Facebook und die Folgen

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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

So langsam bekomme ich einen gewissen Hass auf Facebook & Co. Nach dem Mord an der 11-jährigen Lena in Emden wurde zunächst ein 17-jähriger Tatverdächtiger für zwei Tage in Untersuchungshaft genommen. Sofort wurden auf Facebook nicht nur sein Name und seine Anschrift, sondern auch sein Foto veröffentlicht. Darüber hinaus wurde zur Lynchjustiz aufgerufen und eine Meute forderte vor der Polizeiwache die Herausgabe des jungen Mannes. Der junge Mann war unschuldig und wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Seither hält er sich mit seinen Eltern an einem geheimen Ort außerhalb von Emden auf und wird psychologisch betreut. Seine Familie und er dürften wohl in Emden und Umgebung nie wieder ein normales Leben führen können. Auch seine Eltern sind durch diese Facebookaktion in ihrer Heimatstadt „verbrannt“. Sie müssen ihre Wohnung aufgeben - eventuell sogar Wohneigentum - ihren Arbeitsplatz, ihre Freunde und Bekannten. Der junge Mann muss die Schule oder den Ausbildungsplatz wechseln, wenn er überhaupt einen neuen bekommt.

Natürlich steht ihm eine Haftentschädigung zu. Das sind 25 Euro pro angefangenem Tag. Davon werden aber 6 Euro für Unterkunft und Verpflegung abgezogen. Zusätzlich kann Entschädigung für Vermögensschaden geleistet werden, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von 25 € übersteigt und der Schaden nicht ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre. Doch wie ist der Vermögensschaden zu beziffern, den er und seine Eltern bisher erlitten und in Zukunft zu erleiden haben? Die Eltern haben noch nicht einmal Anspruch auf eine Haftentschädigung, da sie nicht inhaftiert waren.

Nun hat die Polizei nach Zeugenhinweisen den tatsächlichen Sexualmörder gefasst. Er wurde durch eine DNA-Analyse überführt und hat gestanden. Und schon wieder kursieren auf Facebook Fotos von ihn und seiner Familie. Und natürlich steht dort auch sein Name und seine Adresse.

Wenn das die neue Transparenz ist, welche die „Netzgemeinde“ meint, wenn das der politische Stil der Piratenpartei werden soll, dann sehe ich Deutschland - und den Rest der Welt - in Gefahr.

Es ist mir weiß Gott egal, wenn sich jemand auf Facebook zum Affen macht und ständig seine virtuellen Freunde über seine intimsten Geheimnisse auf dem Laufenden hält. Es ist mir sch...ß egal, ob er sich auf Schritt und Tritt von seinen "Freunden" virtuell verfolgen lassen will. Das ist einfach nur krank.

Aber was dort abgelaufen ist, ist nicht nur ein Eingriff in die Privatsphäre, das ist auch noch kriminell.
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JeDi
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Beitrag von JeDi »

Danke für diese wahren Worte.
Electrification
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Beitrag von Electrification »

Das Verhalten der Facebook-Hetzer und der Medien ist wirklich eine Katastrophe gewesen und sie werden es wieder tun. Nicht gerade die beste Werbung für eine stärkere Mitbestimmung der Bevölkerung.

Aber auch die Bevölkerung muss sich an die eigene Nase fassen, denn selber denken ist nicht verboten. Wieso ist es trotz dieser Prangeraktionen nicht möglich dass der 17jährige und seine Eltern wieder normal weiter leben, jetzt wo die Unschuld bewiesen ist?
Wie kann es sein dass da immer ein Makel haften bleibt? Wieso starten die Emdener nicht eine Aktion, um zu zeigen sie stehen hinter dieser Familie. Wenn die Bevölkerung ein Zeichen setzt, könnten sie vielleicht mit der Zeit wieder ihr geregeltes Leben aufnehmen ohne umziehen zu müssen.

Ich vermisse ebenso die Entschuldigungen, einerseits der Justiz, aber vor allem der Medien, die aus reiner Sensationsgier hier das Thema erst angeheizt haben.
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Jojo423
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Beitrag von Jojo423 »

Das Problem liegt doch nicht in Facebook, sondern in der Gesellschaft, die viel zu Informationsgeil ist, und immer alles gleich wissen will. Würde man der Polizei Zeit geben solche Sachen zu veröffentlichen, würde es nicht zu so etwas kommen!
Viele Grüße
Jojo423
JeDi
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Beitrag von JeDi »

Jojo423 @ 1 Apr 2012, 22:11 hat geschrieben: Das Problem liegt doch nicht in Facebook, sondern in der Gesellschaft, die viel zu Informationsgeil ist, und immer alles gleich wissen will. Würde man der Polizei Zeit geben solche Sachen zu veröffentlichen, würde es nicht zu so etwas kommen!
Ja wie immer. Facebook kann garnichts dafür.

Wenn jeden Tag 3 Eschede-Ähnliche Bahnunglücke passieren würden - könnte die Bahn dann da auch nichts für?
146225
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Beitrag von 146225 »

Medienschelte ist an dieser Stelle insoweit ggf. angebracht als das in derartigen bedauerlichen Fällen, wo ein junges Mädchen gewaltsam zu Tode kommt stets ein erheblicher Druck auf die Ermittler aufgebaut wird, möglichst schnell möglichst "tolle" Ergebnisse zu präsentieren. Da wird dann auch schon mal jemand, der zwar mit der Tat irgendwie in Verbindung gebracht werden kann, bei dem aber bei weitem noch nicht sicher ist, medial als "Killer" und ähnliches vermarktet.

