Das wiederum würde ich so pauschal nicht sagen, sinkt doch die Kapazität einer Strecke mit der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen schnellen und langsamen Zügen: Fahren also auf einer gut ausgebauten Strecke beispielsweise viele Güterzüge, sinkt die verfügbare Kapazität - wie etwa zwischen Hanau und Fulda oder Offenburg und Freiburg. Stark vereinfacht werden hier Fernzüge im Pulk mit höchstens zehn Minuten Abstand durchgeschickt, für den Regionalverkehr gibt es zwei feste Trassen plus einige Slots zur HVZ und der Rest wird dann mit Güterverkehr vollgestapelt.Entenfang @ 5 Mar 2017, 00:24 hat geschrieben:Das würde ich nicht pauschal so sagen. Von einer Begradigung und Erhöhung im Bereich bis 160 km/h profitieren erstmal alle Züge, nicht nur der HGV.
Neben den ganzen physisch-technischen Parametern darf auch nicht vergessen werden, dass die kürzere Fahrzeit erstmal im Fahrplan wirken muss. Wenn die höhere Geschwindigkeit dazu führt, dass man auf den letzten Kilometern eine Regional- oder S-Bahn vor sich hat oder man am Einfahrtssigan seiner Wahl erstmal auf den freie Bahnsteig warten muss, ist der ganze Ausbau vergebliche Liebesmühe. Wie im Folgenden ausführlich durchexerziert...Entenfang @ 5 Mar 2017, 00:24 hat geschrieben:Außerdem muss man sich genau anschauen, wo eine Erhöhung der Geschwindigkeit überhaupt sinnvoll ist. [...]
Gut, "vergeblich" ist vielleicht etwas hart ausgedrückt: Fließt der Ausbau in eine höhere Pufferzeit ein, verbessert sich die Pünktlichkeit. Allerdings verringert das wiederum den Nutzen etwas.
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Tatsächlich, was genau umfasst das "viel"? Wie schlägt es sich in den Fahrzeiten nieder? Was ist mit dem höheren Energieverbrauch? Kurzum, welcher höhere Nutzen wird durch die höheren Kosten (Ausbau, Unterhalt, Energie) generiert?Mühldorfer @ 5 Mar 2017, 11:16 hat geschrieben:das stimmt, aber wenn von Regensburg bis Neustadt bis auf Verkehrshalte mit 160km/h gefahren werden könnte bringt das auch viel.
Auch nur beim Blick auf die reine Fahrzeit unter Außerachtlassung der erzielbaren Reisezeiten, (damit in Zusammenhang stehenden) Anschlüsse und verfügbare Trassen an anderen Zwangspunkten. Knackpunkt ist dabei, wie sich die kürzeren Fahrzeiten (von B nach C) auf die tatsächlichen Reisezeiten (von A über B und C nach D) auswirken. D.h. beim Blick auf den beispielhaften RE Nürnberg-Stuttgart:Mühldorfer @ 5 Mar 2017, 11:16 hat geschrieben:Ebenso wenn es östlich Backnang auch kurvig ist, von Nürnberg bis Schwäbiscch Hall-Hessentahl mit 160km/h durchgehend ab Nürrnbrg HBF würde viel bringen.
Die Fahrzeit Nürnberg-Hessental beträgt aktuell 1:23 bis 1:26 Stunden. Lass durch die um 14 Prozent höhere Höchstgeschwindigkeit bei gleicher Haltestellenfolge (also den neuen Halt in Leutershausen-Wiedersbach nicht betrachtet) äußert positiv gerechnet die Fahrzeit in einem ähnlichen Zeitrahmen sinken, dann läge sie bei etwa 75 Minuten. Ist schon eine Marke, für die Gesamtstrecke Stuttgart-Nürnberg bleibt es relativ wenig: Selbst wenn der Fahrzeitgewinn 1:1 durchgereicht werden könnte (was fraglich ist, s.u.), läge sie immer noch bei guten zweieinhalb Stunden und damit gleich zur Autofahrzeit.
