Reiseerlebnisse mit der Bahn

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Verwirrspiel in Flöha


Ein gefühlvolles Adagio erklingt. Ein junges Paar tanzt ein paar Schritte über den Bahnsteig. Die Musik steigert sich in einem langen Crescendo. Zum Finale fährt die U-Bahn ein.
Zurückbleiben bitte. Ditditdit bumm. Die Musik verstummt.

Welches Wagenmaterial der Alex wohl für mich bereithält? Heute möchte ich mich mal in den Treffwagen mit den großen Tischen setzen. Mein Wunschwagen ist ganz vorne und infolgedessen ziemlich leer.
Dadong. Gleis 26: Bitte steigen Sie ein. Türen schließen automatisch. Vorsicht bei der Abfahrt des Zuges. Mit einem Surren setzt sich der Taurus in Bewegung.
Manchmal ist mir die klassische Eisenbahnmusik fast noch lieber als die klassische Musik in den U-Bahnhöfen der MVG.

Ich genieße den viel zu frühen Sonnenuntergang – irgendwie schaffe ich es immer, an den schönsten Tagen im Zug zu sitzen. Wegen Bauarbeiten zwischen Neufahrn und Freising halten wir zusätzlich in Neufahrn und warten dort noch den einige Minuten verspäteten Gegen-RE ab. Der Halt ist im Fahrplan vorgesehen und die Abfahrtszeiten an den folgenden Bahnhöfen entsprechend um einige Minuten nach hinten verschoben. In Hof steht dagegen unverändert 19:33 Uhr als Ankunftszeit drin und drei Minuten später fährt mein Anschluss. Es gibt also keinerlei Fahrzeitreserve und ich kann mir recht sicher sein, dass jede Verspätungsminute bis Hof weitergeschleppt wird. Nach einer agilis-Überholung erreichen wir Regensburg mit +3. Angesichts der Rauchschwaden, die über den Bahnsteig wabern, sieht es nicht so aus, als hätte man es mit dem Rangieren sonderlich eilig. Das Abendrot leuchtet über der Strecke nach Plattling. Die drei Lichtlein gehen ziemlich schnell nacheinander an und mit +2 fahren wir weiter.

Im Vierer auf der anderen Gangseite sitzen zwei Männer, der eine vielleicht Mitte dreißig, der andere etwas älter, und eine Frau, ebenfalls Mitte dreißig. Dass Ersterer und Letztere ein Paar sind, ist kaum zu übersehen, denn sie sitzen fast aufeinander und küssen sich in regelmäßigen Abständen. Der zweite Mann gehört auch irgendwie dazu und sie unterhalten sich zwischen den Küssen über uninteressante Themen, während ich mich der Bildbearbeitung widme.
Wie ich es schon gewohnt bin, ist der Fahrplan zwischen Regensburg und Schwandorf mit Halten in Regenstauf und Maxhütte-Haidhof praktisch nicht zu halten und in Schwandorf haben wir +6 auf dem Zähler stehen. Wie praktisch, dass der 3-Minuten-Anschluss nach Furth im Wald wegen Bauarbeiten im SEV mit späterer Abfahrtszeit bedient wird.
Das Liebespärchen am Tisch gegenüber knutscht quasi ununterbrochen und küsst sich pausenlos. Auch wenn ich mich sehr bemühe, mich auf meine Bilder zu konzentrieren, fällt es doch schwer, nicht das Spiegelbild im Fenster zu beobachten. Ich schnappe irgendwas von Hochstadt als Zielbahnhof auf. Moment mal, den Bahnhof kenne ich doch schon von den Kollegen aus der ersten Geschichte, die mir im Abteil detailliert erläutert haben, welche Dosis an Testosteron sie sich im Laufe der nächsten Woche spritzen wollen. Nun bin ich doch neugierig und finde heraus, dass es dort ein Therapiezentrum für Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängige gibt. Irgendwie passt es auch zu den gegenüber sitzenden Personen, der verliebte Mann hat zeitweise mit zwei Schachteln Zigaretten aus Tschechien gespielt. In Weiden endet mit dem Umstieg in die agilis glücklicherweise das Geknutsche. Bis Marktredwitz ändert sich trotz aller Bemühungen wenig an der Verspätung und ich bitte um Vormeldung meines Anschlusses. „Die Kollegin ist gerade dabei.“

Mit +4 erreichen wir Hof, jeder rennt zu einem anderen Anschlusszug. Mein RE füllt sich mit jedem Halt, nur die erste Klasse, die das komplette Obergeschoss des ersten Wagens einnimmt, erfreut sich keiner großen Beliebtheit.

„In Kürze erreichen wir Chemnitz. Dieser Zug endet hier, bitte alle aussteigen. Zur Weiterfahrt besteht Schienenersatzverkehr bis Flöha.“ Der SEV und der wegen den Flüchtlingen eingestellte Fernverkehr nach Österreich reizen mich, den einen oder anderen Ort, der vielleicht nicht zwingend erforderlich gewesen wäre, zusätzlich auf die Fahrkarte zu schreiben und den langweiligen Fahrtverlauf etwas aufzupeppen.
Vielleicht wegen unserer Verspätung, vielleicht auch aus anderen Gründen, rennen einige Fahrgäste zur Bushaltestelle. Ich begebe mich ebenfalls zügig dorthin, verstaue meinen Koffer unter dem Sitz und mache es mir gemütlich.
Es sind zwei Citaros mit Überlandbestuhlung im Einsatz, die zu gut 50% gefüllt sind. Ein Mann versucht, seine Koffer oben auf der Gepäckablage zu verstauen, aber nach einigen skeptischen Blicken meinerseits und den Ratschlag seiner Frau, das nochmal zu überdenken, nimmt er sie wieder herunter.
Zwei ältere Jugendliche, einer neben mir, einer im Vierer gegenüber, unterhalten mich während der halbstündigen Fahrt. Mein Nebensitzer sagt kaum ein Wort und brummt nur etwas Unverständliches, wenn der andere ihn anspricht. Dieser dagegen plappert fast ununterbrochen vor sich hin. „Boah, hier gibt’s auch keine Steckdosen. Ich such schon den ganzen Tag nach einer Steckdose…“ Ihm gegenüber sitzt eine Frau, das Verhältnis zwischen den beiden ist mir nicht klar geworden. Es könnte seine Mutter sein, aber irgendwie passen die beiden absolut nicht zusammen.
„Hier, guck mal. Sei mal ehrlich, wie findest du die?“ Die Frau setzt ihre Brille auf, schaut auf das hingehaltene Smartphone und gibt eine diplomatische Antwort im Stil von „Ganz nett.“ Als anschließend auch meinem Nebensitzer das Smartphone unter die Nase gehalten wird, erhasche auch ich einen Blick auf das Mädchen. Der brummt nur irgendetwas, doch der Jugendliche gibt sich zufrieden. „Ich find die hier eigentlich netter.“ Wieder bekommt erst die Frau, dann mein Nebensitzer das Foto eines Mädchens unter die Nase gehalten.
„Gibt es in Flöha einen Mäggi?“ Die Frau lacht kurz, dann gibt er sich schon selbst die Antwort. „Ja, bestimmt gibt es in Flöha einen Mäggi.“ Nach ein paar weiteren Fotos kramt er in den Taschen seiner tief heruntergezogenen Jogginghose.
„Hab ich überhaupt noch genug Geld? Bekomm ich für zwei Euro fünfzig was bei Mäggi? Ja, bestimmt…“
Das Smartphone sichert sich durch einen Bimmelton wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Nach einigem Getippe plappert er weiter. „Ja, in dem anderen Zug, da war ein Mädchen vor meiner Tür gestanden. Ich hab die gefragt: ‚Brauchst du was?‘, aber die hat gesagt ‚Nee.‘ Ich hab sie dann gefragt: ‚Willst du meine Telefonnummer?‘ und dann habe ich ihr meine Telefonnummer gegeben.“ Zur Unterstützung des Gesagten gackert er vor sich hin.

Wie bereits auf dem Buslaufschild angekündigt, hält der Bus auch in Niederwiesa. Einige Fahrgäste steigen aus. Allgemeine Aufbruchsstimmung macht sich breit. „Sind wir schon in Flöha?“ wundert sich eine junge Frau. „Das hier ist erst Niederwiesa, gell?“ kommentiert der Busfahrer leise. Das haben weiter hinten aber nicht alle gehört und können sich daher nicht entscheiden, ob sie nun aussteigen sollen oder nicht. Während sie in der hinteren Tür stehen, schließt der Busfahrer diese wieder. Zwei Fahrgäste, die bereits ausgestiegen sind, stellen fest, dass sie lieber doch nicht in Niederwiesa bleiben wollen und springen in die sich schließende Tür, die daraufhin wieder geöffnet wird. Vollzählig setzen wir unsere Fahrt nach Flöha fort. Dort angekommen sind die beiden Jugendlichen nicht die einzigen, die sich als erstes um eine Zigarette kümmern und erst dann um den weiteren Anschluss. Wir landen an einem Bahnhof, der beim Gammel- und Rammelfaktor eine sehr hohe Punktzahl erreicht. Der Menschenstrom ergießt sich in die Unterführung, deren Eingang mit Graffiti im Stil von „Zukunft statt BRD“, „Fick die Bullen“, „Ich will dich nicht verlieren M+M *Herz*“ und weiterem unverständlichem Geschmiere verschönert ist. Nach 50 m wird der Zugang zum ersten Bahnsteig erreicht. Aber ist es der Richtige? Egal, immer der Masse nach und die rennt weiter. Am Zweiten rennt die Vorhut auch vorbei, die Zub bleibt jedoch stehen und schaut etwas am Smartphone nach. „Stooooop!“, ruft eine Frau neben der Zub, woraufhin die Vorhut murrend kehrt macht. Nach einem Moment lotst die Zub die Leute weiter. Die Lautstärke des Murrens verdoppelt sich infolgedessen.
Am Gleis 5 steht ein Zug mit nur zwei Dostos und die ZZA auf dem Hinteren verkündet „RB Dresden Hbf“, während die auf dem Vorderen schweigt. Die DSA am Bahnsteig sind natürlich keine große Hilfe. Das ist schon alles etwas merkwürdig, aber die Zub steigt nach kurzen Zögern ein und die Fahrgäste folgen. Das Signal zeigt bereits Fahrt und der Richtungsanzeiger steht auf F wie Freiberg. Auf Gleis 4 steht ein Dreiwagenzug, allerdings schweigen alle seine ZZA.
Ich sichere mir einen Zweier im Untergeschoss, das gesamte obere Stockwerk ist als erste Klasse ausgeschildert und deswegen komplett leer. „Nicht mal in der ersten Klasse sind Steckdosen…“, brummelt der Jugendliche vor sich hin, während er durch den Zug geht. Eine ausländische Reisegruppe, die kein Deutsch kann, erkundigt sich bei anderen Fahrgästen, ob das wohl der Zug nach Freiberg sei und ob die Haltestellen angesagt würden.

Die planmäßige Abfahrtszeit des RE ist fast erreicht, da ertönt eine Durchsage der Zub. „Meine Damen und Herren, bitte beachten Sie: Der RE nach Dresden Hbf steht auf Gleis 4. Dieser Zug fährt zurück nach Zwickau.“ Unverzüglich folgt eine Durchsage von einem Mann: „Nein, dieser Zug fährt auch nach Dresden Hbf! Aber als RB.“ Die Fahrgastverwirrung erreicht damit ihren Höhepunkt. Manche, die bereits ausgestiegen und schon auf der Treppe in die Unterführung sind, rennen wieder hoch und zurück in die RB. „Oh, is this the wrong train?“ „Was für ein Glück, dass wir wenigstens Deutsch können.“ Andere können sich nicht entscheiden, wohin sie rennen sollen, also rennen sie wild durch die Gegend. Das alles klingt ein bisschen für mich nach „Meine Damen und Herren, wir wissen selbst nicht so genau, wo wir wann wohin fahren. Aber versuchen sie ihr Glück! Bei drei gleichen Zügen auf dem Rubbellos gibt’s eine Freifahrt zu gewinnen!“ Ich entscheide mich für den Umstieg in den Dreiwagenzug auf Gleis 4. Beim Gehen durch die Unterführung werde ich von einigen Sprintern überholt und summe Wise Guys vor mich hin.
Meine Damen und Herren, der ICE nach Frankfurt (Main) fährt abweichend am Bahnsteig gegenüber ein.
„Halt mir einfach die Türe auf!“, ruft jemand und eine junge Frau zischt an mir vorbei die Treppe hoch.
Die Abfahrt dieses Zuges war vierzehn Uhr zwei, obwohl, das war sie nicht, denn es ist ja schon halb drei.
Das Signal zeigt rot und ich gehe gemütlich zum vorderen Wagen, während die junge Frau eine Tür des mittleren Wagens blockiert.
Bei uns läuft vieles anders als man denkt…
Das Obergeschoss habe ich komplett für mich allein, wahrscheinlich stapeln sich alle Fahrgäste an der Tür, die der Unterführung am nächsten ist. Nur einer geht mit prüfendem Blick durch den Wagen. Ganz sicher bin ich mir nicht, aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er ist auf der Suche nach einer Steckdose.

