Erstmal Danke für die ausführliche Zusammenstellung...
FloKi @ 10 Oct 2012, 20:05 hat geschrieben:So und jetzt die Frage an alle Kritiker der Beschaffungspolitik. Zu welchem Zeitpunkt hätte man etwas gross anders machen können? Dabei bitte immer im Hinterkopf behalten, dass die Politik und/oder Wirtschaftliches Denken mit eine Rolle spielt und man nicht weit über den Bedarf hinweg einkaufen darf/kann.
Die Antwort hast Du Dir zu einem Großteil schon selbst gegeben, wenn Du Deinen Beitrag nochmal genau durchliest
Aber ich versuche mich mal an ein paar (rein subjektiven) Ergänzungen:
seit 1986 steht aber fest, dass sie erhalten bleiben soll und modernisiert wird
... und man braucht bis 1991, also geschlagene 5 Jahre, um einen ersten Prototyp eines modernen Fahrzeugs zu haben.
(Ich weiß, für diesen Punkt kann König explizit nichts. Aber es spricht trotzdem Bände...)
1996 Besonders auf den beschleunigten Linien steigt die Nachfrage sehr stark an. [...] Der Wagenbedarf bleibt durch Beschleunigung und Optimierung trotz der neuen Strecke bei ungefähr 80 Zügen
... und 1997, jetzt mit Ostfriedhof-MWP, hat man immer noch 80 Züge Bedarf, und 2001 reichen die 80 Züge sogar noch für etwas Taktverstärkung. Da kann wohl mit der Bedarfsrechnung etwas nicht stimmen...
Außerdem weiß man seit mindestens dem Jahr 2000, dass a) die Stadt jedes Jahr kräftig an Einwohnern wächst, und b) alle Tramlinien, auf denen man ein gutes Fahrplanangebot macht, sofort steigende Fahrgastzahlen aufzuweisen haben.
Dafür hat man im Jahr 2001 (wie Du selbst schreibst) 70 R2 und 20 R3 (die Ps sollen ja weg) zur Verfügung. Ab diesem Zeitpunkt braucht man jetzt nur noch 5 Jahre, um zu merken, dass man wohl weitere Wagen wird beschaffen müssen.
2006 [...] werden 4 S-Wagen bestellt, nachdem der Versuch weitere R3.3 zu kaufen gescheitert war (kein Hersteller mehr).
Also auch nach den 5 Jahren Überlegung, meint man, ohne jede weitere Takt- oder Kapazitätsverstärkung auszukommen (4 S = 2 Ersatz für verunglückte R2 + 2 für L23, kein Puffer für nix) und sucht einen Hersteller für 4 R3, statt endlich mal 5-10 Jahre in die Zukunft zu denken und gleich 10 R3 plus Option auf nochmal 10-15 zu ordern (das wäre ein Volumen gewesen, wo sich wesentlich eher ein williger Anbieter gefunden hätte, nich...)
2010 Die S-Wagen habe Zulassungsprobleme.
Genauer gesagt haben die S-Wagen Probleme seit 2007, da sollten sie nämlich ursprünglich ausgeliefert werden. Wieder braucht man also geschlagene 5 Jahre, um zu erkennen, dass man ein ernsthaftes Problem hat. Bis 2012 hat man es dabei geschafft, den Kopf so tief in den Sand zu stecken, dass man nichtmal ansatzweise einen Plan B in der Schublade hat, obwohl man seit spätestens Anfang 2011 wirklich wissen sollte, dass die Zulassungsprobleme keineswegs einseitig der TAB anzulasten sind.
Erst als das Duo Ude/König merkt, dass die eklatanten Kapazitäts- und Zuverlässigkeitsprobleme langsam auch in den Medien angekommen sind, fällt auf, dass wohl bis Anfang 2014 (OB-Wahl...) besser wirklich eine funktionierende Lösung stehen sollte. Man kauft also ungetestet 8 Avenios, einen Trambahn-Typ, von dem es so noch nicht einmal einen Prototyp gibt, und den München als weltweit erster Betrieb testen wird, nachdem diese Eil-Bestellung noch vor Den Haag ausgeliefert werden soll. (Nein, ich kritisiere diese Entscheidung überhaupt nicht, im Gegenteil, ich denke, wenn man schon früher so energisch gehandelt hätte, hätte man die meisten Probleme heute nicht).
Weitere Punkte, die Du nicht erwähnst:
Der Fuhrpark reicht ja nur, weil man durch die Tram-Beschleunigung kräftig Kurse eingespart hat. Nun sägt (ich schätze auch seit ungefähr dem Jahr 2000) das KVR schön leise stückchenweise an dieser Beschleunigung, ohne dass man das jemals in der Kursplanung (zusätzlicher Bedarf, weil wieder langsamer...) berücksichtigt hätte. Zusätzlich hat man ab 2006 vom alten System (Bordrechner, Barke, Oberleitungskontakt) auf ein schickes neues GPS umgestellt - was (zumindest meiner rein subjektiven Beobachtung nach) ebenfalls eine deutliche Verschlechterung der Beschleunigungsschaltungen bewirkt hat.
Dann gibt es einen Nahverkehrsplan, in dem schon seit etlichen Jahren neue Trassen etc. enthalten sind. Trotzdem gibt man den völlig intakten, zuletzt im Jahr 2000 genutzten Betriebshof 3 ganz auf. Nur um in spätestens 2-3 Jahren das Problem zu haben, von null einen zweiten Betriebshof bauen zu müssen. Was daran wirtschaftlich sein soll, weiß der Geier...
Teilweise hat man übrigens offenbar den Tram-Sachverstand so komplett der BWL-Erbsenzählerei geopfert, wie das wohl kaum jemand für möglich gehalten hat. Ungefähr 2005 kommt man so z.B. auf die glorreiche Idee, dass Schneepflüge doch bloß Geld kosten. Im März 2006 fällt deshalb 2-3 Tage der Trambahnbetrieb komplett aus... Keine Ahnung, was man daran wohl hätte besser machen können :ph34r:
So, nu darfst Du mich zerreißen...
Ein Vier-Milliarden-Tunnel ist kein Ersatz für ein sinnvolles Nahverkehrskonzept.