Die Reisezeiten werden maßgeblich durch die erreichten Anschlüsse und angebotenen Übergänge bestimmt. Erster Fixpunkt diesbezüglich ist der stündliche angebotene Richtungsanschluss in Ansbach zwischen den IC+RE Nürnberg->Stuttgart und der RB Treuchtlingen->Würzburg, die wiederum in den Knoten Treuchtlingen (direkter Anschluss von Ingolstadt/München und Donauwörth/Augsburg) eingebunden ist. Wegen diesem Knoten ist deren Trasse zwischen Treuchtlingen und Ansbach kaum verschiebbar. Eine zweite Knoteneinbindung dieser RB-Linie erfolgt in Steinach stündlich um die Minute .30, wo kurze Übergänge (3 Minuten Umsteigezeit) nach Rothenburg o.d.T. und nach Neustadt a.d.A. (wo wiederum Anschluss an die RE nach Würzburg und Nürnberg angeboten wird) bestehen. Eine Verschiebung der RB-Trasse wäre auch hier bestenfalls im unteren einstelligen Bereich möglich, ohne die Umlaufzeiten (maßgebliche für die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge) der beiden Steinacher Anschlüsse zu zerschießen oder Kreuzungskonflikte auf der eingleisigen Strecke Steinach-Neustadt zu erzeugen.
Unter Maßgabe des Anschlusses und um die skizzierten negativen Auswirkungen auf andere Strecken zu vermeiden, ist die Zeitlage des RE Nürnberg-Stuttgart in Ansbach fest zur Minute .06/.07. Daraus folgt eine spätere Abfahrt der Züge in Nürnberg und eine frühere Ankunft in Crailsheim und Hessental.
Wie genau sich die elf Minuten Fahrzeitgewinn auf die beiden Abschnitte verteilen, sei entsprechend der Anteile an der Gesamtstrecke skizziert: Es entfielen davon ca. 4 Minuten auf Nürnberg-Ansbach (neue Abfahrt zur Minute .40) und ca. 5 Minuten auf Ansbach-Crailsheim (neue Ankunft zur Minute .37) und ca. 2 Minuten auf Crailsheim-Hessental. Es sei nochmal betont, dass dies äußerst positive Annahmen sind.
Einziger Anschluss im SPV, der dadurch in Nürnberg neu hergestellt wird, ist die S2 aus Richtung Altdorf. Der Nürnberger 30er-Knoten, in dem fast alle Relationen eingebunden sind, wird weiterhin erreicht, d.h., zu den wichtigen SPFV-Anschlüssen wird lediglich die Umteigezeit vergrößert, unmittelbar positiv ist da höchstens die subjektive Wahrnehmung aufgrund der größeren Umsteigezeit. Reisezeiten im SPV werden also kaum verkürzt. Beim Übergang auf den ÖPNV kann u.U. ein früherer Takt erreicht werden.
Die Fahrzeitverkürzung würde auch für den IC Nürnberg-Stuttgart eintreten. Mit der Maßgabe, die S4 Nürnberg-Ansbach auch weiterhin in gleicher Qualität im Knoten Ansbach einzubinden und so kurzen Übergang (ca. 5 Minuten) auf RE/IC nach Stuttgart und RB nach Würzburg anzubieten, bleibt die gestreckte Fahrzeit des IC auch weiterhin erhalten. D.h., er muss weiterhin etwas früher abfahren bzw. später ankommen, um den S4-Takt nicht zu zerschießen.
Eine ca. fünf Minuten frühere Ankunft in Crailsheim sichert auch keine neuen SPV-Anschlüsse (RE nach Aalen-Ulm wegen 30er-Knoten in Aalen, Eingleisigkeit Crailsheim-Wasseralfingen sowie HVZ-Anschluss aus Richtung Mergentheim fix); im Übergang zum Stadtbus können sich neue Anschlüsse ergeben. Auch hier sieht es mit der Verkürzung der Reisezeit mau aus.
Eine entsprechend frühere Ankunft des IC nach Stuttgart in Crailsheim würde eine parallele Einfahrt mit dem RE aus Aschaffenburg bedeuten. Infrastrukturell sind entsprechende Fahrstraßen möglich (z.B. RE aus Aschaffenburg auf Gl. 1, IC auf Gl. 2, RE nach Heilbronn wartet an Gleis 3), allerdings muss zur Anschlussaufnahme dann ca. 4 Minuten gewartet werden und man wäre praktisch in der bestehenden Takttrasse. Die erwähnte Eingleisigkeit, der Nullknoten in Aalen (Übereckanschluss Heidenheim-Stuttgart) sowie die Trasse der S2 und der Abschnitt Cannstatt-Stuttgart erlauben sowieso parktisch keine Verschiebung der IC-Trasse. Die IC-Fahrzeit Nürnberg-Stuttgart würde sich also im Wesentlichen um die schnellere Fahrzeit von Nürnberg nach Ansbach beschleunigt werden: Die Fahrzeit betrüge dann statt ca. 2:18 etwa 2:14 Stunden.
