieren, aber auch eine unabhängige Netzbehörde hätte eine Tendenz, sich das Geld aus dem hochsubventionierten SPNV zu holen. Was wir brauchen ist eine stärkere Regulierung, ein mehrverkehrfreundliches Infrastrukturentgeltsystem und starke Aufgabenträger, auch im Infrastrukturbereich. Das Beispiel Müngstener Brücke lehrt uns, daß die Aufgabenträger ein umfassendes Informationsrecht brauchen, daß sie dem Netzbetreiber gegenüber einen vernünftigen Rechtsstand brauchen, der bei Unterlassen von Infrastrukturinvestitionen bis hin zur Ersatzvornahme gehen muß.
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