Reiseerlebnisse mit der Bahn

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Freut mich, dass ich die werte Forengemeinde unterhalten konnte. Manchmal macht es fast schon mehr Spaß, mal eine richtig große Störung zu erleben als einfach nur pünktlich abzufahren und pünktlich anzukommen... ;)
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Also ich bin lieber pünktlich da. Vor allem heute. Aber das ist im Weihnachts-Kampftag-Verkehr wohl zu viel gehofft. Zur Abwechslung wird mir Fulda diesmal aber nur indirekt zum Verhängnis. :huh:

Doch wie immer von vorn. Da ich erst vor einer Woche erfahren habe, wie lange ich heute arbeite, konnte ich auch erst vor einer Woche meine Tickets buchen. Nicht gerade ideale Voraussetzungen zur Weihnachtszeit, schon gar nicht, wenn es günstig werden soll. Aber wozu sammle ich seit Jahren Bahnbonuspunkte? Ich spekulierte also auf eine Freifahrt, muss während der Buchung jedoch feststellen, dass es für die zweite Klasse keine Kontingente mehr gibt. Also erste Klasse? 1500 Punkte und gut. Ein 3-Minutenumstieg in Fulda und ab dafür. Gestern Abend lese ich noch den Hinweis, dass sämtliche Plätze in beiden Klassen zwischen Stuttgart und Berlin reserviert seien. Na gut. Das steht heute ja bei fast jedem Zug.

Auf geht es also heute gegen halb zwölf. Der Fuggerexpress aus München holt mich wegen chronischer Überfüllung fünf Minuten zu spät ab, was dank bahnsteiggleichem 15-Minutenumstieg am Hbf aber kein Problem ist. ICE 598 wird dann wegen einer technischen Störung eh mit +5 angekündigt, wir verlassen Ulm aber nur mit +3, was die Zugchefin bei der Begrüßungsdurchsage auch stolz verkündet und wofür sie anschließend vereinzelte, spontane Jubelrufe erhält.
Entspannt richte ich mich ein. Mein erstes Mal. Also erste Klasse. Die ist für die angekündigte Überfüllung erstaunlich leer. Vielleicht 15 Mitreisende in meinem Großraum. Daran ändert sich bis Fulda auch nicht viel, als ich aussteige, zähle ich neun weitere Fahrgäste in meinem Wagen, Abteile eingeschlossen. Ist in jeden reservierten Platz eventuell eine Komfortzone mit freien Plätzen um einen herum inkludiert?
Die Ledersitze nerven mich bereits nach fünf Minuten. Ab Mannheim habe ich dezente Rückenschmerzen. Die Schlucht bis zum Sitz vor mir ist dabei auch noch so groß, dass ich nicht bequem auf meine Notebooktastatur einhacken kann. Und das sage ich als überdurchschnittlich großer Pingu. Also sinke ich irgendwann in den Sitz und dämmere bei ruhiger Swingmusik in den Halbschlaf.
Kurz vor Frankfurt schrecke ich jäh hoch, als mir jemand aus dem Bordrestaurant ein Stück Gratis-Schoki anbietet. Noch leicht benommen greife ich dankend zu. Wir sind seit Stuttgart übrigens wieder pünktlich und erreichen Frankfurt kurz darauf planmäßig. Am Nachbargleis erspähe ich den Entlastungs-IC, der zehn Minuten nach meinem Regel-Anschluss-ICE in Fulda vorbeikommt. Meine eiserne Reserve für heute. Interessanterweise setzt er sich kurz darauf in Bewegung. Ich blicke auf die Uhr, dann auf den Fahrplan und stelle fest, dass wir bereits +4 haben. Äh ... was?

"Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit: Unsere Weiterfahrt wird sich aufgrund einer Störung an einem Triebkopf verzögern. Wie lange das dauert, kann ich noch nicht sagen. Ich informiere Sie, sobald ich mehr weiß."
Danke, dass ihr das durchsagt, NACHDEM am Gleis gegenüber der IC weggefahren ist, den ich bei Verspätungen in Fulda hätte nehmen können! :angry:
Minuten vergehen, dann:
"Meine Damen und Herren ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit: Wir müssen jetzt vorübergehend alle Einstiegstüren schließen. Bitte halten Sie sich währenddessen von diesen fern und halten Sie diese geschlossen. Ich informiere Sie, sobald wir sie wieder öffnen können."
Kurz darauf gehen alle Lichter aus, genau wie Strom, das WLAN und alle übrigen lebenserhaltenden Maßnahmen. Ob wir jetzt wirklich zehn Minuten lang eingesperrt waren?
"Meine Damen und Herren, wie Sie vielleicht bemerkt haben, mussten wir einen sogenannten Batterie-Reset durchführen. Ich hoffe, dass ich in absehbarer Zeit das OK für die Weiterfahrt von unserem Triebfahrzeugführer bekomme."
Keine weitere Durchsage. 14:44 Uhr setzen wir uns mit +31 einfach in Bewegung. Es werden Wetten angenommen, wie viele Raucher am Bahnsteig zurückblieben. Da die Aschenbecher an den Frankfurter Bahnsteigen Kaffeebecher-Tischchen haben, verzweifelt es sich dort aber immerhin etwas angenehmer. Im RIS steht indessen als Verspätungsgrund "behobene technische Störung am Zug". Sehr optimistisch. Aber gut, Richtungswechsel gibt es heute ja keine mehr, was soll also schon passieren? Mir aber auch egal, ich steige und Fulda aus und darf mir mal wieder eine halbe Stunde lang den Bahnhof anschauen. Der Vorplatz hat mit Weihnachtsdeko sogar was. Das Konzept der fehlenden Türen sagt mir angesichts der Kälte trotzdem nicht zu.

Letztendlich zieht es mich aber doch schnell wieder auf den Bahnsteig. Die Taktzüge überzeugen durch erwartungsgemäße Überfüllung. In der Zwischenzeit passieren aber auch drei ICE außerhalb des Taktes den Bahnhof. Einer fährt durch, er ist fast leer. Ein weiter hält und ist mäßig gefüllt und im dritten, der ebenfalls anhält, entdecke ich genau zwei Fahrgäste. Leider erspähe ich keine Zugnummer. Aber es war ein ICE 1. Zeitlich würde es zu ICE 2893 passen, Entlastungszug Berlin-Basel. Fragt sich, was genau der entlastet hat.
Kurz vor Ankunft ertönt schließlich die Durchsage, dass der hintere Zugteil des ICE nach Dresden bereits stark ausgelastet sei und Fahrgäste ohne Reservierung den vorderen Zugteil nutzen sollten. Da meine Reservierung durch die Verspätung hinfällig geworden ist, wandere ich einmal den derweil gut gefüllten Bahnsteig entlang und finde dann tatsächlich eine mit nur einem Reisenden 1. Klasse-Lounge im Fünfteiler vor. Derweil erfahre ich noch, dass ich trotz Freifahrt Fahrgastrechte einreichen sollte, weil mir dann ein Teil der eingesetzten Punkte gutgeschrieben würde. Darauf bin ich gespannt! Erste Klasse werde ich dennoch auch künftig nicht freiwillig buchen. Diese Sitze sind für mich reinste Folter und nur die geringere Auslastung auch an Großkampftagen ist es einfach nicht wert. In der Hoffnung, dass in der verbleibenden Stunde bis Erfurt nichts mehr passiert, schicke ich den Beitrag nun schon ab und wünsche euch frohe Weihnachten! :)
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Beitrag von 146225 »

@Entenfang: Na ja, das üblich gewordene Verspätungs- und Ausfall-Lotto führt zumindest dazu, dass sich die Wahrnehmung verändert. Mit +20 lockt man doch heute keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor auf den Bahnsteig.

@Lobedan: Erste Klasse fährt man im FV bevorzugt bei IC's ohne "mod" oder IC/EC mit Wagen von Auslandsbahnen. Die Lederstühlichen der DB sind tatsächlich nicht unbedingt der Weisheit bzw. Bequemlichkeit letzter Schluss. Und es ist eigentlich sehr löblich, wenn DB FV mit seinem chronischen Materialmangel es tatsächlich schafft, an Tagen wie heute so etwas altmodisches wie Entlaster als Vor- oder Nachzüge zu führen, es stellt sich allerdings wirklich die Frage, was das in Zeiten von im geyieldeten Bullshit-Bingo vertickerten zuggebundenen Fahrkarten noch großartig bewirken soll?!
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Nee du, ich bin ICE-Fan. Ich liebe die 411er und kann mich seit den IC-Mod auch halbwegs mit Wagenzügen anfreunden. Aber es ist einfach nicht dasselbe. Letztlich bin ich in diesen Ledersitzen ja sogar weggedämmert, also kann es so schlimm nicht gewesen sein. Aber zum Arbeiten sind die Sitzabstände unbrauchbar und auf Leder rutscht man einfach zu sehr herum.
Aber in dem Fall hatte ich ja einfach keine andere Wahl, für heute gab es so kurzfristig für diese Verbindung keine 2. Kasse-Kontingente mehr, also musste ich die 1. nehmen.

