Wettbewerb auf der Schiene weiterhin unfair

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Bogestra
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Beitrag von Bogestra »

Boris Merath @ 9 Jun 2010, 19:29 hat geschrieben: Die Argumentation war aber dass es besser ist dass das EVU über die Details der Durchführung entscheidet, weil das EVU im Wettbewerb steht, und damit selbstständig aus Wettbewerbsgründen auch während der Vertragslaufzeit freiwillige Anpassungen durchführen wird. Diese Argumentation funktioniert aber nur, wenn auch zwischen zwei Ausschreibungen Wettbewerb besteht.
Natürlich steht das EVU im Wettbewerb. Schließlich werden Teilnetze nicht auf ewig vergeben, sondern nach im Schnitt zwölf bis zwanzig Jahren steht die nächste Ausschreibung an. Freiwillige Anpassungen wird das EVU möglicherweise durchführen, wenn es einen eigenen wirtschaftlichen Anreiz hat, um die Fahrgastzahl zu steigern: Nettovertrag ist das Zauberwort. Im Maas-Rhein-Lippe-Netz hat die Eurobahn zwar formal einen Bruttovertrag, der jedoch Bonus- und Malusregelungen vorsieht, wenn sich das Fahrgastaufkommen verändert.

Sowohl Netto- als auch Bruttoverträge haben ihre Vor- und Nachteile. Die Entwicklung auf der Schiene hat uns aber gezeigt, daß die Bahnreform ein Erfolg war. Als jemand, der sich an die Deutsche Bundesbahn erinnern kann, will ich die nicht zurück.
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Beitrag von Rohrbacher »

Die Entwicklung auf der Schiene hat uns aber gezeigt, daß die Bahnreform ein Erfolg war.
Welche Entwicklungen sind das? ICE und Taktverkehr wurden schon vor der eigentlichen Bahnreform langsam eingeführt, auf der anderen Seite sehe ich weiterhin zahlreiche Rückbauten und MORA-C!? Und wie die Entwicklung auf der Schiene ohne Bahnreform oder mit einer anderen gelaufen wäre, weiß man nicht. Nicht alle Entwicklungen hängen ja an der Bahnreform, z.B. die Auswirkungen der Wirtschaftskrise.
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Bogestra
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Beitrag von Bogestra »

Das Netz betriebswirtschaftlich zu optimieren war ein großer Fehler, da stimm ich Dir zu. Hier muß es wie bei anderen Versorgungsnetzen auch nach Leistungsfähigkeit statt nach Wirtschaftlichket gehen.

Aber daß der Regionalverkehr regionalisiert worden und in den Wettbewerb überführt worden ist, hat wirtschaftlich großen Nutzen gebracht. Statt einer riesigen Behörde hat man nun Privatunternehmen, die miteinander konkurrieren, quasi gezwungen sind, wirtschaftlich zu arbeiten. In vielen Regionen Deutschlands konnten Bahnstrecken reaktiviert und das Angebot ausgeweitet werden. Ohne das Gegenteil mit allerletzter Sicherheit ausschließen zu können, aber die Bundesbahn hat das Angebot meistens nur verringert und Strecken stillgelegt.
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Beitrag von Bayernlover »

Boris Merath @ 9 Jun 2010, 19:29 hat geschrieben: Und hier wüsste ich gerne, wo die Länge der Züge, der Komfort der Sitze oder das Vorhandensein einer Armlehne während der Laufzeit des Vertrages im Wettbewerb steht?
Natürlich geht das nicht - aber ich meine, was wäre die Alternative? Einen Vertrag nur für ein oder zwei Jahre vergeben?
Ja?