Parteienschelte ist an dieser Stelle eher unangebracht: Genauso wie "Autobahn" die Piraten als Verfechter der Freiheit im Netz hier anprangern möchte, könnte ich sagen, die versuchte Lynchjustiz ist ein Opfer jener konservativen Kräfte in CDU und rechts davon, welche stets das hohe Lied der "Law-and-Order" - Politik singen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit medial über die zu lasche Justiz und die ineffektive Strafverfolgung in Deutschland jammern.

Menschenschelte ist an dieser Stelle ganz sicher angebracht: Selbst wenn jemand des mehrfachen grausamen Mordes sicher überführt wäre (und davon konnte ja bei weitem diesmal nicht die Rede sein!) ist er dennoch mit unverletzlichen Grundrechten, Menschenrechten, Mensch wie jeder andere auch. Wohl eines der schwierigeren Phänomene eines demokratischen Staatswesens, daß gewisse unveränderliche, unverletzliche, unveräußerliche Grundrechte auch für diejenigen gelten, welche diese Grundrechte ablehnen, geringschätzen, mit Füßen treten oder anderweitig für sich oder andere mißachten. Das ist im Strudel der Emotionen manchmal sehr schwer zu verstehen, bleibt aber dennoch richtiger- und dankenswerterweise so. Ausnahmen - so man von solchen sprechen darf - gibt es wohl erst in Dimensionen, welche sich den Begrifflichkeiten von Rechtsstaatlichkeit widersetzen. Beispiel? Sicherlich hat sich Baschr-al-Assad in Syrien bereits jetzt eines Völkermordes und zahllosen anderen Verbrechen in epischer Bandbreite schuldig gemacht. Doch wer will und kann ihn festnehmen und vor Gericht stellen? Hier können andere Mittel greifen, weil auch das Gefahrenpotential ungleich anders ist.

Aber bei einem Jugendlichen in Emden? Wer hier zu Lynchjustiz und anderen Schwachsinnigkeiten aufgerufen hat, der sollte sich was schämen - und sich dazu bekennen. Da allerdings die Feiglinge niemals aussterben, bleibt es wieder an der Polizei hängen, die auch in diesem Fall herausfinden muß, wer denn hier eigentlich nach den Grundrechten seiner Mitmenschen trachtet.

Fazit? Ein Mörder darf ein Mörder genannt werden und für seine Taten im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung bestraft werden. Aber eben erst dann, wenn alle Zweifel an der Täterschaft ausgeräumt sind. Ist eigentlich ganz einfach. Wer es vergessen hat, kann sich das jetzt wieder in Erinnerung rufen.
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Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Juhu, Facebook-Bashing.

Leute, der Grund für diese äußerst fragwürdigen und pietätlosen Aktionen sind weder Facebook, noch die BILD, noch Steve Jobs der irgendwo auf einer Wolke sitzt.

Der Grund liegt im Menschen selbst. In der Sensationsgier und in dem tiefen inneren Urinstinkt der Rache und der Lust auf Befriedigung irgendwelcher Urinstinkte. Facebook bietet dafür eine ideale Plattform (dummerweise mittels Klarnamen, also strafrechtlich recht schnell herauszufiltern) und BILD den Kanal. Den schwarzen Peter jetzt diesen beiden Medien zuzuschieben, behebt die Ursache nicht. Keine Frage, das enthebt diese Plattformen nicht von ihrer Verantwortung, und gerade bei der BILD muss man diese ganz stark kritisieren.

Aber was kann Facebook dafür, dass dort primatenähnlich auf Leute eingedroschen wird? Was kann Twitter dafür, dass Fotos von vermeintlich überführten Tätern mit der Adresse verknüpft werden?

Also bitte lasst mal die Kirche im Dorf. Abgesehen davon entwickeln sich genau so Gegenbewegungen, auf Facebook haben recht schnell die Kommentare die Oberhand gewonnen, welche sich über dieses Verhalten der Möchtegern-Lynchjuristen aufregen.

Was haben eigentlich die Piraten damit zu tun? Auch wenn ich die Positionen dieser Partei nicht immer wirklich nachvollziehen und mich mit ihnen identifizieren kann, aber den Aufruf zu irgendwelchen Hetzkampagnen sehe ich bei denen nicht. Aber Hauptsache man pflegt seine Feindbilder - im Prinzip nichts anderes, als das, was hier angeprangert wird.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Electrification @ 1 Apr 2012, 21:57 hat geschrieben:Nicht gerade die beste Werbung für eine stärkere Mitbestimmung der Bevölkerung.
Das hat mit Mitbestimmung der Bevölkerung kaum etwas zu tun. Mitbestimmen kann man auch ohne Facebook und Internet.
Electrification @ 1 Apr 2012, 21:57 hat geschrieben:Wieso ist es trotz dieser Prangeraktionen nicht möglich dass der 17jährige und seine Eltern wieder normal weiter leben, jetzt wo die Unschuld bewiesen ist?
Ja, die Unschuld ist bewiesen. Aber allein die Tatsache, das sich die Familien an einem geheimen Ort aufhält, spricht Bände. Vor allem musst Du Dich mal in die Situation des jungen Mannes und seiner Familie hinein versetzten. Nachbarn (in erweitertem Sinn) haben den Tod des 17-jährigen gefordert. Kann er diesen Menschen noch vertrauen? Die Frage ist sogar, ober er überhaupt noch einem Menschen vertrauen kann. Mit 17 Jahren ist ein Mensch noch nicht so gefestigt, das er über das erlebte Unrecht einfach hinweg sehen kann. Er ist traumatisiert.

Ich hoffe, er fängt sich wieder und ist kein Kandidat für einen Suizid.
Electrification @ 1 Apr 2012, 21:57 hat geschrieben:Wie kann es sein dass da immer ein Makel haften bleibt? Wieso starten die Emdener nicht eine Aktion, um zu zeigen sie stehen hinter dieser Familie. Wenn die Bevölkerung ein Zeichen setzt, könnten sie vielleicht mit der Zeit wieder ihr geregeltes Leben aufnehmen ohne umziehen zu müssen.
Das wäre eine großartige Idee. Wenn das WEB 2.0 dazu in der Lage wäre, würde es seiner Reputation einen großen Dienst erweisen. Doch Facebook & Co haben schon zu viel verbrannte Erde hinterlassen.