Alte Reisezugwagen liegen einfach vor meiner Zeit. Ich bin mit rungergewirtschafteten y-Wagen im Regiodienst aufgewachsen, mit echtem Fernverkehr kam ich erst ab 2011 in Berührung. Generell waren in meiner Kindheit Triebwagen die große Faszination, weil neu und modern. Daneben wirken die meisten unmodernisierten Wagenzüge einfach nur ranzig bis gruselig. :ph34r:
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Beitrag von Entenfang »

Lobedan @ 23 Dec 2016, 16:39 hat geschrieben:Danke, dass ihr das durchsagt, NACHDEM am Gleis gegenüber der IC weggefahren ist, den ich bei Verspätungen in Fulda hätte nehmen können! :angry:
Ich hatte mal eine Fahrt, auf der ich am Frankfurter Flughafen vom ICE aus Stuttgart in den ICE nach Dresden umsteigen wollte. Aufgrund von +20 waren es nur noch wenige Minuten Umsteigezeit, als der Anschluss durchgesagt wurde. Weil wir dann aber nochmal vor einem Signal standen, ist mir der Anschlusszug schon entgegengekommen. Egal, dachte ich, dann fahre ich halt noch bis zum Hbf mit und versuche es dort. Der Anschluss hatte zwar inzwischen auch Verspätung bekommen, aber unsere war noch stärker angewachsen, sodass mir der Anschluss im Gleisvorfeld ein zweites Mal entgegenkam. Grmpf. <_<
Derweil erfahre ich noch, dass ich trotz Freifahrt Fahrgastrechte einreichen sollte, weil mir dann ein Teil der eingesetzten Punkte gutgeschrieben würde. Darauf bin ich gespannt!
Ich habe bei 1h Verspätung 25% der eingesetzten Punkte rückerstattet bekommen.

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Beitrag von 146225 »

Lobedan @ 23 Dec 2016, 21:47 hat geschrieben: Daneben wirken die meisten unmodernisierten Wagenzüge einfach nur ranzig bis gruselig. :ph34r:
Naja gut, man muss ja nicht davon ausgehen, dass das überall so aussieht, wie bei der DB ... deswegen doch die goldene Brücke mit "Wagen von Auslandsbahnen" ;)
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218 466-1
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Beitrag von 218 466-1 »

Lobedan @ 23 Dec 2016, 17:39 hat geschrieben:Zeitlich würde es zu ICE 2893 passen, Entlastungszug Berlin-Basel. Fragt sich, was genau der entlastet hat.
ICE 373.
Lobedan @ 23 Dec 2016, 22:47 hat geschrieben:Nee du, ich bin ICE-Fan. Ich liebe die 411er
411 werden aber nur als "ICE" bezeichnet um höheren Fahrpreis kassieren zu können. Das heißt noch lange nicht, dass sie echte ICE's sind. Bei der "25 Jahre ICE" Präsentation war auch kein 411-Vertreter dabei.
Lobedan @ 23 Dec 2016, 22:47 hat geschrieben:Alte Reisezugwagen liegen einfach vor meiner Zeit. Ich bin mit rungergewirtschafteten y-Wagen im Regiodienst aufgewachsen, mit echtem Fernverkehr kam ich erst ab 2011 in Berührung.
Wärst du mit n-Wagen bei Regio und mit Eurofimawagen bei IC aufgewachsen, wären deine Ansprüche heuer vmtl. auch höher und Fugger und 411er würden denen nicht genügen. ;)
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Christian0911
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Beitrag von Christian0911 »

Auch wenn meine Fahrten im ICE länger zurück liegen muss ich in einem Punkt Recht geben, die Sitze in der 1.Klasse sind tatsächlich unbequemer als die Sitze in der 2.Klasse und ich bin durch Regio Hamster auch harte Sitze gewohnt, wobei im Regio Hamster wenigstens noch Tischchen sind, in den Nürnberger S-Bahnzüge vermisse ich diese... (außer halt in den X-Wagen wo jeder Platz noch einen eigenen Mülleimer hat und man diesen als Tischchen verwenden kann)
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Sammelantwort:
Entenfang @ 23 Dec 2016, 22:32 hat geschrieben:Ich hatte mal eine Fahrt, auf der ich am Frankfurter Flughafen vom ICE aus Stuttgart in den ICE nach Dresden umsteigen wollte. Aufgrund von +20 waren es nur noch wenige Minuten Umsteigezeit, als der Anschluss durchgesagt wurde. Weil wir dann aber nochmal vor einem Signal standen, ist mir der Anschlusszug schon entgegengekommen. Egal, dachte ich, dann fahre ich halt noch bis zum Hbf mit und versuche es dort. Der Anschluss hatte zwar inzwischen auch Verspätung bekommen, aber unsere war noch stärker angewachsen, sodass mir der Anschluss im Gleisvorfeld ein zweites Mal entgegenkam. Grmpf.  <_<
Oh da kommt Freude auf. :lol:
Aber am äh ... im Frankfurter Hbf lässt es sich ja einigermaßen aushalten. Bin da im Frühling 2015 mal spätabends gestrandet, als ich von einer Wohnungsbesichtigung aus Ulm zurückfuhr. Ein Tag, der auch eine lange Geschichte hier wert gewesen wäre, weil an jenem Tag wegen Sturmwarnungen der Zugverkehr in Bayern eingestellt wurde. Gab dann zum Glück noch einen Spät-IC nach Erfurt.
Entenfang @ 23 Dec 2016, 22:32 hat geschrieben:Ich habe bei 1h Verspätung 25% der eingesetzten Punkte rückerstattet bekommen.

Ebenfalls frohe Weihnachten nach Erfurt!
Fein, dann habe ich die nächste Freifahrt ja wieder auf dem Konto. Danke!
146225 @ 23 Dec 2016, 22:35 hat geschrieben:Naja gut, man muss ja nicht davon ausgehen, dass das überall so aussieht, wie bei der DB ... deswegen doch die goldene Brücke mit "Wagen von Auslandsbahnen"  ;)
Meine Auslandszugerfahrungen beschränken sich auf einen tschechischen Dieseltraktor Marke "Ferkeltaxi", tschechische Abteil-EC-Wagen (Dresden-Wien), ÖBB-EC-Wagen (Wien-Dresden) und einen griechischen Eilzug auf dem westlichen Peloponnes, die mich allesamt nicht durch "goldig" überzeugen konnten. Ach und natürlich ÖBB-E-Talente. Die mag ich. :P
218 466-1 @ 24 Dec 2016, 06:31 hat geschrieben:ICE 373.

411 werden aber nur als "ICE" bezeichnet um höheren Fahrpreis kassieren zu können. Das heißt noch lange nicht, dass sie echte ICE's sind. Bei der "25 Jahre ICE" Präsentation war auch kein 411-Vertreter dabei.

Wärst du mit n-Wagen bei Regio und mit Eurofimawagen bei IC aufgewachsen, wären deine Ansprüche heuer vmtl. auch höher und Fugger und 411er würden denen nicht genügen. ;)
Schon klar, zu welchem Zug der als Entlastung eingesetzt wurde. Aber wieso war er dann praktisch leer? Da hat doch irgendwas nicht geklappt. Die zwei, in Ziffern 2 (!!!) Fahrgäste waren nicht übertrieben. Außer man hat im Zug gerade kollektiv auf dem Boden gelegen, um den Wartenden in Fulda weiszumachen, der Zug sei leer. :ph34r:

Ich bin mal so naiv, die Innenausstattung von IC(E)-T und ICE 3 (403) gleichzusetzen. Erstere sind mir dabei dennoch lieber, weil sie (wohl vor allem durch die geringere Laufleistung und Auslastung) weniger runtergewirtschaftet wirken. ICE-T sind mir aber auch wegen ihres Äußerem ans Herz gewachsen.
Mit den ICE 1 bin ich inzwischen auch ganz glücklich, aber das liegt in erster Linie daran, dass ich die Redesign-Sitze im ICE 2 so furchtbar finde. Meine bisher einzige Fahrt im Velaro gefiel mir auch recht gut und wenn nichts dazwischen kommt, steht am Dienstag meine ICE 4-Premiere an. So oder so sind mir die aber alle liebe als DB-IC-Wagen. Als ich vor einigen Jahren erstmals IC fuhr (frag mich nicht nach dem Wagentyp, aber sowas fuhr bis vor wenigen Jahren noch auf den Linien 55/56), war ich regelrecht enttäuscht bis abgeschreckt, was da als Premiumprodukt geboten wird.

