Reiseerlebnisse mit der Bahn

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Sehr schöner Bericht Entenfang, danke dafür! :)
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Auf Weltreise von Ostböhmen ins Schwabenland

"Waaaas? Du bist zehneinhalb Stunden unterwegs?", kommentiert ein Freund meine Reisepläne. "Wie weit ist das denn?" Etwa 700 km. "Wie hoch ist denn die Durchschnittsgeschwindigkeit?" 67 km/h. "Ist nicht gerade schnell."

Dass die Bahnverbindung aus Bayern nach Tschechien nicht gerade schnell ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Und wenn man noch ein bisschen weiter will und keine Umwege (!) einbaut, ergibt sich folgende Verbindung:

Hradec Králové hl.n....Sp 1843....ab 9:37

Pardubice hl.n..............................an 9:53
.................................R 892........ab 10:01

Praha hl.n....................................an 11:04
.................................Ex 356.......ab 11:45

Schwandorf.................................an 15:04
.................................RE 3560.....ab 15:07

Nürnberg Hbf...............................an 16:15
................................RE 19912....ab 16:36

Stuttg.-Bad Cannstatt..................an 18:58
................................RE 22053....ab 19:26

Metzingen....................................an 20:04

Tübingen Hbf..............................an 20:23
................................RB 22095....ab 20:35

Horb............................................an 21:09
................................IC 2235.......ab 21:13

Sulz..............................................an 21:23


Zur Verbindung folgende Anmerkungen: Eine CD-Fahrkarte First Minute Europe nach Metzingen zu kaufen, ist nicht möglich. Eine DB-Fahrkarte von Hradec Králové über Schwandorf nach Metzingen zu kaufen, geht ebenfalls nur zum Flexpreis. Daher musste eine Stückelung her - ich habe mich für ein First Minute Europe mit Studentenrabatt für 9 ¤ bis Cham entschieden. Der Grund: Dass der 3-Minuten-Anschluss in Schwandorf nicht klappt, ist angesichts des chronisch verspäteten Alex sehr wahrscheinlich. Für den deutschen Preis habe ich dann einen Alibi-Sparpreis für 19,40¤, der kursive Teil der Verbindung dient nur dazu, FV auf die Fahrkarte zu bekommen. Sollte der Anschluss schief gehen, kann ich aufpreisfrei höherwertige Züge nutzen.

Alleine die Verbindung herauszusuchen, war schon eine große Herausforderung. Denn man wird zwischen Prag und Nürnberg immer auf den IC Bus verwiesen (geht 1h schneller), welchen ich aber aus Prinzip boykottiere und in dem ich nicht arbeiten kann. Da er offiziell als IC/EC geführt wird, lässt er sich in der Verkehrsmittelwahl auch nicht ohne Weiteres ausschließen. Gibt man bei der CD via Schwandorf ein, ist das Ergebnis: Keine Verbindung gefunden. Ich brauche eine Weile, bis ich den Grund finde: Bei der CD sind standardmäßig maximal 4 Umstiege hinterlegt, was sich aber ändern lässt.

Unspektakulär und pünktlich verläuft die Fahrt bis Prag. Ein Grund für die entsetzlich langen Reisezeiten aus Hradec nach Deutschland sind die ungünstigen Umsteigezeiten in Prag. Gerade der Alex passt absolut nicht. Doch die 40 Minuten lassen sich dank des Klaviers im Bahnhof sinnvoll überbrücken. Der Zahn der Zeit nagt inzwischen deutlich am Instrument, einige hohe Töne sind kaum noch hörbar und die Sitzfläche des Hockers ist zertrümmert.

Unnötigerweise werfe ich einen Blick auf die Abfahrtstafel, denn bisher fuhr der Alex noch immer vom Bahnsteig 4 Süd ab. Ich sichere mir einen Tisch, der nicht reserviert ist und auch keinen Express-Reservierungshinweis hat. Ein älteres amerikanisches Pärchen berät sich ausgiebig, ob die beiden Plätze mir gegenüber reserviert sind oder nicht. Sie kommen wohl zum Ergebnis, dass sie es nicht sind und setzen sich zu mir. Ein paar Minuten vergehen, doch noch vor der Abfahrt werde ich gefragt, ob ich denn meinen Platz reserviert hätte. Ich verneine und erkläre noch das Grundprinzip - Reservierung auf dem Display angezeigt bedeutet Platz ist reserviert. Keine Reservierung auf dem Display angezeigt bedeutet Platz ist nicht reserviert. Doch Vorsicht- in Tschechien ist gerne mal der halbe Zug für Expressreservierung vorgesehen und die werden nicht angezeigt. Ist an unseren Plätzen aber glücklicherweise nicht der Fall.
Am Tisch gegenüber sitzt eine Mutter mit ihren Söhnen, 10 und 12 Jahre alt. Nachdem sie meine Erklärung gespannt verfolgt hat, liest sie intensiv in einem Buch und beschwert sich, dass es im Wagen so kalt ist. "Also ich finde das gut", meint der jüngere Sohn. Irgendwann will er etwas, doch ich verstehe nicht, worum es geht. Die Mutter jedenfalls fühlt sich gestört. "Wenn ich lese, dann lese ich."

Wie fast immer verlassen wir den Prager Hbf ein paar Minuten hinter Plan, was schon mal ein schlechter Beginn ist. "Boah, was ist denn das hier!?", merkt der 12-Jährige an und deutet auf den verfallenen Bahnhof Vy¨ehrad, unter dessen Vordach sich Obdachlose eingerichtet haben und alles komplett zugemüllt ist. Der Bahnhof bietet wirklich ein entsetzliches Bild, hoffentlich wird er im Zuge der Modernisierung von Praha-Smíchov in den nächsten 5 Jahren aufgewertet.
"Hey, look over there!", stupst die Amerikanerin ihren Mann an, als wir die Eisenbahnbrücke über die Moldau überqueren.
In Praha-Smíchov steigt ein junger Mann mit aufgesetzten großen Kopfhörern zu, und fragt, ob der Platz neben mir noch frei ist. Er ist mir schon aus dem Augenwinkel unsympathisch aufgefallen, als er sich genähert hat. Leider ist da noch frei und mein erster Eindruck hat mich nicht getäuscht. Er riecht extrem unangenehm nach einer Mischung aus Schweiß, Knoblauch und Bier und kaut unentwegt auf einem Kaugummi. Ohne seine Musik zu pausieren, frägt er mich einen Tick zu laut irgendwas zur Steckdose. Ich verstehe es nicht sofort, doch er hat offensichtlich keinen Bock, es ein zweites Mal zu versuchen.

Am Tisch gegenüber wurde inzwischen eine Packung Süßigkeiten geöffnet. Während sich die Mama eins nach dem anderen in den Mund steckt, versucht sie ihre Söhne davon abzuhalten, diese in größeren Mengen zu konsumieren. Als der Ältere nochmal zur Packung greift, hält sie ihn fern. "Ich will doch nur gucken, wie viele noch drin sind", rechtfertigt er sich. Es gelingt ihm schließlich, seinen Plan in die Tat umzusetzen. "Sind noch drei drin, also für jeden eins." "Nee, ihr hattet schon genug", stellt die Mutter fest, hebt genervt kurz den Blick von ihrem Buch, um sich die Packung zu sichern und isst die verbliebenen drei selbst auf.

Im Wagen ist es furchtbar stickig. Der Zub geht durch und öffnet die drei Klappfenster, da die Klimaanlage nicht funktioniert. Wie froh ich bin, dass es draußen nur noch 20 statt 35° sind...

Weit kommen wir nicht, noch vor Beroun kommen wir zum Stehen. Das Aufholen von Verspätung habe ich auf der Strecke zwischen Prag und Pilsen ohnehin noch nie erleben dürfen. Vermutlich ist hier - wie gefühlt seit Ewigkeiten- mal wieder eingleisiger Betrieb. Nachdem der Gegenzug durch ist, setzen wir die Fahrt fort. Ab Beroun geht es dann erstmal im Schneckentempo durch eine weitere Baustelle und so wundert es nicht, dass wir bald bei +7 stehen. Ich sehe bereits Schwarz für meinen Anschluss in Schwandorf.
Die Kinder gegenüber sind inzwischen von der Zeitschrift zum Handy übergegangen. Kein Laut dringt mehr zu mir hinüber, die Frau ist genauso versunken in ihr Buch wie die Kinder in ihr Handy. Ab und zu schauen sie, was der andere gerade für ein schweres Level auf seinem Handy geschafft hat.

"Look, that's a big city. Where is it?" "It must be Plzen. It's written there." "Is it still in the Czech Republic or in Germany already?" "Czech Republic, I think." Und ich dachte immer, Amerikaner hätten als Klischee katastrophale Geografie-Kenntnisse...
Wirklich gut durch kommt man auf dieser Strecke einfach nie und bis Pilsen sind wir schon bei +9. Natürlich stehen wir erstmal am Esig. "Is this the station?!"
Ich bin wirklich nicht zimperlich, doch ich bete inständig, dass mein Nebensitzer hier aussteigen möchte. Er möchte nicht, aber glücklicherweise setzt er sich an einen freigewordenen Tisch um.

Ich nutze die Gelegenheit auf ein bisschen frische Luft. Die planmäßigen 11 Minuten Aufenthalt in Pilsen haben bisher noch nie zum Aufholen von Verspätung gereicht, eher im Gegenteil. Durch den Loktausch hat schon so manch pünktlich angekommener Zug einige Bonusminuten bekommen und damit meine ich nicht 1h Wartezeit auf die Diesellok wegen Lokmangel beim Alex.
Inzwischen sind fast 5 Minuten vergangen, und passiert ist - nichts. Mehrere orange gekleidete Beschäftigte laufen geschäftig über den Bahnsteig, in den Wagen rein, aus dem Wagen raus, hüpfen ins Gleisbett und klettern zurück auf den Bahnsteig. Erst jetzt fällt mir auf, dass unser Zug zwei Loks hatte. Hinter der Knödelpresse wurde noch eine ¦koda-Mehrsystemlok kalt mitgeschleppt. Und weil wir ja noch kaum Verspätung haben und der Aufenthalt kaum zum Tauschen einer Lok reicht, kann man die beiden Loks ja auch einzeln wegsetzen. Ein eisenbahninteressierter Tscheche schaut kurz aus der Tür und fragt, ob denn die E-Lok schon weg wäre. Ja, eine. Aber da ist noch eine dran...
Endlich bekommen wir die Diesellok und mit +15 wird die Fahrt fortgesetzt. Ich gebe jede Hoffnung auf den Anschluss in Schwandorf auf, zumal mein bisheriger Eindruck war, dass der Anschluss nur sehr kurz abgewartet wird. Obwohl wir sowohl einen Os in Gegenrichtung als auch den inzwischen vorgefahrenen Os in gleicher Richtung behinderungsfrei passieren können, steigt die Verspätung sogar noch leicht an.
Da die Klimaanlage jetzt wieder funktioniert, schließt der Schaffner die Klappfenster.

"Du machst dir so die Augen kaputt", merkt die Mama an, als sie kurz von ihrem Buch aufblickt. In der Tat hat insbesondere der Ältere eine ziemlich verkrampft-gebeugte Haltung eingenommen und beißt sich vor Anspannung auf die halb herausgestreckte Zunge. Muss wohl ein wirklich schwieriges Level sein. Er versucht es ein bisschen anders, doch damit ist Mama auch nicht zufrieden. "So machst du dir die Augen auch kaputt."
Ein paar Minuten versinkt sie nochmal in ihrem Buch, dann ermahnt sie die beiden Jungs, allmählich zum Ende zu kommen. Sie hätten schließlich schon fast 2h gespielt.

Nach einem kurzen Aufenthalt rollt der Zug in Doma¸lice an. Zwei Fahrgäste hetzen mit Koffer durch den Gang, denn "die beiden haben wohl ihre Haltestelle verpasst", meint der kleinere Junge nicht ganz unvergnügt und blickt kurz vom Handy auf. Nach ein paar Minuten ermahnt die Mutter sie erneut, zum Schluss zu kommen. Der Zug rumpelt über schlechte Gleise durch den Wald. Ein paar Minuten vergehen, natürlich ohne Reaktion. "So, jetzt ist aber Schluss! Handys zu mir!", ruft die Mutter bemüht leise. "Ja, gleich", meint der Ältere. "Warte kurz", meint der Jüngere. Jetzt ist die Geduld aber aufgebraucht und sie schnappt über den Tisch nach dem Handy des Älteren. Unter gewaltigem Protest rückt er es schließlich raus. "Das ist voll unfair!" "Wo ist denn hier die Toilette?", fragt der Jüngere.
Ohne Handy fehlt die Beschäftigung und so diskutieren sie mit ihrer Mama herum. Doch die hat die Handys inzwischen sicher in ihrer Handtasche verwahrt. Als ihm die Nutzlosigkeit der Bettelei klar wird, zieht der Ältere sich beleidigt die Kapuze über das Gesicht und will möglicherweise schlafen. Doch sein jüngerer Bruder weiß das mit gezielten Schlägen auf den Rücken zu verhindern. "Lass ihn", ermahnt die Mutter - natürlich ohne Erfolg. Die Rache kommt sogleich, doch das scheint den Jüngeren nur umso mehr anzustacheln. So bleiben auch der zweite und dritte Anlauf mit geschlossener Kapuze erfolglos. Die beiden raufen eine Weile. Dann fällt dem Kleinen ein, dass... "Mama, ich brauch nochmal kurz mein Handy! Ich habe was Wichtiges vergessen!!!" Er greift schon nach der Handtasche. "Neee!!" "Ich hasse dich", meint er daraufhin. "Na toll, und das dafür, dass ich mit euch in den Urlaub gefahren bin."
"Sind wir eigentlich schon in Deutschland?", wundert sich die Mama."Nee, ist noch Tschechien", erkennt der Kleine sofort, während wir durch Ceská Kubice rollen.
"Kann ich meinen Pulli haben?", will er wissen. "Och nee, der ist ganz unten im Rucksack. Wir sind doch gleich da." "Aber du hast doch gesagt, wir müssen noch weit laufen. Und es ist schlechtes Wetter draußen." In der Tat ist der sonnige und warme Morgen in Hradec einem bedeckten, windigen Böhmerwald mit einigen Regentropfen gewichen.
"Wir müssen halt einen Bogen bis zum Parkplatz laufen. So weit ist das auch nicht." "Wann sind wir eigentlich da? Du hast doch gesagt, dass wir um 14:21 Uhr da sind!" "14:20 Uhr", korrigiert der Ältere zurecht. "Ja, und dann müssen wir noch ungefähr zwei Stunden mit dem Auto nach Bayreuth fahren. Also, falls es noch da steht und nicht geklaut wurde", meint die Mutter. Der Kleine wuchtet schon mal den Rucksack von der Gepäckablage und setzt ihn auf. "Was machst du? Wir sind noch nicht da", sagt die Mama. "Ich setze halt schon mal den Rucksack auf", meint er, während er alle Mühe hat, im wankenden Zug aufrecht stehen zu bleiben. "Setz dich wieder hin. Sind wir immer noch in Tschechien?" "Nee, ist schon Deutschland", stellt er richtigerweise fest.

"So, wir sind da", meint die Mutter, als wir in Furth im Wald einrollen. Ende des Unterhaltungsprogramms? Noch nicht.