Also für die Aktion vergebe ich doch gerne den Entenfangschen Preis für Fahrgastdesinformation. Herzlichen Glückwunsch!

Die RB fährt ab, nach einigen Minuten folgen wir. Ich habe Zeit, ein paar Dinge zu recherchieren. Die RB hat +15, eigentlich wäre planmäßig vorgesehen gewesen, dass der RE sie zwischen Tharandt und Dresden überholt. Wäre interessant gewesen, das dritte Gleis in Freital mal in Gegenrichtung zu befahren.
Wenig überraschend folgt natürlich bald ein außerplanmäßiger Halt vor einem Signal. Wenig später blinkt ein grünes Licht vor meinem Fenster auf und eine goldene Sechs erscheint. Moment, wieso eine goldene Sechs? Der Zug rollt erst einige Meter zurück, dann unter starkem Ruckeln wieder ein paar Meter nach vorne. Dann wieder ein Stück zurück und unter Ruckeln wieder nach vorne. Das läuft nach diesem Muster noch einige weitere Male ab, dabei bewegen wir uns nie so weit fort, dass das blinkende grüne Licht und die goldene Sechs aus meinem Blickfeld verschwinden und zusammen mit dem Mond die Dunkelheit erhellen. Schließlich gelingt es nach einigen Versuchen und unter gewaltigem Ruckeln, den Zug über Schrittgeschwindigkeit zu beschleunigen und als wir Fahrt aufnehmen, hört das Ruckeln auf. Einen Moment lang erwarte ich schon eine Parallelfahrt mit der RB über das Gegengleis, doch die wartet brav hinter Oederan, während wir über das Güterzugüberholungsgleis vorbeifahren. Warum der RE in Flöha nicht gleich vorgelassen wurde, muss man wohl nicht verstehen.

„Wir erreichen jetzt Dresden Hbf mit einer Verspätung von 16 Minuten.“
Oh, schon da? Das waren aber kurzweilige sechs Stunden und 59 Minuten Fahrzeit.
…für Ihre Leidensfähigkeit danken wir spontan: Sänk ju for trävelling wis Deutsche Bahn!
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von Entenfang »

Mit Gottvertrauen zum Nulltarif auf Abenteuerreise


„Und, wann fährst du nach Dresden?“ Um 15:55 Uhr. Mit 4x Umsteigen.
Reaktionen aus der Verwandtschaft:
„Der hat Gottvertrauen.“
„Abenteuerlustig.“
„Und wie viel kostet das?“ 0€. Und 1000 Bonuspunkte.

6 Minuten vor Abfahrt sind wir nach völlig unnötigem Stress am Bahnsteig. 3 Minuten vor Abfahrt kommt schon die große Frage auf. „Ja, kommt der denn nicht?“ Er hat ja noch 3 Minuten.
Pünktlich geht es mit einem 143er-Sandwich aus Metzingen raus.
Jemand hustet kräftig und gibt dabei unangenehme Würgegeräusche von sich. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie absichtlich verursacht sind. Nach einigen kräftigen Schlägen auf den Rücken hustet er noch ein paar Mal gequält und rülpst unzweifelhaft mit voller Absicht hinterher.
Die beiden unterhalten sich, dabei spricht vor allem derjenige, der gehustet hat. „Boah, Alter, das war ein endgeiler Film. Ich hab mir den gleich vier Mal hintereinander reingezogen“, teilt er den Fahrgästen im Dosto-Untergeschoss mit. Aha, und um was ging es? Das wollen wir jetzt aber schon auch wissen. „Das war echt endgeil. Die Szene, als der Typ der Frau den Bauch aufgeschlitzt hat und sie dann durch den offenen Bauch gefickt hat…“ Wollen wir dem Gespräch weiter zuhören? Ich krame in den Tiefen meines Rucksacks nach Kopfhörern. Die sind anscheinend daheim liegen geblieben. Dann müssen wir wohl…
„Boah, ich hab End-Hunger. Aber ich hab doch vorhin so viel und so gut gegessen.“

„Ja, ich hatte das Spiel mal, aber ich war sauer, weil ich beim ersten Mal verloren hab und habs dann deinstalliert. Zieh dir mal das geile Spiel rein.“

„Wenn ich Heimwochenende habe und schlechte Noten schreibe, sagt die Gabi, ich muss daheim bleiben.“ Daraufhin lacht der andere gekünstelt laut. „Aber das ist mir scheißegal. Ich lern eh nix.“

„Hmm, ja, Eichelkäse. Das ist echt lecker!!!“

„Boah, ich hab dann direkt vorm Kunden so nen Lachflash bekommen. Und der hat mich sooo (wahrscheinlich zieht er irgendeine Grimasse, um das Gesicht des Kunden seinem Kumpel zu verdeutlichen) angeglotzt.“

„So, jetzt gibt’s Deutschrap.“ Vermutlich gibt’s ihn über seine Kopfhörer, denn es dröhnen keine Beats durch den Wagen.
...
„Irgendwie hab ich soooo Hunger. Hunger auf Scheiße.“

„Ja, und so ne ganze Pizza auf einmal rausscheißen…“
In dem Stil verläuft die nächste halbe Stunde. An jedem Halt füllt sich der Zug weiter. Es ist nicht mehr weit bis Bad Cannstatt, dann kommt eine stämmige Frau zusammen mit der Zub. „He, Jungs. Ist das euer normaler Umgangston?“ Kurzes Schweigen. „Lasst es mal sein, sonst… raus.“ Sie lässt die Worte ein paar Sekunden wirken und verschwindet dann zusammen mit der Zub ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht ist. Oho, dass ich mal erleben darf, dass der Kunde nicht König ist…
Welche Funktion die Frau erfüllt, kann ich nicht sagen. DB Sicherheit war es anscheinend nicht.
Bis Stuttgart herrscht betretenes Schweigen, nur unterbrochen durch einige geflüsterte Worte.
Beim Aussteigen muss ich doch einen flüchtigen Blick über die beiden streifen lassen. Der Hauptcharakter hat eine Nerdbrille auf, leicht gegelte Haare und trotz der warmen Temperatur im Wagen eine Jacke über seinem T-Shirt. Sein Kumpel ist noch unauffälliger mit T-Shirt und Jeans bekleidet. Von außen betrachtet zwei ganz normale 17-Jährige.

In Stuttgart gleich der erste Aufreger. Wir kommen nicht am planmäßigen Gleis an. Dadurch verkürzt sich jedoch mein Umsteigeweg. Der zweite Aufreger folgt sogleich. Der ICE verkehrt in umgekehrter Wagenreihung. Egal, ich hab ohnehin nicht reserviert. Im Abschnitt B wird sich in Stuttgart bestimmt ein Platz finden. Pünktlich kommt er jedenfalls, pünktlich fährt er wieder ab.

Leicht vor Plan erreichen wir Mannheim. Ein Junge, etwa 13, steht mit seiner Mutter vor mir in der Schlange an der Ausstiegstür. „Och, morgen muss ich schon wieder zur Schule…“ „Ja, die Ferien könnten schon länger sein“, meint eine Frau. Dem muss ich mich anschließen. „Und am Donnerstag schreibe ich auch noch Geschichte. Das ist wirklich… Ach, Moment. Ist ja erst Donnerstag nächste Woche.“ Ällabätsch. Ich habe jetzt erstmal keine Klausuren. Aber seit über einem Monat warte ich –wie jedes Semester - auf die Ergebnisse.

Der ICE nach Köln und Amsterdam wartet direkt gegenüber. Bald finde ich einen freien Zweier und beobachte das Treiben auf dem Bahnsteig. Ein Mann steht vor der Tür am ICE gegenüber, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen Hand eine Dose Bier. Eine DB-Mitarbeiterin spricht ihn an. Offensichtlich versteht er nicht, was sie möchte. Sie deutet erst auf ihn und dann auf den weißen Sicherheitsstreifen am Boden. Selbst ohne Ton ist es nun unmissverständlich, dass er, wenn er schon außerhalb des Raucherbereichs Krebsförderung betreibt, das wenigstens hinter der weißen Linie tun soll. Doch der Mann schüttelt nur entnervt den Kopf und bleibt stehen, wo er ist. Nachdem sie nochmal durch Gesten sein Fehlverhalten angeprangert hat, gibt sie auf und verscheucht jemanden von meinem Gleis, obwohl es noch fünf Minuten bis zur Abfahrt sind.
Ein Zub steht am Bahnsteig und nimmt einen tiefen Zug aus einer E-Zigarette, die der Form eines Schnapsfläschchens gleicht. Ein Fahrgast kommt angerannt, wedelt mit seiner Fahrkarte. Der Zub schickt ihn irgendwohin. Drei weitere kommen angerannt und deuten auf ihre Fahrkarte. Wieder gibt er Auskunft. Noch ein Zug an der E-Zigarette.
Der Mann mit Zigarette und Bierdose ist inzwischen wieder eingestiegen und der ICE gegenüber fährt ab.
Bald pfeift der Zub bei uns. Schlüssel drehen, Zp 9. Und ab geht’s.

Eine Mitarbeiterin mit leeren Gläsern auf dem Tablett geht durch den Wagen. „Entschuldigung, fährt der zum Frankfurter Hbf?“, erkundigt sich eine stark geschminkte ältere Frau in der Reihe vor mir. „Äh, nee. Nur zum Flughafen. Dort müssen Sie dann umsteigen.“ „Dann bin ich ja im falschen Zug. Oh Gott, das ist mir ja noch nie passiert!“ „Mein Zugchef kommt gleich“, meint die Mitarbeiterin und eilt weiter.
Bald darauf taucht der E-Raucher (oder wie nennt man die?) auf. Kurz bevor er mit der Fahrkartenkontrolle bei der Frau ankommt, klingelt sein Telefon. Eine Zub will offensichtlich etwas zur aufgehobenen Zugbindung einer Fahrkarte wissen. Das Gespräch zieht sich eine Weile hin, währenddessen wurschtelt er mit einer Hand am Scanner, der Kreditkarte und der BC der Frau herum und schafft es auch, die Fahrkartenkontrolle nebenbei komplett abzuschließen. „Ich bin doch im falschen Zug?“, fragt die Frau vorsichtig in das Telefongespräch hinein. Der Zugchef schüttelt den Kopf, bleibt aber stehen. „Nee, also wenn der seinen Stempel druntergemacht hat, würde ich da nichts mehr beanstanden. Aber wir treffen uns gleich im 25er. Dann besprechen wir das.“ „Ist nicht schlimm“, meint er zur älteren Frau und schaut eine Verbindung nach. „Als Strafe müssen Sie noch zweimal umsteigen. Haben Sie einen Kulli?“ Sie zieht einen hervor und dreht ihr Online-Ticket auf die Rückseite. „So, ich diktiere, Sie schreiben. Um 18:11 Uhr ab Flughafen.“ „Wann sind wir denn am Flughafen?“ „In reichlich zehn Minuten.“ „Ach, sooo schnell schon?“ „In reeeeeeeeichlich zehn Minuten“, relativiert der Zugchef. „Welches Gleis?“ „Gleis 7, direkt gegenüber. In Frankfurt Süd kommt der auf Gleis 8 an, auf Gleis 8 geht’s auch wieder um 18:42 Uhr weiter. Brauchen Sie auch die Zugnummern?“ „Ja, bitte.“ Er deutet auf ihren Reiseplan. „Das hier ist der ICE 1645, das hier der IC 2271.“ Die Frau schreibt eifrig mit. „Ach Gott, jetzt habe ich das als Uhrzeit geschrieben…“ „Ne, ist schon ok“, meint der Zugchef gnädig, „da sind ja keine Doppelpunkte dazwischen.“ Anschließend kontrolliert er meine Freifahrt und raunt mir zu: „Zeigen Sie der Frau am besten, wo Sie hin muss. Die verläuft sich sonst!“ „Ach, sind Sie auch im falschen Zug?“, fragt sie durch die Sitze hindurch. „Nein, nein, der ist planmäßig hier“, meint der Zugchef und verschwindet grinsend hinter den Abteilen. „Ach, jetzt bin ich im falschen Zug. Sowas ist mir ja noch nie passiert. Liegt bestimmt daran, dass ich so selten Bahn fahre…“ Ich beruhige sie, dass so etwas jedem passieren kann und meine das auch völlig ehrlich. Aber warum jemand eine BC 50 besitzt, der nur selten mit der Bahn fährt, würde mich schon interessieren…
Einige Minuten vergehen, die Landschaft fliegt am Fenster vorbei. „Jetzt muss ich Sie doch noch was fragen.“ Immer gern. „Ich grübele schon die ganze Zeit. Um 18:11 Uhr kommen wir an?“ Nein, um 18:06 Uhr. „Ach so, alles klar! Danke.“