Die Eisenbahn ist dazu da, möglichst schnell und komfortvoll von A nach B zu gelangen. Ein Park dient zum Flanieren, damit muss man aber kein Geld verdienen. Die Unterhaltskosten sind auch vergleichsweise gering.
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Beitrag von Rohrbacher »

Aber daß der Regionalverkehr regionalisiert worden und in den Wettbewerb überführt worden ist, hat wirtschaftlich großen Nutzen gebracht. Statt einer riesigen Behörde hat man nun Privatunternehmen, die miteinander konkurrieren, quasi gezwungen sind, wirtschaftlich zu arbeiten. In vielen Regionen Deutschlands konnten Bahnstrecken reaktiviert und das Angebot ausgeweitet werden. Ohne das Gegenteil mit allerletzter Sicherheit ausschließen zu können, aber die Bundesbahn hat das Angebot meistens nur verringert und Strecken stillgelegt.
Aber wer sagt, dass das an der Bahnreform gelegen hat und das die Bundesbahn nicht auch gekonnt hätte mit einer anderen Politik? Dass die Bundesbahn praktisch nur abgebaut hat, ist ja politisch begründet. Genauso kann ich sagen, die Bayerische Staatsbahn (und ein paar Privat-/Kreisbahnen) haben den ganzen Krempel namens Eisenbahn in Bayern überhaupt erst aufgebaut. Als Staatsbahn mit der entsprechenden Politik im Hintergrund.

Und naja, eine große Behörde haben wir immer noch, sie ist nur offiziell keine mehr. Dazugekommen sind allerdings viele kleine Behörden, die sich im Zweifelsfall alle gegenseitig behindern. Der Regionalverkehr hat sich sicher deutlich verbessert, aber ich denke das hätte man ohne Bahnreform auch geschafft. Die BEG ist ja quasi der Regioteil der Bundesbahn, fährt nur nicht selber. Das was früher das Personal bekommen hat, sind heute die Gewinne der Unternehmen... Und ähm... was genau macht denn der private Teile heute? Außer letztlich den Betrieb abwickeln relativ wenig. Das Angebot festlegen macht der Staat weiterhin und die meisten Verbesserungen betreffen ja das Angebot also die Tarife, Zugläufe, Takte, Fahrzeuge. Das macht doch überwiegend der Staat. Oder?

Wenn du übrigens sagst, die Bahn sei keine Behörde mehr, dann versuch' mal mit dem DB-Abocenter in Landshut Geschäfte zu machen. :lol:
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Beitrag von Bayernlover »

Rohrbacher @ 9 Jun 2010, 20:34 hat geschrieben: Das Angebot festlegen macht der Staat weiterhin und die meisten Verbesserungen betreffen ja das Angebot also die Tarife, Zugläufe, Takte, Fahrzeuge. Das macht doch überwiegend der Staat. Oder?
Nein, der Staat legt die Rahmenbedingungen fest - die Angebote machen immer noch die verschiedenen EVU. Und da wird das beste Angebot eben genommen. Im Prinzip verursacht man damit, dass sich verschiedene EVU mit den Bedingungen auseinandersetzen, Konkurrenz belebt das Geschäft ;)
Und da sich nun jedes EVU anstrengen muss, um zu gewinnen, kommt am Ende ein Optimum heraus. Ja OK, das billigste Angebot gewinnt immer :D
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Beitrag von Rohrbacher »

Nein, der Staat legt die Rahmenbedingungen fest - die Angebote machen immer noch die verschiedenen EVU. Und da wird das beste Angebot eben genommen.
Du hast mich falsch verstanden. Mit Angebot meinte ich "das Angebot also die Tarife, Zugläufe, Takte, Fahrzeuge". Das alles legt ja die BEG überlicherweise fest.
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Beitrag von Bayernlover »

Rohrbacher @ 9 Jun 2010, 21:10 hat geschrieben: Du hast mich falsch verstanden. Mit Angebot meinte ich "das Angebot also die Tarife, Zugläufe, Takte, Fahrzeuge". Das alles legt ja die BEG überlicherweise fest.
Ja klar - aber irgendwo müssen sich die Angebote der EVU aber unterscheiden, oder?
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Beitrag von Rohrbacher »

Bayernlover @ 9 Jun 2010, 21:12 hat geschrieben: Ja klar - aber irgendwo müssen sich die Angebote der EVU aber unterscheiden, oder?
Meistens beim Gehalt des Personals. Alles andere ist bei den heutigen Ausschreibungen auf die Dauer kaum relevant. Energie ist die selbe, die Trasse auch, die Fahrzeuge sind meistens die selben, außer man hat einen billigen Rahmenvertrag, die Fahrzeiten sind praktisch festgelegt, die Fahrscheine auch, am Ende bleibt meistens das Personal übrig. So hat sich wohl das Angebot von Benex und DB für das Regensburger E-Netz nur bei der Farbe der 440er und den Personalkosten unterschieden. Sagt man... :ph34r:
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Beitrag von Bayernlover »