An ihren Platz setzt sich eine Mutter mit ihrer 8 Jahre alten Tochter. Der nicht nur mir bestens bekannte Snackverkäufer, ein Dunkelhäutiger mit goldenem Hut, Lederhose und leicht bayerischem Klang bietet in seiner besonderen Art in einer Mischung aus Deutsch, Bayerisch und Englisch Getränke an. "Hier vielleicht Bier, Cola, Wasser odaso? Red Wine, White Wine, Coffee? Thank you please, two hours still, some red wine?", bietet er den Amerikanern an, die jedoch im Gegensatz zu vielen anderen Fahrgästen ablehnen. "Cola, Wasser, Kinderlimo?" Zielgruppenorientierung beherrscht er auch hervorragend. Ich habe noch nie erlebt, dass er jungen Männern nicht sofort Bier angeboten und damit keinen Erfolg hatte."Eine Cola bitte", meint die Frau."Keine Kinderlimo?", meint er zur Tochter. "Nee, danke, wir haben noch was dabei", wimmelt ihn die Frau ab. Die bestellten Getränke holt er dann von seinem Servicewagen, um sie schwungvoll am korrekten Platz abzuliefern, im Vorbeigehen den Preis zu nennen und bei einem weiteren Durchgang abzukassieren. Meistens erhält er ein ordentliches Trinkgeld. "Können Sie das vielleicht auch aufmachen?", bittet ihn die Mutter und hält ihm auch ihr mitgebrachtes Bier hin. Natürlich kann er.
"Lass uns anstoßen", meint die Mama zu ihrer Tochter, welche einen ausgepackten Saft bekommen hat. Kling."Auf unseren Urlaub."

Wir halten in Cham, es bleibt bei +15. "Red Wine for Mama and Papa, Cola for your son, still 2 hours", meint der Verkäufer zu den Amerikanern. Jetzt lachen wir alle drei - naja, zugegebenermaßen, das Alter stimmt.
Im DB Navigator steht inzwischen drin, dass der Zugteil aus Prag in Schwandorf endet und man in den Hofer Zugteil umsteigen muss. Ich erörtere schon Alternativen, um das pünktliche Abendessen noch zu retten, obwohl der Anschluss in Schwandorf jetzt definitiv weg ist. Und in der Tat, es gibt noch eine Chance. Aber ich brauche Glück, viel Glück...

Schwandorf......ALX 356...........an 15:04 (aktuell +16)
...............................................ab 15:17

München Hbf.............................an 17:18
........................ICE 512............ab 17:28

Ulm Hbf....................................an 18:47
........................RE 4232...........ab 18:54

Plochingen................................an 19:40
........................RE 22053.........ab 19:44

Metzingen.................................an 20:04

Bald geht die Zub durch, um es allen Fahrgästen persönlich zu sagen. "Ja, wir müssen leider die Wagen dortlassen. Ich versuche noch, dass der andere Zugteil auf uns wartet. Ich bin auch schon mit dem Fahrdienstleiter in Kontakt, ob wir auf Gleis 5 statt Gleis 2 einfahren können", meint sie zwei Reihen entfernt. Den Grund für den Wagentausch erfahre ich allerdings nicht. Da die Amerikaner schon so fragend schauen, erkundige ich mich, ob sie nach München wollen. Dem ist so und ich erkläre ihnen, dass der Zug außerplanmäßig in Schwandorf endet und wir in einen anderen Zug umsteigen müssen. "But there's nothing written here on our ticket. And why?&" Gott allein weiß es. Wäre ja nicht das erste Mal. Aber alles halb so schlimm, ich kann euch zeigen, wo ihr hinmüsst. Ich habe beschlossen, die Alternative zu wagen.

"Ach, das finde ich jetzt richtig doof", meint die Mutter, "dann muss ich ja mein Bier bis dann austrinken." "Und ich meinen Saft", stimmt die Tochter ein. "Nein, das ist nicht so schlimm, den kann man zuschrauben." "Das ist wirklich doof, doof, doof", jammert die Tochter herum, "warum müssen wir denn umsteigen?" "Das weiß ich nicht, Mäuschen. Ich find's auch doof, aber es bringt ja nichts, sich darüber aufzuregen. Wir können es eh nicht ändern." "Ist aber voll doof."

Reichlich vor Schwandorf bricht im Wagen die Hektik aus, Koffer werden heruntergeholt, Rucksäcke gepackt. Die Amerikaner beobachten mich genau. Sie machen sich nicht zum Ausstieg bereit. Der Zug kommt zum Stehen, allerdings im Betriebsbahnhof Wackersdorf. Einige Leute gehen unruhig herum. Ich stehe weiter unter Beobachtung, mache aber keine Anstalten, meinen Laptop zuzuklappen.
"Da guck mal, ein gelb-blauer Zug", meint das Mädchen gegenüber. "Ja, ich glaube, der heißt Agilis." Nachdem die OPB vorbei ist, wird die Fahrt fortgesetzt. Als die ersten Häuser von Schwandorf vorbeiziehen, gebe ich das Kommando zum Aussteigen.

Der Hofer Zugteil hat gewartet, während wir mit +15 einrollen - allerdings wie im Plan auf Gleis 2, sodass alle durch die Unterführung müssen. Als die OPB aus Regensburg wenig später auf Gleis 3 einfährt, weiß ich auch, warum sich der Fdl nicht überzeugen ließ. Die Zub des Hofer Zugteils steht in der Unterführung bereit, um den Umsteigerstrom zu überwachen. Dieses Mal gibt es für die Fahrgastinformation und -leitung ganz klar einen Pluspunkt. Der Snackverkäufer kämpft sich mit seinem Trolley Stufe für Stufe hoch, während die Reisenden an ihm vorbeiströmen.
Mit lediglich +11 geht ein Ruck durch den Zug. Ich frage mich, ob es bei Verspätungen des Prager Zugteils nicht zweckmäßiger wäre, Reservewagen in Schwandorf an den Hofer Zugteil anzuhängen, den Prager Zugteil möglichst am Gleis gegenüber einfahren und die Fahrgäste umsteigen zu lassen. Das geht wesentlich schneller als das Rangieren.

Die Plätze werden neu verteilt, ich nehme wieder einen Tisch. Mein Plan kann noch aufgehen, wenn wir halbwegs gut durchkommen. Ein Manko sind die lediglich 8 Minuten Aufenthalt in Regensburg, die nur wenig Potenzial zum Verspätungsabbau bieten.

Ich verfolge den Rangiervorgang und er geht schnell vonstatten, erfreulich schnell. Bald steht das Signal auf Fahrt. Die Zub pfeift, doch da kommt ein Rennradfahrer in Fahrradklamotten herbeigestürmt und fragt sie etwas. Offensichtlich ist es der richtige Zug, er steigt samt Fahrrad ein und mit +9 starten wir Richtung München.
"Ein Bier?", bietet der Snackverkäufer dem Fahrradfahrer an, nachdem er platzgenommen hat. "Oh ja, gern!"

"Sie fahren also anders als auf Ihrer Fahrkarte?", meint die Zub zu mir. Genau. Und dank Ihrem zügigen Rangieren sind meine Chancen auf Erfolg deutlich gestiegen.
Dann kontrolliert sie den Fahrradfahrer. "Ja, das ist Ihre Reiseverbindung. Und wo ist Ihre Fahrkarte?" "Achso, das hat mir die an der Information ausgedruckt. Sie hat gesagt, die Fahrkarte könnte ich im Zug kaufen." "In Ordnung, gehen Sie doch bitte zur Kollegin im ersten Wagen im Abteil ganz vorne. Und sagen Sie bitte, dass Sie ein Fahrrad dabeihaben."

Das Bier ist im Nu geleert. Er ist mit der jungen Frau neben ihm ins Gespräch gekommen und sie will mit ihm anstoßen. "Na, das ist jetzt vielleicht bisschen blöd. Meins ist schon leer. Aber vielleicht kommt er ja nochmal vorbei." "Hmm, willst eins von mir haben?" "Och, wenn du schon fragst... Ich bin gerade richtig durstig." Sie zieht ein Bier aus einem Stoffbeutel und sie stoßen an.

Doch obwohl meine umfangreiche Erfahrung auf dieser Strecke besagt, dass man zwischen Regensburg und München gut Verspätung aufholen kann, klappt es dieses Mal nicht so gut wie erhofft. Es gibt zwar keine Behinderungen, doch in Freising stehen wir immer noch bei +8. Damit ist der 10-Minuten-Umstieg in München sehr knapp, aber schaffbar. Ein, zwei Minuten mehr wären aber schon gut.

Wir rauschen durch Moosach, Zeit für mich, noch die zwei Wagen bis zur Zugspitze auf die Pole Position vorzurücken. Wir liegen gut in der Zeit, meine Chancen stehen gut. Ich rücke ein bisschen weiter, damit die Zub an das Ansagemikro kommt. Na da sind wir ja erfreulich gut durchgekommen, meine ich, nachdem sie fertig ist. "Ja, wenn wir nicht hinter der S-Bahn herfahren müssen, können wir da ordentlich was rausholen. Naja, die Strecke gehört eigentlich eh schon längst ausgebaut." Meine Rede.

Mit nur noch +4 rollen wir an Gleis 26 ein und ich kann entspannt umsteigen. Mir fällt auf, dass es vermutlich das erste Mal ist, dass ich in München wirklich auf der Durchreise bin.

Ich entdecke einen komplett leeren Vierer und steige in diesen Wagen ein. Och nö, Reservierungen werden nicht angezeigt. Mit wilder Spekulation setze ich mich auf einen Gangplatz. Zwei Reihen weiter wird jemand aufgescheucht, als jemand mit Reservierung kommt. An meinen Tisch setzt sich nur ein gestresster Business-Mensch, setzt seine Kopfhörer auf und starrt ins Handy. Bis zur Abfahrt kommt niemand mehr. "Ist das hier 33?", spricht mich eine Frau hinter Pasing an. Ich schaue auf die Platznummern. "Nee, nicht Platznummer, Wagennummer." Ja. Irgendwie scheint ein Wagen zu fehlen, weswegen die Nummerierung nicht durchgängig ist.
"Ein Hinweis für die Fahrgäste im Zugteil mit den Wagennummern 31 bis 39: die Reservierungen sollten jetzt korrekt angezeigt werden." Kein Platz an meinem Tisch ist reserviert, puh.
Meine Fahrkarte wird lange begutachtet. "Ähm, Sie sind im falschen Zug?!" Nee, ich habe meinen Anschluss verpasst, weil die Tschechen den Zug zu spät geschickt haben. Er schaut irgendwas auf seinem Gerät nach."Ok, danke. Passt." Der Business-Mensch mir gegenüber wischt verzweifelt auf seinem Handy herum. "Die Fahrkarte lädt einfach nicht", ruft er der Verzweiflung nahe. "Ist schon ok, machen Sie keinen Stress, ich komme später nochmal." Er versucht es noch einige Minuten, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, erfolglos. Doch der Zub kommt nicht nochmal vorbei. "Wir erreichen jetzt pünktlich Ulm, Ausstieg in Fahrtrichtung rechts." Anderer Ansager: "Ich möchte meinen Kollegen korrigieren - wir erreichen Ulm 4 Minuten vor Plan. Sie haben also bis 18:49 Uhr Zeit, sich zu erfrischen."

Da ich keinen Aufschlag für das höhere Produkt zahlen musste, kann ich mir die eigentlich hier geplante Abholung eines FGR-Formulars sparen und benutze stattdessen die neue Fußgängerbrücke. Dass man von oben die ZZA auf dem Bahnsteig (im Gegensatz zu fast allen Unterführungen) nicht einsehen kann, ist meiner Ansicht nach ein großes Manko. Auch die größere Höhendifferenz im Vergleich zur Unterführung macht sich mit Koffer bemerkbar. Doch da rollen gerade Dostos herbei und es steht Stuttgart Hbf drauf. Dann weiß ich ja, wo ich hinmuss. Die 218 kommt quietschend zum Stehen und sobald die Türen aufgehen, kommen mir zwei entgegengestürmt und rennen die Treppe hoch.

Der Loktausch dauert wohl eine Weile. Ein bisschen zu lang für meinen Geschmack. Die Abfahrtszeit verstreicht. 1 Minute, 2 Minuten, 3 Minuten. Oh nein, so kurz vor dem Ziel.
Gut 4 Minuten hinter Plan setzt sich der Zug in Bewegung. Ok, die Bahn will wohl die Spannung bis zum Schluss erhalten.

Ich bitte den Zub um Vormeldung des RE nach Tübingen, was bereits geschehen ist. Nachdem ein Großteil der Reise in tristem Grau verlaufen ist, kommt die Sonne durch, als wir die Geislinger Steige erreichen. Die tiefe Abendsonne taucht das Tal in ein unwirkliches Licht, fast wie Theaterbeleuchtung. +3, genau wie in Göppingen. Ich positioniere mich an der nächsten Türe. Wir werden langsamer. Ich sehe die Hektometertafel. Da fehlt noch bisschen was. Wir werden noch langsamer, dann beschleunigen wir wieder. Noch 2 Minuten bis zur Abfahrt. Ok, es soll wirklich bis zum Schluss spannend bleiben.

Neben mir hat sich auch schon jemand positioniert, 30 Sekunden vor der Abfahrtszeit gehen die Türen auf, ein Schwall Menschen saust aus allen Türen auf die Treppen zu, in die Unterführung, durch die Unterführung, die Treppen hoch und in den RE nach Tübingen.
800 km und 10 Stunden 28 Minuten später bin ich mit +1 am Ziel. Abendessen gerettet.


Da kommt doch schon Vorfreude auf die Rückfahrt auf...

Metzingen..............RE 22026....ab 10:55

Stuttgart Hbf.............................an 11:38
.............................IC 2067.......ab 12:07

Nürnberg Hbf.............................an 14:18
.............................RE 5289.......ab 14:37

Cheb.........................................an 16:22
.............................Ex 561.........ab 16:33

Praha hl.n.................................an 19:19
.............................RJ 285........ab 19:50

Pardubice hl.n...........................an 20:46
.............................R 1260........ab 21:03

Hradec Králové hl.n....................an 21:23

Um diese Route fahren zu können, habe ich extra bis Dienstag gewartet, denn erst mit dem Beginn des neuen Schuljahres in Bayern ist der SEV zwischen Nürnberg und Pegnitz beendet. Außerdem lässt sich die Stunde zwischen Prag und Pardubice hervorragend für ein Abendessen im Speisewagen nutzen.

Doch planmäßig komme ich genau bis Stuttgart. Denn der IC Karlsruhe - Nürnberg hat Verspätung, wie immer. Doch dieses Mal macht es mir die Bahn nicht spannend, denn bei +40 wegen Verspätung aus vorheriger Fahrt ist klar, dass der Anschluss in Nürnberg nicht klappen wird.
Ich evaluiere ein paar Optionen, ziehe sogar den IC Bus in Betracht. Doch auch den werde ich nicht mehr erwischen. Bleibt nur noch die Variante über Schwandorf eine Stunde später, soll ich etwa wieder via München fahren? Doch der ICE steht momentan mit +16 drin bei 16 Minuten Umsteigezeit. Daher bleibe ich bei der Variante über Nürnberg.

Nürnberg Hbf..........IC 2067........an 14:18 (+45)
.............................RE 3565........ab 15:43

Schwandorf.................................an 16:47
.............................ALX 361........ab 16:52

Praha hl.n...................................an 20:16
.............................R 875............ab 20:24

Pardubice hl.n.............................an 21:25
.............................Os 6254.......ab 21:44

Hradec Králové hl.n.....................an 22:06

Die Variante ist aus zwei Gründen unerfreulich: Den 8-Minuten-Anschluss in Prag habe ich bisher 0 von 2 mal erreicht und R-Züge haben keinen Speisewagen. Heute wird das Abendessen Verspätung haben.

So kann ich erstmal eine Weile den regen Bahnverkehr im Stuttgarter Hbf begutachten. Die roten Züge werden nach und nach von weiß-gelben verdrängt. Ich setze mich auf eine Bank. "Wo ist denn hier die Information? Ich geh mal fragen, ob die Fahrkarte dann in einem späteren Zug gültig ist." Die Frau hält ein Baby auf dem Arm. Sie will nach Bayreuth und ich kann ihr versichern, dass der Weg zur Information unnötig ist und sie einfach einen späteren Zug nutzen kann. "Oh je, ich glaube, der hat sein Geschäft verrichtet." "Im Zug kann man ja Windeln wechseln", meint ein Mann. "Ob es da wohl eine Möglichkeit gibt?", meint die Frau skeptisch.
Der verspätete ICE nach München steht zur Abfahrt bereit, die Ausfahrt steht, doch es wirkt nicht so, als wäre man sonderlich bemüht, schnell abzufahren. Zwei Chinesen fragen den Zub, ob sie diesen Zug mit ihrem BaWü-Ticket nach Ulm nutzen können. "Only the red ones." Die Ausfahrt des ICE wird zurückgenommen. Stattdessen darf die RB nach Ulm vor. Kaum ist sie abgefahren, ertönt der Ansagegong und die Abfahrt wird angekündigt. Zuerst denke ich, es wird auf Zs1 ausgefahren, aber dann geht das Signal doch auf Fahrt. Die Kellen werden geschwungen, die Türen schließen. Eine Frau mit Koffer kommt angehetzt und drückt auf den Türöffner, natürlich vergeblich. Sie läuft einen Wagen weiter und versucht es nochmal mit demselben Ergebnis. "Hallo, ich würd gern noch einsteigen!" Der ICE setzt sich in Bewegung. "Ach, scheiße."