Pünktlich ist der Frankfurter Flughafen erreicht. Ich folge der Frau beim Aussteigen und deute auf den etwas weiter hinten (da nur einfacher 411) am gegenüberliegenden Gleis wartenden ICE Richtung Leipzig. „Fahren Sie auch nach Marburg?“, fragt sie hoffnungsvoll. Das muss ich leider verneinen. Obwohl es noch drei Minuten bis zur Abfahrt sind, rennt sie ein paar Schritte und springt bei der zweiten Tür in die 1. Klasse rein. Dann muss sie es wohl ohne mich schaffen, in Frankfurt Süd wieder auszusteigen und am selben Gleis in einen nachfolgenden IC umzusteigen. Oder jemand anders fragen. Ich gehe noch bis zum vorletzten Wagen vor, wo ich gleich einen unreservierten Tisch finde, an dem nur die beiden Gangplätze belegt sind. Beide Fahrgäste haben ihre Jacken nicht ausgezogen und sehen so aus, als würden sie bald aussteigen. Pünktlich startet die Fahrt und in der Tat steigen beide am Südbf wieder aus. Bei einem anderen Fahrgast höre ich mit, dass die Verbindung wegen einer Sperrung bei der S-Bahn sinnvoll und schneller ist.
Zum Zeigersprung wird in Frankfurt Süd abgefahren. Ich habe den Tisch nun ganz für mich, gegenüber sitzen zwei mittelalte Frauen sowie ein älterer Herr neben einer älteren Frau. Während einer der mittelalten Frauen der anderen erläutert, warum sie schon in Offenburg Verspätung hatte, aber ihren Anschluss dennoch erwischt hat, erzählt die ältere Frau dem Mann, wie sie als Kind in einen zugefrorenen See eingebrochen ist, vom Bruder herausgezogen und zum Aufwärmen in den Waschkübel gesteckt wurde. Keinem der beiden Gespräche kann ich folgen, weil sie sich erstens überlagern und zweitens nicht in Waggonunterhaltungslautstärke geführt werden.

Auf der Toilette kommt mir bei einer Bremsung die Spiegelwand entgegen. Dahinter kommen jede Menge Kabel und Schaltungen zum Vorschein, auf der Rückseite der Spiegeltür hängt eine Checkliste „Was tun, wenn das WC verstopft ist“. Neben einem der unzähligen Schalter hängt ein Zettel mit einem großen Warnschild. Achtung Zub! Auf keinen Fall Stellung R aktivieren!
Wolln Sie während der Fahrt mal das WC benutzen… bringen Sie am besten einen Vierkant mit? Ich drücke die Spiegeltür zu. Nicht dass noch jemand die Stellung R aktiviert und die bisher so gut verlaufene Fahrt vermasselt. Wegen des lauten Rumpelns bei der nächsten Bremsung gehe ich davon aus, dass meine Bemühungen von bescheidenem Erfolg waren.
Bis Fulda herrscht leicht zähflüssiger Verkehr, hinter Schlüchtern fangen wir uns sogar eine Zwangsbremsung ein, woraufhin sich die Thermoskanne am Tisch gegenüber in Bewegung setzt und von einer der Frauen im Gegensatz zum Becher gerade noch aufgefangen werden kann. Dieser rutscht über die Tischkante und verteilt einige Spritzer auf dem Teppichboden. Mit einem kräftigen Ruck kommen wir zum Stehen, doch sofort zischen die Bremsen und wir rollen weiter.
Obwohl wir am Esig Fulda nochmal zum Stehen kommen, setzen wir die Fahrt, nun stärker ausgelastet, mit lediglich +2 fort. An meinen Tisch platzieren sich zwei junge Frauen, eine steckt ihre Nase sofort in ein Buch und nimmt sie erst wieder heraus, als sie in Leipzig aussteigt. Die andere hat ihre Ohren zugestöpselt und starrt unbewegt aus dem Fenster, nachdem sie ihren Salat verspeist hat.
Ab Bad Hersfeld sind wir wieder pünktlich. Da meine Umsteigezeit ständig fallend ist (Erst dreizehn, dann acht, dann fünf, dann vier, dann steht die Elbflorenz vor der Tür…), könnte ja vielleicht doch noch ein Abenteuer kommen. In Eisenach sind wir ebenfalls pünktlich. In Gotha kommen wir vor Plan an. In Erfurt +0.
Mit 230 gleitet der ICE lautlos durch die Nacht. Ganz lautlos? Nein. Denn bei dieser Geschwindigkeit scheint genau die Resonanzfrequenz der Blende über der Schiebetür zum Vorraum getroffen zu sein. Jedes Mal, wenn sich die Tür öffnet, macht sie sich mit einem nervtötenden Scheppern bemerkbar. Da kann man von Glück sprechen, dass sie das nur bei offener Zwischentür tut.

Mit satten -4 kommen wir in Leipzig an. Doch uns wurde ein Gleiswechsel verpasst, sodass der Umstieg nach Dresden doch nicht bahnsteiggleich ist. Da ich im zweiten Wagen bin, hält sich der Umweg in Grenzen und ich kann meinen schweren Koffer ganz entspannt zum IC schieben. Warum allerdings unbedingt der ICE von München nach Berlin auf unser Gleis musste, verstehe ich jedoch nicht. Ich öffne das Fenster und lasse die milde Abendluft herein.
Die Abfahrtszeit verstreicht. Nichts passiert. Eine Minute vergeht. Die Zub am ICE nach Berlin raucht und wischt auf ihrem Smartphone herum. Zwei Minuten vergehen. Dann kommt eine Durchsage, doch aufgrund des Lärms durch einen Lüfter beim ICE gegenüber dauert es zu lange, das mitzukriegen. Bis ich das Fenster geschlossen habe, höre ich nur noch „…setzen unsere Fahrt nach Dresden in Kürze fort.“
Wenige Minuten später pfeift es und wir rollen los. Nun also die erste echte Verspätung auf der heutigen Reise: +6. Der Fahrtwind treibt mir die Tränen in die Augen, während der IC von 40 auf 160 beschleunigt. So eine 101 hat ganz schön Power…
In Riesa steht nur noch +1 auf dem Zähler. Wegen Umleitung entfällt der Halt in Dresden-Neustadt und bald rollen wir durch die Lichter der Elbflorenz. Am Esig Hbf stehen zwar die Zeichen zunächst auf Rot, doch bald gewährt uns ein gelbes Licht in Kombination mit einer weißen Sechs Einlass. Mit -2 halten wir am Bahnsteig, auf dem noch immer der Rollsplitt vom Winter liegt.
So entspannt war schon lange keine Bahnfahrt mehr, trotz Teufel im Detail. Ein guter Auftakt zum Beginn des Sommersemesters. Hoffentlich bleibt das so.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Die ältere Frau hat ihr Missgeschick ja immerhin rechtzeitig bemerkt. Das erinnert mich an eine Fahrt Erfurt-München mit Umstieg in Fulda. Dort kam der Münchener Zug vor dem Baseler, weshalb die Durchsagen auf dem Bahnsteig und im Zug fast ununterbrochen kamen, damit ja niemand falsch einsteigt. Tja denkste: In Würzburg fällt einer Frau ein paar Sitze weiter auf, dass sie doch nach Frankfurt wollte. Offenbar war sie bereits in Kassel falsch eingestiegen. Anstatt aber auszusteigen, wartet sie auf den nächsten Zugbegleiter und erklärt ihm ihr Missgeschick. Er weist die auf die mehrfachen Durchsagen in Kassel und Fulda in, wovon sie nichts mitbekommen haben will. Bis Nürnberg durfte sie mit ihrem Ticket immerhin ohne Aufpreis mitfahren, dort sollte sie sich dann aber ein neues nach Frankfurt kaufen. Den Rest der Fahrt verbrachte sie am Telefon, um allen zu erzählen, dass sie mehrere Stunden später ankommen wird und das erste Mal in ihrem Leben in den falschen Zug gestiegen ist. :o
JeDi
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Beitrag von JeDi »

Entenfang @ 5 Apr 2016, 21:17 hat geschrieben: Achtung Zub! Auf keinen Fall Stellung R aktivieren!
Guten Abend,

Danke für die Erlebnisse. Auch wenn ich mich immer Frage, was die DB mit der Stellung R immer für ein Problem hat...

Gruß,
JeDi
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chris232
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Beitrag von chris232 »

War das nicht so 'ne Hygienegeschichte, dass das nur noch im Ganzkörperkondom erledigt werden darf? Keine Ahnung, bei mir hieß es seinerzeit "bei S und R stellts euch lieber auf den Deckel!"
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
Otto von Bismarck

Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
Fichtenmoped
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Beitrag von Fichtenmoped »

R wie Rückwärts? Ganz schlechte Idee, wenn die Vakuumtoilette nicht mehr saugt sondern drückt! :blink:
Aufgrund von Rostschäden besteht Signaturersatzverkehr!

Wir bitten um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.
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Baureihe 401
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Beitrag von Baureihe 401 »

chris232 @ 6 Apr 2016, 11:39 hat geschrieben: War das nicht so 'ne Hygienegeschichte, dass das nur noch im Ganzkörperkondom erledigt werden darf? Keine Ahnung, bei mir hieß es seinerzeit "bei S und R stellts euch lieber auf den Deckel!"
Genau so war es.
Fahrberechtigt auf den Baureihen 101, 111, 120, 143, 146, 1016/1116, 401, 402, 403/406, 423-426, 440, 442, 445 und diversen Steuerwagen.
mapic
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Beitrag von mapic »

Ja, R für Rückspülen. Damit lässt sich eine Verstopfung durchaus mal beheben. Ich verstehe nicht ganz, warum man das verbietet. Das normale Rückspülen ist relativ harmlos. Mit jedem Mal drücken wird der Druck dann höher. Man tastet sich also sozusagen langsam an den notwendigen Druck zum Lösen der Verstopfung heran. Bei R+S wird gleich mit voller Kraft rückwärts gespült, da sollte man tatsächlich den Deckel zu machen und sich drauf stellen. :lol:
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Beitrag von Entenfang »

JeDi @ 5 Apr 2016, 22:37 hat geschrieben: Danke für die Erlebnisse.
Immer wieder gern.

