20 Jahre Bahnreform in Deutschland

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

146225 @ 11 Oct 2020, 08:20 hat geschrieben:Wenn Abellio tatsächlich den Rückzug antritt - und zwar nicht auf die Weise wie die SNCF über die Tochter Keolis Eurobahn, die sich einfach auf keine neuen Ausschreibungen mehr bewirbt - dann bin ich mal gespannt, wer deren Leistungsvolumen "mal eben" übernehmen möchte.
Naja, ich denke nicht, dass Abellio einfach morgen Insolvenz anmeldet und "Städtebahn" spielt. Abellio NRW dementiert eine Einstellung des Zugverkehrs.

Das Grundproblem dahinter ist der viel interessantere Aspekt: Vor Corona hatten vergleichsweise gut laufende SPNV-Netze Renditen von 1% und weniger. In einem verdammt kapitalintensiven Geschäft ist das schon kritisch. Jetzt haben wir mit Corona eine besondere Lage: Die Ticketerlöse sinken, die Aufgabenträger zahlen nicht mehr, wollen aber die Zugleistungen auch nicht kürzen bzw. wenn ja, dann zahlen sie auch weniger. Das heißt, die Auftragnehmer haben wenig Einfluss und sind auf Gedeih und Verderb dem Aufgabenträger ausgeliefert. Wenn der nicht mehr zahlt, der Eigentümer aber auch nicht kann oder möchte, bleibt eigentlich nur noch eine Bank, die ihr Geld nicht wiedersehen will, damit sich das ausgeht. Abellio ist ja kein Einzelfall, vor einigen Jahren meldete agilis öffentlich, dass sie "mit der Gesamtsituation unzufrieden" seien. Im Gegensatz zu anderen Bereichen, wo u.a. der Staat ausschreibt, ist der SPNV schon nah an der Grenze zu dem, was man im kleinen Maßstab Scheinselbstständigkeit nennt. Wenn der Dachdecker mit dem Rathausdach ein schlechtes Geschäft macht, hat der im gleichen Ort noch zig Dächer in der Privatwirtschaft, wo er sich bewerben könnte. Im SPNV ist der Aufgabenträger gegenüber Fahrgast und EVU aber Monopolist, weiß das und verhält sich entsprechend.

Die viel wichtigere Frage ist daher, was passiert eigentlich, wenn sich keiner mehr findet, der bei dem für den Steuerzahler lustigerweise absurd teuren Preisdumping mitmachen möchte? Oder anders: Was passiert eigentlich, wenn die DB AG kein Geld direkt vom Bund bekäme?

Sorry, aber das erinnert alles an die Zeitungsberichte aus den 70ern. Wegen sinkender Fahrgeldeinnahmen und steigender Personalkosten liefen damals nach der Ölpreiskrise dem Staat die Kosten aus dem Ruder und konnten durch u.a. Rationalisierungen (bildlich: 141 statt alte 038) kaum mehr kaschiert werden. Daraufhin hat der Bundestag die Notbremse gezogen und die DB mehrfach zu Kürzungen beim Angebot verdonnert. Vor allem 1974 (der Zusammenhang mit dem Wirtschaftseinbruch ist erkennbar?) hat damals auf zwei Jahrzahnte massiv Spuren hinterlassen und in der Umsetzung eine zweite Stilllegungswelle, Angebotsumstellungen, so irre Ideen wie das betriebswirtschaftlich optimale Rumpfnetz und vor allem einen Investitionsstopp mit sich gebracht hat. 2020 wird das Jahr sein, in dem den EVU die Kosten aus dem Ruder laufen werden. Fast alle E-Netze sind auf moderne Drehstromfahrzeuge umgestellt, bei den Gehältern und dem Personalbestand ist die Untergrenze längst unterschritten und im Gegensatz zu den 2000ern, wo man aus technischem Fortschritt (bildlich: Drehstrom-425 statt alte 141) noch massive Einsparungen generieren könnte, die man als Erfolg des Wettbewerbs verkaufen konnte, sind längst vorbei. Im Gegensatz zur Staatsbahn damals werden private Unternehmen heute jedenfalls nicht 20 Jahren lang ihre Betriebsdefizite (!) durch Kredite finanzieren.