Rohrbacher @ 9 Jun 2010, 21:18 hat geschrieben: So hat sich wohl das Angebot von Benex und DB für das Regensburger E-Netz nur bei der Farbe der 440er und den Personalkosten unterschieden. Sagt man... :ph34r:
Nur, wie weit könnte man den Wettbewerb noch treiben? Also wo könnte man noch ansetzen?
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Beitrag von Rohrbacher »

Bayernlover @ 9 Jun 2010, 21:19 hat geschrieben: Nur, wie weit könnte man den Wettbewerb noch treiben? Also wo könnte man noch ansetzen?
Gute Frage. Keine Ahnung. Vielleicht in so wenig greifbaren Dingen wie Freundlichkeit und Service. Sicher auch in so Sachen wie der Anzahl der Armlehnen im Zug und Zusatzleistungen wie Catering und Fahrscheinverkauf im Zug. Aber unter'm Strich kostet das vergleichsweise wenig und liegt quasi innerhalb der "Toleranz". Mal sehen, wie es weitergeht. :unsure:
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Beitrag von Taschenschieber »

Der Bau einer Schule ist aber eine einmalige Dienstleistung. Die Fahrgastförderung über ein Jahrzehnt nicht. Daher hinkt der Vergleich.
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Beitrag von Bayernlover »

Taschenschieber @ 9 Jun 2010, 21:53 hat geschrieben: Der Bau einer Schule ist aber eine einmalige Dienstleistung. Die Fahrgastförderung über ein Jahrzehnt nicht. Daher hinkt der Vergleich.
Auch eine Schule hält nicht ewig. Der Zeitraum ist nur ein anderer.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Bayernlover @ 9 Jun 2010, 20:23 hat geschrieben: Natürlich geht das nicht  - aber ich meine, was wäre die Alternative? Einen Vertrag nur für ein oder zwei Jahre vergeben?
Nein, die Alternative wird ja durchgeführt: Nämlich dass die Betreiber haarklein jedes Detail der Verkehrsdurchführung festlegen - eben genau weil die EVUs keinen Anreiz durch angeblichen Wettbewerb haben, von sich aus Verbesserungen durchzuführen. Das soll jetzt nicht heißen dass es manche EVU nicht doch freiwillig selber tun, die BOB z.B. hat da einen sehr engagierten Geschäftsführer, sie könnten es aber genausogut auch sein lassen.
Die Eisenbahn ist dazu da, möglichst schnell und komfortvoll von A nach B zu gelangen. Ein Park dient zum Flanieren, damit muss man aber kein Geld verdienen. Die Unterhaltskosten sind auch vergleichsweise gering.
Ah, jetzt soll sie auf einmal doch komfortabel sein? Aber worin liegt denn der volkswirtschaftliche Nutzen des Komforts?
Bayernlover @ 9 Jun 2010, 22:12 hat geschrieben:Auch eine Schule hält nicht ewig. Der Zeitraum ist nur ein anderer.
Der Bau der Schule dauert im Regelfall aber nicht 20 Jahre bis zur nächsten Sanierung :-)

Ansonsten kann ich Rohrbacher nur zustimmen.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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Beitrag von Taschenschieber »

Bayernlover @ 9 Jun 2010, 22:12 hat geschrieben: Auch eine Schule hält nicht ewig. Der Zeitraum ist nur ein anderer.
Der Bau einer Schule IST eine einmalige Dienstleistung. Renovierungen et cetera stehen auf einem ganz anderen Blatt und hängen damit nicht zusammen.
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Beitrag von Bat »

