DumbShitAward @ 9 Aug 2013, 09:19 hat geschrieben:1. Für denjenigen, der von Ingolstadt nach München oder Nürnberg will, verändert sich wohl nicht viel. Der Ingolstädter fährt dann halt nicht mehr mit dem ICE sondern nimmt einen Intercity oder RE200 nach Nürnberg oder München, abhängig vom Material sprechen wir hier von geringfügigen Unterschieden zum status quo ante, wenn überhaupt.
Für Ingolstadt-Nürnberg:
ICE je nach Typ 27 (ICE-3) bis 31 Minuten (ICE-T)
MNX 43 Minuten
(Der Vollständigkeit wegen, IC "Karwendel" im Jahr 2006 35 bzw. 37 Minuten)
Eine Viertelstunde Unterschied bei einer bestmöglichen, mindestens stündlich gegebenen halben Stunde Fahrzeit würde ich nicht gerade als "geringfügigen Unterschied" bezeichnen.

Und - auch wenn man die Skoda-Dostos noch nicht kennt, dass der Fahrkomfort und Raumgefühl dem ICE gleicht, muss man nicht annehmen.
Meinen Sarkasmus muss ich natürlich je nach FV-"Ersatzangebot" zurücknehmen.
Für Ingolstadt-München (wegen der Bauarbeiten auf den Fahrplan 2010 bezogen) ist es natürlich weniger stark:
ICE 38, 39 Minuten
MNX 44 bis 47 Minuten
Mit der ABS dürfte sich das noch ein wenig stärker voneinander abheben.
DumbShitAward @ 9 Aug 2013, 09:19 hat geschrieben:2. [...] Natürlich verliert der Fahrgast netto um die 10 Minuten beim Umstieg in München oder Nürnberg, ...
Wenn, dann sollte doch verglichen werden, wie sich die Fahrzeitverlängerung bei einem "Zwangsumstieg" (den es ja mit dem MNX im Nürnberger Nullknoten prinzipiell heute schon gibt) niederschägt im Gegensatz dazu, wenn der gleiche ICE auch noch in der Audi-Stadt halten würde.
Der IC fiele, wenn man das heutige Fahrplankonzept mit der Vollintegration (!) des FV in den Ingolstädter Knoten als Zubringer für diesen einen Knoten in Nürnberg aus.
Das lässt sich für die Relation Ingolstadt-Frankfurt (L41 stündlich, meistens ohne Halt in IN, in Nürnberg bietet der MNX direkten Anschluss) einfach nachschauen:
ICE 728 7.32 Uhr - 10.04 Uhr, entspr. 2:32 h
RE 8:05 - 8.48 Nürnb ICE 726 9:01 - 11.04 Uhr, entspr. 2:55 h
Nehmen wir noch an, der MNX käme unmittelbar vor dem ICE in Nürnberg an, ergäbe dies höchstens sechs Minuten Gewinn, entspr. 2:49 h. Der Fahrgast verlöre ab seinem Startpunkt mit 17 Minuten gut die Hälfte mehr Zeit als Du genannt hast. Entsprechend wenn ein IC den Anschluss herstellt, sind wir bei deinen zehn Minuten. Aber es ist schwer, so pauschal mit zehn Minuten Fahrzeitverlängerung/-verkürzung zu argumentieren. Das hängt vom konkreten Fahrplan ab.
DumbShitAward @ 9 Aug 2013, 09:19 hat geschrieben:er holt aber pro umfahrenen Halt etwa das gleiche wieder rein, das heißt, dass der Fahrgast selbst bei mittleren Strecken fahrzeitmäßig in etwa auf dem gleichen Niveau liegt, wie er schon vorher unterwegs war. Selbst wenn unser Fahrgast keine Großstadt zum Ziel hätte (oder dort ohnehin hätte umsteigen müssen) sondern eine der abgehängten Mittelstädte, sind es eben 2 umfahrene Halte, je nach Verbindung musst du da noch nicht mal das Bundesland verlassen, bis du da die Amortisierung erreicht hast.