Am Ende wird das so oder so dem Staat um die Ohren fliegen. Ob es dauerhaft mehr Geld geben wird, ist nach 2020 fraglich, trotz Verkehrswende. Im Gegenteil. Und was ich, wenn man es zu Ende denkt, für verzichtbarer halte als Zugfahrten, ist der Aufwand für Ausschreibungen und die Gewinnausschüttungen an die EVU, Leasingfirmen, Personal- und Wartungsdienstleistern etc. Selbst wenn z.B. Abellio Miese macht, heißt das ja nicht, dass Geld von Fahrgästen und Staat nicht trotzdem in private Kassen abfließt statt den Betrieb von ein paar Zugfahrten mehr zu finanzieren.
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

Hmm lass es mich mal so sagen... Ein neuer EVU kann dafür sorgen das neue Garnituren fahren statt alter Staatsbahn Wagen.
Ich kann nur sagen das bei uns die ÖBB früher auf den Nebenstrecken das schlimmste und älteste Material eingesetzt hatte und deswegen die Leute aufs Auto umgestiegen sind. Neben den ganzen eingestellten Strecken fahren auf manchen "neue" Unternehmen wie die NÖVOG die zb. auf der Mariazeller Bahn seit gefühlt hunderten Jahren neue Garnituren angeschafft hat und siehe da (!) zusammen mit ein paar Bauarbeiten an der Strecke konnte die Fahrzeit verringert werden und für die meisten Fahrgäste hat sich der comfort deutlich erhöht. Die Staatsbahn ist leider oftmals Betriebsblind und oder einfach nur ein Beamtenhaufen.
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Beitrag von TramBahnFreak »

einen_Benutzernamen @ 11 Oct 2020, 20:37 hat geschrieben: Hmm lass es mich mal so sagen... Ein neuer EVU kann dafür sorgen das neue Garnituren fahren statt alter Staatsbahn Wagen.
Ich kann nur sagen das bei uns die ÖBB früher auf den Nebenstrecken das schlimmste und älteste Material eingesetzt hatte und deswegen die Leute aufs Auto umgestiegen sind. Neben den ganzen eingestellten Strecken fahren auf manchen "neue" Unternehmen wie die NÖVOG die zb. auf der Mariazeller Bahn seit gefühlt hunderten Jahren neue Garnituren angeschafft hat und siehe da (!) zusammen mit ein paar Bauarbeiten an der Strecke konnte die Fahrzeit verringert werden und für die meisten Fahrgäste hat sich der comfort deutlich erhöht. Die Staatsbahn ist leider oftmals Betriebsblind und oder einfach nur ein Beamtenhaufen.
Nix verstanden, Thema verfehlt.

Vielen Dank für deine sachkundige Eisnchätzung!
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Nicht ganz neu, war hier aber noch nicht, glaub ich:
Handelsblatt, 30. Juli 2020: Wettbewerb auf der Schiene ist eine Illusion

"Kritiker und Konkurrenten des Staatskonzerns fordern seit Jahren eine zweite Bahnreform. Dafür ist es in der Tat höchste Zeit. Aber wohl eher mit dem Eingeständnis, dass sich die Schiene nicht wirklich für radikalen Wettbewerb eignet. Schon gar nicht, wenn die Eisenbahn Kern einer Verkehrs- und Klimapolitik sein soll. In der Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir Abschied genommen vom Rausch der Privatisierung. Jetzt in der Coronakrise sollten wir uns von der Illusion verabschieden, eine umweltfreundliche und mobilitätsgerechte Eisenbahn sei zum Nulltarif zu haben. Wir müssen nur festlegen, was uns die in Euro wert ist."
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Beitrag von 146225 »

Das ganz große Risiko dabei: in einem Staat wie Deutschland wird die Eisenbahn dauerhaft zu wenig wert sein. "Man" hat ja ein Auto.
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Jean
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Beitrag von Jean »

146225 @ 2 Nov 2020, 07:32 hat geschrieben: Das ganz große Risiko dabei: in einem Staat wie Deutschland wird die Eisenbahn dauerhaft zu wenig wert sein. "Man" hat ja ein Auto.
Ich fürchte da hast du Recht.
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Bahnblogstelle: Abellio Mitteldeutschland droht mit Kündigung der Verkehrsverträge

"Einem Medienbericht zufolge droht das private Bahnunternehmen Abellio Mitteldeutschland mit einer Vertragskündigung. (...) Sollte das Unternehmen den Betrieb tatsächlich einstellen, müssten die zuständigen Aufgabenträger (...) einen Notbetrieb für die betroffenen Strecken erarbeiten."
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Beitrag von Entenfang »

Ach, ein paar DBuza und 143 und Ferkeltaxen wird man schon noch finden. :D
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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218 466-1
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Beitrag von 218 466-1 »

Rohrbacher @ 13 Nov 2020, 14:15 hat geschrieben:Bahnblogstelle: Abellio Mitteldeutschland droht mit Kündigung der Verkehrsverträge

"Einem Medienbericht zufolge droht das private Bahnunternehmen Abellio Mitteldeutschland mit einer Vertragskündigung. (...) Sollte das Unternehmen den Betrieb tatsächlich einstellen, müssten die zuständigen Aufgabenträger (...) einen Notbetrieb für die betroffenen Strecken erarbeiten."
Waaas? :o Das müssen Fake News sein, weil lt. manchen Usern hier sind drohende Betriebseinstellungen doch so Bundesbahn und mit der schönen, modernen Ausschreibungsbahn niemalsnicht mehr möglich. :ph34r:

Das ganze dürfte dazu dienen, sich wegen Einnahmeausfällen durch Fahrgast-Schwund, Corona-Bonus zu erschleichen, den es vom Bund wohl nur bei Zwangsschliessungen gibt?
Entenfang @ 13 Nov 2020, 15:35 hat geschrieben:Ach, ein paar DBuza und 143 und Ferkeltaxen wird man schon noch finden.  :D
143 werden aber gerade (neben 111 & 605) massiv den Rohstoffkreislauf zugeführt mit zweistelliger Zahl pro Woche.
Da müssten wohl wieder private EVU mit gekauften Gebrauchtfahrzeugen aushelfen. DB hat jedenfalls nicht mehr viel davon mit gültigen Fristen übrig.
Keine Alternative zum Transrapid MUC
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Südostbayer
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Beitrag von Südostbayer »

218 466-1 @ 13 Nov 2020, 22:53 hat geschrieben:
Rohrbacher @ 13 Nov 2020, 14:15 hat geschrieben:Bahnblogstelle: Abellio Mitteldeutschland droht mit Kündigung der Verkehrsverträge

"Einem Medienbericht zufolge droht das private Bahnunternehmen Abellio Mitteldeutschland mit einer Vertragskündigung. (...) Sollte das Unternehmen den Betrieb tatsächlich einstellen, müssten die zuständigen Aufgabenträger (...) einen Notbetrieb für die betroffenen Strecken erarbeiten."
Waaas? :o Das müssen Fake News sein, weil lt. manchen Usern hier sind drohende Betriebseinstellungen doch so Bundesbahn und mit der schönen, modernen Ausschreibungsbahn niemalsnicht mehr möglich. :ph34r:

Das ganze dürfte dazu dienen, sich wegen Einnahmeausfällen durch Fahrgast-Schwund, Corona-Bonus zu erschleichen, den es vom Bund wohl nur bei Zwangsschliessungen gibt?
In Sachsen-Anhalt sind alle seit 2012 geschlossenen Verkehrsverträge Bruttoverträge, in denen die Fahrgeldeinnahmen keinen direkten Bezug zum Bestellerentgelt haben. Abellio hat also keine Einnahmenausfälle infolge von Corona. Man verweist aber auf gestiegene Betriebs- und vor allem Personalkosten, siehe https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/n...o-in-schieflage und https://www.eurailpress.de/nachrichten/unte...orderungen.html

Eine einseitige Vertragskündigung (wie gemäß Ursprungsmeldung "angedrohnt") durch Abellio dürfte aber schwer bzw. mit sehr langen Kündigungsfristen verbunden sein. Eine einseitige Einstellung des Betriebs wie 2019 bei der Städtebahn Sachsen - die dort zur Sonderkündigung durch den Auftraggeber und (mit) zur Insolvenz des Betreibers geführt hat - kann ich mir bei Abellio nicht vorstellen, weil sie vermutlich weder finanziell in vergleichbarer Lage sind, noch ihre Chancen auf dem Markt verbauen wollen.
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Südostbayer @ 15 Nov 2020, 14:16 hat geschrieben:noch ihre Chancen auf dem Markt verbauen wollen.
Wollen sie das überhaupt oder geht's um was ganz anderes? Die regionalen Abellio-Betriebe dementieren und relativieren gelegentlich, wahrscheinlich müssen sie das auch, damit Geschäftspartner nicht nur noch gegen Vorkasse arbeiten, aber laut Medienberichten vom Oktober sind ja die Chancen auf dem deutschen Markt genau der Kern des Problems. Und zwar die Chancen Geld zu verdienen. Braunschweiger Zeitung:

"Abellio droht das Ende - so kurz und dramatisch muss man wohl zusammenfassen, was Bert Groenewegen, Finanzvorstand des niederländischen Mutterkonzerns "Nederlandse Spoorwegen" sagt: Abellio macht in Deutschland fortlaufend Verlust, allein 2019 sind 32,7 Millionen Euro Miese angefallen, bei einem Umsatz von 534 Millionen Euro. Das will man nicht mehr tatenlos hinnehmen, seit zwei Jahren führe man ergebnislos Gespräche mit den deutschen Auftraggebern, mit denen man Verträge bis 2030 oder 2032 abgeschlossen hatte. Die will Abellio nun offenbar so schnell wie möglich kündigen. Das NRC Handelsblad aus Rotterdam zitiert Groenwegen mit den Worten:"Wenn wir keine Lösung finden, müssen wir dies vorzeitig beenden. Unsere Auftraggeber verstehen, dass wir nicht zwölf Jahre lang Verluste hinnehmen wollen, das ist kein tragfähiges Modell", so Groenwegen."