Schließlich kommt der IC mit +40 eingefahren. Ich setze mich rein und dann passiert erstmal nichts. Nach knapp 10 Minuten wird durchgesagt, dass es eine technische Störung gebe und man nach Nürnberg auch den RE am Gleis gegenüber nutzen könne. "Wie lange wollen die denn noch hier rumstehen?", brummelt eine Frau. Ich entscheide mich gegen den Umstieg, den planmäßig ist der IC fast eine halbe Stunde schneller. Außerdem habe ich hier einen Tisch.
Wenige Minuten später fahren wir endlich ab, inzwischen stehen +50 auf dem Zähler. Nur weit kommen wir nicht. Wir halten an einem kleinen Bahnhof an und ich wundere mich schon, warum der Strom an meinem Laptop weg ist. 10 Minuten vergehen. Die Klimaanlage scheint auch nicht mehr zu funktionieren. Weitere Minuten verstreichen. "Was ist denn jetzt schon wieder?", brummelt jemand."Also ein paar Informationen könnten sie ja schon mal geben. Ich glaube, die sind auch schon bekloppt geworden..."

"Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben leider eine technische Störung am Zug. Ich mache jetzt eine Tür für Sie auf, damit sie aussteigen und eine Raucherpause einlegen können."
"Ja ich glaubs doch net, oda?" "Des gibt's doch nicht."

Die Leute strömen auf den Bahnsteig, ein Mann fotografiert den Bahnhofsnamen. Schön hier in Grunberg, oder?, werfe ich ein. "Ja, man muss es mit Humor nehmen. Ich muss ja erst morgen wieder zur Arbeit und bis dann werden wir es hoffentlich bis Nürnberg schaffen."
Die 147 ist abgebügelt. Dann lag ich mit meiner Vermutung also richtig.
Bild

Der Snackverkäuferin kann ich entlocken, dass der Hauptschalter wohl des Öfteren mal fliegt. "Diesellok dranhängen und abschleppen", meint jemand. Klar, und eine 218 verursacht auch keine Softwareprobleme, weil die keine Software hat! Mein Kommentar entlockt der Snackverkäuferin ein Schmunzeln. "Ach, ich will auch nach Hause. Ich bin schon seit 4 Uhr auf den Beinen." Jedenfalls hat sie Hochkonjunktur und kann einige Kaffee zur Beruhigung der genervten Reisenden absetzen - für 2,60¤ pro Stück. Wenn man die Qualitätstests für Bombardier schon an den Fahrgästen durchführt, könnte man ja wenigstens den Kaffee als Entschädigung ausgeben.

Ein Go Ahead-Flirt rauscht auf dem Gegengleis vorbei, aus dem Führerstand wird der liegengebliebene Zug gefilmt. Ein bisschen nach dem Motto - seht her, wenn man Schweizer Qualitätsprodukte kauft, kommt man auch ans Ziel.

Nach etwa einer halben Stunde sammelt der gestresste Zub die Fahrgäste auf dem Bahnsteig ein. Wenige Minuten später geht es weiter, ohne Strom, ohne Fahrgastinformation, ohne Klimaanlage.
"Wir erreichen jetzt____Stuttgart Hauptbahnhof", verkündet Ingo Ruff, "vielen Dank für Ihre Reise mit der Deutschen Bahn. Auf Wiedersehen."

"Bäh, der Kaffee ist echt scheußlich. Ich finde, den hätten sie uns wenigstens gratis geben können." "Gibt's da nicht auch Sekt? Der macht wenigstens den Kaffee wett..."

Ohne weitere Überraschungen kommen wir bis Ellwangen, dort müssen wir den Gegenzug abwarten. Damit sind die Bonusminuten dreistellig und ich kann meinen 85-Minuten-Anschluss in Nürnberg auch vergessen. Wird dann wohl doch die ursprünglich geplante Route zwei Stunden später sein. Inzwischen funktionieren Klimaanlage, Steckdose und Fahrgastinformation wieder und auch Ingo Ruff verkündet die Haltestellen korrekt.

"Sehr geehrte Reisende, aufgrund der Verspätung laden wir Sie im Wagen 5 auf ein Freigetränk ein." Wer jetzt dachte, man kriegt ein Freigetränk nach Wahl, hat sich getäuscht. Es gibt einen halben Liter Wasser pro Person - schade eigentlich, es bleibt bei DB Servicewüste.

Mir bleiben also 40 Minuten in Nürnberg, die sich hervorragend für eine Kaffeepause eignen. Und einen Kaffee brauche ich dringend, schließlich habe ich noch immer sieben Stunden vor mir. Das gemütliche Handwerkerviertel ist nur einen Katzensprung entfernt und gemütlicher als Backwerk oder Rubenbauers Genusswelten. Ein Mann läuft mit einer GoPro in der Hand herum. Da frage ich mich schon, wer sich das Video nochmal anschaut.

Ich besteige den 612er. In der Lounge sind 50% der Plätze in Fahrtrichtung mit Fahrgästen und die restlichen 50% mit Gepäckstücken belegt. Gegen die Fahrtrichtung kann ich keine Neigetechnikzüge fahren. Entschuldigung, darf ich mich hier hinsetzen? Grummelnd nimmt der junge Mann seinen Laptop und setzt sich auf die andere Seite des Tisches gegen die Fahrtrichtung. Vermutlich bearbeitet er geheime Informationen, die ich nicht sehen soll.

Pünktlich verlassen wir Nürnberg und nehmen Fahrt auf.

Vorsignalbake 3
Vorsignalbake 2
Vorsignalbake 1
Vr1

Warum bis gestern SEV auf der Strecke war, ist deutlich zu erkennen. Zahlreiche Brücken sehen noch sehr provisorisch aus und haben Las.
In Pegnitz verabschiedet sich der vordere Zugteil und ich habe Glück - der Vorhang bleibt offen, sodass die restliche Fahrt kurzweilig wird. Warum man in Marktredwitz gerne mal eine Einfahrt mit 30 km/h bekommt, konnte ich noch nicht klären.
In Marktredwitz haben wir planmäßig 6 Minuten Aufenthalt und der Tf schaltet den Motor aus. Bravo, ich habe noch nie verstanden, warum bei vielen Zügen der Motor schon eine halbe Stunde vor Abfahrt im Leerlauf vor sich hin brummt. Der Gegenzug aus Cheb wird zwar bald angekündigt, doch es vergehen noch über 5 Minuten, ehe er eintrifft. Mit +7 fahren wir weiter.

Ich dachte schon, auf tschechischer Seite geht´s mit 80 über ein Stoßlückengleis, aber falsch. 160 km/h sind drin, ein Wunder. Ganz unsinnig ist der Ausbau aber nicht, denn so können die Knoten in Marktredwitz zur Minute 0 und in Cheb zur Minute 30 entspannt erreicht werden.
Die Fahrgastzahl ist sehr überschaubar. Eine alte Frau kommt aus dem Großraumwagen und spricht mich an. "Kennen Sie sich auf dieser Strecke aus?" Ich fahre sie zwar zum ersten Mal (endlich!), behaupte aber trotzdem ganz frech ja. Sie deutet auf ihre Verbindung nach Marienbad. Ob sie denn in Scheb nach Mariaske Lacne umsteigen müssten oder ob dieser Zug weiterfahren würde?
Ich tippe mal auf Umsteigen.

Vom riesigen Bahnhof in Cheb geht es über die landschaftlich reizvolle Strecke Richtung Pilsen. Die Sonne nähert sich dem Horizont und bald übernimmt der Mond die Beleuchtung der Landschaft.

Überpünktlich bin ich in Prag, was angesichts von 11 Minuten Fahrzeit zwischen Smíchov und hl.n. wenig verwunderlich ist. Da liegt der Verdacht nahe, dass man den nicht ganz unbedeutenden Anschluss an 20:19/ ab 20:24 Richtung Prerov aufgrund von 7 Minuten MÜZ künstlich illegalisieren möchte. Praktischerweise ist er auch noch bahnsteiggleich.

Ich habe, wie immer, etwa 40 Minuten Umsteigezeit totzuschlagen. Der typisch tschechische Pragmatismus hat dazu geführt, dass auf dem defekten Hocker vor dem Klavier jetzt ein Karton liegt, damit man sich draufsetzen kann. Ein Duett aus Klavier und Gitarre wird geboten, ehe ein Großteil der Wartenden zum Metropol strömt.
Der große Vorteil dieser Verbindung ist, dass ich nun wieder einen Speisewagen habe und mein Abendessen keine Variation von Billa easy-Produkten sein muss. Ein weiterer junger Mann steigt auch direkt in den Speisewagen ein. Einiges ist zwar aus, doch es gibt Gulaschsuppe und Risottotaler mit Grillgemüse, wobei mich Letzteres nicht besonders überzeugen kann.

In Pardubice habe ich nur 4 Minuten Umsteigezeit und wir haben +3 eingesammelt, die der Tf durch waghalsige Bremsmanöver zu reduzieren versucht. Zusammen mit ein paar anderen Studenten sprinte ich zum Os nach Hradec Králové und erreiche mein Ziel mit +123 - Platz 9 meiner 10 höchsten Verspätungen (auf 568 erfassten Fahrten).
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Beitrag von 146225 »

Mitten aus dem Leben, wie immer, vielen Dank.

Kleiner Hinweis noch: die GoAhead-Flirt sind wie (fast) alle in Deutschland auch nur Berliner, keine Schweizer. Die halbe Welt kann sich das Original aus Bussnang leisten, im armen Deutschland geht das nicht. ;)
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

:D
@Entenfang

Schaue einfach mal hier rein: http://fahrplan.oebb.at/bin/query.exe/dn da sind die Busse eventuell anders drinnen.
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Beitrag von JeDi »

Danke für den kurzweiligen Bericht!

Kleine Anmerkung:
Entenfang @ 11 Sep 2019, 22:21 hat geschrieben:Eine DB-Fahrkarte von Hradec Králové über Schwandorf nach Metzingen zu kaufen, geht ebenfalls nur zum Flexpreis.
Doch, geht auch zum (Super) Sparpreis Europa ;-)

Gruß, JeDi
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Beitrag von Entenfang »

JeDi @ 12 Sep 2019, 21:13 hat geschrieben: Danke für den kurzweiligen Bericht!

Kleine Anmerkung:

Doch, geht auch zum (Super) Sparpreis Europa ;-)
Bittesehr, wie immer gerne.

Über Schwandorf - Nürnberg? Da wird bei mir zumindest online immer nur "keine Sparangebote verfügbar" angezeigt. Via Schwandorf - München geht dagegen.
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Beitrag von Galaxy »

Entenfang @ 11 Sep 2019, 23:21 hat geschrieben:"Look, that's a big city. Where is it?" "It must be Plzen. It's written there." "Is it still in the Czech Republic or in Germany already?" "Czech Republic, I think." Und ich dachte immer, Amerikaner hätten als Klischee katastrophale Geografie-Kenntnisse...
Ich finde da wird häufig mit 2 unterschiedlichen Maßstäben gemäßen. Wie viele Europäer wissen z.B. das Tallahassee die Hauptstadt von Florida ist? ;)
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Beitrag von 146225 »

Galaxy @ 14 Sep 2019, 08:12 hat geschrieben: Wie viele Europäer wissen z.B. das Tallahassee die Hauptstadt von Florida ist?  ;)
Nach der Hunde-Universität die Straße runter. :P
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Beitrag von 218 466-1 »

Entenfang @ 11 Sep 2019, 16:21 hat geschrieben:Stuttgart Hbf.............................an 11:38
.............................IC 2067.......ab 12:07

Doch planmäßig komme ich genau bis Stuttgart. Denn der IC Karlsruhe - Nürnberg hat Verspätung, wie immer. Doch dieses Mal macht es mir die Bahn nicht spannend, denn bei +40 wegen Verspätung aus vorheriger Fahrt ist klar, dass der Anschluss in Nürnberg nicht klappen wird.
(...)
Nürnberg Hbf..........IC 2067........an 14:18 (+45)
(...)
Schließlich kommt der IC mit +40 eingefahren. Ich setze mich rein und dann passiert erstmal nichts. Nach knapp 10 Minuten wird durchgesagt, dass es eine technische Störung gebe und man nach Nürnberg auch den RE am Gleis gegenüber nutzen könne.(...) Ich entscheide mich gegen den Umstieg, den planmäßig ist der IC fast eine halbe Stunde schneller. Außerdem habe ich hier einen Tisch.
Wenige Minuten später fahren wir endlich ab, inzwischen stehen +50 auf dem Zähler. Nur weit kommen wir nicht. Wir halten an einem kleinen Bahnhof an und ich wundere mich schon, warum der Strom an meinem Laptop weg ist. 10 Minuten vergehen. Die Klimaanlage scheint auch nicht mehr zu funktionieren. Weitere Minuten verstreichen. "Was ist denn jetzt schon wieder?", brummelt jemand."Also ein paar Informationen könnten sie ja schon mal geben. Ich glaube, die sind auch schon bekloppt geworden..."

"Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben leider eine technische Störung am Zug. Ich mache jetzt eine Tür für Sie auf, damit sie aussteigen und eine Raucherpause einlegen können."
"Ja ich glaubs doch net, oda?" "Des gibt's doch nicht."

Die Leute strömen auf den Bahnsteig, ein Mann fotografiert den Bahnhofsnamen. Schön hier in Grunberg, oder?, werfe ich ein. "Ja, man muss es mit Humor nehmen. Ich muss ja erst morgen wieder zur Arbeit und bis dann werden wir es hoffentlich bis Nürnberg schaffen."
Die 147 ist abgebügelt. Dann lag ich mit meiner Vermutung also richtig.
https://live.staticflickr.com/65535/4871752...cfd037bb5_b.jpg

Der Snackverkäuferin kann ich entlocken, dass der Hauptschalter wohl des Öfteren mal fliegt. "Diesellok dranhängen und abschleppen", meint jemand. Klar, und eine 218 verursacht auch keine Softwareprobleme, weil die keine Software hat! Mein Kommentar entlockt der Snackverkäuferin ein Schmunzeln.(...)

Nach etwa einer halben Stunde sammelt der gestresste Zub die Fahrgäste auf dem Bahnsteig ein. Wenige Minuten später geht es weiter, ohne Strom, ohne Fahrgastinformation, ohne Klimaanlage.
Das ist die absolute Härte! BR 147.5 vom allerfeinsten. :lol: :lol: :lol:
Man sollte in Nürnberg, Aalen und Stuttgart extra jeweils eine 218 als IC2-Abschlepploks vorhalten. Die wären nahezu tgl. ständig im Einsatz. :ph34r:
Keine Alternative zum Transrapid MUC
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Beitrag von Entenfang »

Wer 4 Wochen Interrail aus Sicht eines Nicht-Fuzzis erleben will, wird beim MDR fündig.