Rohrbacher @ 9 Jun 2010, 21:18 hat geschrieben: Meistens beim Gehalt des Personals. Alles andere ist bei den heutigen Ausschreibungen auf die Dauer kaum relevant. Energie ist die selbe, die Trasse auch, die Fahrzeuge sind meistens die selben, außer man hat einen billigen Rahmenvertrag, die Fahrzeiten sind praktisch festgelegt, die Fahrscheine auch, am Ende bleibt meistens das Personal übrig. So hat sich wohl das Angebot von Benex und DB für das Regensburger E-Netz nur bei der Farbe der 440er und den Personalkosten unterschieden. Sagt man... :ph34r:
Genau das ist der Punkt, an dem sich die Länder fragen sollten, ob es Sinn macht den billigsten Anbieter zu nehmen.
Denn im Endeffekt subventioniert das Land dann die Billigarbeitskräfte mit Sozialleistungen, damit die sich das Leben noch leisten können.
Und schwächt damit die Wirtschaftskraft der eigenen Bevölkerung.
Den Politikern, die über die Verkehrsverbünde u.a. ausschreibende Stellen die Verträge abschließen, ist das sowohl bewusst als auch scheißegal.
Auch wenn sie den letzten Tarifabschluss bei Die Bahn alle als Maßvoll und vernünftig empfanden und der aktuelle Verkehrsminister sich "erschrocken" hat, angesichts des Gehaltsniveaus der Eisenbahner bei manchen Privatbahnen ... .

Billig ist oftmals nicht die beste Lösung.

Und manche Dienstleistungen gehören eben nicht in Ausschreibungen verramscht ... .

Gas, Wasser, Scheiße, Licht, Verkehr, Kommunikation ... .

Modernisieren kann man so etwas auch anders, wenn man denn die Verantwortung dafür übernehmen will, anstatt sich an den Einkünften aus der Verramschung satt zu fressen ... .
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Beitrag von autolos »

Boris Merath @ 9 Jun 2010, 23:52 hat geschrieben: Nein, die Alternative wird ja durchgeführt: Nämlich dass die Betreiber haarklein jedes Detail der Verkehrsdurchführung festlegen - eben genau weil die EVUs keinen Anreiz durch angeblichen Wettbewerb haben, von sich aus Verbesserungen durchzuführen. Das soll jetzt nicht heißen dass es manche EVU nicht doch freiwillig selber tun, die BOB z.B. hat da einen sehr engagierten Geschäftsführer, sie könnten es aber genausogut auch sein lassen.
Die Besteller schreiben alles haarklein vor, was sie sich in ihren Amtsstuben ausgedacht haben, was mal schön wäre, wenn man es hätte. Geld hat man ja genug. Dann hofft man, daß entweder ein neuer Markteinsteiger mitbietet, der sich Marktanteile durch Renditeverzicht erkauft oder ein Unternehmen mitbietet, daß für die Mitarbeiter sehr geringe Löhne vorsieht oder, noch besser, beides.

Heute reden sich die Eisenbahnunternehmen, wenn z.B. Kapazitäten fehlen, immer heraus mit dem Hinweis auf den verantwortlichen Besteller. Wenn der aber seine Ausschreibungsbedingungen nicht so haarklein vorgeschrieben hätte, hätte er die Verantwortung für alle Bereiche des Betriebes auf das EVU verlagern können, wo sie eigentlich auch hingehören. Dazu gehört dann auch der Wettbewerb um den Fahrgast. Auch gibt es wesentliche bessere Angebote durch die Eisenbahnunternehmen im Ausschreibungsprozeß, weil es wesentlich mehr Bereiche gibt, wo die Kreativität in das Angebot. Auch volkswirtschaftlich ist das besser, weil nicht die Träume mancher Bürokraten verwirklicht werden müssen, sondern nur Dinge, die aus Sicht der EVUs tatsächlich dem Fahrgast zugute kommen, der ja in Scharen in die Züge kommen soll, damit das Angebot auch für den Besteller preislich attraktiv wird.

In meinem letzten Beitrag hatte ich die Armlehnen nur erwähnt, weil sie auch in einem anderen Beitrag angesprochen worden waren. Die Frage aber bleibt: Warum soll ein Komfortmerkmal in einem Zug eingeführt werden, wenn die Kunden dieses nicht wertschätzen?
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Tequila
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Beitrag von Tequila »