Jetzt weiß ich wenigstens auch, was die Stellung R ist. :)
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Beitrag von JeDi »

chris232 @ 6 Apr 2016, 11:39 hat geschrieben: War das nicht so 'ne Hygienegeschichte, dass das nur noch im Ganzkörperkondom erledigt werden darf? Keine Ahnung, bei mir hieß es seinerzeit "bei S und R stellts euch lieber auf den Deckel!"
Wer sagt denn sowas? Bei S passiert nix anderes als bei einer normalen Spülung, nur halt ohne Wasserzusatz. Bei R ist der Hinweis allerdings durchaus berechtigt.
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Beitrag von JeDi »

Entenfang @ 6 Apr 2016, 21:29 hat geschrieben: Jetzt weiß ich wenigstens auch, was die Stellung R ist. :)
Steht eigentlich auch immer auf einem Zettel daneben...
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Beitrag von chris232 »

JeDi @ 6 Apr 2016, 22:05 hat geschrieben: Wer sagt denn sowas? Bei S passiert nix anderes als bei einer normalen Spülung, nur halt ohne Wasserzusatz. Bei R ist der Hinweis allerdings durchaus berechtigt.
Im Sinn von "S und R gleichzeitig" ;)
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
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Beitrag von JeDi »

chris232 @ 6 Apr 2016, 23:04 hat geschrieben: Im Sinn von "S und R gleichzeitig" ;)
Ach so ;-)
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Beitrag von Muffo1234 »

Meine 23 Minuten Hölle

Anmerkung: Die Namen sind soweit nicht anders angegeben verändert! Alles mit Anführungszeichen gekennzeichneten Dinge habe ich aus meinem Gedächtnis übernommen.


Ein Samstag Anfang März: Gemeinsam mit einem Freund steige ich in Hamburg-Harburg in den IC nach Stuttgart. Zumindest der Zug fährt bis dahin, wir wollen aber in Münster schon wieder aussteigen.
Vor uns liegen also zwei Stunden Zugfahrt. Wir haben natürlich nicht reserviert (zu teuer) und steigen auch gleich in den erstbesten Wagen ein (zu faul). Der Zug ist recht leer, und so finden wir sehr schnell zwei nicht reservierte Plätze.
Mir fällt auf, dass nahezu der komplette Wagen (ca. 40 Plätze) von Osnabrück bis Köln reserviert ist. Ich scherze mit meinem Mitreisenden:

„Da kommt bestimmt nachher eine Schulklasse!“
„Wie denn? Es ist Samstag!“
Eine durchaus wahre Aussage denke ich, und vertiefe mich wieder in meine Zeitung (die vorlesungsfreie Zeit [Entenfang wird verstehen] ist doch was Schönes).
Der IC rauscht derweil zügig und pünktlich Richtung Bremen. Dort kommen wir mit +0 an. Nach einem leicht verlängerten Aufenthalt („Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund einer Türstörung verzögert sich unsere Abfahrt um wenige Minuten. Wir bitten um Ihr Verständnis“) verlassen wir Bremen mit +4.
„Ladies and Schentälmän, sis train is approximatlie five minutes late. Sis was due to a faultie door. Sank ju for understanding” quakt es aus dem Lautsprecher. Scheinbar spricht der Zub etwa so gut Englisch wie meine Oma, die ist allerdings schon 75 und hat das nie gelernt!
Kurze Zeit später erscheint der Zugchef persönlich zur Fahrkartenkontrolle in unserem Wagen. Er sieht aus wie ein zweiter Rainer Calmund. Schnaufend bewegt er sich durch den Gang, und als der den Wagen am Ende durch die Schiebetür verlässt erwarte ich tatsächlich, dass er steckenbleibt!
„Guck dir den mal an“, raunt ein Mann im Nachbarzweier seiner Begleitung zu, „der hat ja Adipositas hoch zehn. So will man doch nicht aussehen.“
„Ladies and Schentälmänn, in a few momentß wi will arrive in Osnabrück. Sank you for choosing DB today, take care and goodbye!” Ich schaue auf die Uhr, wir sind wieder im Plan!
Jetzt werden wir also sehen wer den halben Wagen reserviert hat. Ich gehe im Kopf die wirklich schlimmen Alternativen durch:

1. Ein Kegelverein (natürlich stilecht hackestramm und mit Dosenbier und sehr lauter Musik)
2. Ein (sehr großer) Junggesellinen Abschied (ebenfalls stilecht leicht angeschickert mit Piccolöchen und doofem gegiggel.
3. Die männliche Version von 2.
4. Eine Schulklasse (Samstags? Egal. Am besten 9. Klasse und auf Klassenfahrt.)

Mit einem Ruck kommt der Zug zum Stehen. Ich sehe aus dem gegenüberliegenden Fenster auf den Bahnsteig. Dort sehe ich keine riesige Gruppe, aber das muss ja nichts heißen. Und ja, nach etwa 30 Sekunden kommt eine große Gruppe, eindeutig eine Schulklasse!
(Handlungsloch)

Noch 23 Minuten bis Münster:

Na toll! Auf meiner Skala der schlimmsten möglichen Dinge ist es (sollte ich sagen immerhin?) nur die vier geworden. Aber die hat es in sich!
In Osnabrück steigt also eine Mädchenschulklasse in den Zug! Geschätztes Alter: 14 Jahre. Alle, ausnahmslos alle, tragen Koffer mit sich, die größer sind als sie selbst! Aufgrund dieser Tatsache fahren wir auch mit +3 („Sis train is sree minutes late due to problems at se last station“) wieder ab. Nachdem also alle ihre Überseekoffer in den Zug gewuchtet hatten (Ein Lob an die Lehrer, die einfach daneben standen und meinten: „Wir habe euch gesagt nur Koffer die ihr selber tragen könnt!“) konnten wir unsere Fahrt endlich fortsetzen!
1: „Eeyy guck ma! Hier voll schöner Nagellack!“
2: „Buhjaa, voll geil eyy! Gib ma ich will ma bei mir angucken.“
1: „Jaa ok, aber nimm nich so viel! Der is voll teuer!“
Im Zweier nebenan sitzen zwei augenscheinlich mit der Goth-Szene sympathisierende Mitglieder der bereits erwähnten Klasse. Der Nagellack um den es in vorheriger Konversation ging ist einfach nur schwarz (aber ich habe von sowas keine Ahnung, vermutlich ist ein besonders schönes Schwarz). Aber egal, 2 beginnt also noch während wir das Weichenfeld passieren mit Operation „Nägel lackieren“.
Anscheinend hat ihr niemand mitgeteilt, dass ein Zug beim Überfahren einer Weiche ziemlich ruckelt. Kurz nach der Konversation ruckelt der Wagen also über so eine Weiche…
Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten:
2: „Booah! Jetzt ist das voll verschmiert! Scheiß Bahnfahren!“
Verstohlen werfe ich einen Blick hinüber. 2 hat sich fast die komplette Fingerkuppe schwarz lackiert.
2: „Eyy, hast du hier so Entferner?“
1: „Ja hier bitte“
Kurz darauf zieht der wohlige Duft des einfachsten Ketons durch den Waggon. Ich bin zwar viel gewohnt aber in Aceton geschwängerter Atmosphäre stellt sich auch bei mir schnell ein ziemlicher Kopfschmerz ein.
(Handlungsloch)

Noch 15 Minuten bis Münster:

1 und 2 haben die Operation „Nägel lackieren“ mehr oder weniger erfolgreich abgeschlossen. Jetzt sitzen beide stumm nebeneinander und tippen auf ihren Handys herum. Ich freue mich auf ruhige 15 Minuten mit meinen Aceton induzierten Kopfschmerzen, aber das Theater geht, natürlich, noch weiter!
2: „Hast du Netz?“
1: „Nee, so ne Scheiße ich muss Merlin (das war wirklich sein Name) schreiben!“
2: „Hast du mit dem jetzt was laufen??! Wie issen der so?“
1: „Ganz nett. Aber ich schwör als wir letztens abends weg waren (Zwischenfrage: Sie sind 14! Wohin sollen sie denn gehen?), also da waren wir noch nicht zusammen, und jedenfalls da hat er mir voll an den Arsch gefasst!“
2: „Echt ?! Und du bist trotzdem mit ihm zusammen?“
1: „Ja man! Der ist voll nett, und außerdem sieht er gut aus! Und Tabea ist so richtig sauer, weil ich ihr den Freund ausgespannt habe!“
(Ich sollte an dieser Stelle anmerken, dass ich keinesfalls versuche, dass alles mitzuhören, die beiden aber so schrill und laut sprechen, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt)
2: „Ja man Tabea die Schlampe. Die hatte auch jeder schon!“
1: „Warte mal! Ich hab wieder Netz!“
Damit endet die Diskussion sehr abrupt, da 1 jetzt anscheinend mit sehr viel Hingabe ihrem (oder Tabeas) Merlin schreibt.

Noch 5 Minuten bis Münster:

1: „Maan, jetzt antwortet der nicht.“
2: „Lass ihn doch, der hat bestimmt was zu tun.“
1: „Nee, der schreibt bestimmt mit ner anderen…“
Ich bin an dieser Stelle kurz versucht die beiden darauf hinzuweisen, dass der ganze Wagen sie hören kann, lasse es dann aber doch. Überhaupt scheint es die Mitschülerinnen der beiden überhaupt nicht zu überraschen was die beiden da diskutieren. Ich bin auch überrascht das zumindest 1 anscheinend ganz gut bei den Jungs ankommt. Aus meiner Schulzeit kenne ich es, das die schwarze Fraktion eher zu den Außenseitern gehörte…
„Ladies and Schentälmänn, in a few momentß wi will arrive in Münster. Sank you for choosing DB today, take care and goodbye!” Der erneute Blick auf die Uhr überrascht mich. Wir haben tatsächlich alle 4 Minuten Verspätung rausgefahren. Wie der Tf das gemacht hat ist mir schleierhaft, aber ich bin nicht böse drum!

Münster (Westf.) Hbf

Die Rettung! Der Zug kommt zischend zum Stehen. Ich stehe bereits, da mein Mitreisender einen knappen Anschluss (1 Minute) bekommen will.
Beim Rausgehen beuge ich mich kurz zu 1 und 2 herunter und sage: „Übrigens, hast du dir schon mal überlegt das Merlin vielleicht einfach kein Internet hat?“ Die Gesichtszüge der beiden entgleisen. Ihnen war wohl nicht bewusst, dass der ganze Wagen mithören konnte! Ich beschließe noch einen draufzusetzen und rufe im Rausgehen: „Ach und noch was, wie wäre es beim nächsten Mal wenn ihr mit dem Nägel lackieren bis an euer Ziel wartet?“
Den Gesichtsausdruck der beiden bekomme ich leider nicht mehr mit. Als ich außen am Fenster der beiden vorbeigehe schauen mich zwei Augenpaarte völlig entgeistert an! Ich winke freundlich und verschwinde in der Unterführung.
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Beitrag von 218 466-1 »

Muffo1234 @ 10 Apr 2016, 18:37 hat geschrieben:Ein Samstag Anfang März: (...)
Mir fällt auf, dass nahezu der komplette Wagen (ca. 40 Plätze) von Osnabrück bis Köln reserviert ist. (...)Ich gehe im Kopf die wirklich schlimmen Alternativen durch:

1. Ein Kegelverein (natürlich stilecht hackestramm und mit Dosenbier und sehr lauter Musik)
2. Ein (sehr großer) Junggesellinen Abschied (ebenfalls stilecht leicht angeschickert mit Piccolöchen und doofem gegiggel.
3. Die männliche Version von 2.
4. Eine Schulklasse (Samstags? Egal. Am besten 9. Klasse und auf Klassenfahrt.)
Fußball"fans" würde ich noch darüber stellen. ;)
Muffo1234 @ 10 Apr 2016, 18:37 hat geschrieben:1: „Eeyy guck ma! Hier voll schöner Nagellack!“
2: „Buhjaa, voll geil eyy! Gib ma ich will ma bei mir angucken.“
1: „Jaa ok, aber nimm nich so viel! Der is voll teuer!“
Im Zweier nebenan sitzen zwei augenscheinlich mit der Goth-Szene sympathisierende Mitglieder der bereits erwähnten Klasse. Der Nagellack um den es in vorheriger Konversation ging ist einfach nur schwarz (aber ich habe von sowas keine Ahnung, vermutlich ist ein besonders schönes Schwarz).
Ich gehöre auch der Goth-Szene an, (bin aber wohl älter als die beiden zusammen) und das gibt es für 3,49 € bei Kaufland, Douglas u.a. Keine Ahnung was die für "teures" Zeug gepinselt haben. :huh:
Muffo1234 @ 10 Apr 2016, 18:37 hat geschrieben:Der erneute Blick auf die Uhr überrascht mich. Wir haben tatsächlich alle 4 Minuten Verspätung rausgefahren. Wie der Tf das gemacht hat ist mir schleierhaft, aber ich bin nicht böse drum!
Im FV sind Fahrzeitreserven relativ großzügig und BR 101 hat einiges drauf. :) Daher nichts ungewöhnliches.
Muffo1234 @ 10 Apr 2016, 18:37 hat geschrieben:Beim Rausgehen beuge ich mich kurz zu 1 und 2 herunter und sage: „Übrigens, hast du dir schon mal überlegt das Merlin vielleicht einfach kein Internet hat?“ Die Gesichtszüge der beiden entgleisen. Ihnen war wohl nicht bewusst, dass der ganze Wagen mithören konnte! Ich beschließe noch einen draufzusetzen und rufe im Rausgehen: „Ach und noch was, wie wäre es beim nächsten Mal wenn ihr mit dem Nägel lackieren bis an euer Ziel wartet?“
Den Gesichtsausdruck der beiden bekomme ich leider nicht mehr mit. Als ich außen am Fenster der beiden vorbeigehe schauen mich zwei Augenpaarte völlig entgeistert an! Ich winke freundlich und verschwinde in der Unterführung.
:lol: :lol: :lol:
Aber ok, in deren Alter war ich auch nicht besser. ;)
Muffo1234 @ 10 Apr 2016, 18:37 hat geschrieben:Ich bin auch überrascht das zumindest 1 anscheinend ganz gut bei den Jungs ankommt. Aus meiner Schulzeit kenne ich es, das die schwarze Fraktion eher zu den Außenseitern gehörte…
Schon mal dran gedacht, dass dieser Merlin auch zur schwarzen Szene gehört? :ph34r: :P :D
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Beitrag von Meikl »

Muffo1234 @ 10 Apr 2016, 18:37 hat geschrieben: Alter: 19
Da lästert mal wieder einer, der vom Alter her selbst noch Schüler sein könnte (zumindest ich war mit 19 noch in der Schule) und selbst vor wenigen Jahren sicher auch nicht anders drauf war wie diese Schüler...
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Beitrag von 146225 »

Meikl @ 11 Apr 2016, 07:53 hat geschrieben: Da lästert mal wieder einer, der vom Alter her selbst noch Schüler sein könnte (zumindest ich war mit 19 noch in der Schule) und selbst vor wenigen Jahren sicher auch nicht anders drauf war wie diese Schüler...
Im Prinzip ja, aber - gut, natürlich ist bei mir die Schulzeit doch ein paar Tage länger her, aber damals als Teenager hab ich mir auch vorgenommen, nie so zu werden wie die Mittdreißiger seinerzeit, heute hab ich doch stellenweise Probleme, "normalem" Teenagerverhalten noch zu folgen bzw. Sinn darin zu entdecken. B-) :lol:
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Beitrag von chris232 »

Meikl @ 11 Apr 2016, 07:53 hat geschrieben: Da lästert mal wieder einer, der vom Alter her selbst noch Schüler sein könnte (zumindest ich war mit 19 noch in der Schule) und selbst vor wenigen Jahren sicher auch nicht anders drauf war wie diese Schüler...
Ich bin zwar keine 19 mehr und noch keine 45, aber ich hab mir trotzdem nie während der Fahrt die Fingernägel lackiert? (Und als ich in der 9. war gabs noch kein Whatsapp)
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Beitrag von 218 466-1 »

chris232 @ 11 Apr 2016, 22:24 hat geschrieben:aber ich hab mir trotzdem nie während der Fahrt die Fingernägel lackiert?
Soll das heißen, Du machst das nur vor und nach der Fahrt? :blink: :D
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Beitrag von 146225 »

218 466-1 @ 11 Apr 2016, 23:39 hat geschrieben: Soll das heißen, Du machst das nur vor und nach der Fahrt? :blink: :D
Ne Spatz, ich weiß nicht wie der Chris das handhabt, aber Kosmetika aller Art nur zu Hause im Bad. :lol: ;)
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Beitrag von TramBahnFreak »

Meikl @ 11 Apr 2016, 06:53 hat geschrieben: (zumindest ich war mit 19 noch in der Schule)
Kann passieren... :ph34r:
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Beitrag von Lobedan »

Ist mit G9 sogar ziemlich normal.
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Beitrag von Meikl »

Ist es mit der Jugend schon so weit geschehen, daß sie nicht mal mehr weiß, daß das Gymnasium einst bis zur 13. Klasse gegangen ist...? :ph34r:
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Beitrag von Entenfang »

Faszinierend alltäglich

Die erste Fahrt auf meiner persönlichen Stammstrecke steht für dieses Semester an. Ausnahmsweise bin ich sehr gut in der Zeit und kann ganz entspannt meinen Koffer zur Tramhaltestelle schieben, um kurz darauf am Dresdner Hbf anzukommen. Wie immer nehme ich den vordersten Wagen. Die übliche 50%-Auslastung herrscht vor. Doch halt, ist da nicht noch ein Zweier frei? Naja, was heißt frei. Zwei Koffer sind dort untergebracht. Ich setze schon zum Protest an, doch der verantwortliche Mann vom Typ häufig reisender Geschäftsmann kommt mir zuvor und bietet an, die Koffer wegzuräumen. Stattdessen platziere ich mich im Vierer schräg gegenüber von ihm und lege meinen Koffer obendrauf, als Krönung sozusagen. Die älteren Dostos sind einfach richtig blöd, denn auch mein Koffer passt weder unter noch zwischen die Sitze. Die wenigen Fahrgäste, die noch zusteigen, beäugen die illegale Gepäckablage zwar kritisch, aber niemand traut sich, etwas zu sagen.

Wir fahren ab, ich lese die Zeit, der Geschäftsmann wurschtelt am Laptop auf seinem Schoß herum. Auf die Klapptische in den 1440ern ab Juni freue ich mich am meisten. Einmal führt er ein kurzes Telefonat und arbeitet dann weiter. Erst hinter Chemnitz werden die Fahrkarten kontrolliert. Der Zub führt mit einem Mann eine Reihe weiter vorne ein kurzes Gespräch. Es geht wohl um die Arbeitsplätze mit dem Betreiberwechsel. Offensichtlich sind alle gefährdeten Mitarbeiter angeschrieben worden und da er bisher nichts bekommen hat, ist er zuversichtlich, an einen anderen Ort versetzt zu werden.
Er zieht meine BC durch den Scanner. „Hmm, nein, so will er nicht…“ Nochmal andersherum. „Ahja, so will er!“ Der Mann schräg gegenüber zieht seine Black Mamba hervor. Das wäre dann das vierte Mal, dass ich sie bei einer Kontrolle gesehen habe.
Ich arbeite den gesamten Politikteil durch, anschließend das Magazin. Hinter Plauen klingelt sein Handy. Da das Gespräch etwas länger dauert, ist irgendwann, wie nicht anders zu erwarten, die Verbindung weg. „Ja, ich hatte gerade kein Netz. Ich bin gerade im Osten (in abstoßendem Tonfall ausgesprochen) unterwegs.“ Da muss ich ausnahmsweise den Osten verteidigen. Das Handynetz ist hier deutlich besser als in der Oberpfalz.
Überpünktlich ist Hof erreicht, der Mann kämpft mit seinen drei Koffern unterschiedlicher Größe. Ich begebe mich zum RE nach Nürnberg, der bald an den Bahnsteig rollt. Im vorderen Tw ist wie immer kaum etwas los, heute steht mir der Sinn nach Sound und ich setze mich in den Großraum. In meiner Nähe sitzt noch ein junger Mann vom Typ Student und zwei junge Männer vom Typ Flüchtling. Sie sprechen erst den Studenten an, dann mich und deuten auf ihr Bayernticket. Mit einer schreibenden Bewegung bitten sie mich um einen Stift, den ich natürlich zwecks Verspätungsstatistik immer griffbereit habe.
DRÖHN!
DRÖÖÖÖÖÖÖÖÖHN! Kupplung. BRUUUUUUUM!
Schön, dass die Neitech wieder läuft. Mit 160 durch die Oberpfalz ist einfach eine fetzige Angelegenheit. Wir schaukeln durch die Hügellandschaft, die im zarten Abendlicht vorbeifliegt.
Bild

BRRRÖÖÖÖÖÖÖÖ! Kupplung. GRUU*Klapper*UUUU*Klapper*UUUUU!
„Nächster Halt: Pegnitz. Planmäßiger Aufenthalt bis 19:44 Uhr.“
„Sind wir schon in Bayreuth durch?“, möchte ein junger Mann von mir wissen. Äh, wir fahren überhaupt nicht über Bayreuth? „Oh scheiße. So richtig verkackt.“
UUUUUÖÖÖÖÖÖÖÖÖHHHHMMMMKlack.
Nach dem Halt schaltet der Tf sofort den Motor aus. Endlich mal einer, der das tut. Ich habe mich schon oft gefragt, wie viele Tonnen Diesel man jedes Jahr einsparen könnte, wenn die Züge nicht schon eine halbe Stunde vor Abfahrt im Leerlauf vor sich hinbrummen würden.
Perfektes Timing für ein Bild, denn eine halbe Minute später ist die Sonne hinter dem nächsten Hügel verschwunden.
Bild

Der Zugteil aus Lichtenfels hängt sich dran und weiter geht´s.
Bild

Einer der beiden Flüchtlinge hat im Fahrradabteil seine Jacke auf dem Boden ausgelegt und betet.

Der Tf fährt die letzten 6 km energiesparend, denn aufgrund des leichten Gefälles und der stufenweise abgesenkten Streckengeschwindigkeit kann man hier wunderbar rollen lassen. Die beiden Flüchtlinge haben sich auf zwei Zweier verteilt und schlafen. Ich packe meine Sachen etwas lauter als nötig und verfehle mein Ziel nicht. Zumindest einer der beiden wacht auf und fragt mich mit leichtem Akzent „Banof Nurmberg?“ Auf mein Nicken hin weckt er den anderen auf.
In ebenjenem Bahnhof halten wir pünktlich an und ich begebe mich durch die Unterführung. Zu meiner Freude verkehrt der ICE in umgekehrter Wagenreihung, sodass die 2. Klasse ganz vorne ist und mir den Laufweg in München erspart. In Sektion A bekomme ich ein Abteil für mich.

Ditditditrumms. Bald weichen die Lärmschutzwände Baumwipfeln, die sich als dunkle Schatten vom Himmel der blauen Stunde abheben. Schneller und schneller fliegen sie und die gelben und roten Optiken der Signale vorbei. Ein Abteil weiter spielt ein Mann Hackbrett, dessen Klänge leise in mein Abteil hinüberziehen. Der Singsang der Weichen stellt eine weitere musikalische Begleitung dar. Ein Geschäftsmann gesellt sich zu mir, klappt nach kurzem Überlegen die Armlehnen hoch und legt sich quer über alle drei Sitze hin. Zunächst dreht er sich einige Male um und wischt im Liegen über sein Handy, doch bald liegt er ruhig.

Der Himmel wechselt seine Farbe von Hellblau zu Dunkelblau, während der ICE über die SFS nach Süden braust. Leise klingt die Musik aus dem Nachbarabteil, wie Irrlichter fliegt die Tunnelbeleuchtung vorbei. WUUUUUUSCH. Der Geschäftsmann schnarcht leise. WUUUUUSCH. Man kann die enormen Kräfte spüren, die bei dieser Geschwindigkeit im Tunnel auf den Zug wirken. Die Fahrweise wird etwas unruhiger und das Material knirscht und arbeitet.