Sehr treffend finde ich jedenfalls die Beschreibung seiner kurzen Begegnung mit Tschechien - wäre ich diesen Weg zum ersten Mal gegangen, ich hätte ihn vermutlich 1:1 so erlebt. :D
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

:lol: Ich bin gespannt ob die auch die Schattenseiten erwähnen.
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Beitrag von 146225 »

Gestern auf dem 1013 - am Feiertag durch die Republik

Mit der Anzahl der Nahverkehrs-Verbindungen mit passendem Anschluss zum Fernverkehr ist das in NRW am Feiertagsmorgen so eine Sache, die gestalten sich da recht übersichtlich, aber das hier hat funktioniert: aufgrund des sehr pünktlichen DVG-Kurses auf der gemeinsam mit der Rheinbahn gefahrenen U79 treffe ich am Gleis 15 des Düsseldorfer Hbf ein, als nebenan der 2013 nach Oberstdorf gerade abfährt. Also 4 Minuten vor Planabfahrt des ICE 1013, doch Gleis 15 ist wider Erwarten noch leer. Während ich noch ein Stück nach vorne gehe, rollt der Zug dann 3 Minuten vor der Abfahrtszeit auch ein, planmäßig ein 407 solo. Interessant ist, dass er von Süden kommt, der Tf also noch den Führerstand wechseln muss - oft sieht man diese Züge ihre Pausen auch auf den nördlich vom Hbf gelegenen Gütergleisen in Derendorf verbringen.

Einsteigen, Platz nehmen. So einfach - oder doch nicht? Was "digitale Infos" angeht, ist der Zug bei seiner Bereitstellung nämlich noch "elektronisch leer" - die Deckengondeln mit Zuglauf und Wagen-Nr. leuchten dann aber Sekunden später auf. Also alles gut? Mitnichten, denn was jetzt beobachtet werden kann, ist das spannende Ballett wie sich durchschnittliche deutsche Fahrgäste in einem Fernverkehrszug verhalten, wenn der reservierte Sitzplatz noch nicht angezeigt wird. Stellenweise wirkt es erschreckend hilflos, an anderer Stelle schon surreal komisch. Das Zugspersonal macht sogar noch extra eine Ansage, dass die Anzeige dann "in Kürze" erfolgen soll. Pünktlich abfahren ("Planstart") scheint dagegen nicht so wichtig zu sein, und so geht es mit +5 ab Düsseldorf Hbf los. Und dann wird es schon fast biblisch, die Erlösung der Suchenden leuchtet - nein, nicht vom Himmel, aber die Reservierungen werden jetzt angezeigt, als wir gerade durch Düsseldorf-Benrath fahren. Komisch, die Kombination aus Wagen- und Platznummer, die ja die ganze Zeit sichtbar war, scheint für manche nicht auszureichen. Über meinem Platz bleibt es dunkel, also keine Wanderung durch den 407. Und da jetzt alle Handtücher erfolgreich ausgeworfen wurden (Symbolbild) entspannt sich die Stimmung im Wagen merklich, beim "rheinischen Damenkränzchen" am anderen Wagenende, die mit einheitlich blauen Shirts ausgestattet dem Cannstatter Wasen in Stuttgart einen Besuch abstatten wollen, kreist schon mal die Sektflasche.

1013 ist ja einer jener praktischen Züge, die im großen Düsseldorfer Vorort den Hbf umfahren, also fällt das übliche Entertainmentprogramm mit Gedenkminute auf der Hohenzollernbrücke - Fahrtrichtungswechsel im Hbf - nochmals Gedenkminute auf der Hohenzollernbrücke aus, stattdessen warten doch recht viele Fahrgäste am Deutzer Tiefgleis 11 auf den Zug. War es ab Düsseldorf Hbf ca. halbvoll, würde ich jetzt die Belegung locker bei 70% aufwärts einsortieren - gut nachgefragt, aber noch nicht kritisch voll. Köln wäre auch nicht Köln, wenn es auf die Verspätung keine Zugabe gäbe, ab Köln Messe/Deutz geht es dann mit +8. Und den unvermeidlichen Running Gag wie im Trickfilm gibt es auch noch: So wie bei "Tom und Jerry" bei der Jagd durch den Garten immer ein Rechen herumliegen muss, wäre eine Fahrt im Fernverkehr nur halb komplett, wenn man nicht auf einem angeblich reservierten Platz sitzen würde. Dieses Mal ist es ein Paar ca. Mitte 50, bei dem "er" mir relativ schroff ansagt, dass ich aufzustehen hätte. Ja, einen schönen Guten Tag auch - meiner freundlichen Bitte, mir die Reservierung doch bitte schriftlich vorzulegen, kommt er aber immerhin nach, hui, sogar nicht nur ein Display eines Mobiltelefons, sondern tatsächlich ein Ausdruck auf Thermopapier vom Fahrkartenautomaten. Mal schauen: Datum, Zug- und Platznummern wären soweit korrekt, aber zum Wagen 21 dann doch bitte in diese Richtung, vielen Dank und gute Reise. Während er mit einem "Ah, ich dachte das wäre hier" abzieht, scheint sie von ihrem Partner dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen doch etwas unangenehm berührt und wünscht mir noch einen schönen Feiertag. Danke, gleichfalls! Die Dame zwei Reihen vor mir, die das Schauspiel verfolgt hat, meint nur grinsend: "Hin und wieder tut etwas Demut doch ganz gut."

Bei der Einfahrt Montabaur werden wir aufs Gegengleis geleitet, zurück geht es dann in Limburg Süd, wo wir noch den weiteren Schlenker am Bahnsteig entlang nehmen. 100-120 km/h zu fahren wie bei dieser Weichentour erforderlich, fühlt sich auf der KRM dann doch schon fast wie Stillstand an. Und so kann der Zug die Verspätung bis Frankfurt Flughafen Fernbahnhof auch nicht wesentlich verkürzen, sie liegt zu diesem Zeitpunkt bei +6. Wie üblich findet bei diesem Halt dann doch ein nicht unwesentlicher Fahrgastwechsel statt, und auch wie üblich, demonstrieren durchschnittliche deutsche Fahrgäste, dass man kühlschrankgroße Rollkoffer wunderbar dazu verwenden kann, sie anderen Menschen blockierend mitten in den Weg zu stellen. Vor allem zwei junge Mädels, die ihre Koffer ohne Rollen vermutlich keine 3 m weit bewegt bekämen, glänzen in dieser Disziplin, verziehen sich dann aber nach einigem Hin- und her mit Gekicher nach weiter vorne im Zug. Am Abzweig in Zeppelinheim können wir noch nicht sofort auf die Riedbahn, weil vor uns noch der gleichfalls nicht ganz pünktliche 595 liegt, als der 407 zum Halten kommt, sieht man noch dessen Zugende (401) vorbeiziehen. Einen Block später geht es weiter, es hakelt aber ein bisschen, so dass die nördliche Einfahrt nach Biblis schon der nächste Punkt mit einem kurzen Stillstand ist. Geht aber gleich weiter, dieses Mal bis in die Gütergleise in Mannheim-Waldhof, wo wir auf einem Gleis neben dem besagten 401 zum Halten kommen - aha. Das "?" im Gesicht wird einen Augenblick später durch die Durchsage "Personen im Gleisbereich" beantwortet, schauen wir mal wie lange es dauert. Ein paar Minuten später rollt dann der 595 nebenan wieder los, nochmals 3 Minuten später folgt der 1013 diesem. Wie vermutet, geht es durch den Personenbahnhof auf der linken Seite durch und statt der seit 1985 üblichen "westlichen Einführung" nach Mannheim Hbf via Luzenberg und Neckarstadt nutzen wir die östliche Route via Käfertal und Neuostheim.

Das bedingt natürlich zur Weiterfahrt nach Stuttgart einen außerplanmäßigen Fahrtrichtungswechsel in Mannheim Hbf - den zuerst der 595 am Gleis 5 und dann der 1013 am Gleis 4 vollziehen. Kurz war die Überlegung, ob der zwischenzeitlich auf rund +30 angewachsenen Verspätung doch schon hier auszusteigen und den 19345 nach Hause zu nutzen, aber das wäre erst bei +45 oder mehr lohnend. Also geht es im Tiefflug durch den Kraichgau, bis der übliche Stau auf der B10/B27 in Zuffenhausen ankündigt, dass ich mir gleich den aktuellen Ruinenzustand von Stuttgart Hbf anschauen kann, Ankunft mit +30. Den eigentlich anvisierten 19126 hat es nicht gereicht, aber für den 19066 nach Heilbronn passt das jetzt ganz gut.
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Beitrag von Entenfang »

Heißer Ware auf der Spur

Um ein bisschen Spannung in eine mir bestens bekannte Route reinzubringen, möchte ich mal eine besondere Variante ausprobieren, die schon sehr lange auf meiner To-Do-Liste steht.

München Hbf......ICE 980........ab 9:19

Nürnberg Hbf..........................an 10:29
.........................RE 5285........ab 10:37

Cheb......................................an 12:22
.........................R 611...........ab 12:29

Sokolov ................................an 12:52
........................VBG 20820....ab 13:32

Zwickau Hbf...........................an 15:45
.......................RE 74045.......ab 16:31

Dresden Hbf............................an 18:21

Für den Abschnitt München - Sokolov habe ich vorneweg ein First Minute Europe der CD für 17,30¤ gebucht.

Die Reise startet an einem trüben Morgen am Münchner Hbf und es scheint fast so, als wäre der Plan hinfällig, ehe es überhaupt losgeht. Dodong. "Information zu ICE 980 nach Hamburg-Altona: Die Bereitstellung dieses Zuges verzögert sich noch um etwa 5 bis 10 Minuten." Doch schon bald rollt er an den Bahnsteig und wird gestürmt. Die Reservierungsanzeigen sind noch alle dunkel und ich setze mich einfach ins zweite Abteil. Da leuchtet überall "ggf. reserviert" auf. Ein Rentnerpaar zerrt einen Koffer durch den Gang. "Hier ist ja alles reserviert!!!", ruft der Mann entsetzt. "Das glaub ich nicht", entgegnet seine Frau. Kaum habe ich den Rucksack abgestellt, höre ich irgendwas von reserviert. Ich werfe einen Blick nach draußen und siehe da - alle 6 Plätze im gewählten Abteil sind reserviert. Gut, dann verschwinde ich jetzt wohl ganz schnell wieder... Im nächsten Abteil ist der Fenster- und damit Tischplatz erst ab Nürnberg reserviert und ich schnappe ihn mir sogleich. Neben mir sitzt ein junger Mann, mir gegenüber eine ältere Frau. Letztere setzt sich ziemlich bald zwei Plätze weiter auf den Gangplatz.
Mit +3 verlassen wir auch schon den Münchner Hbf. Puh, nochmal gutgegangen. "Guten Morgen, die Fahrscheine bitte. Soo, bei mir ist die 68 eingecheckt?!" "Ja, ich hab mich umgesetzt, ich habe dort ja gar keinen Platz", erläutert die Frau.

Unspektakulär und pünktlich verläuft die Fahrt durch den nebligen Tag bis Nürnberg. Im RE nach Cheb ist nicht allzu viel los, während wir schaukelnd durch die Oberpfalz rasen. Kurze Knotenpause in Marktredwitz
Bild

Cheb wird sogar vor Plan erreicht. Vom Stumpfgleis ist es ein ewiger Fußmarsch bis zur Unterführung, sodass die Umsteigezeit nicht üppig ist.

Die lange Umsteigezeit in Sokolov nutze ich zum Fahrkartenkauf. Ein echtes Schnäppchen ist die Tageskarte für den Karlovyvarský kraj und grenznahen SPNV in Deutschland, welcher aber auch die Strecke bis nach Dresden abdeckt und nur 259 Kronen kostet. Der kleine Haken - man kann sie nur am Schalter in Tschechien und nur für den jeweiligen Tag kaufen, sodass ein "Missbrauch" für innerdeutsche Strecken deutlich komplizierter als mit den First Minute Europe ist. Die Kuriosität - die Fahrkarte gilt in Tschechien auf allen Strecken außer von Sokolov nach Klingenthal, denn es handelt sich um einen CD-Fahrschein und die werden von GWTrainregio nicht anerkannt, welches aber das EVU für den tschechischen Teil der Strecke ist. Beispielsweise von Plauen via Adorf nach Cheb kann man damit aber fahren, da dort die VBG-Züge in Tschechien von der CD gefahren werden.

Es dauert zwei Anläufe, bis mir die Mitarbeiterin den gewünschten Fahrschein verkauft, denn um diese Variante zu bekommen, muss sie erst Häkchen im System entfernen, die nur Züge nach CD-Tarif anzeigen. Bei GWTR kann man Fahrkarten nur beim Zugpersonal erwerben, dafür aber natürlich ohne Bordzuschlag.

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Die Brotbüchsen werden auf den Kurzläufern nur bis Kraslice eingesetzt.
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Weiter geht';s also im Regiosprinter, für mich eine Premiere. Der Zug erinnert vom Innenraum her stark an eine überbreite Straßenbahn, nur das WC passt nicht dazu.
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Etwa 20 Fahrgäste sind auf tschechischer Seite unterwegs und daran ändert sich auch kaum etwas, immer mal wieder steigt jemand an kleinen Wald-und-Wiesen-Hp aus oder ein. Wir halten am Bedarfshalt Kraslice predmestí, niemand steigt ein oder aus. Nach 15 Sekunden geht die Tür des Führerstands auf und der Tf kommt heraus. "Mädchen, wir sind daheim! Komm, aussteigen!", ruft er der jungen Frau zu, die in der 1. Reihe hinter dem Führerstand eingeschlafen ist und schüttelt sie sanft. Sie schaut ein paar Sekunden verwirrt aus der Wäsche und schnappt sich dann schleunigst ihren Rucksack, um auszusteigen. In Kraslice steigen dann alle anderen aus und ich fahre als einziger Fahrgast weiter. Tankstelle, Vietnamesenmarkt und Supermarkt ziehen vorbei, dann muss ja jetzt... ich korrigiere, zwei Tankstellen ziehen vorbei, also jetzt müssten wir ja wirklich... Korrektur, drei Tankstellen, dann kommt die Grenze. Bereits in Klingenthal steigen aber wieder einige Fahrgäste zu, darunter auch Schüler. Drei alte Frauen sammeln sich um den Fahrkartenautomaten. In den nächsten Minuten höre ich nur leises ratloses Gemurmel. Kann man Ihnen irgendwie helfen?

In Zwotental steigen drei Wanderer ein. Sie interessieren sich scheinbar sehr für mein Gepäck, das hinter meinem Rücken deponiert ist, weil ich dem Tf durch die Glasfront über die Schulter schaue. Als ich mich umdrehe, um nachzusehen, wird mir auch schon eine Zollmarke unter die Nase gehalten. "Guten Tag, Ihren Ausweis bitte. Ist das Ihr Gepäck?" Doch keine Wanderer. "Darf ich Sie fragen, woher Sie kommen und wohin Sie fahren?" Oh nein, denke ich nur. Das nimmt mir doch jetzt niemand ab, dass ich diese Route nur zum Spaß fahre und dabei auch noch einen riesigen Koffer und einen vollgestopften Rucksack dabeihabe. "Aha, von München nach Dresden? Und wie sind Sie da gefahren?" Der Kollege gibt inzwischen die Daten meines Ausweises durch. Ob das so lange dauert, weil ich so verdächtig bin oder weil er keinen Empfang hat, lässt sich wohl nicht überprüfen.
"Haben Sie irgendwelche meldepflichtigen Waren dabei? Alkohol? Zigaretten?" Nein. "Irgendwelche verbotenen Gegenstände? Waffen? Pfefferspray?" Auch nicht. "Illegale Drogen? Hatten Sie da schonmal Kontakt?" Seufz. Wäre ich an Stelle des Zolls, mir würde das alles höchstverdächtig vorkommen. Glücklicherweise fragt er nicht danach, was denn in meinem Koffer drin ist, denn das wäre noch unglaubwürdiger als die ganze Geschichte ohnehin schon ist. "Mhm, wolltest du nochwas machen?", fragt er den Kollegen. Der will das Ergebnis der immer noch nicht abgeschlossenen Ausweisprüfung abwarten. "Darf ich Sie fragen, welchem Zweck Ihre Reise dient? Dienstlich, privat?" Konsultation an der Uni. "Aha, und wieso haben Sie sich für diese Reiseroute entschieden?" Aus Spaß an der Freude sage ich lieber nicht, sondern lasse es bei der allgemeinen Erklärung, dass ich halt Bahnfreak bin. Das entlockt ihm dann doch ein kurzes Schmunzeln. Ich bekomme meinen Ausweis wieder. "Na gut, das soll‘s dann gewesen sein."