So gesehen, geht's um genau die gleiche Frage wie bei uns mit der Sinnhaftigkeit von (nicht wirtschaftlichen) Auslandsbeteiligungen der DB AG. Auch die bekommt Arriva ja offenbar seit Jahren nicht mehr los. Wenn der Bund in der Sache mächtig Druck machen würde, würde man sich wohl auch der nicht wirtschaftlichen Arrvia-Teile im Zweifel per Insolvenz entledigen und nicht noch ein Jahrzehnt die Verluste tragen. Offenbar ist es für den niederländischen Staat nicht so sexy, unsere "Bundesbahndefizite" zu tragen, andersrum aber auch nicht. Vielleicht sollten Deutschland und die Niederlande einfach ein paar Abellio- und Arriva-Netze zurücktauschen, um das Problem zu lösen. :ph34r:
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ralf.wiedenmann
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Beitrag von ralf.wiedenmann »

Diskussion zur Trennung von Infrastruktur und Betrieb zwischen Horfreiter, Grüne und Hommel, EVG: EVG, 4.2.21: https://www.evg-online.org/dafuer-kaempfen-...s-mobilisieren/
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Balduin
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Beitrag von Balduin »

Hofreiter, die 90er haben angerufen - sie wollen ihren neoliberalen Privatisierungswahn zurück! :angry:
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Beitrag von JeDi »

Balduin @ 8 Feb 2021, 11:38 hat geschrieben: Hofreiter, die 90er haben angerufen - sie wollen ihren neoliberalen Privatisierungswahn zurück! :angry:
Wo liest du was von Privatisierungswahn - ausser in den seltsamen Ausführungen der EVG?
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Balduin
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Beitrag von Balduin »

Weil die DB-Zerschlagung in Kombination mit noch mehr Ausschreibungen, von denen Hofreiter und seine Grünen ständig phantasieren genau darauf hinausläuft. Wir sollen das Englandmodell bzw. das Modell im Regionalverkehr auf Teufel komm raus (noch weiter) übernehmen bzw. ausbauen. Und das obwohl in beiden Fällen das System schon mehr als einmal krachend gescheitert ist bzw. es nicht nur wegen Corona ordentlich bröckelt.
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Sehr alt, aber offenbar haben sich die späteren Manager und Bundesbahn-Fledderer als junge Leute in den 60ern schon mit Kleinbahn-Aktien für die Bahnreform geübt:
Eisenbahn-Aktien: Geld nach Toresschluß, aus "Der Spiegel", 13.03.1969:

"Der Student der Betriebswirtschaftslehre Karl Ehlerding, 27, kaufte sich 1987 (Anmerkung: sicherlich ein Fehler der Schrifterkennung beim Digitalisieren, es wird wohl 1967 sein) neun Aktien der Hildesheim-Peiner Kreis-Eisenbahn im Nennwert von je 800 Mark »zum Kurse von 20 Prozent, Inzwischen sind die Hauptstrecken der Bahn eingestellt, aber Ehlerding hat an seinem Papier schon 470 Prozent steuerfrei verdient. Er rechnet mit noch mehr. (...) Beim Bilanz-Studium waren ihnen die Jahresabschlüsse notleidender Privat-Bahnen in die Hände gefallen. Als die Studenten aus dem Bahnvermögen den sogenannten Bilanzkurs errechneten, staunten sie: Der Börsenkurs für die Aktien lag bis zu 80 Prozent unter dem Bilanzkurs. (...) Mit Studentengroschen und überschüssigen Geldern wohlhabender Verwandter machten sich die jungen Anleger daran, das Gefälle auszunutzen. Ihre Spekulation: Die Bahnbetriebe würden wegen Unrentabilität bald aufgeben müssen; durch den Ausverkauf von Gleisanlagen, Bahnhöfen und vor allem des umfangreichen Landbesitzes sei mit dem vier- bis fünffachen Erlös zu rechnen. (...) Die meisten Privatgesellschaften stecken tief in den roten Zahlen und können sich nur durch Landeszuschüsse am Leben erhalten. Da aber auch die Bundesbahn ihre unrentablen Strecken stillegt, spekulieren die Aktionäre darauf, daß die Länderregierungen nicht mehr lange für die Kleinbahnen zahlen werden."