@ Bayernover

Sicher kann Facebook nichts dafür. Aber es ist die Plattform, über die solche Aufrufe verbreitet werden. Es mag richtig sein, das auch Gegenkommentare gepostet wurden.

Aber die Piraten sind doch für völlige Transparenz. Der Autofahrer Josef Kreuzhuber aus Hintertupfingen, Dorfstraße 135 fuhr am 31. Februar 2012 mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Hintertupfinger Dorfstraße in Untertupfingen. Anlage: Bild des Josef Kreuzhubers, seiner Ehefrau, seiner drei Kinder, seines Einfamilienhauses, seines Autos, Kopien seines Punktekontos in Flensburg, seines Steuerbescheides etc.
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hmmueller
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Beitrag von hmmueller »

Bayernlover @ 1 Apr 2012, 22:19 hat geschrieben: Leute, der Grund für diese äußerst fragwürdigen und pietätlosen Aktionen sind weder Facebook, noch die BILD, noch Steve Jobs der irgendwo auf einer Wolke sitzt.

Der Grund liegt im Menschen selbst. [...]
Genau weil der Grund im Menschen selbst liegt, kann Facebook etwas dafür: Der wesentliche Teil gesellschaftlicher Verantwortung - unter anderem einer Firma wie Facebook, die ein "social network" sein will und ist - besteht eben darin, alles zu vermeiden, was realen Menschen schadet, weil sie eben so sind, wie sie sind.

Analog: Das alte Argument der amerikanischen Waffenlobby "Nicht die Waffen schießen, sondern die Menschen" ist eben falsch: Man kann uns Menschen (mich eingeschlossen) nicht alle Mittel für alles in die Hand geben, weil wir eben nicht voll-rationale und voll-soziale Wesen sind, sondern mit Vorurteilen, Ängsten usw.usf. behaftete, die deswegen Dinge tun, die uns allen gemeinsam schaden.

Daher muss Facebook (und Co.) die Verantwortung für das Verhalten mitübernehmen, das es so erleichtert, dass es zu einem gesellschaftlichen Problem wird.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
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Beitrag von Bayernlover »

Autobahn @ 1 Apr 2012, 22:21 hat geschrieben: Wenn das WEB 2.0 dazu in der Lage wäre, würde es seiner Reputation einen großen Dienst erweisen. Doch Facebook & Co haben schon zu viel verbrannte Erde hinterlassen.
SZ: Wenn der Mob tobt
Denn so schnell die Wut im Netz hochgekocht war - so schnell war sie auch wieder verpufft. Oder besser: Sie hatte sich um 180 Grad gedreht. Nach dem 17-Jährigen standen nun die Hetzer selbst am Pranger. "Hoffentlich schämen sich die Leute im Mob!", schrieb eine Facebook-Nutzerin. Ein Anderer meinte: "Da sieht man mal wieder, wie Facebook auch der Ungerechtigkeit zugutekommen kann, wenn 50 Mann jemanden lynchen wollen, der nix getan hat, bevor seine Schuld/ Unschuld überhaupt bewiesen ist (. . .) so was geht gar nicht."
Und weiter geht es:
Der Medienethiker Rüdiger Funiok sprach in einer Deutschlandradio-Kultur-Sendung mit dem Titel "Lynchjustiz 2.0?" von einem "virtuellen Stammtisch", der noch lernen müsse, sich "zurückzuhalten". Was er nicht sagte, war, dass dieser Stammtisch, anders als andere Stammtische oder als Redaktionen getarnte Stammtische, zum Glück so groß ist, dass keine Blödheit lange unwidersprochen stehen bleibt.
Also mal den Ball flach halten, bitte.
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Beitrag von Alex101 »

Autobahn @ 1 Apr 2012, 21:09 hat geschrieben: Sofort wurden auf Facebook nicht nur sein Name und seine Anschrift, sondern auch sein Foto veröffentlicht. Darüber hinaus wurde zur Lynchjustiz aufgerufen und eine Meute forderte vor der Polizeiwache die Herausgabe des jungen Mannes.
Und was hat das jetzt unmittelbar mit Facebook zu tun?
Die Boulevardzeitungen, allen voran eine große deutsche Tageszeitung mit vier Buchstaben veröffentlichen doch schon seit Jahren (von der vollständigen Anschrift mal abgesehen) sämtliche Informationen über Verdächtige, die sie kriegen können. In der Regel genug um Rückschlüsse auf die Person ziehen zu können (zumindest wenn man sie kennt).
Dass das zu Lynchjustiz führt ist auch nicht neu und teilweise auch so gewollt. Viele Medien appellieren gerne an das "Gerechtigkeitsgefühl" des "kleinen Mannes" das sich nicht unbedingt mit der "juristischen Gerechtigkeit" deckt.
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Beitrag von Bayernlover »

hmmueller @ 1 Apr 2012, 22:26 hat geschrieben: Daher muss Facebook (und Co.) die Verantwortung für das Verhalten mitübernehmen, das es so erleichtert, dass es zu einem gesellschaftlichen Problem wird.
Dann müsste man in der Konsequenz auch dieses Forum verbieten, oder vergleichbare andere Angebote. Und Facebook lässt strafrechtlich relevante Äußerungen auch löschen, so ist es ja nicht.
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Beitrag von 146225 »

JeDi @ 1 Apr 2012, 22:16 hat geschrieben: Ja wie immer. Facebook kann garnichts dafür.

