Heute habe ich meinen freien Nachmittag für eine kleine Spontantour nach Augsburg genutzt - einmal Mitfahren in allen noch verkehrenden Altwagentypen der Augsburger Tram (GT4 ex Stuttgart, GT8, M8C) sowie endlich eine Fahrt mit dem neuen 440er standen auf dem Programm.
Erstmal staunte ich nicht schlecht, dass natürlich gerade mein Zug von [acronym title="MH: München Hbf <Bf>"]MH[/acronym] nach [acronym title="MA: Augsburg Hbf <Bf>"]MA[/acronym] aus einem 111er-Sandwich und 5 alten Siff-Dostos bestand (kann man diese Sitze eigentlich nicht nach 15 Jahren mal neu überziehen?) - aber immerhin hing dieses Schätzchen am Zugschluß:
"850 Jahre München" 111 027 bespannt den Eilzug zurück nach Münsburg (sic) Hbf. Fotografiert übrigens erst, nachdem ein Doppeltraktions-ICE mit etwa 30 Minuten Verspätung für ein paar Minuten das Sichtfeld blockiert hat. Immerhin konnte ich so noch genießen, wie ungefähr 20 Leute mit massenweise Koffern besagten ICE regelrecht gestürmt haben. Erst habe ich mich gefragt, wo an einem Montag gegen 16 Uhr in Augsburg so viele Leute mit schwerem Reisegepäck wohl herkommen mögen, aber ein gedanklicher Blick auf den Kalender hat mir dann verraten, dass wahrscheinlich einfach mal wieder die Preußen zum Sommerurlaub in Bayern eingefallen sind. Das würde auch erklären, weshalb in den ICE mehr gestürmt als eingestiegen wurde: wahrscheinlich hatten die Leute Angst, den letzten Zug des Tages aus der Provinz in die Großstadt zu verpassen (dass dieser in Bayern bereits um 16 Uhr abfährt, mag manchem sogar plausibel erscheinen) und die Nacht mitten im bayrisch-schwäbischen Niemandsland verbringen zu müssen, wo man als Nordlicht sprachlich sicher weniger versteht als auf einem türkischen Basar. Vielleicht hatten die Leute aber auch einfach alle eine schwache Blase und mußten schnell den Abort des ICE aufsuchen.
3 Gleise weiter stand dann das eigentliche Objekt der Begierde: 440 520 als RB nach Donauwörth, vollgepackt bis zum letzten Sitzplatz und bereits mit verkehrsbraunem Zierstreifen auf der linken Seite:
Wäre ich 15 Jahre alt und würde zur Landjugend von Herbertshofen, Westendorf o.ä. gehören, würde ich mich sicherlich über den Füllungsgrad der Fahrzeuge und die dadurch besseren Möglichkeiten, Tuchfühlung mit der gleichaltrigen weiblichen Landjugend aufzunehmen, freuen. Einen Moment lang schien mir dann die Idee, dass das ja auch mit 25 Jahren noch funktionieren kann (dann entsprechend mit gleichaltrigen Berufspendlerinnen), recht aufheiternd; aber dann habe ich mich an Murphy's Law erinnert und daran, dass am Ende ja doch bloß wieder der durchgeschwitzte Bauarbeiter mit einer Dose Billig-Bier neben einem sitzen wird und dafür drei Reihen weiter vorne eine ganze 4er-Sitzgruppe Blondinen mit tiefen Ausschnitten, die man natürlich wegen der Rückenlehnen der Sitzreihen dazwischen nur zu sehen bekommt, wenn man seinen Kopf verräterisch in den Gang reckt (man könnte ja auch das FIS-Display suchen). Am Ende nahm ich wegen des Besetzungsgrades also doch Abstand von einer Mitfahrt Richtung Donauwörth und hoffte erst einmal darauf, bei der abendlichen Rückfahrt nach München einen 440er zu erwischen.
Also schnurstracks den Hauptbahnhof Richtung Ausgang verlassen, und mich auf die Suche nach den Altwagen der Tram gemacht. Nachdem 30 Minuten lang am Bahnhofsvorplatz nur Combinos und GT6N vorbeikamen, endlich der Lichtblick: ein fast leerer M8C auf der Linie 4 nach Augsburg Nord. 2 Kurse M8C waren heute auf der Linie 4, sonst nur Combinos.

Alt und neu einträchtig nebeneinander in der Schleife Augsburg Nord

Die Partnerstädte Augsburgs präsentiert Ihnen heute Wagen 8006

Für die Freunde der gummibereiften Fahrzeuge: während die NG 272 in München bereits seit längerem das Zeitliche gesegnet haben, sind sie sowohl bei den Stadtwerken Augsburg als auch bei Privaten hier noch häufig zu finden - Rußwolken aus dem Auspuff inklusive.

Noch relativ großzügig im Einsatz sind die ex-Stuttgarter GT4 - sowohl auf Linie 2 als auch auf Linie 3 (jeweils mindestens 2 Kurse); hier an der Endstelle P+R-Platz der Linie 2. Das Fahrgefühl bei höherer Geschwindigkeit erinnert irgendwo an eine Mischung aus Münchner M-Wagen und Tatra; die Wagen haben ihren Zenit definitiv schon überschritten.
Das Beste sollte allerdings erst noch kommen: der GT8. Was sich die Innendesigner der damaligen Zeit gedacht haben, wird den Archäologen dereinst noch Rätsel aufgeben.

Und da war das Licht dann völlig weg... es war erst 18.30 Uhr! Abendliche Einrückerschlange gen Betriebshof in der Augsburger Altstadt, angeführt vom äußerlich durchaus ansprechenden GT8.
Nachdem ich bei einem Cheeseburger und einem Schokoladeneis noch einmal darüber sinniert habe, weshalb in München den ganzen Tag strahlender Sonnenschein war, aber in Augsburg das denkbar schlechteste Fotografierlicht, habe ich in freudiger Überraschung als RE nach München eine Doppeltraktion 440er vorgefunden. Nun, was kann ich sagen? Die Beschleunigung ist mehr als ordentlich, die Klimaanlage ein Segen. Die Fahrzeuge laufen auch extrem ruhig. Nicht anfreunden können werde ich mich dagegen mit den nach oben schmal zulaufenden Rückenlehnen und Kopfstützen - das nimmt einem unter dem Deckmantel von Gewichts- und Kostenreduzierung jegliche Privatsphäre und Ruhe beim Bahnfahren (erhöht aber dafür immerhin die Chancen, den entgegengesetzt sitzenden Blondinen 3 Reihen weiter vorne ins Dekolleté schauen zu können). Auch die kleinen Fenster sind für mich ein Beweis dafür, dass sich Bahnfahren als Bahnfahren per sé immer weiter zurückentwickelt. Im Übrigen scheinen als RB/RE zwischen München und Augsburg nurmehr 111er-Sandwiches mit Dostos (wo sind eigentlich die ganzen Steuerwagen hingekommen?) und 440er zu fahren, n-Wagen konnte ich heute keine mehr sehen.
Insgesamt ein lohnender Ausflug heute, die Augsburger Straßenbahn bietet noch eine beeindruckende Fahrzeugvielfalt, weshalb sich ein Ausflug dorthin werktags mehr als lohnt!