Googelt man den Mann, ist aus ihm tatsächlich was geworden. Und schon der erste Treffer bringt den "Selfmademillionär", "Berufsspekulant" und "Unternehmensjäger" (Wikipedia) erneut mit Eisenbahn-Ausverkauf, der CDU und der "kreativen Steuergestaltung" (Der Spiegel, 11.05.2001) in Verbindung:

"Im Jahr 1998 kaufte ein Konsortium, an dem die WCM (Anmerkung: Ehlerding war damals wohl Großaktionär) beteiligt war, 30.000 Wohnungen aus dem Besitz der Deutschen Bahn. Im selben Jahr gab Ehlerding der CDU mit umgerechnet ca. drei Millionen Euro eine der höchsten privaten Parteienspenden in der Geschichte der Bundesrepublik. Ein Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt, der die möglichen Zusammenhänge näher beleuchten sollte. Die Anfangsvermutung, dass es sich hierbei um den Missbrauch von Spenden als Einflussmöglichkeit auf politische Entscheidungen gehandelt hat, konnte durch die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses nicht bestätigt werden." (Wikipedia)

Was man nicht alles findet, wenn einem freitags beim Archivieren fad ist. :ph34r:
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

Kleinbahn-Aktien
Ich fürchte die werden den Lockdown nicht überstehen.
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Beitrag von Südostbayer »

Rohrbacher @ 23 Apr 2021, 15:55 hat geschrieben:Sehr alt, aber offenbar haben sich die späteren Manager und Bundesbahn-Fledderer als junge Leute in den 60ern schon mit Kleinbahn-Aktien für die Bahnreform geübt:
Eisenbahn-Aktien: Geld nach Toresschluß, aus "Der Spiegel", 13.03.1969:
Interessantes Fundstück. Danke!

einen_Benutzernamen @ 23 Apr 2021, 16:56 hat geschrieben:
Kleinbahn-Aktien
Ich fürchte die werden den Lockdown nicht überstehen.
Den Lockdown der Hongkong-Grippe?
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

Nein der aktuellen schon vorher waren die stark angeschlagen. Schade das es nicht mehr Unternehmen gibt die günstige Produkte auf den Markt bringen.
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Beitrag von Fichtenmoped »

einen_Benutzernamen @ 23 Apr 2021, 16:56 hat geschrieben: Ich fürchte die werden den Lockdown nicht überstehen.
Welcher Lockdown war denn in den späten 1960ern?

Der Artikel beschreibt eine Kleinbahn, die bereits 1976 liquidiert wurde.
http://www.hpke.de/
Aufgrund von Rostschäden besteht Signaturersatzverkehr!

Wir bitten um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

Die Kleinbahn gibt es bis heute noch. :rolleyes:
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Balduin
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Beitrag von Balduin »

Der BT-Wahlk®ampf beginnt ja jetzt langsam anzulaufen. Von FDP kommt wohl da der Vorschlag, DB (FV) zu privatisieren

Bei der Gelegenheit hab ich mir mal den aktuellen Stand des Grünen Programms angeschaut (nachdem Hofreiter ja seit Jahr und Tag so ziemlich das Gleiche fordert, und aktuell die (hl.) Annalena ja quasi schon bei einigen als unsere neue Merkel feststeht :ph34r: )

Zum Thema hab ich da aber überhaupt nix konkretes gefunden - nur sehr allgemein, dass man im Grunde alles besser machen will.

Mal schauen, was da den Sommer über noch so an armen Säuen durchs Dorf getrieben wird... :rolleyes:
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Jean
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Beitrag von Jean »

An sich spricht ja nichts dagegen den FV zu privatisieren. Die Infrastruktur muss aber in Öffentlicher Hand bleiben.
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Balduin
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Beitrag von Balduin »

Ist eine legitime Meinung, die ich aber aus Gründen nicht teile.

Mir schwant halt v.a. auch böses wenn dieselben Experten, die jetzt schon nur mit Halbwissen glänzen, das umsetzen... Da kann wieder nur Murks rauskommen, bei dem alle aktuellen sinnvollen Ansätze zur Stärkung der Schiene wieder im Ansatz erstickt werden. Mir ist vor einiger Zeit dieser Artikel in der Zeitung mit dem Namen mal sehr negativ aufgefallen, v.a. die Passage:

"Italien zum Beispiel habe seine Strecken für Wettbewerb geöffnet. Seitdem habe sich dort das Angebot auf Kurz- und Mittelstrecken verbessert. Natürlich müsse der Staat etwas beitragen, Stichwort Infrastruktur. Aber auf Dauer müssten Zugverbindungen auch rentabel sein."

Halt keine Ahnung von den Hintergründen...

Also weil:
1. Die Voraussetzungen in D sind eigentlich aktuell schon jetzt genauso wenn nicht besser als Damals in Italien: Theoretisch kann jetzt schon jeder jederzeit FV durchführen. Flix und Vorgänger beweisen es doch. Einfach anmelden. Und jeder kann sofort z:b. bei Siemens paar Velaros oder bei Stadler Girunos bestellen, um eben auch gescheites Material zu haben. Aber das traut sich ja keiner. Im Gegensatz zu Italien damals, wo eben der Ferrarichef bisl was von seinen Milliarden investiert hat.