Ein Krankenwagen braust mit Blaulicht am Audiwerk vorbei, mittlerweile ist der Himmel bis auf einen ganz schwachen Schimmer im Westen dunkel. Der Geschäftsmann schläft. Nur der Mond und die Klänge des Hackbretts begleiten mich auf dem letzten Stück bis München.
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218217-8
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Beitrag von 218217-8 »

Entenfang @ 15 Apr 2016, 16:07 hat geschrieben: DRÖHN!
DRÖÖÖÖÖÖÖÖÖHN! Kupplung. BRUUUUUUUM!
BRRRÖÖÖÖÖÖÖÖ! Kupplung. GRUU*Klapper*UUUU*Klapper*UUUUU!
UUUUUÖÖÖÖÖÖÖÖÖHHHHMMMMKlack.
Ditditditrumms.
WUUUUUUSCH. WUUUUUSCH.
Hatte ich schonmal erwähnt, dass ich deine lautmalerische Darstellung der Geräusche echt Weltklasse finde? Ich lese das und habe automatisch die originalen Geräusche in meinem geistigen Ohr! Man kann sich die Szenen lebensecht vorstellen!
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Beitrag von 146225 »

Vorwort: Dieser kleine Reisebericht ist mein Beitrag Nr. 10.000 hier im Eisenbahnforum. Ich danke Boris und natürlich auch allen anderen für eine schöne gemeinsame Zeit bisher und freue mich bei allem Hader zwischendurch schon auf die nächsten 10.000 - jetzt aber los.


Wenn der (Tram-)Freak spontan auf Reisen geht: Früh heraus, und noch später als geplant zurück.

Die reisenden Freaks und Fuzzis kennen das: Kaum hat man ein paar Tage frei, fallen einem spontan allerlei unmögliche Möglichkeiten ein, wo man "schon lange" einmal hätte hinfahren können sollen und das Fuzzigewissen plagt einen, was noch alles unfotografiert ist und wo man doch neulich irgendwo im Forum ... also, die Ideen im Kopf kamen in etwa im Abstand von wenig. Wie üblich auch viel mehr Ideen als freie Zeit. Nun, man kennt mich hier im Forum mit einem gewissen fotografischen Interesse (auch) an Trambahnbetrieben, der aufmerksame Mitleser weiß, dass ich diesbezüglich in Deutschland (bis nächstes Jahr in Kehl) schon alles abgegrast habe. Also rücken die europäischen Nachbarländer in den Mittelpunkt des Interesses. Und ich machte mich am Mittwochabend nach spontaner Idee auf, eine kurze Vorbereitung für einen diesbezüglichen Besuch am Donnerstag (dieser Woche) zu treffen. Südliches Nachbarland, 5 Trambetriebe, davon 3 für mich noch "Unbekannte" - ja, wer mitdenkt, nun, der weiß sogleich: die Rede ist von Österreich. Wenn ich euch jetzt noch sage: Tram auf 900 mm Spurweite, 40-m-Niederflurzüge - dann ist allen klar: es ging nach Linz. Etwas Umschau auf bahn.de, dann steht der Fahrplan, als ich dann noch sowieso kurz in die Stadt gehe, wird an der heimischen Tramhaltestelle gleich noch der NTA gequält und die Fahrkarten besorgt. Zwei naseweise Großmütter hinter mir glauben nicht ganz, dass man da auch Fahrkarten für den ICE bekommt, und die mit ec-Karte bezahlen kann ... doch, geht alles, sogar unter Anrechnung eines noch zu verbrauchenden DB-Gutscheines und trotz altkluger Kommentare. Einen Moment später ist für die Damen der Beweis erbracht: da kann man ja wirklich mehr mit machen, als nur die Fahrkarte nach Neckarsulm lösen. Ach. Mein freundliches Angebot, ihnen nach Wunsch gleich noch ein Mecklenburg-Vorpommern-Ticket zu besorgen - "für den nächsten Urlaub" - lehnen die zwei erst so altklugen dann doch verunsichert ab.

Es ist Donnerstagmorgen, und auf dem Weg zur Tram um fünfuhrvielzufrüh brummle ich in mich hinein, welcher ... denn so einen Fahrplan schreiben konnte? Ja, ist das nicht schön, wenn man sich halb ausgeschlafen selbst treten könnte? Ich lasse es aber und besteige pünktlich als erstes Fahrzeug der heutigen Reise den 450 887 der AVG, heute als 85703 unterwegs. Das ist auch so eine Leistung, wo die nörgelnden Stadtbahn-Gegner im Rentneralter vom Stammtisch weg behaupten würden, dass so früh doch eh noch keiner mitfährt. Wenn man es doch tut, erlebt man das glatte Gegenteil: der Wagen ist gut gefüllt. Ruck Zug wird die Tram nach dem Pfühlpark wieder zur Eisenbahn, und bis Öhringen Hbf findet außer in Obersulm-Sülzbach Schule und am Kurzbahnsteig in Obersulm-Wieslensdorf auch überall Fahrgastwechsel statt. Auch als ich um 06:05 Uhr pünktlich in Öhringen Hbf aussteige, tue ich das nicht alleine, sondern in einer Gruppe, die sich dreiteilt: der erste Teil strebt fußläufig zu diversen Zielen, wohl überwiegend an den Arbeitsplatz. Nicht wenige gehen auch auf die andere Seite des Empfangsgebäudes, wo am ZOB kurz darauf der Franken-Express nach Ki'au abfahren wird. Ich gehöre zur dritten Gruppe und begebe mich aufs Gleis 2, wo die Westfrankenbahn bereits den 628/928 337 bereitgestellt hat, der als 23417 um 06:18 nach Schwäbisch Hall-Hessental abfahren soll. Im (geschobenen) 928 hat es noch freie Plätze im bei der Wiesen- und Feldbahn nicht existenten 1.Klasse-Bereich, es sind zwar nicht mehr die original-hellblauen Liegesitze verbaut, dennoch lässt es sich hier ganz entspannt noch ein bisschen vor sich hindösen. Pünktlich zur Abfahrtszeit wird irgendwo hinter mir das leise Grummeln des angeworfenen Zwölfzylinders hörbar, und ganz sachte schiebt mich der 628 in den Hohenloher Morgen hinaus. Auch dieser Zug dient dem einen oder anderen Fahrgast als Zubringer zum Arbeitsplatz, vor allem in Waldenburg wird das durch den nicht unerheblichen Fahrgastwechsel sichtbar. Trotz seiner 27,5 Jahre ist der VT gut gepflegt, leise, und der 928 verwöhnt mit einer sehr guten Laufruhe. Als ich das nächste Mal hinausblinzle, ist schon das Kochertal mit der schönen Kulisse von Schwäbisch Hall sichtbar, und viel zu schnell muss ich am Haller "Vorstadtbahnhof" Hessental wieder aussteigen. Statt den Komfort des 928 bis Crailsheim zu genießen, fährt am Gleis 3 bereits die Museumsbahn namens RE 19901 für mich ein. So das übliche bei DB Regio Württemberg in diesen Zeiten halt, der Steuerwagen fehlt, also hängt 111 161 führend vorne, hinter den 4 Rotlingen läuft 111 131 als Wagenlok mit. Ich entscheide mich für den ABnrz an der Spitze, weil dieser aus Kiel ins Gammelsurium eingewandert wurde und halbwegs vernünftige DBM-Systemsitze bietet. Trotz des "späten" Modernisierungszustands knarzt die Kraxe recht erheblich in allen Fugen. Crailsheim wird trotzdem pünktlich erreicht, nach 29 Minuten rumpeln.

Ach ja, DB Fernverkehr erfreut uns auch mit einer der hauseigenen Spezialitäten, es gibt für den IC 2061 eine gereiherte Wagenänderung (oder so), auf jeden Fall sollte der Zug gen Nürnberg geschoben werden, die durchaus hübsche Tf (ja, so wach bin ich zwischenzeitlich schon, dass mir das auffällt...) sitzt aber auf 120 127 an der Spitze. Wollte ich nochmal Museumsbahn ... also, der Bimz gleich hinter der Lok sah zwar recht leer aus, ich habe mich dann aber doch für einen Platz in nicht-ICmod-Bpmz 2 Wagen weiter hinten entschieden. Von den Rändern Hohenlohes geht es pünktlich und sehr entspannt nach Mittelfranken, Ansbach präsentiert sich noch etwas neblig, aber in Nürnberg kann davon keine Rede mehr sein, als wir pünktlich um 08:18 Uhr eintreffen. Bahnsteigwechsel und dann leichte innere Unruhe ... der ICE 21 gen Wien verkehrt nur als Solo-411, kommt bestimmt nicht leer aus Frankfurt (Main), und die Meute die da am Bahnsteig steht, sieht zahlreich genug aus um auch einen 401 gut füllen zu können. Kurz überlegen, und dann das altbrauchbare Rezept auspacken: der Zug ist richtig rum gereiht, also mit der 2. Klasse führend ab Frankfurt unterwegs. Also nach vorne gehen, ganz vorne in 411 080 einsteigen und von da an solange nach hinten gehen, bis sich ein Platz ... halt, die Lounge leert sich in Nürnberg komplett, und einer der leeren Plätze zweite Reihe rechts wird meiner. Na also, geht doch. Wie es in dem Bonsai-FV-Zug weiter hinten aussieht, will und brauche ich in dem Moment ja nicht mehr wissen. Freie Streckensicht nach vorne wird leider nicht gewährt, muss aber auch nicht sein. Die Fahrt gen Süden verläuft ebenfalls pünktlich und ohne besondere Notierungen. In Regensburg, der Name sagts ja, regnet es dann auch leicht, und der übliche "Partygag" darf auch nicht fehlen... ein einsteigendes Paar will mich davon überzeugen, dass sie diese Plätze im Wagen 21 reserviert hätten. Ach so? Einen Blick auf die Reservierung später ist klar: Zug 21, aber Wagen 27 ... zur ersten Klasse möge man sich bitte, danke, ans andere Zugende begeben. Laangweilig!

Wer die Rail-Adventure 139 558 gesucht hätte, die stand in Straubing - sonst ist bis Passau Hbf nichts mehr auffälliges zu vermerken. Der übernehmende ÖBB-Tf kriegt von seinem absteigenden DB-Kollegen mitgeteilt: "Es fährt, es bremst, machs gut!" - und schon gehts weiter. Der Zugchef der ÖBB beginnt seine Ansage mit einem "Willkommen in Österreich" passenderweise genau in dem Moment, als kurz nach der Innbrücke auch die Staatsgrenze überquert wird. In Schärding langsame Durchfahrt, baubedingter Gleiswechsel, der Rest des Bahnhofes sieht nach heftiger Baustelle aus, aber das, was schon von den entstehenden Neubauten zu sehen ist, kann sich durchaus sehen lassen. Nächster Halt Wels Hbf - die Zugsabfertigung ist, gemessen an dem, was man von der DB an solchen Zwischenhalten kennt, zeitlich sehr gemütlich - aber, passt scho, es geht sich eine pünktliche Ankuft in Linz damit aus.

Im Keller stellt mich der Fahrscheinautomat der Linz AG - Linien auch nicht wirklich vor eine Herausforderung, enttäuschend ist höchstens, dass die erhaltene Fahrkarte halt schlicht minimalistisch schwarzer Druck auf weißem Papier ist, die Zeiten als man aus fremden Städten auch schicke bunte "andere" Fahrkarten mitgebracht hat, scheinen wohl auch vorbei zu sein. Als nächstes dann noch die Information an die verehrte Kundschaft, dass im Tunnnelabschnitt eine Signalstörung noch der Beseitigung harrt, und es deshalb zu Verzögerungen und kurzen Halten auf der Tunnelstrecke kommt. Schon recht, und ein paar Minuten später rolle ich im Cityrunner der 2. Lieferung gen Tageslicht und Altstadt.