Regio-Triebwagen finde ich vom Komfort her übrigens keineswegs angenehm, den Fugger schon war nicht. Talent 1 und Flirt 1 sind mir noch lieb, die Meridian-Flirt 3 empfand ich auch recht angenehm. Möpse, Hamster & Co zähle ich aber auch nicht zu angenehmen Reisen. Wobei mir der Talent 2 zumindest äußerlich sehr gut gefällt.
Um aber zumindest eine Lanze für Wagenzüge zu brechen: 2008 fuhr ich mal mit einem Uralt-DR-Flachwagen-Park (irgendeine y-Wagenabwandlung) von Cottbus nach Dresden zum Weihnachtsmarkt. Das waren Sitze zum darin Versinken, die Heizung bollerte wie ein offener Kamin und trotz ohrenbetäubenden Klotzbremsen war es eine der schönsten Zugfahrten, die ich je mitgemacht habe.
Christian0911 @ 24 Dec 2016, 09:16 hat geschrieben:Auch wenn meine Fahrten im ICE länger zurück liegen muss ich in einem Punkt Recht geben, die Sitze in der 1.Klasse sind tatsächlich unbequemer als die Sitze in der 2.Klasse und ich bin durch Regio Hamster auch harte Sitze gewohnt, wobei im Regio Hamster wenigstens noch Tischchen sind, in den Nürnberger S-Bahnzüge vermisse ich diese... (außer halt in den X-Wagen wo jeder Platz noch einen eigenen Mülleimer hat und man diesen als Tischchen verwenden kann)
Die Regio-Triebwagen unterscheiden sich von Netz zu Netz aber wirklich sehr extrem. Ich hoffe sehr, dass bei einigen Bestellern allmählich wieder etwas gehobenere Standards Einzug halten und der Trend vom Billigwahn sich abmildert.
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Beitrag von Entenfang »

An Tagen wie diesen
ging einfach alles schief
an Tagen wie diesen
das Bullshit-Bingo nach mir rief
an Tagen wie diesen
erzähl ich euch, wie es lief.


An einem angenehm warmen Sommertag marschiere ich zügigen Schrittes durch den Dresdner Hbf. Der RE aus Zittau ist mit wenigen Minuten später angekündigt, also gehe ich davon aus, dass der RE 3 aufgrund der dreiminütigen Umsteigezeit ebenfalls wenig Minuten später abfahren wird. Da kann ich ja ganz entspannt bis an die Zugspitze gehen, wo es nicht so voll ist.
Doch ich überschätze die Fahrgastfreundlichkeit der Bahn. Kurz vor dem Halt der Desiros zischt es und wir fahren den Umsteigern vor der Nase weg.

Wie immer zu dieser Zeit ist die 5+3-Grinsekatze gut nachgefragt, aber erfreulich wenig Sitzplätze durch Gepäck blockiert. Leise schleicht sie ohne nennenswerte Störungen durch die sommerlichen Felder. Offensichtlich ist das Rollo an der Tür zum Führerstand defekt, sodass dem neugierigen Beförderungsfall der Blick über die Schulter auf improvisierte Weise versperrt wird – einige auseinandergefaltete Tarifinformationsflyer sind an der Scheibe befestigt und der oben verbleibende Spalt durch Absperrband mit dem Schriftzug „Defekt – wir kümmern uns“ zugeklebt. Ich kreuze das zweite Feld des noch erfreulich leeren Bullshit-Bingos ab.

Die ruhige Fahrt endet jäh in Mehltheuer an einem roten Signal. Nachdem wir ein paar Minuten gestanden haben, meldet sich die Zub zu Wort. „Aufgrund der Verspätung eines vorausfahrenden Zuges verzögert sich die Weiterfahrt noch um einige Minuten. Ihre Anschlüsse in Hof habe ich bereits vorgemeldet.“ Muss wohl ein sehr langsamer vorausfahrender Zug sein, der den Block derart lange blockiert…

Nach gut 10 Minuten Standzeit rollt dann die EB nach Leipzig vorüber und wir setzen die Fahrt fort. Dann klärt sich auch auf, wo der Haken an der Sache ist. Es ist mal wieder Baustelle und eingleisiger Betrieb. So wirklich konfliktfrei scheint mir der Fahrplan aber selbst bei pünktlichem Betrieb nicht zu funktionieren, denn zwischen der Abfahrt des RE 3 in Plauen und der Ankunft der EB aus Hof in Mehltheuer liegen 9 Minuten – die Fahrzeit des RE 3 dürfte auf jeden Fall ein bis zwei Minuten weniger betragen.

+15 macht sich beim knappen Knoten in Hof schon mal schlecht, aber ich hoffe dennoch, dass zumindest der RE nach Regensburg wartet. Immerhin ist es der Letzte auf der Strecke und ich freue mich doch so auf den Alex an einem lauen Sommerabend. Sicherheitshalber kontrolliere ich schon mal die Alternativen – klar, eine Stunde später nach Nürnberg und dann mit dem ICE ist kein Thema. Hoffentlich wird da nicht rumgezickt, denn einen 29,90€-Sparpreis habe ich nur noch mit IC München Hbf – München-Pasing für den nächsten Morgen bekommen. Damit erreiche ich mein Reiseziel ja eigentlich trotz der Verspätung pünktlich. Zumindest schlägt mir der Verspätungsalarm dies dennoch als aktuelle Alternative vor.

Wir nähern uns Hof und der DB Navigator verheißt nichts Gutes. Der RE nach Nürnberg wird erwartungsgemäß als abgefahren angezeigt und nach Regensburg steht unverändert +0 drin. Aber die Daten sind ja bekanntlich nicht so ganz verlässlich.
„Wir erreichen jetzt Hof. Dort hat leider kein Anschlusszug gewartet.“ Kreuz auf dem Bullshit-Bingo.

Schade um die verpasste Alexfahrt. Während ich ein wenig nach alternativen Verbindungen suche, stoße ich auf den EN Hamburg – Wien, der in Nürnberg mit +14 prognostiziert ist. Woher will man denn bitte um 20 Uhr wissen, dass der um 3 Uhr genau +14 hat? Dem muss ich auf den Grund gehen.
Aktuell ist er gerade zwischen Hamburg und Hannover mit +55 unterwegs. Als Grund werden Verzögerungen im Betriebsablauf angegeben. Kreuz auf dem Bullshit-Bingo.
Müssen wohl massive Verzögerungen im Betriebsablauf gewesen sein… Vielleicht kann ja mal ein Eisenbahner nachschauen, was wirklich dahintersteckt. (EN 491 21./22.6.)
Und die im DB Navigator hinterlegte Prognose über die Entwicklung erscheint mir dann doch ein bisschen zu optimistisch. Man kann ja über alles reden, aber in einer Minute in Nürnberg mit dem Zugteil aus Düsseldorf vereinigen?

Ich setze mich in Hof auf den Bahnsteig und stille meinen Hunger. Es ist ein sehr schöner Sommerabend, da ist die Wartezeit halb so schlimm. Verärgerte Fahrgäste starren den Abfahrtsplan an, wohl um sich zu vergewissern, dass sie jetzt tatsächlich eine Stunde warten müssen.