Was wiederum zu 2. Führt:
Abgesehen vom Italo ist Italien mir alles andere als Wettbewerbsfreundliches Land bekannt. Eher wird alles getan, Konkurrenz rauszuhalten. SBB und ÖBB können da ein Lied von singen. Die wollen ja eigentlich nur international rein fahren, und werden da ausgebremst wie nur möglich. Das der Italo da funktioniert hat, dürfte wohl v.a. nur an den guten (Lobby) Kontakten des Ferrarichefs liegen...

Aber solche Zusammenhänge kriegst du weder von Politik und Medien mitgeteilt.
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Beitrag von Jo33 »

Das Problem in Deutschland ist aber aktuell: Erstmal sehr hohe Schulden, sogar höher als vor der Bahnreform.

Dann eine Infrastruktur die auf Gewinn, anstatt auf Mehrverkehr betrieben wird.

Beim Fernverkehr haben wir Heute ja auch das Problem dass im Grunde die lukrativen Strecken mehrere Betreiber fahren möchten, während einige Regionen Deutschlands wesentlich stärker vom Fernverkehr abgehängt sind, als vor der Bahnreform, gerade auch hierbei wegen des Ziel, von Gewinn, Eigenwirtschaftlich.

Deshalb macht schon Sinn, die Infrastruktur auf Mehrverkehr zu betreiben.

Während man den Fernverkehr aussschreibt oder vergibt. Bei den lukraktiven Strecken die Bahnbetreiber für diese Linien dann bezahlen müssen, wenn sie diese betreiben wollen, analog zu den Mobilfunkfrequenzen, während man für unrentable dann einen Zuschuß zahlt. Am Ende eben wie beim Regionalverkehr. Für das selbe Geld, haben wird dann doch wesentlich Mehrverkehr auf der Schiene. Und eben dann weniger weißer Flecken, im Fernverkehrsnetz in Deutschland, welche aktuell garkeinen oder nur einmal am Tag einen Fernverkehrszug sehen.
Also ich sehe das sehr positiv.

Interressant am Rande ist eher, dass sowohl FDP, als auch die Grünen, die Pendlerpauschale abschaffen, bzw. stark reduzieren wollen.
Man macht sich halt schon bereit für eine GrünGelbeSchwarze Regierung, Söder wirbt ja indirekt schon damit seine Zweitstimme den Grünen zu geben, über die Erststimme kommen ja fast alle CSUler in den Bund.
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Beitrag von 146225 »

Die Gegenfrage ist halt auch, was die Alternative zu einem - vielleicht auch in mancher Hinsicht unschönen oder schmerzhaften - Regierungswechsel im Herbst wäre? Ein immer-so-weiter-murksen mit Laschet, garniert durch einen alles besser wissenden Nebenkanzler in München? Also was Laschet in Sachen Verkehrspolitik alles nicht kann, lässt sich an dünnen Takten, fehlenden bzw. schlechten Anschlüssen und vielen anderen wüsten Defiziten im NRW-ÖPNV ersehen.

Von daher: es würde Deutschland m.E. nicht schaden, wenn CDU/CSU wieder einmal erlernen dürften, dass Regierungsmacht kein Erbhof ist, und dass ein paar Jahre Oppositionsarbeit durchaus heilsam zur Erneuerung der Partei sein können. Das hätte vor Jahren schon, also spätestens nach der letzten Bundestagswahl, der SPD gut getan.

"Das Alte sagt, so wie ich bin, bin ich seit je. Das Neue sagt: bist du nicht gut genug, dann geh!" (Bertolt Brecht, Leben des Gallilei)

Es ist wohl kaum noch in Frage zu stellen, dass ein bloßes "Weiter so!" mit Märchen ohne Inhalt wie "Deutschland-Takt" und "Verkehrswende" auf Dauer viel zu wenig sind.
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Beitrag von Jean »

146225 @ 26 Apr 2021, 18:58 hat geschrieben: Von daher: es würde Deutschland m.E. nicht schaden, wenn CDU/CSU wieder einmal erlernen dürften, dass Regierungsmacht kein Erbhof ist, und dass ein paar Jahre Oppositionsarbeit durchaus heilsam zur Erneuerung der Partei sein können. Das hätte vor Jahren schon, also spätestens nach der letzten Bundestagswahl, der SPD gut getan.
Jup...und was sollten die Grünen im Schienenverkehr in Deutschland noch zerstören?
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Beitrag von Balduin »