Wer die Linzer Tram noch nicht kennt: Auf der nicht ganz so häufigen 900 mm-Spur fahren dort ~ 40 m lange und 2,30 m breite, von Bombardier gebaute Flexity Outlook C, oder einfacher "Cityrunner". Es gab 2 Lieferungen der Niederflurzüge, die sich optisch unterscheiden - 1. Serie hat die Wagennummern 001 bis 033, die 2. Serie heißt 060-087. Doch lassen wir an dieser Stelle vielleicht einfach ein paar Bilder sprechen:

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Der 006 in Hausfarben betritt hier am Hauptplatz die Bühne

Hausfarbene Züge sind übrigens eher die Minderheit bei der Tram in Linz, es gibt recht viele, zum Teil sehr schön gestaltete Vollwerbungen, einen großen Anteil daran hat die Linz AG selbst, die neben dem Nahverkehr ("Linien") in ganz Oberösterreich als Energie- und Wasserversorger, Abfallentsorger, Bäderbetrieb, Friedhofsbetrieb und so weiter, und so weiter, auftritt:

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Wir sehen auf der Landstraße den 025, der für die Linz AG - Strom - wirbt.

Bei den neueren Cityrunnern wurde das "weiß-orange" gegen "silbermetallic-orange-schwarz" als Hausfarbe getauscht:

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Hauptplatz mit Dreifaltigkeitssäule und 071 von der Türseite.

Aber natürlich gibt es da auch bunte Vollwerbezüge:

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Die große Fläche und Vielfalt des Hauptplatzes gibt Raum und Anregungen für Spielereien, hier mit dem 063.

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"Metall am Zug" ist auch eine schöne Gestaltung - zu sehen auf dem 072.

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Noch mal Hauptplatz gefällig? Vielleicht mit dem 077? Bitte!

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Linzer Altstadt viel sehenswerte historische Bausubstanz bietet und damit natürlich auch eine gute Fotokulisse für die Tram gibt. Die durchfahrene Landstraße ist Fußgängerzone und -nach Wien- wohl der zweitmeistgenutze City-Einkaufsbereich in ganz Österreich. Die Szenerie, bei der teilweise jede Menge Menschen auf engstem Raum zwischen und neben der Traum hindurchwuseln, erinnerte mich spontan an den Bereich um den Bertholdsbrunnen in Freiburg, allerdings fahren dort ein paar Trams mehr. Was definitiv wie in Freiburg ist, ist der Füllgrad der Trams: Leere Züge sind selten und vielleicht kurz vor der Endstation mal anzutreffen. Üblich ist viel mehr ein durchgängig hoher Andrang auf allen Linien, wenn das "schon immer" so war, wird einem auch klar, warum die früher verwendeten Lohner-Düwag-Lizenzbauten als Hochflurer 10-Achser waren. Nachfragegerecht?!

Nach Besichtigung und Abarbeitung der Altstadt fahre ich mit der Tram ein bisschen kreuz und quer, was die gepflegte historische Bausubstanz wieder in die richtige Perspektive rückt, denn "weiter" draußen sieht Linz dann teilweise doch etwas ernüchternder aus. Wenn ich mir manchen Straßenzug z.B. im Stadtbezirk Kleinmünchen anschaue, dann waren "verrufene" Gegenden wie z.B. Duisburg-Marxloh oder Lu'hafen-Oppau ja noch schön... - die Tram lockert das Grau in Grau insofern ein bisschen auf, als dass sie weitestgehend auf Rasengleis verkehrt, wie z.B. hier am Wifi (dem Wirtschaftsförderungsinstitut):

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Nr. 073 wirbt auch für die Linz AG - "Wasser" - und ist hier auf der Linie 2 wieder stadteinwärts unterwegs.

Beim Umherfahren lande ich auch mit der Linie 3 in Urfahr am Mühlkreisbahnhof, wo die ÖBB noch mit Brennkrafttriebwagen einen Inselbetrieb ins ländliche Oberösterreich aufrecht erhalten, im urbanen Bereich bis Rottenegg werktags tagsüber alle 15 Minuten ... Nürnberg Nordost in schöner und mit mehr Zügen, wenn man so möchte. Was auffällt, ist dass die ÖBB halt doch noch mit mehr Personal arbeiten kann, ein an den Bahnsteig rangierendes 5047-Doppel muss ganz selbstverständlich nicht alleinig vom Herrn Maschinisten bewegt werden, diesem bleibt der Führerstandswechsel erspart, hat er doch am Schluss einen fahnenschwingenden Verschieber mit an Bord. Bei deutschen EVU wäre da Laufen angesagt. Schick ist, wenn der Regionalzug 3169 nur aus einem Solo-5047 besteht, dann geht sich in der engen Einfahrt noch ein Bild aus:

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Der von den Jenbacher-Werken gebaute VT hat hier gerade das Gleis der Pöstlingbergbahn gekreuzt und gleich sein Fahrziel erreicht.

Ach ja, die Pöstlingbergbahn. Gibt es in Linz auch noch, ist eine 1898 eröffnete "Freizeitbahn" auf den gleichnamigen Berg. Die Fahrt und den mit ihr verbundenen Aufpreis hab ich mir wegen des eher bedeckten Himmels für diesen Besuch erspart. Eingesetzt werden auf dieser Linie - "50" - verkürzte und auf die Steigungsverhältnisse angepasste, nur 19,16 m kurze Zweirichter-Trams als "Mountainrunner":

Bild
Mountainrunner 504 hat hier gerade von der Bergbahn kommend das Tramnetz erreicht.

So schreitet der Tag mit vielfältigen Eindrücken voran, ein Quotenbild des Trolleybus muss auch noch sein. Trolleybus? Ja, auf 4 Linien sind aktuell 19 Volvo-Kiepe Trolleys elektrisch unterwegs, die nächste Generation ist bei Van Hool schon bestellt.

Bild
Trolley 201 auf Linie 46 erreicht den Linzer Hbf.

Den mitlesenden Busfreaks kann ich, falls diese noch nie vor Ort waren, erzählen, dass die Linz AG Linien für den Stadtverkehr abseits von Tram & Trolley ausschließlich auf mit Gas betriebene Evobus Citaro setzt, und zwar übrigens überwiegend Gelenker, ich aber keine Busse fotografiert habe. Regionalbusse: hier scheint der Postbus viel auf lange 3-achsige Hochflurer u.a. von Evobus, MAN, Temsa zu setzen, aber auch Doppeldecker Setra S431DT wurden gesichtet. Ein privater Busbetrieb war mit einem S319NF unterwegs, den hätt' ich fotografiert, wenn ich ihn nicht nur aus der Tram im Gegenverkehrsgewühl gesehen hätte.

Plan war, irgendwann vor 17 Uhr auf dem Hbf aufzuschlagen und vor der Abfahrt um 17.32 Uhr mit dem IC 740 nach Salzburg noch ein bisschen LILO und ÖBB und Westbahn-Betrieb zu sichten und vielleicht ein paar Bilder zu machen. Diese schöne Idee fiel dann insoweit ins Wasser, als zum späten Nachmittag über Linz und Umland ein hässliches Unwetter niederging - es wurde ziemlich dunkel und schiffte gottserbärmlich. Also halt erstmal etwas zu Trinken besorgen, und dann nochmal eine Runde über den Bahnhof drehen, mal schauen. Oha...wie, bitte? Wer hat denn zuletzt hierzuforum noch die ÖBB gelobt? Also was ich jetzt von der ÖBB Infra erleben soll, das hätte DB Netz auch (nicht besser) gekonnt. Über den ganzen Bahnhof schallt gegen 17 Uhr die Ansage, dass aufgrund einer Stellwerkstörung (in Asten-St. Florian) die Strecke zwischen Linz Hbf und St.Valentin aktuell gesperrt ist, weiteres folgt. Mein Kopf beginnt zu arbeiten: St.Valentin, das ist von Linz aus nicht in Richtung Wels - gut. Erkenntnis danach: es ist auf der Westbahn - Mist. Eine Störung diesen Ausmaßes bringt bei der ÖBB doch einiges im Fahrplangefüge durcheinander. Es stapeln sich sachte ostwärts fahrende Fernzüge in Linz, es regnet noch immer stark. Für in Richtung Westen ist die Prognoselage noch überschaubar, sowohl der IC 740 als der ihm folgende RJ 66 sollen Linz mit ungefähr +15 bis +20 erreichen. Als es deutlich erkennbar bereits nach 18 Uhr ist, "arbeiten wir immer noch an der Lösung" und die Verspätungsminuten in der Prognose werden gelegentlich nach oben korrigiert. Für den Regionalverkehr in Richtung St.Valentin wird BNV eingerichtet, die werten Fahrgäste in Richtung Salzburg werden gebeten, die Schnellzüge abzuwarten. Als ich den kurze Zeit später abfahrenden Regionalzug dorthin sehe, wird mir auch klar wieso: die Doppeleinheit 4024 ist bis zum Ausbeulen vollgestopft. Es regnet noch immer stark, die Verspätungsminuten nehmen zu. Tut sich da was? Der RJ in Richtung Wien soll bis in 5 Minuten dann abfahren - nach einer Viertelstunde steht er immer noch in Linz Hbf. Die Westbahn wird als nächste Fahrtmöglichkeit in Richtung Salzburg angekündigt - Nachteil des privaten FV-Zuges: da gilt meine Fahrkarte nicht, grmbl. Außerdem liegen zwischen Ankündigung und tatsächlicher Abfahrt auch hier noch ein paar (viele) Minuten. Ein kurzer Schwatz mit einem ÖBB'ler hinsichtlich des "besser" in Richtung Salzburg zu nutzenden Zuges, ob IC 740 oder RJ 66, der, wenn da nicht der armselige kleine CSU-Horst mit seinen Ängsten wäre, ja bis München durchfahren würde, schafft auch noch keine Klarheit. "Wahrscheinlich kommt der IC schon zuerst, aber wenn die dicht hintereinander kommen, kann es gut sein, dass der ohne Halt fahrende Railjet vor darf." - die Spannung bleibt, es regnet weiterhin nicht wenig und in der Halle des Linzer Hbf wird Verspätungs- Prognosen gucken zum Teamsport. Die Stimmung ist allerdings gelöstet, als sie das vergleichbar in Deutschland wäre, ich sehe jedenfalls niemand, der mit hochrotem Kopf und Blutdruck vielzuhoch ins Handy brüllt, dass er die "Scheiß Bahn" bis in die Steinzeit zurück klagen wird. In Richtung Wien wird jetzt tatsächlich nach und nach abgefahren. Ich entscheide mich derweil für den RJ 66, weil ich davon ausgehe, dass da außer mir noch ein "paar" Leutchen drin sind, die in Salzburg Interesse an einem Anschluss in Richtung München haben. Als besagter Railjet mit der führenden 1116 210 dann wirklich in Linz Hbf abfährt, zeigt die Uhr 19:16 an - oder, andersrum gesagt: aus den +15 der Ursprungsprognose sind real doch irgendwie +78 geworden.

Ich rechne mal eben hoch: mit dieser Verspätung müssten wir so gegen 20:20 Uhr in Salzburg eintreffen. Getrost darf ich also davon ausgehen, dass mir der zweite 411 des Tages in Form des ICE 1590 zwischen München und Stuttgart erspart bleiben wird, bevor die europäische Ost-West-Magistrale durch die Inbetriebnahme von Stuttgart21 unendlich beschleunigt wird, ist das ja eher nix mit Salzburg -> München in 20 Minuten. Auch dann nicht, falls ich aus Versehen in den Salzburger Hbf einsteigen würde. Die Stimmung im Zug ist trotz der nicht kleinen Verspätung recht friedlich, und der ÖBB-Zub macht einen guten Job, hat für jeden Fahrgast von Kind bis Seniorengruppe noch ein freundliches Scherzwort übrig und beantwortet die Frage der Stunde "Anschluss nach München?" mit seeliger Ruhe: "Vermutlich der Railjet um 20:56 Uhr, wenn sich noch was anderes ausgeht, sag ichs Ihnen durch."