Nach zehn Minuten sind sie alle verschwunden und außer mir sind nur noch drei indische Geschäftsleute und eine DB-Reinigungskraft auf dem Bahnsteig. Letztere versucht gerade auf Deutsch mit einigen eingestreuten englischen Wörtern den Unterschied zwischen DB Regio (die roten Züge) und der MRB (die silbernen Züge) zu erklären. Die Inder antworten auf Englisch mit eingestreuten deutschen Wörtern. Es sieht nach einer spannenden Art der Kommunikation aus und ich bleibe in der Nähe stehen.
Als Nächstes geht die Reinigungskraft auf weitere Details ein. Bei DB Regio (den Guten) würden die Lokführer stets zweimal aus dem Fenster schauen, bevor sie abfahren. Bei der MRB (den Bösen) würden die Lokführer dagegen nur einmal kurz schauen und dann abfahren.
Ich unterbreche kurz die Erläuterungen und frage die Inder, ob sie Hilfe benötigen.
Nein, sie wüssten Bescheid, wie sie nach Chemnitz kommen. Sie wären mit dem Alex aus München gekommen und hätten nur drei Minuten Umsteigezeit gehabt. Da sei es ja nicht verwunderlich, dass sie bei der Einfahrt den Anschlusszug gerade abfahren gesehen hätten. In Tschechien hätte sowas eine mittelgroße Staatskrise ausgelöst, aber sei es drum. (Es ist übrigens nicht durch Zwänge im Fahrplan wegen der eingleisigen Führung an der Baustelle begründbar, zumindest nicht durch Personenzüge.)
Sie wollen für die Rückfahrt noch wissen, ob Gleis 6 anderswo ist als 6a und 6b. Da kann ich natürlich weiterhelfen und erkläre, dass dem nicht so ist. „There were two trains in one track“, wirft einer der Inder ein (bitte einen schönen indischen Akzent vorstellen!).

Da keine weiteren Fragen mehr bestehen, mache ich Anstalten, den Abfahrtsbahnsteig des gerade bereitgestellten 612er nach Nürnberg aufzusuchen. „Hello, sorry?“ Ob der Zug hier wohl nach Chemnitz fahren würde? Der ZZA verkünde es schließlich, aber auf dem Zug würde ja noch nichts draufstehen. Na klar.
Dann deutet er auf den Abfahrtsplan. Dort stehe doch 20:28 Uhr als Abfahrt nach Chemnitz, auf dem ZZA aber 20:30 Uhr. Ob um 20:28 Uhr wohl noch ein Zug fährt?
Nein, denn die Fußnote verkündet, dass dieser nur vom 1. bis 30. Juli verkehrt (also auf gut deutsch die Abfahrt 2 Minuten früher erfolgt, vermutlich wegen Baustelle).
Die Abfahrt erfolgt also erst um 20:30 Uhr?
Genau.
Das sind definitiv Menschen, die nicht zum ersten Mal Zug fahren.
Ein anderer hat ebenfalls noch ein Anliegen. „Where can I buy cigarettes?“
Puh, hat Yorma´s um 20 Uhr noch offen? Wir lassen es auf einen Versuch ankommen und er hat diesbezüglich Glück.

Nun suche ich den Abfahrtsbahnsteig auf, der 612er ist noch verschlossen. Also schaue ich dem eifrigen Rangierbetrieb zu. Zu spät zur fotografischen Dokumentation erkenne ich leider die Einfahrt des Kesselwagenzuges bespannt mit Ludmilla-Dotra. Uiuiui, den Dieselverbrauch will ich mir lieber nicht vorstellen…

Bild

Bild

Der nächste RE aus Dresden fährt ein, inzwischen sind auch die Türen des 612er freigegeben und ich platziere mich in der Lounge. Bald startet die Fahrt pünktlich. „Der Anschluss hat nicht geklappt, was?“, meint der Zub bei der Kontrolle. Ungefragt schreibt er „Zugbindung aufgehoben“ auf meine Fahrkarte, ehe er seinen Stempel hinterlässt. Die liebsten Probleme sind mir diejenigen, die sich von selbst lösen.
Als wir uns Marktredwitz nähern, fahren wir plötzlich nur noch im Schneckentempo. Gibt es etwa eine Unwetterwarnung? Aber wurden deswegen nicht erst kürzlich die ganzen Bäume in Gleisnähe gefällt?
Einige Minuten nach Plan erreichen wir Marktredwitz und setzen die Fahrt nicht fort. „Verehrte Fahrgäste, aufgrund einer Triebfahrzeugstörung endet dieser Zug außerplanmäßig hier. Auf Gleis 5 direkt gegenüber wird in Kürze ein Ersatzfahrzeug bereitgestellt.“ Kreuz auf dem Bullshit-Bingo.

Zwei junge Männer schimpfen ein wenig auf die Bahn, einer will nach Würzburg und hat in Nürnberg nur 5 Minuten Umsteigezeit. Immerhin ist ein 612er bereits in der Ferne zu sehen und kommt bald angetuckert. Mit +18 geht es weiter. Für mich ist das nicht weiter kritisch, denn zum ICE in Nürnberg habe ich ohnehin 34 Minuten Umsteigezeit. „Nach Würzburg besteht keine Chance mehr?“, meint der junge Mann zum Zub. „Naja, wir haben noch bisschen Reserve drin…“ Meiner Erfahrung nach bedeutet diese Aussage stets, dass die Verspätung noch weiter ansteigt.

In Pegnitz erfolgt die erste Zugvereinigung, in Hersbruck die zweite. Ein wunderbares Beispiel, wie das Flügelkonzept für massive Folgeverspätungen sorgt. Nürnberg erreichen wir schließlich mit +16. Allmählich ist mir durch die Klimaanlage etwas kühl und ich krame die Regenjacke aus dem Koffer hervor. Als ich die Türe öffne, laufe ich gegen eine Wand. In Nürnberg ist es ungleich heißer als in Dresden oder Hof. Gemütlich wechsele ich den Bahnsteig, in Nürnberg für mich eine Seltenheit.

Der ICE rollt pünktlich heran und verlässt auch Ingolstadt wieder pünktlich. Doch noch außerhalb des S-Bahnbereichs kommt der Zug außerplanmäßig zum Stehen. Immerhin wird die Fahrt bald fortgesetzt. Da gehen auch schon die ersten Fahrgäste zur nächsten Tür und blockieren jeden Durchgang, obwohl wir immer noch außerhalb des S-Bahnbereichs sind. Schade, dass wir das aus dem Bullshit-Bingo entfernt haben.

„Meine Damen und Herren, aufgrund einer Signalstörung werden wir München Hbf heute erst um 0:12 Uhr erreichen.“ Das finde ich äußerst ärgerlich, denn eigentlich wollte ich die U5 um 0:14 erwischen. Aus dem sechsten Wagen mit hoffnungslos verstopften Durchgängen könnte das schwierig werden. Achja, Kreuz auf dem Bullshit-Bingo nicht vergessen.

Wir nähern uns Laim und ich begebe mich in den nächsten Einstiegsbereich, in dem vier junge Männer warten. Offensichtlich wollen sie sich wegen der Verspätung von 6 Minuten abholen lassen. Einer telefoniert zu diesem Zweck.
„Ja, wir haben Verspätung.“ … „Na gut, kannst du uns am Ostbahnhof abholen?“ … „Das ist ganz einfach. Du fährst einfach die Autobahn bis ans Ende und dann immer geradeaus, bis du unter der S-Bahn durchgefahren bist. Dann biegst du rechts ab und fährst bis zum Ostbahnhof.“ … „Das ist wirklich ganz einfach. Du musst immer nur geradeaus fahren und abbiegen, nachdem du unter der S-Bahn durchgefahren bist. Das merkst du dann schon.“ … „Na gut, also dann am Ostbahnhof.“
Er legt auf. „Ich finde schon, dass man von der Freundin erwarten kann, uns abzuholen, oder?“ Murmelnde Zustimmung der Kumpels. „Zum Hauptbahnhof wollte sie nicht kommen, weil sie den Weg nicht kennt.“ Da frage ich mich schon, welchen Zweck es haben soll, jemanden bei der Durchfahrt in Laim mit dem Auto von offensichtlich weit außerhalb zum Hauptbahnhof zu bestellen…

Jäh stolpern zwei der Jungs hin und her, das Vorfeld hat begonnen und der ICE windet sich knarzend und ächzend über die Weichenstraßen. „Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“ Der Bahnsteig kommt links in Sicht. „Häh, hat der nicht gerade gesagt, dass man rechts aussteigen soll?“

Offensichtlich wollen sie eigentlich, genau wie ich, zur U5. „Vielleicht schaffen wir die U-Bahn ja noch.“ „Dann können wir aber auch gleich bis Neuperlach Süd sitzen bleiben“, wirft ein anderer ein. „Sie kommt uns jetzt am Ostbahnhof abholen.“
Der Zug kommt zum Stehen, doch die LED um den Türöffner bleiben dunkel. Ich bemühe mich gar nicht erst. „Du musst schon drücken, sonst gehen die Türen nicht auf“, meint einer der Jungs zu seinem Kumpel, der neben mir an der Tür steht. Dieser probiert es – natürlich erfolglos. Wertvolle Sekunden verstreichen und die Fahrgäste stehend rätselnd an den Türen. Dann zischt es und die Tür im nächsten Wagen geht auf. Die LED an meiner Tür bleiben dunkel, mein Versuch, dennoch zu drücken, bleibt erfolglos, sodass ich durch den Faltenbalg zur anderen Tür gehe. Anderthalb Minuten vom sechsten Wagen auf Gleis 18 zur U5, das brauche ich gar nicht erst zu versuchen. Also ein neuer Versuch für den Nicht-Anschluss in Trudering von der S4 zum 139er, der im Abendverkehr immerhin zwei Minuten beträgt.
Die S-Bahn kommt schon leicht hinter Plan und hängt knapp hinter einer anderen, sodass wir im Tunnel ausgebremst werden. Immerhin scheint der Tf es eilig zu haben.