Im Endeffekt betrifft eine solche Änderung auf negative Weise eigentlich nur Personen, die von Klein/Mittelstadt A in die 100-150km gelegene Klein/Mittelstadt B wollen. Alle anderen haben selbst eine Reisezeitvorteil oder zumindest keinen Nachteil dadurch, die große Mehrheit aber profitiert je nach Entfernung im Maße von einer halben bis mehreren Neubaustrecken für ein paar Milliarden Euro.
Mittlere Strecke entspräche ungefähr 300, 400 Kilometer?
Dann machen wir das mal an der "klassischen" Verbindung München-Hamburg fest. 400 Kilometer ab Ingolstadt entspräche etwa Kassel oder Göttingen. Würzburg und Fulda ließen sich umfahren, was etwa 20 Minuten Fahrzeitgewinn entspräche. Man hat jetzt also ordentlich viel nicht vorhandene Kohle verbuddelt für drei Umfahrungen, auf dass der Ingolstädter in etwa die gleiche Fahrzeit wie heute hätte, aber mutmaßlich sehr viel mehr (wie viel mehr?) Münchner dreißig Minuten früher in Kassel wären. Meine persönliche Meinung jetzt schon eingeschoben: Das muss man nicht sinnvoll finden, so lange zwischen Fulda, Frankfurt und Mannheim oder zwischen Offenburg und Basel die Züge sich gegenseitig auf den Rädern stehen.
Das Festmachen setzt natürlich voraus, dass Kassel mindestens durch-, nicht umfahren wird und irgendein einem Systemhalt ähnlichen Angebot hätte. Wollte der Ingolstädter jetzt nach Göttingen weiterfahren, müsste er dort umsteigen und hätte nochmal mindestens zehn Minuten Fahrzeitverlängerung. Vorausgesetzt natürlich, ein SFS-tauglicher Zug fährt direkt hinterher, sonst dauert's noch länger.
Gut, der Münchner, um nicht zu sagen viele Münchner, hätte natürlich wesentlich mehr davon, allein bis Kassel als "Systemhalt" hätte er dreißig Minuten gewonnen. So lange er nicht in eine Mittelstadt wollte und/oder passende Anschlüsse hat, was zum Fahrplan, zum Zugangebot und zur Verknüpfung der einzelnen Relationen führt.
Auch den HGV-Befürwortern liegt sicherlich wenig daran, die bestehenden Relationen allzu stark über einen "Kollateralschaden" hinaus zu verschlechtern. Dass Göttingen, Fulda, Würzburg, Ingolstadt usw. über ein gewisses, nicht zu vernachlässigendes Maß Zusteiger generieren, werden sie auch nicht abstreiten.
Um diese Mittelstädte also weiterhin halbwegs nachfragegerecht auch auf kürzeren und mittleren Distanzen anzubinden (beispielsweise etwa beim Pendlerverkehr, der von Ingolstadt ausgeht; oder Kassel/Göttingen-Hannover; oder Kassel/Fulda-Frankfurt), braucht es neben dem dann beschleunigten ICE einen klassischen IC. Nochmal hypothetisch die SFS Hannover-Fulda/Würzburg betrachtet, der ICE müsste mindestens Hamburg-München und Hamburg-Frankfurt bedienen; Frankfurt-Berlin als HGV geht über Erfurt. Im Norden bieten sich Berlin via Wolfsburg und Braunschweig sowie Hamburg über Lüneburg und Hannover als Startpunkt der ICs an, im Süden Frankfurt und München als Endpunkt. Zur Anbindung Gießens braucht es eine dritte IC-Linie.
Klammert man Verstärker-Züge aus werden kaum viel mehr als diese 4,5 Linien pro Stunde ausreichend nachgefragt werden, heute sind es 3,5 Linien. Mit einer Linie mehr sollen aber die Mittelstädte so an das HGV-Netz angeschlossen werden, dass für Verbindungen sowohl untereinander als auch beim Umsteigen zu Großstädten kaum Fahrzeitverlängerungen entstehen? Das wird mindestens schwer.
