Das halte ich für einen Trugschluß. Es ist doch vollkommen klar, dass man Fahrzeuge nicht länger abschreibt als man einen Vertrag hat, in dem man sie nutzen kann. Das wäre sonst ja wirtschaftlicher Selbstmord für jedes EVU, wenn es nach 11 Jahren eventuell keinen Verkehrsvertrag mehr hat, aber auf Fahrzeugen sitzt die erst zu einem Drittel abgeschrieben sind.
Wenn man hingegen in der Folgeausschreibung mit (redesignten) Gebrauchtfahrzeugen (mit gewissem Höchstalter) antreten darf, hat man einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz mit Neufahrzeugen, da man nur die Redesignkosten schultern muss. Das ist dann auch ein Vorteil für die Fahrgäste, da weniger Kosten entweder niedrigere Ticketpreise, mehr Leistungen oder weniger Zuschüsse durch den Staat (Steuern) bedeuten.
Das ist eine Frage der Bedingungen in der Folgeausschreibung. Natürlich können die Bedingungen in der Folgeausschreibung so ausgelegt werden, dass der bisherige Betreiber sich mit den bisherigen Fahrzeugen bewerben darf. So wurde das auch bei der erneuten Ausschreibung des Nord-Netzes in Schleswig-Holstein gemacht: Die bisherigen Betreiber durften sich mit den Fahrzeugen von der vorherigen Ausschreibung bewerben, alle anderen Anbieter mussten neue Fahrzeuge mitbringen. Dieses deutete ganz klar daraufhin, dass der Besteller mit den bisherigen Betreibern außer der Nord-Ostsee-Bahn zufrieden war. So kann es auch bei der Bremer S-Bahn laufen: Ist der Besteller mit dem bisherigen Betreiber NordWestBahn zufrieden, darf die NWB sich bei der Folgeausschreibung nochmal mit den 440 von 2010 bewerben, während andere Anbieter dann neue Fahrzeuge mitbringen müssen.
In den Anfangszeiten der Ausschreibung war das sicher der richtige Weg, da einerseits viel "altes Geraffel" unterwegs war, andererseits die Konkurrenten noch garnichts hatten. Inzwischen haben auch viele Konkurrenten Gebrauchtfahrzeuge. Insofern bin ich der Meinung, dass langfristig nicht mehr bei jeder Ausschreibung Neufahrzeuge gefordert werden (sollten), sondern eher gewisse Merkmale (Barrierefreiheit, FIS, Klima...) und ein Höchstalter definiert werden sollte.
Das wurde in Schleswig-Holstein schon so praktiziert: In der Neuausschreibung des Nord-Netzes 2010 sind die Fahrzeuge von der Erstausschreibung von 2000 akzeptiert worden.
Schauen wir uns doch mal den Regioshuttle an. Diese Fahrzeuge werden seit 15 Jahren gebaut, und eben nach wie vor hergestellt. Wenn sich hier ein EVU mit Neubau-RS bewerben darf, wieso sollte ein Konkurrent, der schon genügend RS1 mit 5-10 Jahren hat und den Innenraum auf den neuesten Stand bringt, nicht damit bewerben dürfen?
Das haben wir in Schleswig-Holstein jetzt gehabt, dass DB, AKN und NOB sich im Jahre 2010 mit Fahrzeugen von 2000 noch mal bewerben durften. Selbst ein Redesign war als solches nicht verlangt worden.
In Hamburg wird das mit den ET 474 (5 - 15 Jahren) ja wohl auch so laufen - wobei da natürlich noch die Sondersituation ist, dass man diese Fahrzeuge nirgendwo anders einsetzen kann, alles andere also nur volkswirtschaftliche Geldverbrennung wäre.
In Hamburg müssen die Bewerber alle Neubaufahrzeuge als Ersatz für die ET 472 mitbringen. Die ET 474 werden in der Ausschreibung akzeptiert, bzw. werden Übernahmeregelungen für den neuen Betreiber ausgehandelt. Das heißt, egal wer die Ausschreibung der Hamburger S-Bahn gewinnt, muss die ET 472 durch Neubaufahrzeuge ersetzen und darf die ET 474 behalten (DB) bzw. übernimmt die ET 474 von der DB (anderer z.B. Benex).