Wenn jeden Tag 3 Eschede-Ähnliche Bahnunglücke passieren würden - könnte die Bahn dann da auch nichts für?
Es ist die Kombination aus Verwendung, Ursache, Wirkung, Verantwortung, welche ein und denselben Gegenstand je nach Blickwinkel und Situation harmlos oder gefährlich erscheinen lassen.

"Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Nur allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist. (Paracelsus)

Tand - ist das Gebilde von Menschenhand. (Theodor Fontane)

Von daher - in der Richtung kannst du einige hundert Seiten völlig zu recht mit völlig legitimen Argumenten zukleistern, warum und wieso (nicht), auf höchster ethisch-moralischer-theologischer-philosophischer-ethnologischer Ebene - ohne zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen.

Und sollte vielleicht jemand, oder auch nicht. Schönen Abend in Deutschland. (Otto Waalkes)
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Beitrag von Electrification »

Bei Facebook und anderen geht ja nichts verloren. Wenn da jetzt einer in seinem Übermut den Aufhetzern zugestimmt hat mittels eines Beitrages und das später bereut, hat er ein Problem, denn es geht ja nichts verloren und das wird dann wahnsinnig gut ankommen, z. B. bei einer Jobsuche.

Ich denke die Leute werden immer mehr zu gläsernen Menschen und schon ein falsches Wort kann das Leben massiv verändern und beinträchtigen.

Aber grundsätzlich ist jeder selbst für sein eigenes Handeln verantwortlich. Nur ob Jugendliche immer dazu in der Lage sind? Bei Facebook dürften weit mehr als die Hälfte der Mitglieder aus dem Bereich Kind/Jugendlich kommen und die wissen oftmals gar nicht wovon sie reden oder ändern alle 5 Minuten ihre Meinung.
Beispiel wäre ein 15jähriger der gegen die Görlitzer Bank hetzt und später auf einmal Bankkaufmann wird und auf einmal gibt es eine tolle Stellenausschreibung der Görlitzer Bank die für diese Person ein Traumjob wäre. Nur erinnert man sich da aufgrund der Recherche genau an die Hetze gegen die Bank und schon ist die Bewerbung hinfällig.
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hmmueller
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Beitrag von hmmueller »

Bayernlover @ 1 Apr 2012, 22:32 hat geschrieben: Dann müsste man in der Konsequenz auch dieses Forum verbieten, oder vergleichbare andere Angebote. Und Facebook lässt strafrechtlich relevante Äußerungen auch löschen, so ist es ja nicht.
Wenn man mit "Verantwortung übernehmen" gleich "verbieten" assoziiert, dann würde der Schluss stimmen. Nur stimmt diese Assoziation nicht: Auch bei Waffen und beliebigen anderen Dingen, womit aller Erfahrung nach zwar wenige, aber leider doch über Einzelfälle hinausgehend viele Menschen gesellschaftlich Schädliches anstellen - und das ist nicht dann erst der Fall, wenn's im aktuellen Strafrecht verboten ist! -, verbietet man nicht, sondern verlangt von der Gesellschaft (durch Gesetze) und allen Beteiligten, dass sie sich überlegen, wie man den jeweiligen - unbestrittenen - Nutzen erhält und trotzdem durch (vielleicht komplexe) Regeln den Schaden verhindert. Telekommunikationsgesetze, Waffengesetze und vieles mehr sind deshalb entstanden und i.d.R. nicht einfach.

Also: Nein - natürlich verbietet man konsequenterweise dieses Forum nicht. Aber wenn dieses Forum auf Wegen, die ich mir jetzt nicht ausmale, zu gesellschaftlichen Problemen führt, die über extrem einzelne Fälle hinausgehen, dann wird man die Betreiber ziemlich schnell auffordern, sich gemeinsam mit Leuten, die sich darüber Sorgen machen, zusammenzusetzen und Wege zu finden, um solches Verhalten zu verhindern. Das bleibt jetzt so im Allgemeinen, weil wir gottseidank (aber für die als Erste Betroffenen häufig leider) erst dann mit Verboten und anderen Regeln reagieren, wenn sich mehr als einmal gezeigt hat, dass ein soziales Medium auch negative Konsequenzen hat. Aber wenn's soweit ist, muss man (=jener, der das Service/Medium zur Verfügung stellt; und jene, die sich Sorgen machen oder gewähltermaßen Sorgen zu machen haben) reagieren.

// Edit: Grammatik-, Tippfehler korr.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
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Beitrag von Bayernlover »

Electrification @ 1 Apr 2012, 23:07 hat geschrieben: Bei Facebook und anderen geht ja nichts verloren. Wenn da jetzt einer in seinem Übermut den Aufhetzern zugestimmt hat mittels eines Beitrages und das später bereut, hat er ein Problem, denn es geht ja nichts verloren und das wird dann wahnsinnig gut ankommen, z. B. bei einer Jobsuche.
Wer nicht in der Lage ist, seine geistigen Ergüsse so im Griff zu haben, oder zumindest die Einstellungen zu kennen, wie man sie hinterher unsichtbar machen kann, hat es eben nicht anders verdient.

Übrigens reden wir hier schon wieder über den Schutz der Täter. Die sind mir aber eigentlich wurst, und darum ging es auch gar nicht. Hier geht es primär darum, wie man die persönlichen Daten und die Privatsphäre sowie die Würde des unschuldig Vorverurteilten schützen kann. Da fällt mir außer einem Verbot bzw. strenger Überwachung nichts ein. Technische Filter sind da wirkungslos.

Vielleicht müssen wir auch einfach akzeptieren, dass Menschen so sind. Das ist zwar traurig, aber im Moment sehe ich keinen anderen Ausweg. Außer natürlich das böse Internet zu verbieten, und die ganz bösen Piraten gleich mit.
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Beitrag von DumbShitAward »

Ich finde es (und das sage ich als jemand der Facebook nicht sehr viel abgewinnen kann und es auch nicht nutzt) schon ein wenig witzig, wenn hier Facebook als (zweifelhaftes) Aushängeschild des Web 2.0 für das Fehlverhalten der Massen herhalten muss.