An Gleis 1 bitte nicht mehr zusteigen. Zurückbleiben.

Am Ostbahnhof blockieren einige Halbstarke die Tür und schreien durch den Zug. „Hey, aussteigen! Wir müssen hier raus!“ „Boah der ist so ein Idiot. Der ist ganz vorne im Zug.“ Glücklicherweise findet der Idiot wohl den Weg alleine nach draußen und mit wenigen Sekunden Verzögerungen geht es auch schon weiter. Aber nicht weit.
Am Leuchtenbergring stehen wir vor einem roten Signal. 10 Sekunden vergehen, 20 Sekunden. Nach 30 Sekunden springt es auf Grün und zügig wird die Fahrt fortgesetzt.

Next stop: Trudering. Change here for the Yu Tu to the Trade Fair.

Piiiiiiiiiiiep. 60 Sekunden ab jetzt, und LOS!
Ich habe mich um ein paar Türen verschätzt und muss noch ein Stück zur Treppe vorlaufen. Zackig die Rolltreppe runter und durch die Unterführung. Ohje. Ein Reinigungswagen ist gerade unterwegs und hinterlässt nasse Streifen, denen ich tunlichst ausweiche, um nicht auszurutschen.
0 Minuten verkündet die DFI. Ich stürme die Rolltreppe zum Busbahnhof hinauf. Ein Busfahrer steht am oberen Ende und beobachtet die Unterführung. Der erste Bus ist der 192er, den will ich eigentlich nicht, genauso wenig wie den 193er dahinter. Auf der letzten Position steht der 139er und schließt gerade die Tür. Ich stürme auf ihn zu uuuuuund… …sie geht nochmal auf. Ich bedanke mich und bin abgesehen vom Kumpel des Busfahrers zu später Stunde ohnehin der einzige Fahrgast. So habe ich zumindest zum Abschluss nochmal 10 Minuten rausgeholt.

An Tagen wie diesen
ging doch nicht alles schief.

Moment mal, die Türstörung im ICE muss ich noch auf dem Bullshit-Bingo abhaken…
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Ein neuer Bahntag und nichts hat sich geändert. :P
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Beim 491 hat sich die Autoverladung am Anfang verzögert und auch Rangierarbeiten bei Hamburg sind angegeben.
Und eine Umleitung, zwischen Hannover und Göttingen? Die machte aber nur weitere +10.

Und Nürnberg, das ist bei den Systemen ganz normal.

Der 40421 hat dadurch wie die 612er auch noch ordentlich Verspätung gemacht.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Heute habe ich mal eine etwas andere Geschichte für euch, nämlich nicht als Reisender, sondern als Fernhelfer und Seelsorger für einen Freund:

Ausgangspunkt ist Frankfurt-Hahn, der allseits hassgeliebte Billigfliegerhafen in der Pampa fernab der Eisenbahn. Unregelmäßig und im wesentlichen auf die Flugzeiten abgestimmt fahren von dort Busse nach Frankfurt. Mit Halt am Flughafen und Hauptbahnhof. Mein Freund will nach Dresden. Gebucht hat er auf meine Empfehlung hin einen "Supersparpreis" zu 14,90 Euro für ICE 1657 mit Ankunft kurz nach Mitternacht. Der letzte Zug des Tages. Danach kommt man ab Frankfurt maximal noch bis nach Leipzig. Der Bus von Hahn sollte Frankfurt Hauptbahnhof rund 45 Minuten vor Abfahrt des Zuges erreichen. Sollte. Doch die Tücke beginnt schon mit der Abfahrt: +5. In der Theorie unbedeutend. In der Praxis ganz furchtbar. Denn plötzlich auf der Autobahn: Stau. Aber der Bus nicht mitten drin, sondern fast ganz vorne. Ohne die verspätete Abfahrt wäre man noch durchgekommen.

Und so ein richtiger Stau ist auch so richtig ätzend. Die Zeit verrinnt. 20 Minuten Stillstand, dann 30 Minuten. Und man kann nur hilflos dasitzen und innerlich hoffen, dass das irgendwie noch klappt. Das ist der Zeitpunkt, als mein Telegram aufploppt:
"18:35 - Fährt mein Zug über den Flughafen in Frankfurt?"
"18:36 - Jo"
"18:36 - Wann fährt der da?"
"18:36 - 19:01 Gleis 4"
"18:36 - Mh ok."
Schweigen.
"19:00 - Gib mal Update."
"19:00 - Bin am Flughafen und werde den Zug am Hbf wahrscheinlich nicht mehr erwischen. Kann man da nicht irgendwas machen, damit der Zug ein paar Minuten wartet?"
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Busse am Terminal 2 halten und man per Flughafenbus oder Skytrain zum Terminal 1 fahren und durch den Regionalbahnhof muss, um dann zum Fernbahnhof zu kommen. Diese eine Minute war es also nicht wert, am Flughafen aus dem Bus zu stürmen.
"19:07 - Kann halt nur hoffen, dass da jetzt so viele Leute einsteigen wollen, dass der Zug dadurch Verspätung bekommt."
"19:07 - Das ist eine sehr seltsame Hoffnung."
"19:09 - Kann ich jetzt eh vergessen. Hier in der Stadt ist die Hölle los. Das schaffen wir niemals rechtzeitig."
Wir diskutieren ein wenig über das Thema Fahrgastrechte, wirklich Aussicht auf Entschädigung sehe ich für ihn aber nicht. Falls jemand einen Ratschlag für solche Fälle hat: Nur her damit!
Planmäßige Abfahrtszeit in Frankfurt ist 19:19 Uhr.
"19:14 - Ich müsste jetzt spätestens angekommen sein, wenn ich hätte laufen wollen. Dauert aber noch mindestens 5 Minuten."
Ich schaue ins RIS, dort steht der Zug am Flughafen als abgefahren, aber ohne +0 oder irgendeine andere Zahl zur Pünktlichkeit.
"19:15 - Ich kann dir leider auch nichts zum Zug sagen, der ist nämlich irgendwie vom Radar verschwunden."
"19:19 - Das wird ja jetzt auch richtig teuer, nach Leipzig zu fahren. :("
"19:20 - 61,40 Euro. Aber dein ICE hat gerade +10! Er ist noch nicht mal in Frankfurt angekommen. Voraussichtliche Abfahrt 19:30."
Auf einmal war die Pünktlichkeitsinfo im RIS wieder da. +14 stand dort für die Ankunft, +12 für die Abfahrt: Technische Störung am Zug.
"19:20 - Dann bekomm ich den ja vielleicht doch noch! 10 Minuten sollte ich schaffen."
"19:29 - Bin jetzt jedenfalls am Gleis. Der Zug ist noch nicht da. Aber der Teil nach Dresden ist nicht dran geschrieben. Der fährt angeblich nur bis Leipzig."
"19:30 - Ähhhh"
"19:31 - Drin! Und dann war noch dir Unterführung in der Mitte der Bahnsteige gesperrt. Dann musste ich ganz vor laufen und dann nochmal ganz zurück."
Ich bin mir in dem Moment nicht sicher, bei wem von uns beiden das Herz den größeren Sprung macht.
"19:33 - Vielleicht falscher Zugteil?"
"19:34 - Ne, das stand so am Bahnsteig. Hier am Zug stand an der Seite, dass es nach Dresden geht."

