Autobahn @ 11 Oct 2011, 23:25 hat geschrieben: Was von den "mehreren Jahren" Schulenglisch am Ende übrig bleibt und ob das von einem Franzosen, der auch "mehrere Jahre" Schulenglisch genossen hat, auch wirklich verstanden wird, steht auf einem anderen Blatt. Der schlichte und nicht sicherheitsrelevante Satz: "Thank You for travelling with Deutsche Bahn" hat sogar im englischen verschiedene Aussprachen, je nachdem wo ein Natural Speaker herkommt (schon mal darauf geachtet, wie unterschiedlich BBC und CNN in der Aussprache sind?). Und wie soll dann ein bayrisches Englisch mit einem französischen Englisch klar kommen?
Das Problem liegt daran, dass die Menschen mit einer Muttersprache aufwachsen. Kinder, die zweisprachig aufwachsen, lernen auf natürliche Weise zwei "Muttersprachen". Wenn sei dann eine weitere Fremdsprache schulisch erlernen, übernehmen sie zum einen die Linguistik der Muttersprache und die mögliche Sprachfärbung des Lehrers.
Deutschen macht besonders das "th" zu schaffen, weil es in der deutschen Linguistik nicht vorkommt. Aber auch das "R" ist nicht unproblematisch. Ich kannte mal eine Fremdsprachenkorrespondentin, die perfekt war, wenn es um Texte in schriftlicher Form ging. Aber ihre Aussprache war mehr als katastrophal. Die hätte auch ein Natural Speaker nicht verstanden.
Auch wenn du mir es jetzt nicht glauben wirst, aber genau das was du da so vehement bestreitest, funktioniert in der Realität überraschend gut. Gerade im Businessbereich, aber auch wie bereits angesprochen in der Luft- und Seefahrt ist das alltägliche Praxis. Englisch wird hier zwar von einer eigentlichen Sprache (also mit Kultur, Literatur, Idiomatik, usw.) zu einem Werkzeug verändert (manch konservativer Sprachwissenschaftler würde sagen "degradiert"), aber dieses Werkzeug funktioniert eben.
Binnen kürzester Zeit verändert sich dieses gesprochene Englisch zu einer recht spezialisierten aber hochfunktionalen Sprache, die für Außenstehende (gleichgültig ob es sich um Lernende oder Muttersprachler handelt) oftmals nicht zu verstehen ist. Rein formal bestehen da teilweise erhebliche Defizite, sofern diese aber für das Verständnis nicht relevant sind führen die aber nicht zu Kommunikationsfehlern. Dabei ist es völlig egal ob der Deutsche Schwierigkeiten mit dem "th" oder der Diskriminierung zwischen v und w hat, der Italiener beinahe Zwanghaft an jeden b, p, g, k, d und t Auslaut ein Schwa (verschlucktes e) anhängt, der Franzose kein h im Anlaut benutzt oder es sich um stark verschliffenes Indian English handelt (und das gilt gemeinhin als muttersprachliches Englisch).
Warum das funktioniert? Gut, die Antwort dürfte derzeit der heilige Gral der angewandten Linguistik sein, aber ein durchaus nicht zu unterschätzender Aspekt ist, dass schon die Muttersprachler alleine teils erheblich vom jeweiligen (Regional)Standard abweichen. General American (also die "Hochsprache" des amerikanischen Englisch) fordert beispielsweise auch die saubere Auflösung des "th". Faktisch verschleifen aber selbst sehr eloquente Sprecher das meistens Richtung d. Noch viel schlimmer sind die Engländer: dort werden bisweilen sogar die Vokale diphtongisiert (= Doppellaute wie au, eu, eo, oe, usw.), Wörter wie "idea" und "is" werden völlig unorthodox mit r gebunden und was oben im Norden und in Schottland abgeht ist sowas von non-Standard, dass die ja eigentlich gar keiner verstehen dürfte (dort hat man vor ca. 500 Jahren eine Vokalverschiebung nicht mitgemacht) - und da soll noch einer behaupten Standard English sei einfacher zu verstehen als General American, zumal SE eigentlich von niemandem gesprochen wird, GA aber schon.
Gerade die Deutschen haben einen unglaublich hohen Anspruch an "korrekte Aussprache" (oder das, was sie dafür halten) obwohl das für die Kommunikation in dieser Form völlig unerheblich ist. Der hierzulande stigmatisierte Satz "Sänk you for träffelink..." ist nur hierzulande ein Politikum, ein nicht-Deutschsprachiger (oder gar Native Speaker) nimmt das als Englisch mit einem deutschen Akzent einfach hin. Verstanden hat er es trotzdem.
Für weiterführende Literatur seien unter anderem die einschlägigen Publikationen von Jenkins, Seidlhofer und speziell für die Businesswelt Ehrenreich, S. - Englisch als lingua franca der internationalen Kommunikation in deutschen Unternehmen (in Press) angeraten (bezieht sich auf internationale Kommunikation auf höherer Betriebsebene eines großen schwäbischen Automobilherstellers), grundlegend natürlich (einfach und amüsant zu lesen) David Crystal.
Edit
Als Einstieg gibt es auch bei SPON noch ein recht interessantes Interview mit Seidlhofer
frei zum lesen (man beachte auch die Kommentare im Forum die an Absurdität kaum zu überbieten sind).