Ruhig und ohne nennenswerten Fahrgastwechsel verläuft die weitere Fahrt durch die inzwischen durch den Hochnebel sichtbare, tiefstehende Wintersonne.
Knoten in Falkenstein
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Kurz vor Zwickau zieht dann plötzlich sehr dichter Nebel auf. Innerhalb von einer Minute ist von der Sonne nichts mehr zu sehen und die Sichtweite beträgt keine 200 m mehr.
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Da ich in Zwickau eine ewig lange Umsteigezeit habe, reicht es noch, um bis ins Zentrum mitzufahren und dort einen Fotostop einzulegen. Regiosprinter mit Tram habe ich nämlich noch nicht in meiner Sammlung. Ich bin offenbar nicht der einzige, der die Wartezeit am Bahnhof lieber durch eine Spazierfahrt ersetzt, denn zwei weitere Fahrgäste bleiben an der Endstation einfach sitzen. Ein zugestiegener junger Mann schaut mich skeptisch an, als ich zur Tür gehe, ohne meinen Koffer mitzunehmen. Ich versichere, gleich wieder zurück zu sein und positioniere mich zum Knipsen.
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Beitrag von Entenfang »

Dann geht's auch schon zurück zum Hbf, wo ich erfahre, dass der nächste RE 3 ausfällt und ich stattdessen die 8 Minuten später abfahrende RB 30 nehmen muss. Dann bleibt ja noch Zeit für die Tram am Bahnhofsvorplatz.
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Bild
Der Fahrgast eine Reihe vor mir erkundigt sich beim Zub nach dem Grund für den Ausfall. "Kann ich Ihnen auch nicht sagen. Heißt nur aus betrieblichen Gründen." Einmal Wise Guys, bitte…
Die Grinsekatze jault deutlich vernehmbar, denn der Triebwagen schleudert heftig auf den schlüpfrigen Schienen, bringt mich aber pünktlich, d.h. eine halbe Stunde zu spät, ans Ziel.
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Beitrag von Entenfang »

Entenfang, warum fährst du eigentlich so gerne mit der Bahn?

Diese Frage höre ich immer wieder.

Eine mögliche Antwort lautet: Weil es immer Überraschungen gibt und selten langweilig ist. Oftmals sind es die kleinen Szenen und mitgehörte Gespräche, welche aber keinen eigenen Erlebnisbericht füllen, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubern - oder auch zum Fremdschämen sind. Eine Auswahl der schönsten Erlebnisse des letzten Jahres gibt es hier:

RE nach Thale Hbf, Fr, 18:10 Uhr

Im Schneckentempo verlassen wir Halberstadt. Selbst nach dem Passieren des Asig bleibt es bei Schrittgeschwindigkeit. Nach 100 m hält der Zug mitten im Gleisvorfeld an.
Der Türfreigabeton erklingt.
Dann geht es wieder ein paar Meter im Schritttempo weiter. Wir kommen wieder zum Stehen, erneut erklingt der Türfreigabeton. Dieses Mal dauert die Pause länger. Der Tf verlässt den Führerstand und begutachtet die Türen. Wieder Freigabe, die Zub öffnet die Tür und schaut nach draußen. Die Türen schließen sich wieder. Der Tf versucht erneut, anzufahren. Wir kommen ganze drei Meter weit, dann hält der Zug mit einem Ruck. Zweiter Versuch, gaaaaanz sachte. Das Ergebnis bleibt gleich. Die Zub geht durch: "Wir haben ein kleines Problem mit den Türen... Sie hören es ja. IHHH-ÜÜ IHHH-ÜÜ IHHH-ÜÜ IHHH-ÜÜ IHHH-ÜÜ! Lülülülülülülülülülülülülülü!", ahmt sie das Piepkonzert - sehr zur Erheiterung der Fahrgäste - nach. Irgendein historischer Zug kommt uns entgegen.
Kurze Zeit später ist die Türstörung dann behoben und wir setzen die Fahrt mit üblicher Geschwindigkeit fort. Mit +10 nähern wir uns dem nächsten Halt. Dungdongding! Nä... "Nächster Halt: Quedlinburg", unterbricht die Zub die automatische Ansage, "viel Spaß bei den Sachsen-Anhalt-Tagen und auf Wiedersehen!" Wir rollen an den Bahnsteig. Die um zwei Oktaven tiefere Stimme des Tf erklingt: "Verehrte Reisende, wir sind noch nicht in Quedlinburg. Nächster Halt: Wegeleben." "Also nicht aussteigen. Alle schön sitzen bleiben!", gibt die Zub durch. Lachen geht durch den Zug.

"So, jetzt erreichen wir aber wirklich Quedlinburg", verkündet die Zub später, "wir möchten uns von Ihnen verabschieden und wünschen Ihnen viel Spaß bei den Sachsen-Anhalt-Tagen. Tschüühüüsss!" Applaus brandet auf.


Gliesmaroder Straße, Braunschweig, Fr, 23:57 Uhr

Drei leicht angetrunkene Mädels, etwa 19 Jahre alt, überqueren hinter mir die Straße. "Entschuldigung? Wissen Sie, wo hier die S-Bahn abfährt?" Hmm? S-Bahn??? "Also, die 3?" Ich deute auf die zehn Meter vor uns liegende Haltestelle. Welche Richtung denn überhaupt? "Moorhüttenweg." Die Haltestelle kenne ich leider nicht, aber sie schafft es allein, den Fahrplan zu lesen und festzustellen, dass es die korrekte Richtung ist. "S-Bahn?", meint ihre Freundin kichernd,"ich glaube, wir waren zu oft in Hamburg zum Feiern..." "Ja, Hamburg, Alda. Das ist voll geil, Digga", gibt die dritte ihren Senf dazu. "Boah, meine Mudda hat zu mir gesagt: 'Was du auch machst, mach nicht zu dolle...', erzählt die erste. Sie packt ein Deo aus dem Rucksack und sprüht sich von oben bis unten ein. Die komplette Haltestelle verschwindet in einer blumigen Wolke. "Meine weiß das gar nicht, ich habe ihr nur gesagt, dass ich mich mit meinen Freundinnen treffe." "Ach, meine weiß das schon. Sie hat mir sogar eine Flasche Sekt mitgegeben", meint die dritte grinsend."Voll geil, Digga!"


Tram 5 Richtung Helmstedter Straße, Braunschweig, Sa, 16:00 Uhr

An einer Haltestelle steht ein Rollstuhlfahrer, ca. 70 Jahre alt, bereit und möchte in den GT6S-Wagen einsteigen. Er wird von seiner Frau begleitet. Aufgrund des nicht ebenen Einstiegs bietet der Fahrer seine Hilfe an. Er nimmt den Rollstuhl und kippt ihn leicht nach hinten, um den Höhenunterschied in die Tram zu überwinden. "Ohhhhh, Vorsicht!!!", meint der Mann und fürchtet, umzukippen. Wenige Sekunden später ist er drinnen, der Fahrer verschwindet in seiner Kabine und setzt die Fahrt fort. "Der fährt aber ganz schön schnell", sagt der Mann nach kurzer Zeit. "Tja, sind halt zwei Behinderte unterwegs", meint seine Frau lachend. "Naja, und auch vorher das beim Einsteigen... Das war ganz schön happig!"


U5 Richtung Laimer Platz, München, Sa, 0:34 Uhr

"Grüß Gott, die Fahrscheine bitte!", sagt ein leicht angetrunkener junger Mann in der passenden Tonlage.
Ein anderer Mann dreht sich um und meint daraufhin lachend zu seiner Freundin: "Jetzt habe ich doch tatsächlich schon zum Geldbeutel gegriffen. Ich hatte auch mal meine Zweifel bei einem Kontrolleur, dann habe ich gesagt: 'Jetzt zeigst du mir erst mal deinen Ausweis!'"


Quiddestraße, München, So, 18:39

"Och nee, jetzt müssen wir noch ewig auf den blöden Bus warten", brummt eine Frau mit Kinderwagen. Drinnen sitzt ein dreijähriger Junge, um den Kinderwagen springt sein sechsjähriger Bruder herum und kitzelt ihn.
"SO, JETZT REICHTS! DU HAST DAS MASS FÜR HEUTE AUFGEBRAUCHT!", schreit die Mutter den Älteren an, "HÖR JETZT SOFORT AUF!" "Aber ich will doch nur spielen", quäkt dieser. "Das ist nicht Spielen, das ist Ärgern!"
Doch bald darauf geht das Kitzel-Spiel von vorne los. Dem Kleinen scheint das aber nichts auszumachen. Irgendwann befreit er sich aus dem Kinderwagen und beide tollen auf dem Bürgersteig herum und trommeln gegen das Glas des Wartehäuschens. "Hört jetzt bitte auf!", mischt sich die Mama ein. Sie bringt den Älteren hinter den Kinderwagen. "Probier mal, ob du einfach nur stillstehen kannst. Halte mal den Kinderwagen fest und bleib einfach stehen. Mach mal nichts anderes. Kannst du das, bis der Bus kommt?"
Er kann es genau 10 Sekunden, dann springt er wieder herum. "Siehst du, du schaffst es nicht! Was machst du denn in der Schule? Da musst du doch auch still sitzen." "Ich muss mich halt beschäftigen", rechtfertigt sich der Junge, "außerdem dauert es eh noch tausend Millionen Jahre, bis der Bus kommt." Die Brüder tollen weiter herum. "Ok, sollen wir den anderen Bus nehmen? Dann müssen wir aber noch laufen!" "Jaaa, den anderen Bus!", ruft der Sechsjährige begeistert. "Aber dann musst du laufen", erinnert ihn die Mama. "Das macht nichts." "Ok, dann kommt jetzt mit, der Bus kommt!" Beide laufen in entgegengesetzte Richtungen davon, die Mama steht etwas unschlüssig mit Kinderwagen in der Mitte. Ich muss auf meinen Bus glücklicherweise nicht tausend Millionen Jahre warten und sie verschwinden aus dem Blickfeld.


BOB nach Lenggries, Do, 11:00

Bis Bad Tölz hat uns die BOB mit +4 gebracht. Das geht ja gerade noch, denn zum Bus in Lenggries haben wir 6 Minuten Umsteigezeit. Doch obwohl der Gegenzug schon auf uns wartet, wird die Fahrt nicht fortgesetzt. "Verehrte Fahrgäste, unsere Weiterfahrt wird sich noch um einige Minuten verzögern, weil der vor uns liegende Streckenabschnitt noch belegt ist." Was fährt denn sonst nach Lenggries? Um den Anschluss sieht es duster aus. Ich schaue in den DB Navigator und meine Miene hellt sich auf. Der Bus steht mit +11 drin. Ist das etwa geplante Anschlusssicherung? Etwa 5 Minuten später geht es weiter und mit +14 erreichen wir den Endbahnhof. Die verspätungsverursachende Fahrt muss wohl eine Werkszuführung gewesen sein. Bis zur Bushaltestelle sind es keine 50 Meter. Niemand steht an der Haltestelle, doch der DB Navigator bleibt der Meinung, dass der Bus +11 hat. Und während ich noch am überlegen bin, wie wenig Lust ich auf 2 km Fußweg bis zur Seilbahn habe, rollt der Bus an die Haltestelle. Außer uns steigt noch genau ein weiterer Fahrgast ein - die Wettervorhersage hat Gewitter angekündigt und das hat man schon im trotz Feiertag außerordentlich leeren Zug gemerkt. Wir kommen keinen halben Kilometer weit, dann stellt der Fahrer fest, dass die Straße vor uns durch ein Fest mit Umzug blockiert ist. Flink ist der Rückwärtsgang eingelegt, zur nächsten Straße zurückgesetzt und die Problemstelle umfahren. Merke: Anschlusssicherung in Deutschland bedeutet meistens, darauf zu hoffen, dass der Anschluss mehr Verspätung hat als der Zubringer.


RE nach Tübingen, Fr, 15:04

Der Zug aus Tübingen steht in Plochingen für die Rückleistung bereit. Zwei Frauen um die 40 sitzen sich gegenüber und quatschen. Plötzlich kramt eine wie verrückt in ihrer Handtasche. "Oh Gott, ich hab vergessen zu stemple (sic)!" Sie rennt nach draußen, wirft einen schnellen Blick über den Bahnsteig - kein Entwerter in Sicht. Sie verschwindet in die Unterführung und kehrt keine halbe Minute später zurück. Sie hechtet in den Wagen. Bleiben nur noch 9 Minuten bis zur Abfahrt...


Theater, Ulm, Di, 16:59

"Haben Sie denn die DSGVO unterschrieben?", spricht mich ein junger Mann an. Mir war gar nicht bekannt, dass ich etwas mit der DSGVO zu tun habe, wenn ich Straßenbahnampeln fotografiere. "Na bin ich etwa nicht im Bild? Ich habe doch extra das Peace-Zeichen gemacht." Ich hatte mich so sehr auf die Ampelschaltung konzentriert, dass mir das gar nicht aufgefallen war.


Westbahn nach Salzburg, Mi, 17:19

"Sie sitzen nicht in dem Zug, der auf ihrer Fahrkarte steht", meint die Zub zu einem älteren Herrn. "Nadürliach sitz ich im richtigen Zug", murrt der Mann. "Nein, da steht 18:12 Uhr auf der Fahrkarte. Sie müssen den Aufschlag zum normalen Tarif bezahlen." "Gar nix bezoahl ih. Ist doch 18:12." "Nee, schauen Sie nochmal genau auf die Uhr. Sie haben eine besonders günstige Fahrkarte gekauft, die ist aber zuggebunden." "Wie heißen Sie? Ich werde mich über Sie beschweren." "Sie können sich gerne beschweren, ich mache aber nur, was mein Arbeitgeber fordert." Unergründliches Grummeln. "Na gut, dann kaufe ich jetzt halt eine andere Fahrkarte im Internet." "Das können Sie nicht machen - Sie sitzen jetzt in einem Zug, der fährt und für den Sie keine Fahrkarte haben. Bis Attnang-Puchheim macht das dann 5,90 ¤." Weiter grollend hält er ihr unter größtem Protest einen Zehner hin. Sie sucht das Wechselgeld und gibt ihm die Fahrkarte. "Aber in Attnang-Puchheim steigen Sie dann bitte aus. Sie haben nur bis dorthin bezahlt, sonst sind Sie Schwarzfahrer." "Na ih hob Ihnen doch gesagt, dass ich nach Vöcklabruck will." "Alles klar, dann storniere ich das jetzt. Macht dann 6,70¤."


Bus 139 Richtung Klinikum Harlaching, München, So, 14:02

"Denk dran, ab jetzt ist Rotautospiel!", ruft das achtjährige Mädchen, als es mit seiner Mutter in den Bus einsteigt."Da!" Sie zeigt auf ein rotes Auto, welches uns entgegenkommt. "Rot!" Ein Parkendes. "Da!", meint die Mama. "Ok, 2:1." "Rot!" "Wo?" "Da, ganz hinten." "Aha, ich hab auch eins. Dort." "Rot!" "Das zählt nicht, das habe ich schon an der Ampel vorhin gehabt." Das Mädchen versucht, neben dem Entdecken der ziemlich häufig auftauchenden roten Autos auch noch den Überblick über den Spielstand zu behalten. "5:3." "Da!" "5:4." "Und dort drüben!" "5:5." "Rot! Und noch eins! 7:5!" Wer das Duell gewonnen hat, erfahre ich nicht. Denn nach nur einer Haltestelle muss ich aussteigen.


Obus 2 Richtung Terminál HD, Hradec Králové, So, 10:05

Die Straßen sind leer an diesem Sonntagmorgen und am Zebrastreifen wartet ein Mann mit seinem 3-jährigen Sohn. Vermutlich möchte er ihm das richtige Verhalten beibringen. Der Obusfahrer hält ordnungsgemäß an, gibt ein Zeichen und wartet, bis die beiden nach fast 10 Sekunden endlich losgehen. Der kleine Junge winkt dem Busfahrer freundlich zu, dieser winkt zurück.