Dass es Medien gibt, die Leben Unschuldiger mit voller Absicht zerstören ist wahrlich kein neues Phänomen... Da gab es sogar schon literarische Aufbarbeitungen. Wer es nicht glaubt der möge mal seine Bildungslücken bei Heinrich Böll füllen...
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 1 Apr 2012, 22:21 hat geschrieben: Aber die Piraten sind doch für völlige Transparenz. Der Autofahrer Josef Kreuzhuber aus Hintertupfingen, Dorfstraße 135 fuhr am 31. Februar 2012 mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Hintertupfinger Dorfstraße in Untertupfingen. Anlage: Bild des Josef Kreuzhubers, seiner Ehefrau, seiner drei Kinder, seines Einfamilienhauses, seines Autos, Kopien seines Punktekontos in Flensburg, seines Steuerbescheides etc.
Muss ich das noch kommentieren? Ich glaube nicht.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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Beitrag von 146225 »

Bayernlover @ 1 Apr 2012, 23:27 hat geschrieben: Übrigens reden wir hier schon wieder über den Schutz der Täter. Die sind mir aber eigentlich wurst, und darum ging es auch gar nicht.
Ich sag das an dieser Stelle unpopulärerweise glatt noch einmal: Auch rechtskräftig verurteilte Straftäter haben Rechte - genau wie jeder andere Mensch. Ihnen diese Rechte zu gewähren, hat noch nix mit "Täterschutz" zu tun, sondern mit Rechtsstaat und Demokratie.
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Beitrag von 146225 »

Boris Merath @ 2 Apr 2012, 00:00 hat geschrieben: Muss ich das noch kommentieren? Ich glaube nicht.
Nein, musst Du auch nicht - in eher konservativen (und oftmals rentennahen) Kreisen gilt ja die Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen ohnehin als Belästigung des "freien Bürgers" der sein "gutes Recht" auf "freie Fahrt" wahr genommen hat. Der weitere Faden in Richtung der Piraten ist ohnehin völliger Blödsinn.

:wacko:
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Beitrag von Bayernlover »

146225 @ 2 Apr 2012, 05:51 hat geschrieben: Ich sag das an dieser Stelle unpopulärerweise glatt noch einmal: Auch rechtskräftig verurteilte Straftäter haben Rechte - genau wie jeder andere Mensch. Ihnen diese Rechte zu gewähren, hat noch nix mit "Täterschutz" zu tun, sondern mit Rechtsstaat und Demokratie.
Oh, dann muss ich das korrigieren. Mit "Täter" meinte ich hier diejenigen, die zur Hetze aufgerufen haben. Weiter oben wird dann Mitleid mit denen gehabt, weil das könnte sie ja später Jobs kosten etc. pp.

Dazu meinte ich, dass diese dann selbst schuld wären. Und dass Facebook nicht in der Verantwortung steht, die Leute vor sich selbst zu schützen.
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Beitrag von JNK »

Autobahn @ 1 Apr 2012, 22:21 hat geschrieben:Aber die Piraten sind doch für völlige Transparenz. Der Autofahrer Josef Kreuzhuber aus Hintertupfingen, Dorfstraße 135 fuhr am 31. Februar 2012 mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Hintertupfinger Dorfstraße in Untertupfingen. Anlage: Bild des Josef Kreuzhubers, seiner Ehefrau, seiner drei Kinder, seines Einfamilienhauses, seines Autos, Kopien seines Punktekontos in Flensburg, seines Steuerbescheides etc.
Es ist schon bemerkenswert, wie sich hier eine Person über die deutschlandweite Wirkung von geposteten Schwachsinn aufregt (inhaltlich sicher zurecht) und über Facebook-Nutzer schimpft, aber selbst Unsinn verzapft ohne Ahnung zu haben. Es ist erbärmlich die tragischen Ereignisse in Emden dazu zu nutzen, gegen eine einem selbst unliebsame Partei zu hetzen.
Privatsphäre und Datenschutz

Der Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz gewährleisten Würde und Freiheit des Menschen. Die moderne freiheitlich-demokratische Gesellschaftsform wurde in der Vergangenheit auch unter Einsatz zahlloser Menschenleben erkämpft und verteidigt.

Allein das 20. Jahrhundert kennt in Deutschland zwei Diktaturen, deren Schrecken wesentlich durch den fehlenden Respekt vor dem einzelnen Menschen und durch allgegenwärtige Kontrolle gekennzeichnet war. Von den technischen Mitteln heutiger Zeit haben aber die Diktatoren aller Zeiten nicht einmal zu Träumen gewagt. Die überwachte Gesellschaft entsteht momentan allein dadurch, dass sie technisch möglich geworden ist und den Interessen von Wirtschaft und Staat gleichermaßen dient. Die Piratenpartei sagt dieser Überwachung entschieden den Kampf an. Jeder einzelne Schritt auf dem Weg zum Überwachungsstaat mag noch so überzeugend begründet sein, doch wir Europäer wissen aus Erfahrung, wohin dieser Weg führt, und dahin wollen wir auf keinen Fall.
Privatsphäre

Das Recht auf Wahrung der Privatsphäre ist ein unabdingbares Fundament einer demokratischen Gesellschaft. Die Meinungsfreiheit und das Recht auf persönliche Entfaltung sind ohne diese Voraussetzung nicht zu verwirklichen.