Letztlich startete der Zug mit +18 und sammelte bis Fulda noch ein bisschen mehr. Dank üppigen Standzeiten in Erfurt und Leipzig und den Puffern auf der Strecke ist eine pünktliche Ankunft in Dresden aber nach wie vor möglich. :lol:
Normalerweise sind das die Momente, in denen die Züge dann immer superpünktlich sind. Ich habe da selbst schon eine ganz schreckliche Situation bei einem "Anschluss" von einer Mitfahrgelegenheit zum ICE erlebt, der schief ging, weil der Zug natürlich pünktlich kam. Aber heute war der Eisenbahngott offenbar mal auf der Seite der Blut-und-Wasser-Schwitzenden. B-)
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Beitrag von Bayernlover »

Das ist der Grund, warum ich nur durchgehende Reiseketten buche und/oder genug Puffer einbaue (abends Ankunft mit Verkehrsmittel A, morgens Weiterreise mit Verkehrsmittel B). Für solche Herzsprünge bin ich zu alt :D
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
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Beitrag von JeDi »

Martin H. @ 27 Jun 2017, 01:09 hat geschrieben: Beim 491 hat sich die Autoverladung am Anfang verzögert und auch Rangierarbeiten bei Hamburg sind angegeben.
Das hängt üblicherweise miteinander zusammen. Die beiden Autowagen (nach Wien und Innsbruck) werden gleichzeitig beladen (an einem Gleis der vordere Autowagen mit Lok; am Nachbargleis der hintere Autowagen mit dem Rest vom Zug), bis dann die Verladung beendet ist, der Strom eingeschaltet, und so weiter dauerts. Gerne mal etwas länger. Und dann muss ja noch umgesetzt, gekuppelt, bremsgeprobt, und so weiter werden.
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Beitrag von Lobedan »

Zug ist übrigens bereit ab Erfurt wieder pünktlich, der Tf hat scheinbar alles gegeben.
Bayernlover @ 19 Sep 2017, 21:41 hat geschrieben:Das ist der Grund, warum ich nur durchgehende Reiseketten buche und/oder genug Puffer einbaue (abends Ankunft mit Verkehrsmittel A, morgens Weiterreise mit Verkehrsmittel B). Für solche Herzsprünge bin ich zu alt :D
Klar, wenn die Möglichkeit besteht bzw. der zeitliche und finanzielle Aufwand nicht den Rahmen sprengt. Zwischenübernachtung fällt für mich eigentlich flach. Mein Fall von damals war eigentlich üppig geplant, die Mitfahrgelegenheit hat dann aber total getrödelt, dann habe ich um eine Minute die Straßenbahn verpasst (=weitere +10) und am Ende gabs am Bahnhof noch eine Baustelle, sodass ich einen Umweg zum Bahnsteig nehmen musste und den Zug dann verpasst habe. Komplett mit dem Zug zu fahren, hätte aber über eine Stunde Aufenthalt bedeutet und gegenüber dieser Planung zwei Stunden später am Ziel sein, das wollte ich vermeiden.
Und beim geschilderten Fall oben war schlichtweg der Preis ausschlaggebend. Alle früheren Verbindungen lagen über 50 Euro und dann gibts am Abend noch diesen Aktions-Sparpreis ohne Umsteigen. Wer schlägt da nicht zu?
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Beitrag von JeDi »

Lobedan @ 19 Sep 2017, 22:19 hat geschrieben: Und beim geschilderten Fall oben war schlichtweg der Preis ausschlaggebend. Alle früheren Verbindungen lagen über 50 Euro und dann gibts am Abend noch diesen Aktions-Sparpreis ohne Umsteigen. Wer schlägt da nicht zu?
Kann man diese Hahn-Frankfurt-Busse nicht inzwischen als IC-Bus durchbuchen?
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Beitrag von Lobedan »

Auch wenn es gar keine IC-Busse sind?
Den Tarifpunkt Flughafen-Hahn gibt es zwar, aber auffindbar sind darüber nur Regionalbusse, keine Fernbusse direkt nach Frankfurt.
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Beitrag von Jogi »

JeDi @ 19 Sep 2017, 23:15 hat geschrieben:Kann man diese Hahn-Frankfurt-Busse nicht inzwischen als IC-Bus durchbuchen?
Auf der zugehörigen bahn.de-Seite steht schon seit Längerem der Hinweis, dass diese Strecke nicht bedient werde. Die Busse fahren zwar wohl noch, aber irgendwie ruht da gerade die Kooperation mit dem Busunternehmen.

---
Lobedan @ 20 Sep 2017, 12:15 hat geschrieben:Auch wenn es gar keine IC-Busse sind?
Keine durchgehende Reisekette, keine durchgehenden Fahrgastrechte (von einigen Spezialfällen abgesehen). In dem Fall trägt der Kunde alleine as Wegerisiko, ist also komplett selber dafür verantwortlich, rechtzeitig am Bahnhof zu sein.
Lobedan @ 20 Sep 2017, 12:15 hat geschrieben:Den Tarifpunkt Flughafen-Hahn gibt es zwar, aber auffindbar sind darüber nur Regionalbusse, keine Fernbusse direkt nach Frankfurt.
Hahn wurde ja mal mittels IC-Busse angebunden (und soll es wohl auch mal wieder), als Tarifpunkt ist der Halt wohl noch ein Überbleibsel aus der Zeit.
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Beitrag von Lobedan »

Mein Freund hat sich jetzt sogar noch mal telefonisch deswegen erkundigt:
Also ich hab gerade bei dem Busunternehmen angerufen. Die Kooperation mit der Bahn besteht momentan nicht. Die wollen das zum Winter wiederbeleben, aber momentan geht das über die Bahn nicht.
Heißt, vielleicht kann man bald wieder durchgehend buchen.
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Beitrag von JeDi »

Jogi @ 20 Sep 2017, 12:37 hat geschrieben: Auf der zugehörigen bahn.de-Seite steht schon seit Längerem der Hinweis, dass diese Strecke nicht bedient werde. Die Busse fahren zwar wohl noch, aber irgendwie ruht da gerade die Kooperation mit dem Busunternehmen.
OK, hatte ich nicht mitbekommen.

@Lobedan: Die Bohr-Busse fuhren mal als "Codesharing" mit IC-Bus-Nummer und eigenen Angeboten. Hat sich für Frankfurt-Hahn zwar eigentlich nie gelohnt, man konnte aber eben sowas wie Hahn-Dresden durchbuchen.
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Beitrag von 146225 »

Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz!

Nein, jetzt kommt keine Westernhagen-Revue (Es geht mir gut, macht euch keine Sorgen!) und in NRW war ich diesmal auch nicht. Das heutige Objekt der reisenden Begierde liegt dann doch woanders, und so klettere ich pünktlich um 09:17 Uhr aus dem 9442 von Abellio Mitteldeutschland heraus. Ach so, wo? Natürlich in Großheringen, im äußersten Zipfel Thüringens an der Grenze zu Sachsen-Anhalts. Denn nun soll eine Fahrt auf der dort abzweigenden Pfefferminzbahn folgen.

Planabfahrt meines 16082 nach Sömmerda ist um 09:27 Uhr, doch einen Anschlusszug suchen meine Augen auf dem Krautacker, den DB Station ohne Service in Großheringen scherzhaft als Bahnhof bezeichnet, vergeblich. Nur eine 275 von InfraLeuna brummelt auf den vorgelagerten Gütergleisen vor ein paar Kesselwagen. Na, erstmal nach Gleis 4 rübergehen, und falls jemand die Großheringer Bahnsteigunterführung als Angstraum bezeichnen möchte, könnte ich das nachvollziehen. Es ist nichts über SEV & Co. ausgehängt, laut RIS fällt der 16082 auch nicht aus - also warten wir es mal ab, und prompt lugt ein paar Minuten später hinter den bereits erwähnten Kesselwagen ein verkehrsrotes Etwas hervor, dass sich beim Heranrollen an den Bahnsteig als 642 182/682 erweist. Der Tf bremst am Bahnsteig, ich steige ein, und dann kann es auch schon losgehen, parallel zur Hauptbahn in Richtung Weimar gewinnt das Nebenbahngleis an Höhe, bevor die Hauptbahn auf einer Brücke überquert wird und zuerst in die Weinberge führt, die dann kurze Zeit später beim Hp Bad Sulza Nord von Wald abgelöst werden. Einen kleinen Weiher gibt es auch noch neben der Strecke.

