Polizisten sind keine Nummern - ach nicht?
Das "Vorgeplänkel" lief wieder mal nach dem gleichen Schema ab. Bei einer Blockade einer angemeldeten Neonazi-Demonstration im Januar letzten Jahres wurden die Gegner, die den Aufmarsch der Rechten behindern wollten, durch die Polizei von der Sonnenstraße geräumt. Gut, so weit so klar, es war eine angemeldete und genehmigte Demo, die darf man nicht stören und die Polizei darf und muss das eben zur Not auch mit Räumungen gewährleisten, selbst wenns um Nazis geht.
Wie eigentlich immer in solchen Situationen hagelte es danach eine Ladung Anzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Gut, muss man genau hinschauen was vorgefallen ist, weil dieser Gummiparagraph ja gerne mal inflationär benutzt wird, vom Herumstehen und versuchen mit dem Beamten zu Diskutieren bis zu bewaffneten Angriffen ist da alles dabei - dafür hat man ja schließlich Gerichte.
In diesem Fall war es wohl zu einer mehr oder weniger großen Rangelei gekommen als die Polizei in Form des USKs versuchte, die Gegendemonstranten von der Sonnenstraße wegzuschieben. Ein Teilnehmer, der 23-jährige Dominik A. wurde eben genau deshalb angeklagt und vom Amtsgericht München zu 60 Tagessätzen verurteilt. Eigentlich ein recht häufiger Vorfall, nichts besonders erwähnenswertes, auch wenn bei "Widerstand gegen die Staatsgewalt", "USK" und "Demonstration" bei manchen die Alarmglocken zumindest leise vor sich hinbimmeln.
Wohl auch nicht ganz zu Unrecht: die Berufungsinstanz in Form des Landgerichts drehte den Spieß um. Dominik A. wurde freigesprochen, da die Polizei sich nicht an die Spielregeln gehalten hatte. Die Polizei hatte die Räumung zwar mehr oder weniger angekündigt, das soll aber schon 30 Minuten zurückgelegen haben und es konnte nicht festgestellt werden, dass Dominik A. davon Kenntnis gehabt hatte oder hätte haben müssen. Die Polizei, so das Gericht, hätte die Räumung kurz vor dem eigentlichen Eingriff nochmals ankündigen müssen, es sei nicht Aufgabe des Bürgers herauszufinden, was die Polizei vorhabe sondern es sei Aufgabe der Polizei den Bürger darüber zu informieren.
Eigentlich nur ein weiterer Stachel im Fleisch des Innenministeriums, denn bis dato wurde noch keiner der Demonstranten rechtskräftig verurteilt, alle Prozesse bis dato endeten in Freisprüchen und Einstellungen. Scheint, als ob die Amts- und Landgerichte diesmal nicht der Staatsanwaltschaft das Wort reden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft hat Revision angekündigt (ich nehme an beim Bundesgerichtshof)
Beinahe "nebenbei" stellte sich aber heraus, dass der Angeklagte eigentlich auf der falschen Seite saß: er hätte nicht als Beschuldigter sondern als Zeuge der Staatsanwaltschaft und/oder Nebenkläger fungieren müssen. Grund: auf den Videoaufzeichnungen der Polizei ist unzweifelhaft zu erkennen, wie ein Beamter der USK den Mann zwei Mal mit der Faust an Brust und Kinn schägt. Selbst wenn die Räumung zulässig gewesen wäre, so die Richterin, sei das unrechtmäßig und nicht zu rechtfertigen. Folgerichtig wurde die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen gegen Unbekannt beauftragt - wohl wieder ohne Erfolg, denn die Beamten des USKs sind nach wie vor nicht identifizierbar, da vermummt und ohne Kennzeichnung unterwegs. Sollte sich der Beamte nicht selbst stellen oder von einem Kollegen belastet werden, wird dieses Verfahren wohl ebenfalls eingestellt werden müssen, trotz offensichtlicher Verfehlung des Beamten.
Und das bringt mich zu meinem eigentlichen Beitrag: diese Geschichte hat natürlich die Debatte über eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten neu entfacht. Polizei und Innenminister Hermann wollten sich nicht dazu äußern. Innenministeriumssprecher Oliver Platzer aber äußerte die selben Argumente wie auch schon. Eine Kennzeichnung (gemeint: mit Klarnamen) sei unzumutbar, da sie dazu führen könne, dass Beamte z.B. im Internet an den Pranger gestellt werden würden oder gar schlimmeres geschähe. Gut, dieser Argumentation kann man durchaus folgen, wobei es hier um eine Interessensabwägung geht.
Den Patzer leistete sich Herr Platzer aber als er die Forderung nach z.B. Nummern statt Klarnamen mit dem Satz "Polizisten sind keine Nummern" abbügelte. Ganz davon abgesehen, dass es sich hierbei nicht wirklich um ein Argument sondern um stures Gebocke handelt, an dieser Stelle mal der kleine Hinweis:
Wenn ein Beamter oder Angestellter des öffentlichen Dienstes bei einer für ihn zuständigen Behörde (z.B. gerne das Landesamt für Finanzen) anruft ist das erste was die wissen wollen .... die Personalstammnummer
Edit: Quelle eingefügt