DumbShitAward @ 4 Sep 2010, 00:43 hat geschrieben:Was durchaus interessant werden könnte, ist das Phänomen der digitalen Vernetzung.
Nehmen wir mal folgendes Szenario an. Der Verein zum Erhalt der Bayerischen Wirtshauskultur hat ja schonmal - in einem zugegebenermaßen ziemlich dilletantischen Versuch - angestrebt quasi einen bayernweiten "Schirm" über die Raucherclubs zu spannen, d.h. eine Mitgliedskarte für alle. Damals war allerdings der rechtliche Druck nicht sonderlich hoch, der Exekutive quasi nicht vorhanden, von daher musste man das auch gar nicht groß verfolgen. Jetzt mag das evtl. etwas anders aussehen. Vielleicht kristallisieren sich da zwei, drei große "Vereine" heraus. Dann ist eben jeden Abend geschlossene Gesellschaft in 300 Kneipen. Es mag ja verboten sein die Gästeliste nachträglich zu erweitern, aber wenn prinzipiell schon alle draufstehen ist das der Form halber in Ordnung, da es ja keine Regelung gibt, wie groß und an wie vielen Orten die geschlossene Gesellschaft Tagen muss und natürlich auch keinen Grund zu kritisieren, wenn nicht alle geladenen Gäste auch tatsächlich erscheinen.
Nun gut, so sperrt man natürlich immernoch die Laufkundschaft aus. Also macht man pro Abend mehrere geschlossene Gesellschaften, sagen wir alle 15 Minuten eine Neue. So kommt der Kunde an die Tür, wird vom Gorilla (nein, nicht der vor'm Schickeria) abgewiesen mit dem Hinweis Mitglied zu werden. Also sendet man eine SMS mit seinem Namen und Anschrift an die Nummer 666666, das Konto wird mit dem Jahresbeitrag in Höhe von 2€ belastet, per SMS, MMS oder Mail kommt ein vorläufiger Mitgliedsausweis (incl. einem Freigetränk pro Jahr, gültig in allen Kneipen, in denen der Verein tagt) und 10 Minuten später kommt man durch die Tür.
Natürlich ist das ganze eine Perversion des Systems geschlossene Gesellschaft [...]
Meines Wissens ist der Begriff der geschlossenen Gesellschaft in der Tat nicht genau definiert. Es gibt also keine festgeschriebenen Werte, wie viele Gäste maximal erlaubt sind, wie viele Gäste von der Gästeliste tatsächlich erscheinen müssen, wie groß der Zeitabstand von der Erstellung der Gästeliste bis zum Event sein muss usw. Es gibt aber einen gewissen Konsens, am dem sich der Charakter einer geschlossenen Gesellschaft messen lässt.
Der große Konstruktionsfehler ist bei Deinem Modell schon mal, dass alle 15 Minuten in ein und demselben Raum eine neue geschlossene Gesellschaft gestartet wird. Ich kann mir kaum vorstellen, dass so was vor Gericht Bestand hat. Damit nicht mehrere geschlossene Gesellschaften gleichzeitig stattfinden, was kaum zulässig sein dürfte, muss zunächst die jeweils alte beendet werden und nahtlos in die nächste übergehen. So was widerspricht dem Charakter der geschlossenen Gesellschaft. Es gibt aber noch weitere Probleme: Von der Gästeliste, die später einmal sicher viele Hunderttausende Personen bayernweit enthalten wird, wird nur ein verschwindend geringer Anteil tatsächlich erscheinen. Also so um die 0 %. Pro forma mag Dein Modell noch eine geschlossene Gesellschaft sein, der Charakter der Konstruktion ist aber tatsächlich ein Raucherclub. Und darauf kommt es den Richtern an. Die Auswirkung auf die Praxis zählt, nicht ein raffiniertes Modell. Ich darf auch darauf hinweisen, dass sich eine große Mehrheit der Abstimmenden am 04.07. dagegen ausgesprochen hat, dass in den Innenräumen von Lokalen geraucht wird. Es war nicht der Wille dieser Abstimmenden, dass mit einem Modell "Raucherlokal, das sich der geschlossenen Gesellschaft bedient", in das jeder per SMS-Anmeldung Zugang erhält, das Rauchverbot umgangen wird. Es ist hier m.E. immer die Frage zu stellen, will man hier in einer geschlossenen Gesellschaft feiern, oder macht man die geschlossenen Gesellschaft nur, um das Rauchverbot zu umgehen? Das Äußere, die Wirkung dürfte zählen. Wenn es so einfach wäre, könnte man ja das System noch viel weiter pervertieren und einfach eine Gästeliste erstellen, die jede Sekunde erneuert wird und dort nur einen Namen draufschreiben "die gesamte Weltbevölkerung". Jeder ist also eingeladen. Dass von den 7 Milliarden eingetragenen dann nicht jeder kommt, hat eine geschlossene Gesellschaft mal an sich. Wenn es nur 10 Gäste sind, ja, mei, es wird ja niemand gezwungen. Jede Sekunde endet und beginnt eine neue geschlossene Gesellschaft. Das Motto ist jeweils "Wir feiern ...", dem ein Wort per Zufallsgenerator angehängt wird. Klar, dass das Modell Quatsch ist, aber im Endeffekt ist es nur noch einmal heftiger als Dein Modell, aber hat das gleiche Ziel, nämlich das Rauchverbot zu umgehen.
Vor ein paar Jahren hatte mal ein Frisör eine Idee. Frisöre dürfen ja ihre Kundinnen zu Hausse besuchen und ihnen auch z.B. um 22 Uhr die Haare schneiden. Er wollte aber die Kundinnen im Laden bedienen, weil es einfacher und lukrativer ist. Er erfand ein Modell, bei dem jede Kundin pro forma den Laden mietet. Sie zahlt sagen wir mal 5 EUR dafür, dass sie ein Zimmer in dem Laden für zwei Stunden mietet. Offiziell ist das eine echte Miete und die Kundin wohnt dann in dem Laden und darf außerhalb der Ladenschlusszeiten bedient werden. Zufälligerweise sanken die Preise für Haarschnitt & Co. um 5 EUR. Jeder kann sich vorstellen, was passierte. Die Richter sagten, der Frisör habe das Modell nur eingeführt, um das Ladenschlussgesetz zu umgehen, nicht, weil er Vermieter seines Ladens werden will. Und nur darauf kommt es an. Die Richter müssen nicht mal mal beweisen, dass der Ladeninhaber das Modell nur zur Umgehung des Ladenschlussgesetzes erfunden hat (das könnte man auch kaum, es sei denn, er hat sich z.B. mit einem Schriftstück entlarvt, wo er genau das zugibt), es reichen wohl Indizien und das Ergebnis.