Bis zum Frühaufsteher-Abschnitt durch Sachsen-Anhalt habe ich den VT für mich alleine gehabt, weil auch in Auerstedt niemand zusteigt, aber dann: Sowohl in Eckertsberga - dessen Hp-Bezeichnung "Eckertsberga (Thür)" wohl historisch gewachsen sein muss, denn der Ort an sich gehört zum Burgenlandkreis (hat auch selbst eine Burgruine) in Sachsen-Anhalt, genauso wie der nächste Halt und Ortsteil Tromsdorf, jeweils steigen Fahrgäste zu. Tromsdorf hat übrigens ein leerstehendes kleines - wohl erst nach dem Krieg erbautes - Empfangsgebäude, dass vermutlich seit dem Auszug der Reichsbahn keinen Handstreich mehr an Pflege gesehen haben dürfte. Du bist Deutschland, oder so. Jetzt aber weiter wieder nach Thüringen, auch in Buttstädt steigen nochmal Leute zu und schon ist die Fahrgastzahl zweistellig. Buttstädt ist (theoretisch) Kreuzungsbahnhof mit einem mechanischen Stellwerk an der Ausfahrt in Richtung Guthmannshausen.

Die Landschaft hat sich jetzt hin zu einer sanft gewellten Ebene verwandelt, wo der Blick über Felder, Feldhasen und Wiesen mit kleinen Waldstücken schweifen kann. In Olbersleben-Ellersleben nochmal Fahrgastwechsel, und Kreuzung mit dem in Richtung Großheringen fahrenden 642 179/679, der zuerst abfährt. Als es weitergeht, kommt als nächstes dann Großneuhausen, dessen Hp von Bahnsteig, Zaun und Fahrradständer her auch noch sehr den "Chic" der Reichsbahn verströmt. Ortsstraße mit Kopfsteinpflaster inklusive. Dann erreichen wir Kölleda, und auf dessen 2014 neu erreichten Bahnsteig herrscht schon fast Gedränge - es dürfte sich hier die Fahrgastzahl locker nochmals verdoppelt haben (geschätzt jetzt um die 40-50). Gut, Kölleda ist mit rund 6200 Einwohnern auch der größte Ort an der Strecke. Wie die nicht unerhebliche Brachfläche vor dem alten EG und die Ruine eines Mittelbahnsteiges verraten, war hier einst noch mehr Betrieb gewesen. Für den Hp Kiebitzhöhe fällt auf, dass neben dem urtümlichen Unterstand aus Beton (auf Sandboden) auch ein DSA montiert ist, wenn da aber keiner das Grünzeug schneidet, bringt der herzlich wenig.

Sömmerda ist auf den "Tiefgleisen" erreicht. Für die 40 km waren 51 Minuten Fahrzeit veranschlagt, man hat unterwegs aber nicht das Gefühl, im Schrittempo über verfallene Gleise zu rumpeln, auch wurden kaum La wahrgenommen. Da hat man auf Nebenbahnen "im Osten" schon schlimmeres gesehen. Dass der Desiro im Jakobsdrehgestell hörbar quietscht (Ieku, ieku, ieku!) schreibe ich jetzt mal der Erfurter Werkstatt von DB Regio zu.

Die Reise war jetzt nicht nur Premiere, sondern auch eine Art Abschiedsfahrt - nachdem 2007 bereits das westliche Streckenstück von Straußfurt bis Sömmerda abbestellt wurde, soll zum Fahrplanwechsel Dezember 2017 nicht nur der Betrieb von DB Regio auf die ErfurterBahn (mit 650) übergehen, sondern auch der Abschnitt Buttstädt - Großheringen abbestellt werden. Es ist wohl die gleiche Geschichte wie so oft - zwei Bundesländer an der Strecke, Sachsen-Anhalt hat wohl wenig Interesse, Thüringen möchte/kann nicht alles alleine zahlen? Fährt der Zug nur alle zwei Stunden, weil die Fahrgastzahlen niedrig sind, oder sind die Fahrgastzahlen so niedrig weil der Takt so dünn ist? Sömmerda ist immerhin Kreisstadt und Umsteigepunkt von/nach Erfurt, Großheringen reisst wohl niemanden vom Hocker, zumal die Anschlüsse dort auch nicht berauschend sind. Lediglich von und nach der RB aus/nach Halle sind sie halbwegs aktzeptabel, will jemand in das naheliegende größere Leipzig wird ein zweiter Umstieg mit Zeitverlust in Naumburg oder spätestens Weißenfels fällig.

Wollte man den Ostabschnitt erhalten, wäre wohl eine Durchbindung über Großheringen hinaus erforderlich, die Frage ist nur: wohin? Wenn Sachsen-Anhalt das finanzieren sollte, würde wohl Naumburg gesetzt sein. Thüringen dürfte dagegen eher auf die (aktuell nicht planmäßig von Reisezügen befahrene) Kurve am Abzw. Saaleck schielen und nach Jena durchbinden - derartige Überlegungen gab es vor Ort sogar auch schon. Für den Moment kommen sie jedoch zu spät.

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Abschiedsbild als Rausschmeißer: 642 682 in Sömmerda, Tiefgleise.
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Beitrag von Entenfang »

Kursbuch und bahn.comfort als vorgezogene Weihnachtsgeschenke

Zweieinhalb Monate und fünf Minuten vorher

Weihnachten, das ist die Zeit, wenn alle irgendwohin fahren. Pünktlich um Mitternacht zur Freischaltung der Fahrkarten ab Fahrplanwechsel drücke ich die F5-Taste. Doch, wie kann das sein, die Fahrkarten wurden schon ein paar Minuten früher freigeschaltet und für den Freitag vor Weihnachten erhalte ich einen attraktiven Preis von 29,90 € für die Fahrt von Leipzig nach München nur noch mit Umstieg in Halle.

Ich verfolge die freien Sitzplätze in der grafischen Sitzplatzauswahl über die zwei Monate mit – ihre Zahl nimmt rapide ab, als der Abfahrtstag näher rückt. Ich entscheide mich, 4,50€ in eine Reservierung zu investieren.

Eine Stunde vorher

Meine Umsteigezeit in Halle beträgt 6 Minuten. In der Arbeit überprüfe ich die Abfahrtszeit der S5X. Sie ist mit +2 angekündigt. Hmm, 20 Minuten früher mit der S3 fahren oder nicht? Ich entscheide mich dagegen.

40 Minuten vorher

Zum letzten Mal für dieses Jahr passiere ich die Lautsprecher am Bahnhofseingang, aus denen Mozart in voller Lautstärke dröhnt. Was die Bettler aber nicht allzu sehr zu stören scheint.

35 Minuten vorher

Am Tiefbahnhof warte ich auf die S-Bahn, welche verspätungsfrei auf dem ZZA angekündigt ist. Doch ehe ich das Rumpeln im Tunnel vernehmen kann, ist die Abfahrtszeit schon um eine Minute verstrichen.

33 Minuten vorher

Die meisten Zusteiger warten in Leipzig ganz vorne, also nehme ich die letzte Türe. Mit +3 fahren wir in Leipzig ab. „Schnell, da ist ein Vierer!“, ruft eine Frau und drei weitere Frau stürmen zu ihr. Ich setze mich einem Mann schräg gegenüber, der sichtlich nervös ist, sich ständig umschaut und aus dem Fenster starrt. Zweimal zieht er seine Reiseverbindung aus der Jackentasche.

10 Minuten vorher

Es bleibt bei +3, der Mann steht schon kurz nach der Abfahrt am Flughafen Leipzig/Halle auf und begibt sich zur Tür. Wenig später folge ich ihm, um die Poleposition an der Tür nicht einzubüßen. Er zieht abermals die Reiseverbindung heraus und ich erhasche einen Blick auf den HEX als Anschlusszug. Vermutlich braucht er den 3-Minuten-Übergang nach Halberstadt.

3 Minuten vorher

Kann das Gleisvorfeld in Halle wirklich so lange sein? Im Schneckentempo rollen wir über die Weichenstraßen und kein Bahnsteig in Sicht.

2 Minuten vorher

Der 401 nach München hat gerade fünf Gleise weiter seine Pforten geöffnet und die ersten Fahrgäste steigen bereits ein. Nicht gut.

Anderthalb Minuten vorher

Dietdietdietdiet.