Systeme und Methoden, die der Staat gegen seine Bürger einsetzen kann, müssen der ständigen Bewertung und genauen Prüfung durch gewählte Mandatsträger unterliegen. Wenn die Regierung Bürger beobachtet, die nicht eines Verbrechens verdächtig sind, ist dies eine fundamental inakzeptable Verletzung des Bürgerrechts auf Privatsphäre. Jedem Bürger muss das Recht auf Anonymität garantiert werden, das unserer Verfassung innewohnt. Die Weitergabe personenbezogener Daten vom Staat an die Privatwirtschaft hat in jedem Falle zu unterbleiben.

Das Briefgeheimnis soll erweitert werden zu einem generellen Kommunikationsgeheimnis. Zugriff auf die Kommunikationsmittel oder die Überwachung eines Bürgers darf der Regierung nur im Falle eines sicheren Verdachts erlaubt werden, dass dieser Bürger ein Verbrechen begehen wird. In allen anderen Fällen soll die Regierung annehmen, ihre Bürger seien unschuldig, und sie in Ruhe lassen. Diesem Kommunikationsgeheimnis muss ein starker gesetzlicher Schutz gegeben werden, da Regierungen wiederholt gezeigt haben, dass sie bei sensiblen Informationen nicht vertrauenswürdig sind.

Speziell eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten widerspricht nicht nur der Unschuldsvermutung, sondern auch allen Prinzipien einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft. Der vorherrschende Kontrollwahn stellt eine weitaus ernsthaftere Bedrohung unserer Gesellschaft dar als der internationale Terrorismus und erzeugt ein Klima des Misstrauens und der Angst. Flächendeckende Videoüberwachung öffentlicher Räume, fragwürdige Rasterfahndungen, zentrale Datenbanken mit unbewiesenen Verdächtigungen sind Mittel, deren Einsatz wir ablehnen.
Informationelle Selbstbestimmung

Das Recht des Einzelnen, die Nutzung seiner persönlichen Daten zu kontrollieren, muss gestärkt werden. Dazu müssen insbesondere die Datenschutzbeauftragten völlig unabhängig agieren können. Neue Methoden wie das Scoring machen es erforderlich, nicht nur die persönlichen Daten kontrollieren zu können, sondern auch die Nutzung aller Daten, die zu einem Urteil über eine Person herangezogen werden können. Jeder Bürger muss gegenüber den Betreibern zentraler Datenbanken einen durchsetzbaren und wirklich unentgeltlichen Anspruch auf Selbstauskunft und gegebenenfalls auf Korrektur, Sperrung oder Löschung der Daten haben.

Erhebung und Nutzung biometrischer Daten und Gentests erfordern aufgrund des hohen Missbrauchspotentials eine besonders kritische Bewertung und Kontrolle von unabhängiger Stelle. Der Aufbau zentraler Datenbanken mit solchen Daten muss unterbleiben. Generell müssen die Bestimmungen zum Schutze personenbezogener Daten die Besonderheiten digitaler Daten, wie etwa mögliche Langlebigkeit und schwer kontrollierbare Verbreitung, stärker berücksichtigen. Gerade weil die Piratenpartei für eine stärkere Befreiung von Information, Kultur und Wissen eintritt, fordert sie Datensparsamkeit, Datenvermeidung und unabhängige Kontrolle von personenbezogenen Daten, die für wirtschaftliche oder Verwaltungszwecke genutzt werden und damit geeignet sind, die Freiheit und die informationelle Selbstbestimmung des Bürgers unnötigerweise zu beschränken.
Aus dem Wahlprogramm der Piraten. Erst anschließend kommt das Kapitel "Transparenz des Staatswesens"

Disclaimer: Ich bin kein Pirat.

Im Übrigen kann man sich der Meinung von 146225 nur anschließen und noch folgenden Hinweise auf die Medien und ihre Folgen geben:
http://www.bildblog.de/37768/monster-erschaffen/
http://www.bildblog.de/37796/eine-hand-wae...re-in-unschuld/
http://www.bildblog.de/37807/eine-hand-wae...-in-unschuld-2/

Außerdem sei dem Wutschäumenden noch gesagt, dass die Polizei gegen die Hetzer ermittelt, ins schönster rechtstaatlicher Ordnung.
Electrification
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Beitrag von Electrification »

Bayernlover @ 2 Apr 2012, 07:59 hat geschrieben: Oh, dann muss ich das korrigieren. Mit "Täter" meinte ich hier diejenigen, die zur Hetze aufgerufen haben. Weiter oben wird dann Mitleid mit denen gehabt, weil das könnte sie ja später Jobs kosten etc. pp.
Ich meinte gar nicht die Hetzer, ich habe von Facebook allgemein gesprochen und da schreiben zu viele was sie später belasten kann. Viele Jugendliche sind aber noch nicht reif genug das zu überblicken, daher ist ein "selber schuld" dann vielleicht auch schwer. Jeder hat sicher als Jugendlicher etwas gemacht, was er später bereut hat oder was er so nie gesagt hätte.

Mit den Hetzern muss man kein Mitleid haben, die werden hoffentlich für diese Aufrufe bestraft.