Weißt du was, autolos?
Dann mach doch mal eine Ausschreibung, die nur den Zeitraum festlegt. Mit Nettovertrag (denn ansonsten sind dem EVU die Fahrgastzahlen egal, wenn die Fahrgelder dem Besteller direkt zugutekommen). Dann schau'n 'mer mal, was da so für Angebote eingehen, so nach Gutdünken der EVU.
Ich befürchte allerdings, daß dann solche Dinge wie im Nürnberger Dieselnetz herauskommen, wo gut gefüllte 614 durch 648 ersetzt wurden (auch hier hatte die BEG die Kapazitätsfrage dem EVU überlassen) - denn wenn das EVU gegenrechnet, daß es wirtschaftlicher ist, geringere Kapazitäten vorzuhalten und dafür nur X Leute mitnimmt und Y Leute draußen stehenläßt, die dann zwangsweise irgendwann aufs Auto ausweichen, als ausreichende Kapazitäten für die X+Y Leute anzubieten - oder die Wartung an unwichtigen Teilen wie dem WC, sagenwirmal gnädig, vernachlässigt werden, weil's ja der Wirtschaftlichkeit entgegensteht.
Wir müssen also schonmal die Kapazitätsfrage in der Ausschreibung festhalten, denn selbst wenn sie dem EVU indirekt aufgebürdet wird, daß er bei chronischer Überfüllung für Abhilfe sorgen muß, dauert es etwas, bis nachbestellte Triebwagen geliefert und eingesetzt werden können. In der Zeit sind die betroffenen Fahrgäste jedoch längst schon verlorengegangen.

Wie gesagt, man muß auch beachten, wie viele Fahrgäste bei dem dann zu erwartenden Minimalstkomfort abwandern. Nahezu jeder Anbieter ist heute renditeorientiert und wird nicht mehr investieren, als notwendig oder wenn die Investitionen x-fach als Gewinn wieder zurückkommen werden. Nicht jedem Fahrgast ist es egal, ob er auf einem Holzbrett oder einem Polster sitzt oder ob er immer stehen muß, wo vorher genügend Sitzplätze vorhanden waren.
02.05.1996 - 27.05.2000: RE 4 Halle - Halberstadt - Goslar
28.05.2000 - 04.11.2000: RE 4 Halle - Halberstadt - Goslar - Hildesheim
05.11.2000 - 13.12.2014: RE 4 Halle - Halberstadt - Bad Harzburg - Hildesheim - Hannover
ab 14.12.2014: RE 4 Halle - Halberstadt - Goslar
Der ZGB beschloß im Rahmen des Regionalbahnkonzepts 2014+ zusammen mit der LNVG und RH das Brechen des RE 4 in Goslar zugunsten eines fahrzeugreinen Echtstundentaktes auf Bad Harzburg - Hannover!
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Bat @ 10 Jun 2010, 09:15 hat geschrieben:Billig ist oftmals nicht die beste Lösung.
Sie nehmen ja nicht unbedingt den billigsten Anbieter, sondern den, der das überzeugenste Konzept vorlegt. War da nicht kürzlich etwas mit einer Billigtochter der DB, die unterlegen ist?
Bat @ 10 Jun 2010, 09:15 hat geschrieben:Und manche Dienstleistungen gehören eben nicht in Ausschreibungen verramscht ... .

Gas, Wasser, Scheiße, Licht, Verkehr, Kommunikation ... .
Zumindest bei der Kommunikation hat die Freigabe des Marktes nicht nur technische Verbesserungen, sondern auch sinkende Verbraucherpreise gebracht. So langsam kommt auch Bewegung in die Energiemärkte. Welche Preisentwicklung es bei staalichen bzw. kommunalen Ver- bzw. Entsorgern gibt, habe ich erst kürzlich wieder erfahren müssen. Da werden die Preise für Oberflächenwasser (Regenwasser, das auf das Dach und den plattierten Weg zur Haustür fällt) nicht nur drastisch erhöht, sondern auch noch nach einem neuen Schlüssel berechnet. Und die zahlt auch ein Mieter bei den Nebenkosten mit!
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Beitrag von Bat »

Bei den Verträgen ist es zum Großteil egal, wie viele Leute da mit fahren.

Die Zugleistung wird abgerechnet. Deshalb ist der Deutsche Markt ja auch so interessant für diverse ausländische Unternehmen, die hier mit ach so kleinen niedlichen Firmen auftreten. Das Geld vom Staat wird eingesteckt, die Investition so klein wie möglich gehalten, der Gewinn geht in den Mutterkonzern ins Ausland ... .