Bus 139 Richtung Klinikum Harlaching, München, Mo, 10:04

Mein Bus kommt pünktlich, lediglich die etwa ruppige Fahrweise fällt mir auf. An der Corinthstraße fährt der Fahrer einfach ohne Halt an der Haltestelle vorbei, obwohl dort Leute warten. Glücklicherweise will niemand aussteigen. Der Fahrer ordnet sich auf die Linksabbiegerspur ein, merkt dann wohl, dass er hier geradeaus fahren muss und steht dann irgendwie schräg über alle 3 Spuren. Es wird Grün, doch der Fahrer ist offenbar anderweitig beschäftigt, denn er fährt nicht los. Da wenig Verkehr herrscht, hupt niemand. Erst kurz bevor es wieder Gelb wird, merkt der Fahrer etwas und fährt los. An der Quiddestraße ordnet er sich wieder links ein und ehe jemand eingreifen kann, biegt er dieses Mal wirklich falsch ab. Er bemerkt seinen Fehler noch, doch da ist er schon zu weit. "Hee, Sie müssen dort lang fahren!", ruft jemand. Nun fällt mir auf, dass mein pünktlicher Bus direkt hinter uns, aber auf dem richtigen Linienweg fährt und ich im vorherigen Kurs mit +10 sitze. "Also, der Bus fährt ja heut umanand...", brummt eine Frau, die wie ich an der Haltestelle vom 197er aussteigt.


Tram 20 Richtung Divoká ¦árka, Prag, Fr, 22:13

In Hlubocepy steigt eine Gruppe Italiener, hauptsächlich mittleren Alters, ein. Augenblicklich herrscht ein unglaublicher Lärmpegel in der Tram. Ob das am zuvor konsumierten Wein oder einfach an der italienischen Mentalität liegt, wird wohl nie geklärt werden. "Wir fahren bis Andel. Bis Andel!", ruft der Führer für die ganze Bahn problemlos verständlich und falsch ausgesprochen auf Italienisch. "Wie viele Haltestellen sind das?", fragt jemand - zumindest glaube ich das, denn die Antwort lautet "7 Haltestellen." Nach und nach entwertet jeder eine 30-Minuten-Fahrkarte. Beim dritten angekommen fährt die Tram ab, was beinahe zu einem Dominoeffekt der nicht darauf vorbereiteten und sich nicht festhaltenden Italiener führt. Oder liegt es doch am Wein? Krrrrk. Der Nächste. Krrrrrk. Dann kommt die erste Kurve und wieder liegen sich ein paar Italiener in den Armen. Ob der Fahrer nur zum Spaß so wild - also typisch tschechisch - fährt oder um die durch den langen Fahrgastwechsel verursachte Verspätung reinzuholen, wird wohl ebenfalls nie geklärt werden. Krrrk. Krrrrk. Zwischen Smíchovské nádra¸í gibt es wegen eines Kanalbaus einen etwa 100 m langen eingleisigen Abschnitt mit Kletterweichen, welcher einfach auf Sicht befahren wird und keine Ampel aufweist. Krrrk. Bald weiß ich auch, dass die Italiener an der Haltestelle Andel in die 10 umsteigen wollen. Als einer der jüngeren Italiener auf die grandiose Idee kommt, die Haltestellennamen vorzulesen, kann ich mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen - Tschechisch auf Italienisch klingt noch witziger als die italienische Sprache ohnehin schon. Das bemerkt auch die Italienerin neben mir, kommentiert es aber nicht.
Eine Frau stimmt schließlich Bella Ciao an.
https://www.youtube.com/watch?v=4CI3lhyNKfo
Ein Mann mit tiefer Stimme macht mit und gibt einen hervorragenden Bass ab.
Das Ganze klingt wirklich super und verkürzt die Herumfahrerei durch die Nacht auf angenehme Weise, während das Wasser an den Fenstern herabfließt. Dodedong. Plzenka. Prí¨tí zastávka: Na Kní¸ecí.
Als sie mit Bella Ciao durch sind, folgt ein weiteres Lied, welches ich aber nicht kenne. Inzwischen singt fast die ganze Gruppe. Als sie wenig später aussteigen, ist es plötzlich so merkwürdig still im Wagen. Nur das Rattern und die Haltestellenansagen begleiten mich auf dem Weg durch die Kleinseite. Eines lässt sich jedenfalls festhalten - die Italiener sind den deutschen Junggesellenabschieden musikalisch überlegen.

Hradcanská, Prag, Fr, 22:42

Ein Säufer pisst gerade am Fuß der Treppe von der Oberfläche ins Zwischengeschoss in den Abfluss. Daneben will noch einer gerade anfangen, aber als ich unbeeindruckt weitergehend das Schauspiel betrachte, ist es ihm wohl doch zu exponiert und er bricht sein Vorhaben ab, nur um es drei Schritte weiter im Zwischengeschoss in einer Ecke zwischen Wand und Snackautomaten umzusetzen.


Nymburk hl.n., Fr, 11:23

Ein Mann, offensichtlich kein Bahnangestellter, verlässt das Büro des Fahrdienstleiters und verschwindet in der Bahnhofsgaststätte. Wenige Minuten später kehrt er mit einem gefüllten Teller zurück und bringt ihn dem Fahrdienstleiter.
Welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn Bahnhöfe noch voller Leben sind und nicht nur Treffpunkt aller Assis der Umgebung...


R Richtung Hradec Králové, So, 19:16

Zusammen mit mir im Abteil sitzen zwei mittelalte Männer, einer der beiden telefoniert ununterbrochen. Selbst wenn ich alles verstehen würde, wäre es schwierig, den Inhalt des Gesprächs wiederzugeben, denn mindestens 80% seines Gesprächsanteils bestehen aus "Hmm, klar", "Hmm, ja", "Ja, klar", "Aha" und Ähnlichem, gepaart mit einigen "Hallo? Halllo???", wenn die Verbindung schlecht ist. Offenbar führt sein Gesprächspartner einen ziemlichen Monolog, denn er gähnt einige Male. Der zweite Mann ist nach fast einer Stunde Dauertelefonieren wohl genervt und verbringt die letzten Minuten bis zur Ankunft lieber stehend im Gang. Als wir in Hradec Králové einfahren, schafft der Mann es endlich, den Monolog zu beenden.


Sp Richtung Chlumec nad Cidlinou, Mo, 18:02

"Dort ist die Oma", meint der Schaffner zu einer jungen Frau und führt sie ein paar Sitzgruppen weiter. "Ohhh, wir haben dich ja gar nicht gesehen!", ruft die Oma erstaunt aus, als sie ihre Enkelin erblickt. "Ich habe euch auch nicht gesehen...", meint die Enkelin. Offenbar haben die Großeltern sie wirklich schon länger nicht mehr gesehen, denn Auszüge des Gesprächs drehen sich darum, was sie denn gerade so mache. Gut informierte Schaffner aus der Region können Familien zusammenführen"


Alex nach München, Mi, 16:44

"Das Alex-Team begrüßt alle Fahrgäste auf der Fahrt nach München. Wir haben Furth im Wald mit etwa 23 Minuten Verspätung verlassen. Grund dafür ist die verspätete Übergabe aus dem Ausland." Im Ausland wurde die übrigens durch eine Signalstörung in Prag sowie mehrere Baustellen zwischen Prag und Pilsen verursacht und die eingleisige Strecke tat dann ihr Übriges. "Bitte beachten Sie folgenden Hinweis: Der erste Wagen wird in Schwandorf abgesperrt. Grund hierfür ist Personalmangel" Der Zub erklärt mir auf Nachfrage, dass pro 6 Wagen ein Zub vorhanden sein muss. Besser ein abgesperrter Wagen als ein ausgefallener Zug, wie der 3h spätere Alex von Regensburg nach München. Grund hierfür: Kurzfristiger Personalmangel.


Tram 2 Richtung Universität, Linz, Mo, 15:34

Einige Schüler, vermutlich 5. Klasse, steigen ein. Zunächst wird erstmal abgeklärt, wer den freien Platz im Zweier bekommt, den ein Junge besetzt hat und wer mit dem Platz neben mir vorliebnehmen muss. "Komm, wir können auch zu dritt hier sitzen!", ruft er einem anderen Jungen zu. Es wird ein bisschen hin- und hergewuselt. Schließlich setzt sich doch nur ein anderer Junge auf den freien Sitz neben ihn. "Nee, du musst alleine sitzen", sagt der Platzbesetzer zu einem anderen Jungen, der sich dazusetzen will. Also muss dieser sich wohl oder übel zu mir setzen.
"Waaaas? Du hast noch nie Wrap gegessen?", meint der Platzbesetzer zu seinem Nebensitzer, "das musst du unbedingt mal machen! Die schmecken echt sehr gut und sind auch sehr billig." "Stimmt, bei uns kosten die 4,90¤", wirft ein anderer Junge ein. "So teuer?!", entgegnet wieder der Platzbesetzer, "bei uns kosten die nur 4,70¤!!!"
"Wie viel Taschengeld bekommt ihr eigentlich so im Monat?", fragt ein anderer Junge in die Runde. "Ach, das ist unterschiedlich", meint ein anderer, "wir bekommen immer was, wenn wir irgendwas helfen. Meistens müssen wir Einkäufe hochtragen, dass sind dann immer 1000 Sachen..." "Wir bekommen keinen Cent", meint ein anderer seufzend. "Wie??? Gar nichts???" "Neee, aber wir dürfen uns manchmal Sachen kaufen. Letztens haben wir uns ein riesiges Lego für über 100¤ davon gekauft!", meint er grinsend, sichtlich immer noch voller Freude bei dem Gedanken an das Lego.
Die Tram hält und zwei Jungs steigen unerwartet aus und zischen davon. "Wo geht ihr denn hin?", schreit ihnen ein anderer durch die offene Tür hinterher. "Wir gehen zu Mäggi!", hört man es von draußen. Inzwischen ist der Fahrgastwechsel abgeschlossen und nur noch die eine Tür offen, weil zwei Jungs die Lichtschranke blockieren. Der Fahrer nimmt die Freigabe zurück und piepend laufen die Türen zu. "Ok, wir sehen uns nachher an der Herz-Jesu-Kirche!", schreit einer nach draußen, ehe die Türen mit einem klonk schließen.


Bus 16 Richtung Roudnicka, Hradec Králové, Mo, 13:28

Zwei Jungs, etwa 10 Jahre alt, und ein etwas jüngeres Mädchen warten auf den Bus. Alle drei sind in ihre Handys vertieft. Die beiden Jungs spielen mit voller Konzentration weiter, nachdem sie eingestiegen sind. Einer der Jungs setzt sich hin, während der andere im weitgehend leeren Bus stehenbleibt. Ein paar Haltestellen weiter muss ein Junge aussteigen, beendet sein Spiel und verabschiedet sich. "Ciao!" "Ciao", brummelt der andere, ohne von seinem Handy aufzublicken. Als der Junge ausgestiegen ist und der Busfahrer bereits die Türen schließt, klopft er nochmal ans Fenster und winkt. Der andere jedoch nickt nur, weiterhin versunken ins Handy.


Bus 18 Richtung Vysoká, Hradec Králové, Di, 5:39

Zusammen mit einem Mann steige ich in den komplett leeren Bus ein. Der Fahrer hört Rockmusik in beachtlicher Lautstärke, um wach zu werden. Der Bus hat die Strecke von der Endstation wohl bis zu meiner Einstiegshaltestelle ohne Fahrgäste und ohne Halt zurückgelegt und der Fahrer muss erstmal die verpassten Haltestellen manuell überspringen, damit die Ansage wieder stimmt.


Os nach Ledecko, Do, 11:13

"Guten Tag, Ihren Fahrschein bitte", spricht mich der Schaffner auf Deutsch an. Das ist schon mal außergewöhnlich, denn in Regionalzügen irgendwo in der Provinz beherrschen die Zugbegleiter nur äußerst selten Fremdsprachen. Er fragt mich, wo ich denn hinfahren würde, denn vom direkten Weg Hradec Králové - München weiche ich geringfügig ab. Ich fahre mal übers Wochenende heim und probiere jedes Mal einen anderen Weg aus... "Sie haben eine sehr schöne Route ausgewählt. Bald kommt wilde Natur und ein Flusstal." Wir plaudern ein wenig, der Schaffner möchte sein Deutsch üben. Er erzählt, dass er früher auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet hat und dabei nicht nur Japan und China besucht hat, sondern auch Arktis und Antarktis. Und jetzt arbeitet er als Zugbegleiter auf einer tschechischen Nebenbahn. Es stellt sich heraus, dass er nicht nur ganz passabel Deutsch spricht, sondern auch Englisch und Spanisch. Er möchte nun noch Französisch lernen und einen Pilotenschein machen. Selbstverständlich begrüßt er alle Fahrgäste einzeln, denn in den kleinen Dörfern steigen immer mal wieder ein bis zwei Rentner ein oder aus, vermutlich alles Stammfahrgäste.
Schließlich erreichen wir Ledecko. Ich lobe den guten Zustand vieler tschechischen Provinzbahnhöfe und dass es fast überall Toiletten gibt - beides ist Deutschland eher selten. Das überrascht ihn. Außerdem erfahre ich noch, dass er gerne ein kommentiertes Führerstandsvideo der Strecke machen würde, um mehr Touristen in die Region zu locken. Bevor meine Brotbüchse nach Cercany einfährt, bittet er mich noch darum, ein Foto von ihm zu machen.


Praha hl.n., Do, 15:31
";Excuse me, do you speak English?", spricht mich ein Mann in ziemlich leisem Tonfall auf dem Bahnsteig an. Ich erkenne auf den ersten Blick, dass er mich nicht danach fragen wird, ob denn dieser Zug auch nach xy fahren würde. "Hi, I'm Henry and I'm from Ostrava. Please help me, I need some money to get back there..."
Ich verschwinde schleunigst im gerade bereitgestellten Alex. Wie oft ich die Geschichte nun schon gehört habe... Hi, ich muss ganz dringend nach xy, aber mir fehlen noch xy Kronen für die Fahrkarte.
Und kaum habe ich im Zug platzgenommen: "Guten Tag der Herr, können Sie mir nicht helfen? Mir fehlen noch genau 24 Kronen für die Fahrkarte."


Prien am Chiemsee, So, 10:56

"Willst du ein Stück fahren?", bietet der Papa dem zweijährigen Kind an und stellt das Laufrad auf den Bahnsteig, nachdem sie aus dem Meridian ausgestiegen sind. Und schon sitzt das Kind drauf, bereit zur Abfahrt. Da taucht der Tf aus der Führerstandstür auf. "Tun Sie mir bitte einen Gefallen und nehmen Sie das Kind vom Laufrad - das kann hier auf dem Bahnsteig böse enden..." Der Vater nimmt das Kind vom Laufrad. Das sorgt unverzüglich für Protest des Kleinen. "Hier darf man nicht Laufrad fahren," versucht der Papa zu erklären, "das hat der Mann gerade gesagt." Rabähhhhh! Wenig überraschend - das Kind will aber trotzdem Laufrad fahren. "Hör bitte zu, wenn Mama und Papa was Wichtiges sagen." Das Geheule dauert noch ein, zwei Minuten, dann sind sie in den 628 nach Aschau eingestiegen.
Schließlich kommt mit +10 der Meridian aus Salzburg eingefahren, der Anschluss wird aber nicht abgewartet. Dem Blick aus dem rückwärtigen Fenster nach zu urteilen bestand aber auch kein Bedarf. Nahezu völlig ruhig gleiten wir im Beiwagen in gemütlichem Tempo durch die idyllischen Dörfer, unterbrochen wird die Stille nur von gelegentlichen hellen Pfiffen. "Na, bist du schon aufgeregt, dass wir zu Oma und Opa fahren?", höre ich den Papa fragen.
Vom beschaulichen Aschau aus hat man unter der Woche zahlreiche Busse, am Samstag zwei Fahrtenpaare um am Sonntag die Wahl zwischen 2 km zur Seilbahnstation zu laufen oder mit dem Auto bis direkt vor den Eingang zu fahren. Vermutlich wählen 98% der Wanderer Variante 2.