Und dann beweist jemand bei der ÖBB nicht nur Coolness, sondern eher schon supertiefgekühlte Gelassenheit: Wir sind gerade in Vöcklamarkt durch, als der Zub verkünden kann, dass "...der EC 110 aus Klagenfurt nach München mit der Planabfahrt in Salzburg Hbf um 20:00 Uhr auf uns warten wird." - Sauber, ich weiß zwar nicht, ob der übern Tauern auch Verspätung gesammelt hat, aber man stelle sich das mal bei der DB vor - da wäre der 1068 (das ist der RJ um 20:56 Uhr) gebucht gewesen. Salzburg Hbf erreichen wir dann tatsächlich gegen 20:20 Uhr am Gleis 3, am Gleis 2 gegenüber steht der EC 110 freundlich wartend. Ist doch eigentlich alles ganz einfach - oder? Ach nein, halt: Da war ja noch CSU-Horst mit seinen Ängsten. Also ist der ganze Bahnsteig hälftig abgesperrt und mit Polizei (gemischt deutsch/österreichisch) besetzt, und die wirklich nicht gerade kleine Menge an Umsteigern schiebt sich durch den "Kontrollpunkt". Vor der schlichten Masse kapitulierend, steht die Polizei, praktische Erwägungen in den Vordergrund stellend ("provoziere niemals eine angespannte Umsteigerhorde") nur zuschauend Spalier. Da werden ganz schön Meter über den Bahnsteig gemacht, nicht zuletzt deshalb, weil die 9-Wagen-Garnitur des EC 110 doch ein bisschen kürzer ist als ein Railjet-Doppel und mit der 1.Klasse vorne am "Kontrollpunkt" beginnt. Dann beweist der Durchschnittsfahrgast herausragende Intelligenz: Auf dem durch die Absperrungen unnötig schmal gemachten Bahnsteig staut sich eine große Traube vor der ersten Tür des ersten Bmvz direkt nach dem Speisewagen - ich quetsche mich durch und suche den Weg in Richtung Zugschluss, solange die sich da vorne quengeln und drängeln. Zwei Bmpz später kann man besichtigen, wie ein deutscher Fahrgast mit hessischem Akzent übellaunig Leute anmault, dass sie ihm aus dem Weg gehen sollen, sie stören ihn bei dem doch etwas hirnrissigen Versuch, in besagten Bmpz 4 Fahrräder mitsamt Satteltaschen und Co. einzuladen. Wozu das gut sein soll bei einem Zug, in dem ein Wagen mit dem Hauptgattungszeichen "D" enthalten ist, erschließt sich bei mir nicht, das soll dann aber auch das Zugspersonal aussortieren. Ist nur mal wieder eine jener "netten" Szenen am Rande, die unter dem Titel "Wie Verspätungen gemacht werden" veröffentlicht gehören. Ich finde währenddessen ein freies Abteil in einem gepflegten Eurofima-B11 Bmvz der ÖBB für mich, und bei gedämpfter Beleuchtung und in seliger Ruhe nach dem Sturm geht es dann mit +30 ab Salzburg hinaus in den Abend. An der Zugspitze des ÖBB-Wagenparks führt 1116 110. Wieder die Hochrechnung im Kopf, wenn der Railjet ohne Zwischenhalt 90 Minuten bis München braucht, und der EC ja ein paar Mal hält, werde ich München nicht vor 22 Uhr sehen.

Ach, Zugspersonal. Dasjenige des EC 110, welches mich im "Eurozitti" (so gesprochen) der Deutschen Bahn willkommen heißt, kommt bestimmt nicht aus München, dem Akzent nach eher aus Berlin oder ähnliches, nicht nur die Zf, auch der Zub, der mir zwar wenig hilfreiches zu Anschlüssen ab München Hbf sagen kann ("Wees ick jetze noch nich"), aber als erster und letzter an diesem Tag die BahnCard einfordert und genau prüft. Was solls, ich genieße es in der Dämmerung durch Oberbayern zu rollen, mit Halten in Freilassing, Traunstein, Prien und Rosenheim. Dort hätte ich Anschluss an die ZittiNaitLain nach Rom ... wär doch auch eine Idee, wo ich per Zug heute eher nicht mehr ins heimische Heilbronn kommen werde, was bei mir aber wenig mehr als heitere Gelassenheit verursacht. Ich werde kurz überrascht, weil ich dachte, dass der 110 auch in München Ost hält, doch da geht es "im Tiefflug" durch, und um 22:05 Uhr oder mit +22 stehe ich auf dem Bahnsteig am Gleis 11 in München Hbf. Wie im EC 110 erbeten ("Wer noch Anschlüsse über Ulm hinaus braucht, bitte zur Information") suche ich die DB Information auf, das dortige Team kann nicht nur bayrisch, sondern auch unkompliziert handeln. Kurze Schilderung der Lage, und keine 2 Minuten später habe ich ohne viel Worte einen Taxigutschein ab Stuttgart Hbf nach Heilbronn in der Tasche. Daumen hoch, da wurden in kürzester Zeit - ich war ja nicht der einzige, der später als gedacht aus Österreich in München angekommen war - eine ganze Menge Probleme schnell und freundlich gelöst.

Ich würde ja jetzt was von Abendstimmung auf dem Münchner Hbf erzählen, ich kann mir aber vorstellen, dass das hierzuforum dezent überflüssig sein könnte. Also geht der Weg dann irgendwann in Richtung Gleis 22, wo die 14-Wagen-Leine des 418 von 115 278 bereitgestellt wird. Kurz vor der Hackerbrücke (oder so fühlt es sich um diese Zeit nach rund 18 Stunden auf den Beinen an) dann hinter 101 081 die zwei Bpmz, die als IC am Nachtzug hängen. Es sind zwar auch noch "nicht-ICmod" - Wagen (hatte ich doch heute schon mal), aber auf jeden Fall besser als Bimz ... das soll sich noch als bemerkenswert richtig erweisen, bei der pünktlichen Abfahrt in München Hbf um 22:50 Uhr sind die 160 Plätze auch restlos belegt. Bei Bimz-Einsatz wären das jetzt 40 Stehplätze gewesen. Wenn man so spät aus München rausfährt, geht das auch ziemlich rasch, der 418 wird zwar noch in Metropolen wie Günzburg, Göppingen und Plochingen halten, in Pasing geht es aber ohne Halt durch, und als ich nochmals in die Nacht blinzle, geht es schon in sattem Tempo durch Lochhausen. Der Rest der Strecke ist mir von ungezählten Fahrten mehr als vertraut, als mein Gefühl im Hinterkopf "Augsburg" in mein vor-mich-hin-dösen hinein meldet, schauen meine müden Augen auch schon auf Augsburg-Hochzoll hinaus. Weiter geht es westwärts, trotz der vollen Belegung ist bei 1/2-Beleuchtung schläfrige Ruhe im Wagen. Hinter Günzburg, als wir zur Geisterstunde über die Moore auf Ulm zurollen, schaut der Zub noch kurz vorbei, der Rest vergeht im Halbschlaf. Um die 14 Wagen auf die Alb hinauf zu schleppen, wird jedes kW Leistung aus der 101 gekitzelt, aber da ist ja durchaus genügend davon "auf Lager". Unterbewusst nehme ich wahr, wie es Kurve um Kurve auf der Geislinger Steige albabwärts geht, und als der Zug dann wieder schneller wird, weiß ich, dass wir das bekannte "Hufeisen" um Geislingen herum auch hinter uns haben und ins Filstal hinunter rollen. Um mich herum dann plötzlich Trubel, eine größere Gruppe will wohl in Göppingen aussteigen, meine Nebensitzerin gehört da auch dazu. Der Gruppenälteste (zwischen frühes Teenager-Alter und Mitte 50 war da alles dabei) sorgt für zusätzliche Hektik beim dies- und das-Zusammensuchen und -packen, als er meint "Beeilet euch mal, mir send scho in Eislingen durch" - mit einem halb geöffneten Augenlid, einem Blick und einem schläfrigen "Süßen!" entschärfe ich die aufkommende Panik wieder etwas. Eislingen an der Fils, das hatte sich in diesem Moment noch nicht richtig angefühlt, ist nicht erklärbar, nur erfahrbar ... - als die rund 15 Leute in Göppingen draußen sind, wird es fast schon geräumig, ich strecke mich noch für einen Moment, und pünktlich um 01:16 Uhr treffen wir in der Stuttgarter Ruine ein.

Mein schläfriger Kopf sagt mir, dass ich auf der Baustelle Stuttgart Hbf auch noch nie ein Taxi suchen musste, ich trabe mal spontan zum Nordausgang und lande einen Volltreffer. Ein sehr freundlicher Fahrer erzählt mir, dass er seit 23 Uhr nur rumgestanden und auf jemanden gewartet habe, und sich jetzt über die Fahrt nach Heilbronn freut ("Besser als weiter rumstehen.") - und um diese Zeit kann man sogar mit einem Kraftfahrzeug in Stuttgart vernünftig voran kommen, über den Pragsattel (normal fahre ich da drunter durch) dauert es ein paar Minuten, tagsüber kann das schon mal 1-2 Stunden dauern. Die heimatliche Wohnung sehe ich dann gegen Viertel nach 2, und arg lange dauert es nicht mehr, bis ich ins Bett falle...

Eisenbahn zum Abgewöhnen? I wo, die nächsten Touren stehen schon an... Freaks sind eben so. ;) - und schönen Dank fürs Mitlesen.
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Beitrag von Entenfang »

146225 @ 21 May 2016, 16:32 hat geschrieben:Eisenbahn zum Abgewöhnen? I wo, die nächsten Touren stehen schon an... Freaks sind eben so. ;) - und schönen Dank fürs Mitlesen.
Danke fürs Erzählen und alles Gute zum 10.000! :)
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Beitrag von JeDi »

Kleine Sammelantwort:

Interessante Fahrkarten in Linz: Man besuche die Trafik des Vertrauens. Sind dann recht hübsch gestaltet vom Block.
Zugpersonal bei DB FV: Da gibts sone und solche und ganz andere (das sind die schlimmsten).
Bimz-Einsatz im Pollux: Das waren dafür immer 3, und damit vergleichbar viele (oder wenig) Plätze ;-)

Ansonsten Danke für den Bericht - 628 durfte ich heute auch fahren (von DB Regio, Arriva, PR der NEB). Immer wieder fein.
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Beitrag von 146225 »

JeDi @ 22 May 2016, 20:36 hat geschrieben: Kleine Sammelantwort:

Interessante Fahrkarten in Linz: Man besuche die Trafik des Vertrauens. Sind dann recht hübsch gestaltet vom Block.
Zugpersonal bei DB FV: Da gibts sone und solche und ganz andere (das sind die schlimmsten).
Du wirst lachen, aber als ich in der Bahnhofshalle keinen Fahrscheinautomat für die Tram gesehen/gefunden habe, hatte ich für mich schon beschlossen, dass ich den nächsten Trafikanten beehre, falls auf dem Bahnsteig auch nix zu finden ist. Oh, und beim DB-FV-Personal gibts noch den da drüben und die sowieso auch noch. ;)
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chris232
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Beitrag von chris232 »

Die Wagen der Pöstlingbergbahn kann man übrigens auch auf der Linie 3 "erfahren" - die Ein- und Ausrückfahrten erfolgen nämlich als ebensolche. (Zumindest vor paar Jahren mal...)

Seinerzeit empfehlenswert war übrigens auch die Busfahrt durch das Voest-Gelände mit dem 18er von der Turmstraße bis zur Simonystraße, inzwischen ja "etwas" verkürzt. Ist auch nicht ganz alltäglich, mit dem Citaro irgendwelchen meterbreiten Spezialfahrzeugen entgegenzukommen und so mitten durch das Werk zu fahren. Inwieweit das als "normalsterblicher" zulässig war weiß ich allerdings nicht, schließlich kann man ja auch einfach mittendrin aussteigen, bei mir hats aber keinen interessiert. Und: Für mich als stinkfaulen Fahrer war die Version "alles inklusive der ersten Tür automatisch" sehr schon :)

Wann war denn soll-Ankunft geplant und wann wars dann? +22 in München klingt ja jetzt nicht soo dramatisch, selbst mit längerer Umsteigezeit zum Nachtzug?
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
Otto von Bismarck

Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
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