So blöd, wie die Deutschen ist sonst keiner. Der Franzose schützt seinen Markt vor Angriffen ... . Nur wir müssen immer für alles der Vorreiter sein .... und sei es auch der größte Schwachsinn ... . :angry:
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Beitrag von autolos »

@ Tequila

Du mißinterpretierst meine Beiträge, wenn Du glaubst, ich wollte das Kind mit dem Bade ausschütten. Die geforderte Kapazität muß halt nicht in Sitzplätzen vom Besteller vorgegeben werden, sondern dergestalt, daß über die gesamte Vertragslaufzeit die Kapazitäten ausreichend sind. Die BEG hat derartiges nie gefordert, allenfalls, daß die Kapazitäten zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme ausreichen.

Was mich stört ist, daß gewisse Dinge nicht mehr hinterfragt werden. Es werden Dinge gefordert, von denen geglaubt wird, sie seien sinnvoll. Aber man kennt das doch von vielen Befragungen: 2/3 schätzen die eigene Lage gut ein, aber nur 1/3 glaubt, andere schätzen ihre Lage gut ein. Mir wäre wohler, gerade in Deutschland, wenn der Glaube an die Qualität bürokratischen (staatlichen) Handelns nicht so stark ausgeprägt wäre und man mehr dem Wettbewerb der Ideen trauen würde.
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Beitrag von Bat »

Autobahn @ 10 Jun 2010, 09:49 hat geschrieben: Sie nehmen ja nicht unbedingt den billigsten Anbieter, sondern den, der das überzeugenste Konzept vorlegt. War da nicht kürzlich etwas mit einer Billigtochter der DB, die unterlegen ist?
Bat @ 10 Jun 2010, 09:15 hat geschrieben:Und manche Dienstleistungen gehören eben nicht in Ausschreibungen verramscht ... .

Gas, Wasser, Scheiße, Licht, Verkehr, Kommunikation ... .
Zumindest bei der Kommunikation hat die Freigabe des Marktes nicht nur technische Verbesserungen, sondern auch sinkende Verbraucherpreise gebracht. So langsam kommt auch Bewegung in die Energiemärkte. Welche Preisentwicklung es bei staalichen bzw. kommunalen Ver- bzw. Entsorgern gibt, habe ich erst kürzlich wieder erfahren müssen. Da werden die Preise für Oberflächenwasser (Regenwasser, das auf das Dach und den plattierten Weg zur Haustür fällt) nicht nur drastisch erhöht, sondern auch noch nach einem neuen Schlüssel berechnet. Und die zahlt auch ein Mieter bei den Nebenkosten mit!
Wir werden uns mal genüsslich zurücklehen und die Betriebsübernahme des RE Verkehrs im Land Brandenburg durch die Billiglohnfirma ODEG angucken ... . Mal sehen. Billig sind sie schon mal, freuen wir uns auf das Konzept. :lol:

Mag ja sein. Du redest aber schon wieder vom aktuellen Zustand. Du gehst wieder nicht den Schritt, darüber nachzudenken, was hätte sein können, wenn man anstatt der Privatisierung eben die Modernisierung vorangetrieben hätte. Ich behaupte, wir könnten die gleichen Preisvorteile haben, bei deutlich besserer und zuverlässigerer Leistung, wenn der Staat die Verantwortung dafür hätte übernehmen wollen ... .

PS: Und der Staat hätte sogar noch Einnahmen, die er sinnvoll verwenden könnte, wenn er denn wollen würde können ... .
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Beitrag von Autobahn »

Bat @ 10 Jun 2010, 09:50 hat geschrieben:So blöd, wie die Deutschen ist sonst keiner. Der Franzose schützt seinen Markt vor Angriffen ... . Nur wir müssen immer für alles der Vorreiter sein .... und sei es auch der größte Schwachsinn ... . :angry:
Die Franzosen stehen da aber ziemlich allein. Der Nahverkehr wird in den Niederländischen Provinzen Brabant, Haaglanden, Limburg, Veluwe und Zeeusw-Vlaanderen von Veolia durchgeführt.