Tram 12 Richtung Striesen, Dresden, Di, 22:43

Zwei Mädels haben sich für die Silvesterparty herausgeputzt und sich vermutlich auch schon ein bisschen Mut angetrunken. Immer schön Duckface-Selfies machen! Eine der beiden nimmt einen Schluck aus der Flasche mit einem unbekannten alkoholischen Getränk und spricht dann ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe an. "Hey, guck mal, da ist Ben! Hallo Ben! Ich geh jetzt feiern!"
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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gmg
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Beitrag von gmg »

Entenfang @ 3 Jan 2020, 21:20 hat geschrieben: Eine mögliche Antwort lautet: Weil es immer Überraschungen gibt und selten langweilig ist. Oftmals sind es die kleinen Szenen und mitgehörte Gespräche, welche aber keinen eigenen Erlebnisbericht füllen, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubern - oder auch zum Fremdschämen sind.
Das geht mir auch so!
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

"Grüß Gott, die Fahrscheine bitte!", sagt ein leicht angetrunkener junger Mann in der passenden Tonlage.
Ein anderer Mann dreht sich um und meint daraufhin lachend zu seiner Freundin: "Jetzt habe ich doch tatsächlich schon zum Geldbeutel gegriffen. Ich hatte auch mal meine Zweifel bei einem Kontrolleur, dann habe ich gesagt: 'Jetzt zeigst du mir erst mal deinen Ausweis!'"
Bei uns in Wien sind gerne mal so komische Typen unterwegs die nach Rumänischer Bettler Mafia aussehen da gabs schon mal stress weil Ich den Leuten nur einen schönen Tag wünschte und sonst ignorierte.
Jetzt habe Ich ne Bodycam gekauft falls die mal Handgreiflich werden. <_<
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Beitrag von Entenfang »

Kleinvieh macht auch Mist und sorgt für Anschlussverlust

Anm.: Die Fahrt fand Ende Juni statt.

Dresden-Neustadt..............EC 171..........ab 9:02

Dresden Hbf...............................................an 9:07
............................................RE 74012......ab 9:52

Hof Hbf......................................................an 12:31
............................................RE 3430........ab 12:43

Nürnberg Hbf..............................................an 14:20
...........................................RE 88618........ab 14:38

Schwäbisch Hall-Hessental..........................an 15:58
............................................RE 23432.......ab 16:03

Heilbronn Hbf..............................................an 16:52
............................................RE 19235.......ab 16:56

Metzingen...................................................an 18:33


Auf der Suche nach einer netten und bezahlbaren Verbindung von Dresden nach Metzingen an einem Freitag bin ich bei obiger Variante gelandet - für 17,90 ¤ mit einem zusätzlichen Umweg zwischen Schwäbisch Hall und Stuttgart zum Streckenbefahren. Der direkte Weg auf diesem Abschnitt wäre eine halbe Stunde schneller gewesen und wegen der SFS-Sperrung Mannheim - Stuttgart nur eine halbe Stunde langsamer als die schnellste Verbindung via Leipzig - Frankfurt - Mannheim, welche mit rund 64 ¤ mehr als dreimal so teuer war. An den beiden knappen Anschlüssen zum Schluss hatte ich aber doch erhebliche Zweifel angesichts der derzeit unterirdischen Betriebsqualität im SPNV in Baden-Württemberg.

Ohne besondere Vorkommnisse (sieht man von zahlreichen Verstößen gegen die Maskenpflicht ab) erreiche ich pünktlich Hof. Mit Riesenlärm und Geschaukel geht es bis Pegnitz, wo sich der Zugteil aus Bayreuth mit ein paar Minuten Verspätung dranhängt. So geht es mit +2 weiter. Warum dieser mit Verspätung kam, liegt vermutlich an der nicht funktionsfähigen Neigetechnik, denn im weiteren Verlauf schaukelt nichts mehr. Dafür sammeln sich ein paar Bonusminuten an - auch wenn immer wieder beteuert wird, dass die Neigetechnik ja fast nichts bringen würde, so bringt sie zumindest die entscheidenden Minuten. Dass der immer kritische Anschluss zum ICE nach München (ab 14:27) trotz Ankunft mit +7 noch klappt, liegt nur daran, dass dieser zufällig +10 hat.

Im Flirt 3 von Go Ahead mit zwar wenigen, dafür extra breiten Türen geht es weiter bis nach Schwäbisch Hall-Hessental und pünktlich kommen wir auch bis zum Esig des Umsteigebahnhofs. Nur ist Esig ungleich Bahnsteig und so werden es +3 und die Umsteigezeit ist schon zu knapp, um noch ein Vergleichsbild zu machen - statt 111 mit n-Wagen wie noch vor einigen Jahren treffen sich jetzt Flirt 3 und Desiro.

Im Desiro ist es unangenehm warm und ich ergattere einen Platz direkt hinter dem Führerstand. Wo ist denn eigentlich der Tf? Das Asig geht auf Fahrt, der Tf kommt etwa zum Abfahrtszeitpunkt in den Führerstand. Bis die Zugnummer eingegeben und in aller Ruhe abgefertigt ist, sind schon rund 80 Sekunden vom Abfahrtszeitpunkt vergangen.*

*Mangels Kenntnis des Sekundenfahrplans bezieht sich die Angabe auf den Zeigersprung - üblicherweise wird laut Sekundenfahrplan frühestens 0,3 Minuten danach abgefahren, wodurch sich die tatsächliche Verspätung um 18 Sekunden reduzieren würde.

Die eher gemächliche Art des Tf bei der Abfertigung kostet vermutlich an jedem Halt nur ein paar Sekunden. Aber dann kommt noch an einem Halt reger Fahrgastwechsel durch eine Gruppe Rentner und eine geringfügige Haltezeitüberschreitung dazu. Jetzt sind wir schon bei +3. Ich ahne nichts Gutes für meinen Anschluss.
Vr2 Zs3v6. Döööt. Herrje, muss man denn sofort danach auf 60 runterbremsen und dann mehr als einen halben Kilometer auf das Esig zuschleichen, wenn man schon Verspätung hat?

Und so geht es weiter, bald sind wir bei +4. Ich klopfe an die Tür des Führerstands, wo der Zub nach einem einzigen Kontrolldurchgang zu Beginn sitzt und bitte um Vormeldung des Anschlusses nach Tübingen. "Den habe ich schon vorgemeldet."

Ewig lange schleichen wir mit 40 in den Heilbronner Hbf rein, es folgen keinerlei Informationen, ob der Anschluss abgewartet wird oder nicht. Zwei Bahnsteige weiter steht der Hamster nach Tübingen. Die Abfahrtszeit ist gerade erreicht, die Türfreigabe noch zu erkennen. Nach einer Ewigkeit haben endlich die Schiebetritte ausgefahren, ich stürme in die Unterführung und auf halbem Wege höre ich das charakteristische Geräusch eines anfahrenden Hamsters. Ich bemühe mich gar nicht mehr, während eine Frau noch an mir vorbei und die Treppe hochstürmt. Um die Schlusslichter zu sehen, muss ich gar nicht rennen.

"Entschuldigung, bin ich hier richtig?! Ist das hier Gleis 4?", meint eine alte Frau nervös, nachdem sie sich mit sichtlicher Mühe die Treppe hochgekämpft hat und hält mir eine Fahrkarte unter die Nase. Sehr richtig. Der ist gerade abgefahren. "Vielleicht hat der ja Verspätung. Ach, scheiße." Sie läuft unruhig auf dem Bahnsteig hin und her und fragt noch zwei andere Fahrgäste. Offensichtlich war ich nicht überzeugend genug oder sie will den verpassten Anschluss nicht wahrhaben.
Eine Frau mit drei kleinen Kindern spricht mich an: "Kennen Sie sich aus? Wann kommt der Zug auf Gleis 4?"

Warum nicht außerplanmäßig auf das freie Gleis 5 eingefahren wurde, wodurch der Umstieg bahnsteiggleich gewesen wäre? Warum man es in Deutschland nicht schafft, einen Anschluss ein bis zwei Minuten warten zu lassen und lieber den Fahrgästen vor der Nase abfährt? Ich werde es nie begreifen.

Ich habe sowohl die Westfrankenbahn als auch Abellio um Stellungnahme zum Vorfall gebeten. Die DB hat mir bis heute nicht geantwortet, Abellio hat dafür 2 Werktage gebraucht, aber abgesehen von allgemeinen Phrasen wenig zur Klärung des konkreten Sachverhalts beigetragem

Eine halbe Stunde später wartet ein 426 auf mich, in dessen Fenster "Dies ist ein Angebot von Abellio" steht. Er wird durch einen etwas verspätet eintreffenden 425 verstärkt.
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Ein Mann hört über Kopfhörer so laut Rockmusik, dass problemlos alle im Umkreis sitzenden Fahrgäste mithören können. Ein paar Minuten verstreichen. "Ach was ist denn das schon wieder für eine Scheiße... Immer diese Verspätungen!", murmelt er vor sich hin.

Der Zub schaut lange auf meine Fahrkarte, sehr lange. "Da haben Sie aber einen interessanten Reiseverlauf gewählt. Das war doch nur so billig, weil Sie die paar Meter FV am Anfang haben, oder? Ha, Trick 17! Wusste gar nicht, dass das so gut funktioniert! Ahso, die Bahncard hat ja vermutlich schon jemand kontrolliert?" Ich mache Anstalten, sie rauszukramen. "Nene, lass mal stecken. Passt schon."

"Verehrte Fahrgäste, wir erreichen jetzt Bietigheim-Bissingen. Dort haben Sie Anschluss..."
"Na, Sie können mir das doch sicher sagen", meint der plötzlich neben mir aufgetauchte Zub, "hat man die Ansage gerade eben verstanden?" Ich brauche erstmal ein paar Sekunden, um zu bestätigen, da ich nur verträumt aus dem Fenster geblickt und nicht darauf geachtet habe. "Ok gut, weil der Knopf hat nämlich einen Wackelkontakt..."

Wenn auch reger Fahrgastwechsel in Stuttgart Hbf stattfindet, bleiben doch auch ein paar Fahrgäste sitzen. Grundsätzlich finde ich die neuen Durchbindungen attraktiv, gerade da die Wendezeit von 8...10 Minuten schon eine eher geringe Umsteigezeit für Stuttgart Hbf ist.
Eine bunt gemischte Sammlung von Ersatzgarnituren kommt mir entgegen - Taurus mit roten n-Wagen, Traxx mit bunt gemischten n-Wagen von TRI und DB, Taurus mit n-Wagen von TRI, Hamster, 425+426, 612 - so bunt dürfte der Betrieb auf der Neckar-Alb-Bahn wohl schon lange nicht mehr gewesen sein.

Mit +31 erreiche ich mein Ziel. Die Türen laufen langsam wieder zu. Ein Halbstarker kommt angerannt und hämmert auf den Türöffner - vergeblich. Weiter vorne sind noch drei Türen offen. Er hämmert weiter auf den Türöffner - weiter vergeblich. Drei weitere Kumpels kommen angerannt und deuten auf die letzte geöffnete Tür, die jetzt ebenfalls zuläuft. Sie kommen zu spät. Der Tf erledigt seinen Serviceblick - und gibt nochmal frei.
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

Warum man es in Deutschland nicht schafft, einen Anschluss ein bis zwei Minuten warten zu lassen und lieber den Fahrgästen vor der Nase abfährt? Ich werde es nie begreifen.
;) Damit der Zug pünktlich abfährt.
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Beitrag von 146225 »

Was ich bei deiner Fahrt noch nicht ganz verstehe: auch wenn in Heilbronn Hbf der Anschluss zum 19235 knapp geplatzt ist, war dein nächster Zug zur Weiterfahrt der 19329. Dazwischen kommt ja noch der 16655 nach Stuttgart, wo man bei guter Pünktlichkeit in der Ankunft mit etwas Ruinenjogging den 19235 wieder einfangen könnte. Oder war dir das bequeme umsteigefreie Durchfahren wichtiger? Gut, ich würde auch lieber in Heilbronn hängen bleiben als in Stuttgart... :P
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Beitrag von Entenfang »

146225 @ 2 Sep 2020, 20:16 hat geschrieben:Was ich bei deiner Fahrt noch nicht ganz verstehe: auch wenn in Heilbronn Hbf der Anschluss zum 19235 knapp geplatzt ist, war dein nächster Zug zur Weiterfahrt der 19329. Dazwischen kommt ja noch der 16655 nach Stuttgart, wo man bei guter Pünktlichkeit in der Ankunft mit etwas Ruinenjogging den 19235 wieder einfangen könnte.
Puh, um das nachzuvollziehen, warum ich nicht den 16655 genommen habe, ist das Ganze doch schon zu lange her. Genau solche Aktionen mit Wiedereinholen sind eigentlich mein Sepzialgebiet. Vielleicht war der Zug an dem Tag verspätet - ich weiß es nicht mehr. Natürlich ist es auch nicht ausgeschlossen, dass ich diese Variante tatsächlich übersehen habe, aber das halte ich für unwahrscheinlich.
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Beitrag von 146225 »

Kein Ding, nicht immer reagiert man auch als mit den "Spezialitäten" des deutschen ÖV vertrauter Mensch richtig. Ich hatte hier neulich auch einen Moment gebraucht, um zu verstehen dass man eine NRW-typische Wartezeit Zug/Stadtbus (= wenn beide im Halbstundentakt verkehren, sind 27 Minuten-Anschlüsse normal) dadurch umgehen kann, dass man mit dem Bus der Gegenrichtung fährt und dann an einer anderen Haltestelle auf das Tram umsteigt und damit sozusagen durch die Hintertür am Ziel ankommen kann bevor der offensichtliche Anschluss überhaupt in Sichtweite ist. :D :rolleyes: :(
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Beitrag von JeDi »

einen_Benutzernamen @ 2 Sep 2020, 20:26 hat geschrieben: ;) Damit der Zug pünktlich abfährt.
Ist eigentlich wurscht, zwischen Heilbronn und Bietigheim ist trotz Nordheim Luft ohne Ende.
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Beitrag von Entenfang »

Rückfahrt in Neufahrzeugen mit Tücken im Detail


Metzingen..........RE 19522.......ab 15:24

Plochingen...............................an 15:48
.........................RE 4225.........ab 16:04

Ulm Hbf...................................an 17:04
........................HzL 26560......ab 17:11

Aalen Hbf.................................an 18:24
........................RB 57233........ab 18:33

Donauwörth............................an 19:44
........................ICE 709..........ab 19:50

München Hbf...........................an 20:42

Leider erwische ich auch auf dieser Fahrt keine der Altwagen-Garnituren. Dafür kann ich die neue Zugkunft probefahren.
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Sie beginnt mit einer Stufe von 21 cm - vielleicht ist dieses Bahnsteighöhen"konzept" doch nicht so klug?
https://vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/...6henkonzept.pdf

Dass die Talent 2 55 cm Einstiegshöhe haben, erscheint mir bei fast ausschließlich 76 cm-Bahnsteigen auf der Strecke als Ziel irgendwie nicht logisch. Aber etliche Bahnsteige haben halt nur 38 cm. Gut ist, dass die Mülleimer nicht mehr so dickbauchig sind wie bspw. bei der Werdenfelsbahn, sodass auch an den Fensterplätzen ausreichend Beinfreiheit bleibt.
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Klappsitze an unmöglichen Positionen gibt es erfreulicherweise nicht, dafür aber Wandfensterplätze. Die Beinfreiheit ist ok, die Armlehnen angenehm. Nur für richtige Tische hat es leider nicht gereicht - eigentlich schade, denn mit den Durchbindungen entstehen durchaus lange Reisezeiten, die man zum Malen, Kartenspielen oder Arbeiten am Laptop nutzen könnte. Steckdosen gibt es inzwischen selbstverständlich an jedem Platz. Die Anzahl der Türspuren finde ich allerdings eher gering - ob das wirklich schneller geht als mit den Dostos?
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Kurios ist die mobile Bahnsteigerhöhung in Plochingen, wo es nun auch am Bahnsteig 3/4 76 cm gibt. Das erleichtert den Einstieg in die IC doch erheblich.
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Ich frage mich, ob diese Variante nicht eine flächendeckende Option wäre. Alle Bahnsteigneubauten grundsätzlich auf 55 cm, wo aktuell erforderlich, mobil auf 76 cm aufbocken und dann sukzessive bei Beschaffung von Neufahrzeugen auf 55 cm gehen. Natürlich wird es immer noch irgendwo Stufen geben, wenn Fahrzeuge mit 55, 76 und 96 aufeinanderstoßen. Langfristig aber könnte man damit das Problem endlich loswerden, ohne aber kurzfristig Verschlechterungen zu verursachen.