Was Täter allgemein angeht gelten für sie die gleichen Rechte wie für normale Menschen. Aber im Rahmen der rechtsstaatlichen Möglichkeiten müsste man schon an die Maximalstrafzeit rankommen in schweren Fällen.
Das einzige was man der Justiz ankreiden kann ist dass man oftmals zu nachsichtig ist und das maximal mögliche nicht ausgereizt wird.
Die Bewährungsstrafe in Berlin z. B. wird von niemandem so richtig verstanden, vor allem da die Täter ja nicht das erste Mal aufgefallen sind. Das ist ein falsches Signal an ähnlich gelagerte, vor allem wenn man dann auch noch dreisterweise dem Opfer eigene Schuld unterstellt (mag sein, aber gerade in solchen Fällen sage ich das nicht, weil das falsche Zeichen setzt).
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TramPolin
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Beitrag von TramPolin »

Autobahn @ 1 Apr 2012, 21:09 hat geschrieben: So langsam bekomme ich einen gewissen Hass auf Facebook & Co. Nach dem Mord an der 11-jährigen Lena in Emden wurde zunächst ein 17-jähriger Tatverdächtiger für zwei Tage in Untersuchungshaft genommen. Sofort wurden auf Facebook nicht nur sein Name und seine Anschrift, sondern auch sein Foto veröffentlicht. Darüber hinaus wurde zur Lynchjustiz aufgerufen und eine Meute forderte vor der Polizeiwache die Herausgabe des jungen Mannes. Der junge Mann war unschuldig und wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Seither hält er sich mit seinen Eltern an einem geheimen Ort außerhalb von Emden auf und wird psychologisch betreut. Seine Familie und er dürften wohl in Emden und Umgebung nie wieder ein normales Leben führen können. Auch seine Eltern sind durch diese Facebookaktion in ihrer Heimatstadt „verbrannt“. Sie müssen ihre Wohnung aufgeben - eventuell sogar Wohneigentum - ihren Arbeitsplatz, ihre Freunde und Bekannten. Der junge Mann muss die Schule oder den Ausbildungsplatz wechseln, wenn er überhaupt einen neuen bekommt.

Natürlich steht ihm eine Haftentschädigung zu. Das sind 25 Euro pro angefangenem Tag. Davon werden aber 6 Euro für Unterkunft und Verpflegung abgezogen. Zusätzlich kann Entschädigung für Vermögensschaden geleistet werden, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von 25 € übersteigt und der Schaden nicht ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre. Doch wie ist der Vermögensschaden zu beziffern, den er und seine Eltern bisher erlitten und in Zukunft zu erleiden haben? Die Eltern haben noch nicht einmal Anspruch auf eine Haftentschädigung, da sie nicht inhaftiert waren.

Nun hat die Polizei nach Zeugenhinweisen den tatsächlichen Sexualmörder gefasst. Er wurde durch eine DNA-Analyse überführt und hat gestanden. Und schon wieder kursieren auf Facebook Fotos von ihn und seiner Familie. Und natürlich steht dort auch sein Name und seine Adresse.

Wenn das die neue Transparenz ist, welche die „Netzgemeinde“ meint, wenn das der politische Stil der Piratenpartei werden soll, dann sehe ich Deutschland - und den Rest der Welt - in Gefahr.

Es ist mir weiß Gott egal, wenn sich jemand auf Facebook zum Affen macht und ständig seine virtuellen Freunde über seine intimsten Geheimnisse auf dem Laufenden hält. Es ist mir sch...ß egal, ob er sich auf Schritt und Tritt von seinen "Freunden" virtuell verfolgen lassen will. Das ist einfach nur krank.

Aber was dort abgelaufen ist, ist nicht nur ein Eingriff in die Privatsphäre, das ist auch noch kriminell.
Den Hass auf Facebook kann ich nicht nachvollziehen. Was hat Facebook hier eigentlich verbrochen? Hetze und Mobbing wird immer noch von den Menschen selbst betrieben. Das ist aufs Schärfste abzulehnen, entsprechend muss gegen Straftaten auch vorgegangen werden und entsprechende Daten, die Gesetze verletzen, vom Betreiber - hier entsprechend Facebook - gelöscht werden.

Facebook selbst liefert die Plattform. Man könnte Facebook und den sozialen Netzwerken allenfalls vorhalten, dass sie die Verbreitung von Informationen in nie dagewesener Breite und Geschwindigkeit ermöglichen. Das kann jetzt Lob und Kritik gleichermaßen sein.

Leute mit konservativer Einstellung hätten so gesehen kurz nach Erfindung des Telefons fordern müssen, dass dieses verboten oder das Telefonnetz zumindest rigoros überwacht werden müsse, da sich Leute nun leichter für Straftaten verabreden könnten und die Anzahl an schweren Straftaten seit Einführung des Telefons gestiegen sei. Vielleicht haben das ja auch einige Konservative gefordert.

Das was Du den Piraten mit der Transparenz unterstellst, ist Quatsch. Die Piraten setzen sich für mehr Datenschutz und Privatsphäre ein, also für das Gegenteil von dem, das Du hier behauptest. Aber der Fall in Emden ist zumindest eine Gelegenheit, gegen eine Partei zu polemisieren, weil diese vielleicht anders und liberal ist. Mich erinnert das an das Geschimpfe und die Hetze gegen die Grünen in ihrer Anfangszeit. Denen wurde ja vorgeworfen, sie wollten das Land unregierbar machen. Jetzt droht also unseren Land wieder dasselbe, das damals schon nicht eingetreten ist.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@ TramPolin

Gut, ich bin im Prinzip ein konservativer Mensch. Aber so stockkonservativ bin ich auch nicht, sonst würde ich nicht das Internet nutzen. Ich hatte von Anfang an eine Abneigung gegen Facebook und ähnliche Portale. Freunde habe ich im wirklichen Leben, und denen erzähle ich auch nicht alles!

Ich bin nicht bei Facebook und werde es auch nie sein. Erstens habe ich der Welt nichts privates mitzuteilen, zweitens will ich nichts privates von anderen Menschen wissen! Jedenfalls nicht auf diese Weise, wo jeder x-beliebige mitlesen kann.

Der Vorfall von Emden hat für mich das Fass zum Überlaufen gebracht. Natürlich ist Facebook nur eine Plattform, aber sie trägt meiner Meinung nach ein Mitverschulden, weil sie so etwas nicht unterbinden kann. Selbst wenn Facebook solche Einträge löschen würde, sie geistern weiter durchs Netz (und das Facebook nicht wirklich unwiderruflich löscht dürfte mittlerweile bekannt sein).

