Die Veranstaltung gestern (ich habe sie nicht live gesehen, aber sie ist weiterhin auf YouTube abrufbar) war wirklich erschreckend. Ich glaube das erklärt auch, warum sich da sooo lange niemand ran getraut hat, mal konsequent den MIV zu beschneiden (Fahrspuren weg, Parkplätze weg), weil der wütende Mob einfach so unglaublich laut ist. Ich hatte das Gefühl, dass das ein Affengehege ist, wie alle gejohlt und gegrölt haben, wenn jemand wieder eine von den polemischen Floskeln rausgehauen hat.
Ich würde mich mal aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass diese wütenden Bürger nicht alle von selbst ihr Interesse an der Veranstaltung gefunden haben, sondern von einzelnen Parteien oder Vereinen etwas dazu motiviert wurden. Zumindest war das so beim Radweg Fraunhoferstraße und auch jetzt beim Thema autoarmes Innenstadt / Im Tal: Dort hat die CSU Flyer in allen Briefkästen verteilt, den Leuten gesagt "die bösen grünen wollen euch die Autos wegnehmen" und sie aufgefordert, alle zur BA-Sitzung zu kommen und sich zu beschweren. Die "Befürworter" der Verkehrswende sind dort halt einfach nicht oder nur in Minderheit vertreten und die BA-Mitglieder fühlen sich da dann teilweise echt eingeschüchtert.
Aber um das ganze auch mal sachlich zu betrachten: Denken die Leute eigentlich darüber nach, was sie da alles sagen. Mal einige Beispiele:
ABER DIE KOSTEN!
Mal davon abgesehen, dass das nicht "verheimlicht" wird, sondern eben erst veröffentlicht ist, wenn es "belastbar" ist (ja, schön gerechnet wird bei Großprojekten oft und aktuell ist schwer, in die Zukunft zu sehen) ... wenn an gleicher Stelle nun ein Leopoldtunnel bis zur A9-Auffahrt gebaut werden würde, hätte von diesen Personen gestern vermutlich kein Problem damit, dass das 1Mrd € Kosten würde. Schon ziemlich scheinheilig, immer mit Kosten sparen und "das sind aber meine Steuern" zu kommen, in Zeiten, in denen der Ausbau von ÖPNV aktuell von fast allen Seiten als dringend notwendig und absolut sinnvoll angesehen wird. Lustigerweise kamen ja auch 1-2 Leute damit, dass man dann doch lieber eine U-Bahn bauen sollte. Dass die dann 10 mal so teuer ist und die nächsten 25 Jahre den Verkehr an der Oberfläche nicht besser machen wird, interessiert dann aber irgendwie niemand. Geht halt nur darum, dass der Abschaum, der Öffis fährt, weg von ihrer geliebten MIV-Straße ist und keinen Platz weg nimmt.
Ich wohne schon seit 10 Jahren in Straße xy und der Verkehr ist seitdem immer mehr geworden
Der Verkehr ist jetzt schon zu den Berufszeiten eine Katastrophe
Es stehen schon jetzt überall Lieferdienste überall auf den Radwegen, wo sollen die denn hin
München wächst immer weiter, der Verkehr steht jetzt schon im Dauerstau, wie soll denn das mit einer Tram nur enden?
Haben sie eine Ahnung, wie laut so eine Tram ist?
Also ich komm ich nicht mit, wie man auf solche logischen Schlussfolgerungen kommt. Wenn a) der Verkehr jetzt schon nicht funktioniert b) wenig Parkplätze sind und c) es absehbar immer mehr werden würde, wenn man so weiter machen würde, was aber nicht geht, da mehr Platz fürs Auto auf der Leopold aktuell gar nicht möglich ist..... dann muss einem doch eigentlich klar sein, dass man etwas ändern muss, weil es so einfach nicht funktionieren wird, wenn München weiter wächst. Warum verstehen die Leute nicht, dass sie im Stau stehen, weil der halbe Landkreis bei ihnen vor der Haustüre vorbei fährt? Warum beschweren sich Anwohner über den Wegfall von 2h-Kurzzeitparkplätzen auf der Leopoldstraße, der sie doch gar nicht betrifft? Warum verstehen Leute nicht, dass Handwerker überall herumstehen, weil alles voll ist mit Autos, die entweder das ganze Jahr unbenutzt und kostenlos draußen rum stehen (Anwohnerparken) oder von Leuten, die so faul sind, dass sie für ein Buch mit dem Auto einkaufen fahren (war gestern auch ein Argument).
Wo sollen denn die Fahrgäste herkommen
Nur weil da neue Wohnungen gebaut werden, fahren die Leute doch nicht alle mit der Tram
Der Bus war noch nie voll
Das sind glaub ich auch einfach Argumente von Leuten, die nie ÖPNV benutzen. Die setzen sich ins Auto bis zum Ziel und fahren dort so lange im Kreis, bis sie genau vor der Haustüre es irgendwo abstellen können, zur Not mit Warnblinker auf dem Radweg. Argumente wie "Direktverbindungen" oder "Umsteigebeziehung" verstehen die gar nicht. Das wurde aber auch etwas schlecht erklärt für die Laien, die eh etwas schwer von Begriff sind. Da muss man eben klar machen, dass man vorher 2-3 Mal umsteigen musste, darum war der Bus immer leer, die Tram fährt aber durch (kürzer), darum mehr Fahrgäste.
Aber jetzt haben wir doch Elektrobusse, jetzt brauchen wir doch keine Trams mehr
Was kann eine Tram, was ein Bus nicht kann?
Abgesehen von technischen Vorteilen hätte man man auch einfach sagen können: Da kommt eine volle Tram vom Neubaugebiet im Norden. Die fährt auf einem eigenen Schienenkörper, wo keine Busse fahren können. Jede Tram die hier nicht fährt, ist ein Bus, der später mit euch im Stau steht und euch den Platz auf der Straße weg nimmt. Und wenn die Leute dann an der Münchner Freiheit alle in Busse umsteigen müssen, anstatt mit der Tram weiterfahren zu können, dann ist der Stau noch viel größer. Vielleicht würden sie solche Argumente verstehen...