Eine frühere Ankunft in Hessental erfolgte etwa zur Minute .52. Kürzerer Übergang auf die RB nach Öhringen ist nicht möglich, ohne die Umlaufzeiten zu erhöhen, also dort einen weiteren Triebwagen zu binden, der anschließend über 100 Minuten Wendezeit in Hessental abbummelt. Kürzere Übergang in den ÖPNV sind eher nicht möglich (Buslinie 1 z.B. alle 15 Minuten, abgestimmt auf den RE).
Nun stellt sich die Frage, wie diese kürzere Fahrzeit nach Stuttgart weiter gereicht werden kann. Restriktionen bilden dabei zum ersten die Eingleisigkeit zwischen Hessental und Backnang (Kreuzungsaufenthalte, aktuell ziemlich gut gelöst, so dass die Fahrzeit Hessental-Stuttgart durch den neuen Kreuzungsbahnhof Fornsbach um gut zehn Minuten verkürzt werden konnte; daher die lange Standzeit der Nürnberger RE in Hessental), zum zweiten die nicht ansatzweise verschiebbare Takttrasse der S3 sowie die Kapazität (a) der Strecke Cannstatt-Stuttgart Hbf (von den Minuten .43/.45 bis .00/.04 kann da kein weiterer Zug verkehren) sowie (b) des Stuttgarter Hbfs, weil durch den gespreizten Nullknoten alle von den Ferngleisen erreichbaren Bahnsteigkanten belegt sind.
Lange OT-Rede, kurzer Sinn: Ein bloßes, planloses Verkürzen der Fahrzeiten alleine bringt auf einem dicht belasteten und stark miteinander verknüpften Netz (ITF-Gedanken, "Deutschland-Takt") so gut wie immer negative Folgewirkungen mit sich: Gewohnte Anschlüsse können gesprengt, Trassen anderer Züge können zerschossen, gewachsene ITF-Qualitäten können zerstört werden. Der Fahrzeitgewinn der einen geht zu Lasten der anderen und bewegt sich, je nach betrachtetem Abschnitt im einstelligen Minutenbereich. Neue, relevante SPV-Anschlüsse werden so kaum erreicht und die Reisezeiten verändern sich kaum.
Im Sinne der Unterscheidung von Fahrzeit und Reisezeit ("von Tür zu Tür") muss die Fahrzeit auf die integrative Vertaktung ausgerichtet und planvoll werden, um möglichst viele Reiseketten zu optimieren. Einfach zu sagen, wird bauen zwischen B und C auf 160 km/h aus und sind zehn Minuten schneller, ist in den meisten Fällen kontraproduktiv. Eine Folge ist der klassische Fall, dass der Fahrzeitgewinn vom Warten auf den Anschluss wieder aufgefressen wird. Folglich ergeben sich die Reisezeitgewinn nur zufällig und der mögliche Nutzen der Ausbauten wird verringert. Entsprechend kommt es auf die aufeinander abgestimmte Koordination von Infrastruktur, Fahrplan, Rollmaterial und EVU (und damit in DE auch von den Bestellern) an.
Wenn die Ein- und Ausfahrten in/aus einem Bahnhof auf eine Schnellfahrstrecke mit überwiegend 60 km/h (Openrailwaymap; Führerstandsmitfahrt auf YT) so gut sind, will ich aber nichts mehr gegen Fulda, Kassel-Wilhelmshöhe und Göttingen hören, wo es mit 80 bis 100 km/h an den Bahnsteigen vorbei und durch die Städte mit 100 bis 140 km/h gehtMühldorfer @ 5 Mar 2017, 11:16 hat geschrieben:Gut ist die nördliche Anbindung in Würzburg an die Neubaustrecke, mehr oder weniger ab Bahnsteig voll beschleunigen.