Was ist den nun mit den Piraten? Fordern sie Transparenz oder Datenschutz?

Unter Transparenz verstehe ich, dass jeder alles wissen soll. Datenschutz ist aber genau das Gegenteil davon.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Beitrag von Rathgeber »

Wenn sich Menschen im Eisenbanforum beleidigen, ist es dann die Schuld der Admins und Moderatoren?
Wohl kaum.

Facebook ist halt häufig nichts anderes als ein virtueller Stammtisch. Dafür kann Zuckerberg nun auch nichts.
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Jean
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Beitrag von Jean »

War das nicht Transparenz in der POLITIK und Datenschutz für die Privaten?
Für den ÖPNV Ausbau Gegen Experimente und Träuereien. Eine Trambahn braucht einen eigenen Fahrweg, unabhängig vom MIV!
Fahrradwege auf Kosten des ÖPNV braucht keiner!
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TramPolin
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Beitrag von TramPolin »

Autobahn @ 2 Apr 2012, 17:10 hat geschrieben:Unter Transparenz verstehe ich, dass jeder alles wissen soll.
Wie leitest Du das ab? Das wäre eher etwas wie radikale, bedingungslose Transparenz. Davon war nicht die Rede.

Was Leute privat treiben, solange alles legal ist, muss nicht transparent sein. Hier hat jeder die eigene Verantwortung, was er veröffentlicht. Transparenz wünsche ich mir z.B. bei Unternehmen und Politikern. Was haben Politikern z.B. für Nebenjobs, die zu einem Interessenkonflikt führen können? Wenn ein Politiker mehrere Geliebte hat, ist das sein Privatvergnügen, hier hat niemand Transparenz zu fordern. Bei Unternehmen ergibt Transparenz Sinn, wenn es z.B. um Themen wie Schadstoffe in Lebensmitteln geht oder Kinderarbeit.

Es muss also ein gewisses öffentliches Interesse da sein. Da meine ich aber nicht das Interesse von Friseurzeitschriften lesenden Kundinnen, die Promi- und Adelsklatsch lesen wollen und Interesse an noch mehr Enthüllungen haben.

Unternehmen, aber auch Politiker, sollten also gezwungen werden, verschiedene Dinge offenzulegen, bzw. müssen es jetzt schon. Das verstehe ich unter Transparenz. Dagegen spreche ich mich unter anderem gegen eine verdachtsunabhängige Überwachung aller Bürger aus, ebenso ist das die Maxime der Piratenpartei.

Transparenz und Datenschutz lassen sich also schon vereinbaren, wobei man natürlich streiten kann, wo die Grenze genau zu ziehen ist.
Electrification
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Beitrag von Electrification »

Ich bin den sozialen Medien ja sehr offen gegenüber und habe grundsätzlich nichts gegen Facebook. Allerdings hat Facebook eine zu große Macht, es wäre besser es würde eine vielzahl von Anbietern, auch regionale Anbieter, geben, so dass nicht ein Riese alles kontrolliert.

Wenn jemand bei Facebook Daten löscht sind sie immer noch vorhanden, auch bei Facebook und eigentlich sollten Daten die gelöscht werden auch unwiederbringlich verloren sein, sonst kann man sich das löschen gleich sparen.
Wie gesagt, jemand erzählt etwas was er später bereut und will sich davon distanzieren, löscht es und dann sollte es auch weg sein. Ansonsten kann man über jeden Menschen eine Akte anlegen, hatten wir ja auch schon.

Die Mitgliedschaft ist freiwillig, jeder weiß was er schreibt und muss das verantworten, allerdings muss das was gelöscht wird auch verloren sein.
yeg009a

Beitrag von yeg009a »

DumbShitAward @ 1 Apr 2012, 23:36 hat geschrieben:Dass es Medien gibt, die Leben Unschuldiger mit voller Absicht zerstören ist wahrlich kein neues Phänomen...
Das machen nicht nur die Medien, auch die Justiz tut es teilweise.
Electrification hat geschrieben: Was Täter allgemein angeht gelten für sie die gleichen Rechte wie für normale Menschen. Aber im Rahmen der rechtsstaatlichen Möglichkeiten müsste man schon an die Maximalstrafzeit rankommen in schweren Fällen.
Dasselbe gilt auch für die angebliche Täter, die in rechtsstaatlicher Hinsicht bei nachgewiesener Unschuld freigesprochen werden müssen. Dennoch ist das, was ich jetzt gerade schreibe, jenseits der Realität! Sprich: Eine Illusion.
--> Nicht vergessen: Rechtsstaatlichkeit steht nur auf dem Papier!


Ich finde es nur gut, daß der Verdächtigte, der offensichtlich unschuldig ist, frei ist. Allerdings nicht so, wie man es sich wünscht. Das ist schon Menchenunwürdig, daß der 17-jährige (heute 18(?)) Jugendliche und seine Eltern aus Angst vor dem Facebook-Mob weit weg von der Heimat leben müssen und nicht mehr normal leben können.
Electrification hat geschrieben: Die Mitgliedschaft ist freiwillig, jeder weiß was er schreibt und muss das verantworten, allerdings muss das was gelöscht wird auch verloren sein.
Solange das nicht strafrechtlich relevant ist, dürfte das gelöschte komplett vernichtet werden, denke ich mal. Aber: Enthält der Text einige Passagen, das strafrechtlich relevant ist, dann müßte das gelöschte aber gesammelt werden, damit der Kommentar als Beweismittel dem Gericht bzw. der Polizei vorgelegt werden kann.

Ich bin zum Glück nicht beim Facebook registriert. Es reicht aus, den Namen der Webseite zu lesen, dann habe ich sehr schnell einen Zweifel an der Seriosität dieser Seite, und wie man die Situation heute sieht - zu Recht!
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