Aber nochmal gefragt, ist es das wert, ein paar Milliarden dafür aufzuwenden, während anderswo seit Jahrzehnten wirkliche Probleme noch immer nicht gelöst sind?
Machen wir abschließend noch spaßeshalber ein isoliert stehendes Gedankenspiel: Ein ICE und ein IC würden jeweils stündlich von München nach Hamburg fahren, wobei ersterer nur in Hannover und Nürnberg hielte und zweiterer quasi dem heutigen ICE entspräche. Nehmen wir der Einfachkeit halber zusätzlich an, was auf Langstrecken wohl kaum so stark eintreten dürfte, dass sich die Nachfrage auf allen abgedeckten Relationen um 50 Prozent erhöhen würde.
Selbst wenn sich die Fahrgäste genau zur Hälfte auf beide Züge verteilen würden, wären beide Züge nur zu drei Vierteln ausgelastet, verglichen zum vorherigen Status. Das Angebot hat sich aber verdoppelt, die Kosten liegen irgendwo, wenn auch unterhalb, im gleichen Bereich.
Iarn @ 9 Aug 2013, 09:23 hat geschrieben:Und es gibt noch ein paar wenige Sprinter die den alten ICE Gedanken erhalten haben.
Ähm... Bitte? Dass der ICE heute auf recht vielen Strecken kurvt, die mit HGV gar nix am Hut haben, OK. Ob Neigetechnik einen ICE-Aufpreis rechtfertigt, das ist ebenso streitbar.
Der "alte" ICE-Gedanken war damals wie heute eine Aufwertung der bestehenden IC-Linien zum ICE, wobei zumindest in der Anfangszeit ziemlich konsequent darauf Wert gelegt wurde, dass mindestens eine der beiden SFS befahren wurde. An der Haltepolitik hat sich auf den seit 1991 bestehenden Linien bzw. Relationen ziemlich genau so viel geändert: 0,1.
Der prototypische ICE 691 "Hölderlin" Hamburg-München hielt 1991 an den üblichen Hamburger Bahnhöfen außer Harburg, dann in Hannover, Göttingen, Kassel, Fulda, Frankfurt, Mannheim, Stuttgart, Ulm und Augsburg. Das sind damals wie heute die üblichen ICE-Halte, die so sogar seit 1979 vom IC angefahren wurde (wobei natürlich Bebra seinen Platz mit Kassel getauscht hat).
Diese Linie wurde später nach Berlin umgebogen, was sie heute prinzipiell genau so fährt. Neu hinzu gekommen sind "nur" die Systemhalte in Hanau (was aber im Wesentlichen daran liegt, dass der Dresdner IC/E hinterher fährt und so den Halt nicht bedienen kann) und Pasing (um den Anschluss Richtung Werdenfels herzustellen).
Für München-Hamburg hat sich haltemäßig ebenso nix geändert, Augsburg (bzw. heute meist Ingolstadt), Nürnberg, Würzburg, Fulda, Kassel, Göttingen, Hannover, alles seit 1992 bekannt. Nur der Systemhalt in Harburg ist später hinzu gekommen.
Für Basel-Hamburg hat sich seit 1993 wohl gar nix geändert, Freiburg, Offenburg/Baden-Baden, Karlsruhe, Mannheim, Frankfurt, Kassel, Göttingen, Hannover wurden so auch vom IC mindestens seit 1979 bedient.
Einen "Sprinter"-Gedanken hatte der normale ICE nie, das sieht man schon daran dass der "Sprinter" explizit ab 1992 zusätzlich aufgenommen wurden. Über den Erfolg seiner Nonstop-Verbindungen lässt sich angesichts eines in den letzten fünf Jahren eingedampften und aufgeweichten Netztes IMO auch gut streiten.
Der ICE war und ist eine Weiterentwicklung des "IC-79"-Gedankens mit dem markantesten Unterschied, dass statt striktem angebotsorientierten Stundentakt man einen Kompromiss zwischen Angebots- und Nachfrageorientierung versucht, was sich im Kernnetz durch einen überlagernden Zweistundentakt und vielen verlängerten Einzelläufen zeigt.