Warum eigentlich hat man, wenn schon das Land die Fahrzeuge beschafft, nicht einen einheitlichen ET beschafft, um Kompatibilität untereinander zu schaffen? Ging es darum, möglichst viele Hersteller miteinzubinden, um schneller mehr Fahrzeuge zu bekommen? :unsure:
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Im Rheintal sind ja auch noch Mireo unterwegs...

Ein regnerischer Abend
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Mit dem RE geht es weiter nach Ulm. Oh, mit -15 passieren wir ja schon das Esig. "Verehrte Fahrgäste, wir erreichen in Kürze Ulm. Bitte beachten Sie, dass wir zunächst in den Rangierbahnhof fahren, dort wenden und dann am Bahnsteig halten." Aha. Jetzt wird mir auch klar, wieso die Lok ausnahmsweise am Zugschluss hängt.

Kurzer Umstieg in Ulm - weiter geht's leider im LINT. Ich ziehe meine Jacke an. Kleine Tische gibt es zwar, aber leider ohne Vertiefung für Getränke und damit ziemlich nutzlos
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Der gesamte Nf-Bereich mit 55 cm Höhe ist Mehrzweckbereich, teilweise sogar ohne Klappsitze.
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Beitrag von Entenfang »

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Weil das offenbar für das Fahrradaufkommen nicht ausreicht, hat man auch noch zwei Sitzreihen im Hochflurbereich rausgenommen. Dessen Nutzung dürfte allerdings wenig Freude bereiten, muss man doch erst zwei ziemlich enge Stufen überwinden.
Zumindest passen hier Fußboden- und Bahnsteighöhe zusammen.
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Die Strecke Ulm - Aalen scheint mir einen recht sportlichen Fahrplan mit zahlreichen knappen Kreuzungen aufzuweisen.
http://kursbuch.bahn.de/hafas/kbview.exe/d...019.pdf&orig=sS
Das Fahrplanangebot umfasst drei Haltregimes, der IRE wird mit 612 gefahren, um die hohe Streckengeschwindigkeit bis 160 km/h ausfahren zu können. Der RE hat allerdings zwei unterschiedliche Halteregimes - irgendwie verwirrend.
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Von Aalen geht es im 440 weiter, über eine museale Strecke mit Fdl vor Ort, welche auch die Reisendensicherung der höhengleichen Übergänge übernehmen. Die Hügellandschaft finde ich sehr reizvoll.
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In Möttingen stehen wir erstmal zur Kreuzung. Wir stehen und stehen. "Entschuldigung, wann fahren wir denn weiter?", fragt mich eine Frau. Der Gegenzug fährt gerade ein, also hoffentlich bald...
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"Erreichen wir noch den Anschluss in Donauwörth?" Wenn Sie auch nach München wollen, wird's eng. Mit +7 fahren wir endlich weiter, woran sich auch nichts mehr ändert und der Anschluss mal wieder weg ist. In der letzten Zeit habe ich wirklich kein Glück.

Der Twindexx-RE bringt mich also nach Augsburg. Die einzigartigen Sk-Signale stehen vor dem Aus - ausgekreuzte Ks-Signale stehen bereits.
Ein Business-Typ wälzt am Tisch gegenüber irgendwelche Papiere und telefoniert dann. "Ja, die wollen eine Erbschaftsregelung machen. Haben ein Haus von 300.000 und etwa 50.000 Barvermögen. Der Sohn soll die Hälfte bekommen, der länger Lebende die andere Hälfte. Wir hatten einen Termin, den hat der dann zwei Stunden vorher abgesagt. Jetzt kürzlich ist er aufgetaucht mit irgendeinem Papier, das so ein Axa-Typ aufgesetzt hat. Genau so wollen sie es jetzt machen. Oh Mann, das kommt dabei raus, wenn man an den falschen Berater gerät..."

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Der nächste ICE nach München scheint hinter irgendwas festzustecken, zumindest sammelt er immer mehr Bonusminuten ein. Waren es in Ulm noch +6, steigt die Zahl stetig an. Die ZZA wechselt von 5 auf 10, dann auf 15 Minuten Verspätung. Dann kommt endlich die 403-Dotra eingefahren. Ich nehme den 2.-Klasse-Wagen zwischen 1. und Bordrestaurant - Klimaanlage defekt. Da es kein sehr warmer Tag ist, bleibe ich mangels Motivation, nochmal zwei Wagen zurück und in München dann wieder vorzulaufen, einfach sitzen. Eine schlechte Entscheidung, denn eine halbe Stunde später tut mir schon der Kopf weh.

Mit +45 erreiche ich München. Zum Ende des 1. Halbjahres ziehe ich mit durchschnittlich 4,7% Reisezeitverlängerung eine miese Bilanz aus meiner Verspätungsstatistik. 80,6% Anschlusserreichquote sind mit Abstand der niedrigste Wert seit Beginn der Statistik im Jahr 2014.
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Beitrag von 218 466-1 »

Entenfang @ 3 Sep 2020, 10:54 hat geschrieben:https://live.staticflickr.com/65535/5030194...d0f6f4980_b.jpg
Weil das offenbar für das Fahrradaufkommen nicht ausreicht, hat man auch noch zwei Sitzreihen im Hochflurbereich rausgenommen. Dessen Nutzung dürfte allerdings wenig Freude bereiten, muss man doch erst zwei ziemlich enge Stufen überwinden.
Da soll mir mal jemand erklären, was genau da besser als bei n-Wagen oder 628 sein soll. :rolleyes:
"Barrierefreiheit" die überwiegend nicht passt mit neuen Barrieren im Zug, wo man sich ernsthaft verletzen kann, wenn man diese "tollen" Stufen auf einer unvorhersehbaren Weiche überwindet. <_<
Entenfang @ 3 Sep 2020, 10:54 hat geschrieben:Mit +7 fahren wir endlich weiter, woran sich auch nichts mehr ändert und der Anschluss mal wieder weg ist. In der letzten Zeit habe ich wirklich kein Glück.
Alles unter 10 Min. Übergangszeit ist für mich kein Anschluss, bzw. reine Papieranschlüsse.
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Beitrag von 146225 »

Die Abellio Baden-Württemberg Talente haben durchaus große Tische in den 4er-Sitzgruppen, und zwar an den Fahrzeugenden im Hochflurbereich.

Oh, und nein: es war eben genau keine zentral durch das Land gesteuerte Fahrzeugbeschaffung, die EVU durften sich selbst aussuchen, mit was sie sich auf die Netze bewerben/mit was am Ende gefahren wird. Die Fahrzeuge wurden/werden auch durch die EVU beschafft. Sie gehen nur anschliessend - wenn dies vereinbart ist - in das Eigentum der SFBW über.
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Beitrag von Entenfang »

146225 @ 4 Sep 2020, 08:17 hat geschrieben: Die Abellio Baden-Württemberg Talente haben durchaus große Tische in den 4er-Sitzgruppen, und zwar an den Fahrzeugenden im Hochflurbereich.
Hmm, aber [URL=https://flic.kr/p/2jCZSr9]dieses Bild ist am Fahrzeugende entstanden. Gibts da vielleicht verschiedene Ausführungen? Oder sind die Tische nur an einem Ende?
Oh, und nein: es war eben genau keine zentral durch das Land gesteuerte Fahrzeugbeschaffung, die EVU durften sich selbst aussuchen, mit was sie sich auf die Netze bewerben/mit was am Ende gefahren wird. Die Fahrzeuge wurden/werden auch durch die EVU beschafft. Sie gehen nur anschliessend - wenn dies vereinbart ist - in das Eigentum der SFBW über.
Ach, Mist, stimmt ja. Wäre eigentlich mal eine gute Gelegenheit gewesen, Fahrzeuge zentral zu beschaffen. Und zwar einheitliche, die man auch mal durchtauschen kann, wenn in Netz 1 gerade ein Mangel herrscht, während Netz 2 gerade ein paar Übrige hat.
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Beitrag von JeDi »

Entenfang @ 4 Sep 2020, 11:47 hat geschrieben: Hmm, aber [URL=https://flic.kr/p/2jCZSr9]dieses Bild ist am Fahrzeugende entstanden. Gibts da vielleicht verschiedene Ausführungen? Oder sind die Tische nur an einem Ende?
Dem Fenster nach ist das aber doch am Ende eines 443 - gemeint sind aber die Hochflurbereiche hinter den Führerständen...
Ach, Mist, stimmt ja. Wäre eigentlich mal eine gute Gelegenheit gewesen, Fahrzeuge zentral zu beschaffen. Und zwar einheitliche, die man auch mal durchtauschen kann, wenn in Netz 1 gerade ein Mangel herrscht, während Netz 2 gerade ein paar Übrige hat.
Meines Wissens war das Thema "Lieferfähigkeit der Fahrzeugindustrie" in der Tat eines. Die Zentrale Fahrzeugbeschaffung wurde ja demletzt ausgeschrieben - für die [acronym title="TS B: Stuttgart 21 Projekt <Bf>"]TS B[/acronym]-taugliche ETCS-Flotte.
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Beitrag von Entenfang »

Am Großkampftag in die Ausgangssperre

Beizeiten hatte ich mir für den 23. Dezember meine Fahrkarte gesichert, um noch einen guten Preis zu bekommen. Mit der Entwicklung der Corona-Lage schien es zunehmend fraglich, ob ich sie überhaupt brauchen würde.
Doch ja, dem ist so, und ich begebe mich zunehmend gespannt zum Hannoveraner Hauptbahnhof. Würde der ICE zur schönsten Nachmittagszeit genauso leer sein wie alle anderen Züge in den letzten Wochen? Der Bremer Zugteil steht bereits am Bahnsteig, ich nehme taktisch günstig den zweiten Wagen. Freie Platzwahl. Gut, zugegebenermaßen, an der Zugspitze des Bremer Zugteils ist eher nicht mit großer Überfüllung zu rechnen, aber dass so wenig Leute unterwegs sind, überrascht mich dann doch. Planmäßig sollte ich kurz vor Beginn der bayerischen Ausgangssperre in München ankommen. Pünktlich wird der Hamburger Zugteil angehängt und wir starten Richtung Süden. Das bleibt nicht lange so.

Die Zub verkündet die baldige Ankunft in Göttingen und Anschlusszüge, die allerdings niemand mehr erreichen wird. Denn wenig später kommen wir vor dem Bahnhof zum Halten. "Sehr geehrte Reisende, wir sind hier außerplanmäßig vor Göttingen zum Halten gekommen. Grund hierfür ist, dass im Bahnhof noch alle Gleise belegt sind, weil die Strecke Göttingen - Kassel wegen Tieren im Gleis gesperrt ist und viele Züge umgeleitet werden und sehr stark verspätet sind. Ich bitte Sie noch um etwas Geduld und melde mich wieder, sobald wir weitere Informationen haben."

Ein paar Minuten vergehen. "So, die Stimme aus dem Lautsprecher hat leider noch keine neuen Infos. Es sind immer noch alle Gleise zugeparkt, wegen Tieren im Gleis ist die Strecke Göttingen - Kassel gesperrt. Ob wir ebenfalls umgeleitet werden, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Jetzt schauen wir erstmal, dass wir die letzten drei Kilometer nach Göttingen schaffen."

Weitere Minuten vergehen. Wir fahren in Göttingen ein und nach einem kurzen Halt wieder ab. Dem Tempo nach zu urteilen bin ich mir auch in der Dunkelheit und ohne weitere Durchsage sicher, dass wir umgeleitet werden.
"Sehr geehrte Reisende, wir haben Göttingen mit 20 Minuten Verspätung verlassen. Unser Zug wird bis Kassel umgeleitet wegen Tieren im Gleis. Dadurch wird sich unsere Verspätung nochmals um etwa 30 Minuten erhöhen, mit etwas Glück auch ein bisschen weniger oder ein bisschen mehr."
Die wenigen Fahrgäste in meiner Umgebung erledigen die üblichen Verspätungstelefonate.

Mit +50 erreichen wir Kassel. Einige Fahrgäste steigen ein. "Bitte beachten Sie: Dies ist der Zug nach München über Würzburg, Nürnberg. Dieser Zug fährt NICHT nach Frankfurt!" "Hä, wie, was? Fährt der nach Frankfurt?", wundert sich jemand, der gerade eingestiegen ist. "Nee, ich glaub nicht." "Wollen die mich verarschen? Da stand doch Frankfurt." Mutmaßlich kommt die Verwirrung vom falschen Ziel am ZZA auf dem Bahnsteig. "RAUS, RAUS!", schreit ein Mann durch den Wagen und springt durch die schließende Tür auf den Bahnsteig. Dabei blockiert er die Tür, die sich wieder öffnet. "RAUS!!!!", schreit er nochmal seiner offenbar an einer anderen Tür zugestiegenen Begleitperson zu. Weitere Fahrgäste irren herum und wissen nicht, ob sie drinnen bleiben oder aussteigen sollen. Wie dem auch sei, schließlich bleibt ein Teil drin, ein Teil draußen und wir fahren weiter. Ist ja nicht so, dass man in Fulda notfalls nochmal umsteigen könnte.

Ein paar Minuten machen wir bis Würzburg gut. Die Türen schließen, aber wir fahren nicht ab. "Zugbegleitpersonal bitte nochmal abfertigen. Die Ausfahrt wurde kurzfristig zurückgenommen. Ich wiederhole: Erneute Abfertigung erforderlich."
"Verehrte Fahrgäste, die Abfahrt wird sich noch kurz verzögern, da wir auf Anschlussreisende aus einem sehr stark verspäteten Zug warten." Keine Minute später fahren wir dann doch ab.

Einige Fahrgäste werden nervös, da sie ihr Ziel nicht mehr vor Beginn der Ausgangssperre erreichen werden und bitten das Zugbegleitpersonal um eine Verspätungsbestätigung. Asterix und die verzweifelte Suche nach Passierschein A 38 kommt mir in den Sinn - traurig, worüber ich dieses Jahr vor Weihnachten berichten muss.

Ab Ingolstadt sind außer mir noch zwei Fahrgäste im Wagen, so leer ist es zu normalen Zeiten allenfalls in der äußersten Tagesrandlage gewesen. Mit +45 komme ich in München an, ein paar Menschen sind rund eine halbe Stunde nach Beginn der Ausgangssperre noch am Bahnhof unterwegs. Ich nehme ausnahmsweise mal die Tram statt der U-Bahn, weil es erstens zeitlich ohnehin gerade passt, zweitens der 21er endlich wieder quer durch die Stadt fährt und ich drittens etwas von der Stadt sehen möchte.

Außer mir ist ein weiterer Fahrgast in der Tram. Der Stachus ist leergefegt, genau wie die Fußgängerzone. Brav fahren alle Trambahnen im 10-Minutentakt durch die leeren Straßen, keine ist leer, ein bis drei Fahrgäste sitzen nach meinen Beobachtungen um halb zehn in den Trambahnen. Außerhalb der Innenstadt sind durchaus auch ein paar Autos unterwegs, also komplett leer sind die Straßen doch nicht und es zumindest deutlich mehr los, als man mal eben nebenbei kontrollieren kann. Der Anblick hat dennoch etwas Gruseliges. Aber haben wir uns das nicht immer gewünscht - endlich mal öffentlichen Verkehr (fast) ganz ohne die lästigen Fahrgäste?
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