Eigenes Foto

Die Liberalisierung in England dürfte bekannt sein.
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Beitrag von Bat »

Ja und? Was ist Veolia eigentlich???

http://www.veolia.com/en/

Eigentlich sollte jedem klar sein, dass die Geschäftsbereiche genau den Bereich der staatlichen Förderungen abklappern. Und wohin gehen die Einnahmen?
Richtig! Als Rendite in Investorentaschen.



Die Folgen für die Kunden in England auch ... . <_<
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Beitrag von autolos »

Autobahn @ 10 Jun 2010, 10:15 hat geschrieben: Die Franzosen stehen da aber ziemlich allein. Der Nahverkehr wird in den Niederländischen Provinzen Brabant, Haaglanden, Limburg, Veluwe und Zeeusw-Vlaanderen von Veolia durchgeführt.

Eigenes Foto

Die Liberalisierung in England dürfte bekannt sein.
Die Holländer sind ein sehr schlechtes Beispiel, da dort zwar ein paar km-chen von privaten EVU gefahren werden, der größte Teil (über 90 %) aber exklusiv an die NS vergeben wurde (Konzession).
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Beitrag von autolos »

Bat @ 10 Jun 2010, 09:57 hat geschrieben: Mag ja sein. Du redest aber schon wieder vom aktuellen Zustand. Du gehst wieder nicht den Schritt, darüber nachzudenken, was hätte sein können, wenn man anstatt der Privatisierung eben die Modernisierung vorangetrieben hätte. Ich behaupte, wir könnten die gleichen Preisvorteile haben, bei deutlich besserer und zuverlässigerer Leistung, wenn der Staat die Verantwortung dafür hätte übernehmen wollen ... .
Und Du vergleichst den Ist-Zustand mit einem Gedankengebilde, für das jeder sachliche Beleg fehlt. Deine Bürokratiegläubigkeit hat schon etwas originelles.
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Beitrag von autolos »

Bat @ 10 Jun 2010, 10:19 hat geschrieben:


Die Folgen für die Kunden in England auch ... . <_<
Die Engländer sind mit ihrer Eisenbahn heute bestimmt zufriedener als vor 25 Jahren, wobei es heute Licht und Schatten gibt, früher eher nur Schatten.
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Beitrag von Bat »

autolos @ 10 Jun 2010, 10:36 hat geschrieben: Und Du vergleichst den Ist-Zustand mit einem Gedankengebilde, für das jeder sachliche Beleg fehlt. Deine Bürokratiegläubigkeit hat schon etwas originelles.
Wie willst Du Deine Lebensumstände ändern, wenn Du nicht solche Gedankengebilde entwirfst, sie hinterfragst und Veränderungen angehst?
Sachliche Belege kann es erst geben, wenn Du etwas geändert hast.

Bürokratiegläubigkeit? Hmmm ... .

Wenn Du damit meinst, dass ich glaube, dass auch eine öffentlich Verwaltung nach entsprechender Modernisierung gewinnbringend arbeiten kann, dann hast Du Recht. Das wäre mal originell. :D

Ja, ich glaube dass es geht, wenn man will ... .
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Beitrag von Bat »

@autolos

... zugegeben, etwas angestaubt ... :

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/bahnne...euseeland2.html

Meinst Du, die hatten Spaß??? :blink:
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

autolos @ 10 Jun 2010, 09:55 hat geschrieben: Was mich stört ist, daß gewisse Dinge nicht mehr hinterfragt werden. Es werden Dinge gefordert, von denen geglaubt wird, sie seien sinnvoll.
Da stimme ich Dir zu - wenn auch in anderer Hinsicht.
Mir wäre wohler, gerade in Deutschland, wenn der Glaube an die Qualität bürokratischen (staatlichen) Handelns nicht so stark ausgeprägt wäre und man mehr dem Wettbewerb der Ideen trauen würde.
Und mir wäre wohler, wenn man der Glaube an die heilbringende Kraft des Egoismuses (auch Markt genannt) nicht so ausgeprägt wäre. In vielen Bereichen mag das funktionieren, in vielen Bereichen aber eben auch nicht. Viele Unternehmen sind eben nicht an der Zufriedenheit der Kunden interessiert, sondern nur an der Rendite - und wenn die Rendite mit unzufriedenen Kunden größer ist als mit zufriedenen, hat man keinen Grund in diesem Bereich etwas zu tun.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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