146225 @ 26 Apr 2021, 17:58 hat geschrieben: Die Gegenfrage ist halt auch, was die Alternative zu einem - vielleicht auch in mancher Hinsicht unschönen oder schmerzhaften - Regierungswechsel im Herbst wäre? Ein immer-so-weiter-murksen mit Laschet, garniert durch einen alles besser wissenden Nebenkanzler in München? Also was Laschet in Sachen Verkehrspolitik alles nicht kann, lässt sich an dünnen Takten, fehlenden bzw. schlechten Anschlüssen und vielen anderen wüsten Defiziten im NRW-ÖPNV ersehen.
Also Laschet ist erst seit 2017 MP in NRW. Fairerweise kann man ihm die miserable Lage dort nicht wirklich anrechnen, die ist das Werk jahrzehntelanger rot-grüner Misswirtschaft davor. Dass er in der Tat wohl nix besser macht: spricht aber tatsächlich nicht für ihn. Wie er auch sonst den Eindruck macht, eine schlechte Merkelkopie zu sein. Da bin ich auch der letzte, der das gut findet. Und echten Regierungswechsel fände ich toll? Nur woher kriege ich den?
Die meiste Abwechselung verspricht da irgendwie noch die FDP - wobei die Art der Abwechselung aber auch nicht unbedingt so toll ausschaut, wie eben jetzt der Vorschlag.
Gut, nochmehr Abwechslung gäbe es noch mit SED oder Bernd-Höcke-Club, aber beides absolut indiskutabel.

Und die so hochgelobten Grünen? Haben jetzt in den letzten Jahren nicht unbedingt wie eine wirklich Opposition gewirkt, eher wie eine Mitregierungspartei. Waren sie ja irgendwie auch über die diversen Landesregierungen.
Interessanterweise ist das Framing in sympathisierenden Medien ja auch wiederum so, das die hl. Annalena die legitime Thronfolgerin der hl. Angela sei, weil die logische Fortentwicklung: dem stimme ich ja auch zu, kann aber darin nix gutes sehen. Die Annelena schafft es halt noch besser als Angie, viel zu reden ohne dabei jemals was konkretes zu sagen. Also droht mit ihr dasselbe, wie die letzten 16 Jahre auch schon: Aussitzen und Beamtenmikado, wer als erster sich bewegt hat verloren. Nur halt junger, hübscher und eloquenter. Allenfalls wird das meiste inkl. Bahn nur verschlimmbessert.

Ich lasse mich gerne Lügen strafen: Aber dafür sollte die Annalena mal zeigen, dass sie tatsächlich auch einen Arsch in der Hose hat, und das v.a. innerparteilich. Eine allgemeine Maßnahme wäre, den ewigen Nimbyschutzpatron Hofreiter kalt stellen. Und konkret, in ihrer ursprünglichen Niedersächsischen Heimat im Landesverband auf den Tisch hauen. Denn dort muss zwischen Hannover und Hamburg endlich mal die Klarheit her, dass es nötig ist ein dickes Brett zu bohren. Und nicht diese Alpha E Verschleppungsmaßnahme, wo die dortigen Grünen ja auch ihren Anteil dran haben.
Ist jetzt ein Traum, aber wenn das so eintreten sollte, dann würde mich die Annalena tatsächlich und meine Stimme wäre ihr tatsächlich sicher...
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146225
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Beitrag von 146225 »

Balduin @ 26 Apr 2021, 19:42 hat geschrieben: Also Laschet ist erst seit 2017 MP in NRW. Fairerweise kann man ihm die miserable Lage dort nicht wirklich anrechnen, die ist das Werk jahrzehntelanger rot-grüner Misswirtschaft davor. Dass er in der Tat wohl nix besser macht: spricht aber tatsächlich nicht für ihn.
Wer ist denn angetreten, alles besser zu machen, als eben diese vermeintliche "Misswirtschaft"? Und wessen Ergebnisse sind erbärmlich? Im Nahverkehr eine Schlechtleistung nach der anderen, und bei der angeblichen CDU-Kernkompetenz "Wirtschaft" hat es gerade mal dazu gereicht, dass die armen Städte in NRW wohl demnächst nochmals ein gutes Stück ärmer sind.

Auf einen solchen Kanzler mitsamt seine lobbyhörigen Schwarzgeldtruppe ist gepfiffen, das bringt für die Eisenbahn in Deutschland nix, nix und nochmals nix.
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Jo33 @ 26 Apr 2021, 17:19 hat geschrieben:Während man den Fernverkehr aussschreibt oder vergibt. Bei den lukraktiven Strecken die Bahnbetreiber für diese Linien dann bezahlen müssen, wenn sie diese betreiben wollen, analog zu den Mobilfunkfrequenzen, während man für unrentable dann einen Zuschuß zahlt. Am Ende eben wie beim Regionalverkehr. Für das selbe Geld, haben wird dann doch wesentlich Mehrverkehr auf der Schiene. Und eben dann weniger weißer Flecken, im Fernverkehrsnetz in Deutschland, welche aktuell garkeinen oder nur einmal am Tag einen Fernverkehrszug sehen.
Also ich sehe das sehr positiv.
Das funktioniert nur noch weniger als im Regionalverkehr. Vor allem der Fern- und Schienengüterverkehr funktionieren nur als weit verzeigtes Gesamtsystem. Viele Strecken haben auch deswegen keinen Fernverkehr mehr, weil durch das Fragmentieren und Verganzzugen keine sinnvollen Wagenumläufe mehr zusammenkommen. Wer mal in die alten Kursbücher und Wagenumläufe schaut, der sieht, dass viele periphere D-Züge damals zustandekamen, indem Gattungswechsel stattgefunden haben und universell einsetzbare Wagen morgens als Taktverstärker im NV liefen und tagsüber als Heckeneilzug oder vereinzelte D-Züge irgendwo vom Zonenrand die die Metropolen gelaufen ist. Viel Fernverkehr dieser Art fiel mit der Regionalisierung und der Trennung weg, nicht weil zu wenig Leute in den Zügen gesessen hätten oder die Züge dem Taktverkehr im Weg standen, den's ja oft schon gab. Auch die SBB oder ÖBB fahren einen Teil ihres Verkehrs ja mit Umläufen, die durchaus unsere deutschen Vorstellungswelten brechen und bei uns so gar nicht produzierbar wären bzw. nur mit doppeltem Fahrzeug- und Personalbestand ...

Der Witz ist auch, dass vieles heute gar nicht anders als durch Kuppeln zu realisieren wäre, weil die Kapazitäten gar nicht da sind. Der andere Witz ist auch, dass sich werksneue Fernverkehrszüge nunmal nur in die Stückzahlen lohnen, wie sie die DB als ganzes ordert. Natürlich kann man das alles theoretisch wieder ganz komplex regeln, indem sich jemand ein Gesamtkonzept ausdenkt und gleich die passenden Umläufe, damit die Streckenbelegung klappt und dann versuchen mit viel Aufwand und Schwund das dann wieder kleingehakt mit tausend Verträgen und für die Fahrgäste dann "nicht zu ändernden" Hintertürchen wieder "markttauglich" zu machen, einfach nur damit halt ein Markt da ist. Das ist komplett gaga.

Sorry Leute, es hilft gar nichts die Gründung der Reichsbahn wieder rückgängig zu machen und die Kleinstaaterei wieder einzuführen, und sich dann zu wundern, dass der Bahnbetrieb am gleichen krankt wie 1914. Und wegen der höheren Tagesfahrleistungen und größeren Durchmischung europaweit noch viel mehr. Auch im Güterverkehr seh ich oft halbe Güterzüge und Leerfahren unterschiedlicher Unternehmen, das kostet alles Trassen (und Lokführer!), was die eine große Bahn u.U. mit zur Not mehreren Wagenloks in einen einzelnen Zug gepackt hat.

Teils ging's schon unseren Sonderzug einfach und kostengünstig mit'm Planzug (gleiche Baureihe, gleiches EVU) durch die Gegend zu überführen, aber im weiteren Laufweg andere GmbH = extra Trasse, extra Kosten, extra Lokführerstunde. In der fragmentierten Praxis von tausend Kleinunternehmen ist das dann aber eine komplett Schicht mehr und alle fragen sich, wo der Lokführermangel herkommt und warum das alles so teuer ist, oftmals zu teuer. Und das sind genau die künstlichen Probleme, die wir uns nicht mehr leisten können und weswegen viele schon 1871 die gesamtdeutsche Reichsbahn gründen wollten. Aber heute, wo überall in der Wirtschaft gewachsen und fusioniert wird, meint ausgerechnet ein Laden wie die FDP mal wieder, dass wir nach über 25 Jahren Murks die Probleme lösen, indem wir die Ursachen der Probleme noch viel weiter treiben. Oder, ganz gewagte These, es geht gar nicht drum, die Eisenbahn wirklich besser zu machen ...

Stellt euch einfach vor, ob das U-Bahnnetz in München mit fünf nach AUsschreibung oder direkt konkurrenden Unternehmen mit unterschiedlichen Neufahrzeugtypen und Werkstätten besser und vor allem günstiger funktionieren würde als heute. Jeder FDP-Unternehmensberater würde sonst sagen, lieber Bäckermeister, jessers, hau deine ganzen kleinen Backstuben raus und lass die gesamte Produktion eine große Backfabrik machen. Und das obwohl man damit den Wettbewerb unter meinen Bäckern aufgeben muss, welcher nach der genauen Anleitung vom Chef die besten und schnellsten Semmeln macht oder einfach die mit am meisten billiger Luft statt teurem Teig, je nachdem. Nur bei der Bahn soll genau das Gegenteil von Hochskalieren besser sein. Vielleicht sollte echt mal hinterfragt werden, ob da nicht weiterhin vielleicht ein ganz anderes Ziel verfolgt wird. Genauso wie bei den jungen Kleinbahnaktionären in den 60ern und 70ern.
„Herr Otto Mohl fühlt sich unwohl am Pol ohne Atomstrom.“
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