Ist ja gut. Liebe Tür, hättest du wohl die Güte, mich aussteigen zu lassen? Danke.
Kaum habe ich einen Fuß auf den Bahnsteig gesetzt, wird mir mein fataler Fehler bewusst. In Halle gibt es nur eine einzige Unterführung und die ist ganz vorne.
Ich kämpfe mich mit meinem schweren Koffer über den vollen Bahnsteig, so gut es geht. Doch an der Treppe treten massive Geschwindigkeitsbremsen auf. Auch in der Unterführung kann von freier Bahn keine Rede sein.

Eine halbe Minute danach

Als ich die Treppe zu Gleis 8 erreiche, höre ich das Heulen des 401-Triebkopfs. Ich versuche es gar nicht mehr.


An der DB Information bekomme ich eine Verspätungsbescheinigung und den Tipp, es um 17:18 Uhr nochmal zu probieren.

Hmm, ob man wohl auf die Schnelle noch eine Reservierung bekommt? Ich probiere es im DB Navigator. Vergeblich.
Im Reisezentrum liegen die Kursbücher für Sachsen-Anhalt aus, die man kostenlos mitnehmen kann. Immerhin eine kleine Entschädigung für das verspätete Abendessen. Nur Reservierung ist keine mehr zu bekommen. Ich stelle mich auf einen Koffersitzplatz sein und begebe mich zum Bahnsteig, auf dem die ZZA den ICE 1729 abwechselnd mit „5 Minuten später“ und „wenige Minuten später“ ankündigt.

Ich wähle den halben Wagen 2. Klasse, der zwischen Bordbistro und 1. Klasse eingequetscht ist und nicht überfüllt aussieht. Der Tisch direkt an der Tür bietet drei freie Plätze für bahn.comfort-Kunden, also wie geschaffen für mich.
Mir gegenüber sitzt ein Mann, der über seinem schwarzen Kapuzenpulli ein Nadelstreifensakko trägt, welches er mit Ansteckbuttons verziert hat. Seine Unterarme sind großflächig tätowiert. Auf dem Tisch steht ein Dreiviertelliter Rotkäppchen-Sekt und aus seinen Kopfhörern dröhnt laute Rockmusik. Er nickt mit dem Kopf zum Beat der Musik. Möglicherweise eine Erklärung dafür, warum die drei Sitzplätze noch frei waren…

Neben mir nimmt eine Frau Platz und öffnet eine Dose Beck´s. „Prost!“, meint der Mann und nimmt einen Schluck Sekt aus der Flasche. Ich packe meine Plätzchen aus, um bis zum verspäteten Abendessen durchhalten zu können. „Ja, daran habe ich auch schon gedacht“, sagt die Frau.
Halle bleibt mit +6 zurück. „Sind wir gerade im Tunnel oder ist es schon dunkel draußen?“, wundert sich die Frau. Ich werfe ein, dass die meisten Tunnels erst hinter Erfurt kommen würden. Abgesehen davon ist es schon seit über einer Stunde dunkel…

„Willst du die halbe Sektflasche haben?“, bietet der Mann der Frau an, „die habe ich frisch aufgemacht.“ Nach kurzem Zögern stimmt sie zu, daraufhin nimmt der Mann noch schnell einen Schluck aus der Flasche, ehe er seinen Kram packt und kopfnickend zur Rockmusik in Erfurt aussteigt. Die Frau hat sich inzwischen in einen anderen Wagen umgesetzt, weil sie zufällig eine Bekannte getroffen hat.

In Nürnberg steigt sie aus – zurück bleiben eine halbe Flasche Vio und eine halbe Flasche Sekt.

Na denn, Prost!
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Wie man für maximale Verwirrung aller Beteiligten sorgt – ein Praxisbeispiel

Es hätte eine simple Fahrt im Alex von München nach Prag werden können. Kaum habe ich in München platzgenommen, geht auch schon der freundliche Herr von der Minibar durch und bietet jedem Fahrgast persönlich einen Kaffee an.
Pünktlich verlassen wir den Münchner Hbf. „Verehrte Fahrgäste, wir begrüßen Sie im Alex nach Hof über Freising, Landshut, Neufahrn, Regensburg, Schwandorf, Weiden, Wiesau, Marktredwitz und wünschen Ihnen eine angenehme Fahrt.“
Punkt 1 – Sage in Zügen mit mehreren Zugteilen stets nur einen Zugteil an, damit…
„Entschuldigung, wissen Sie, ob der hier nach Prag fährt?“ … „Does this train go to Prague?“ … „Aber da steht doch Prag…“
Glücklicherweise hilft der Minibarverkäufer aus. „Weiden?“ Nach hinten. „Schwandorf?“ Bleiben Sie hier. „Prag?“ Hier.
Vor Landshut wird ein Gz nach links genommen, sodass wir dort nur leicht verspätet ankommen. Kaum liegt Landshut zurück, heißt es: „Aus betrieblichen Gründen endet dieser Zug heute in Regensburg. Die Weiterfahrt nach Hof erfolgt im Ersatzzug.“ Pause. „Die Abfahrt etwa eine Stunde später.“ Vielleicht glauben die meisten Fahrgäste noch nicht daran und/oder der Anteil nicht deutschsprachiger Fahrgäste ist zu groß. Jedenfalls bleibt das kollektive Stöhnen aus. Doch so langsam sickert die Erkenntnis durch, dass irgendwas nicht so ist, wie es sein sollte. Gemurmel bricht im Wagen aus. Ich übersetze für zwei Fahrgäste auf Englisch.
Eine ältere Frau, die offensichtlich weder Deutsch noch Englisch spricht, irrt samt ihrer Fahrkarte durch den Zug. „Prag???“
„Ich wiederhole nochmal: Dieser Zug endet aus betrieblichen Gründen in Regensburg.“
Punkt 2 – Mache wichtige Ansagen stets nur auf Deutsch.
Die alte Frau geht vor und wieder zurück.
So rollen wir in Regensburg ein und die zweite Zub sagt in einwandfreiem Englisch durch, was Sache ist. Das gibt beim Verwirrspiel leider starken Punktabzug.
Der Zug fährt wieder zurück nach München, vermutlich weil keine Diesellok bereitsteht. Der Gegenzug aus Hof hat +70 wegen technischer Störung am Zug und wird daher erst in über einer halben Stunde ankommen.
Das zurückbleibende Alex-Personal wird natürlich sofort bestürmt. Immerhin wird – und das ist leider die Ausnahme – niemand ausfällig und niemand schimpft über die Scheiß-Bundesbahn. „Wir haben auch keine Informationen…“
Punkt 3 – Das eigene Personal über Abweichungen zu informieren, wird absolut überbewertet.
„Ich rufe mal an“, meint der Zub. „Mhm, ja, ok. Tschaui.“ „Der weiß auch nichts, na toll. Dann ruf ich halt noch wo anders an.“ Was er beim zweiten Telefonat erfährt, wird mir nicht völlig klar. Jedenfalls erklärt er den fragenden Fahrgästen, dass offiziell erst der nächste Zug in zwei Stunden nach Prag fahren wird. Seine Kollegin übersetzt auf Englisch. Schon wieder Punktabzug.
Auf dem ZZA steht jedenfalls Hof und Prag mit +40 dran, laut DB Navigator ist der Zug pünktlich weitergefahren.
Punkt 4 – Sorge stets für widersprüchliche Informationen auf allen Kanälen.
ZIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIISCH! Bremsprobe fertig. Pfeif! Rumms. Und der Zug verschwindet wieder Richtung München.
Ich suche die DB Information auf. „Mhm, inzwischen steht er mit +50 auf der Anzeige. Ich rufe mal an.“ … „Ok, also der fährt ganz normal als 357, bloß mit +50?“ So wird es wohl bestätigt. „Also ich würde auf den warten“, empfiehlt mir die Mitarbeiterin.

Die eigentlich ab Gleis 4 verkehrende OPB ist inzwischen mit Gleiswechsel angekündigt. Das zumindest spricht dafür, dass Gleis 4 anderweitig gebraucht wird. Und schließlich fährt der 4-Wagen-Zug aus Hof ein. Alle Fahrgäste werden rausgeschmissen und auf den nächsten Zug nach München verwiesen. Der ZZA am Bahnsteig verkündet schon das Ziel Hof, Prag im Ausfall. Ich ahne schon, dass meine Reise deutlich länger als geplant dauern wird.
Die Zuglaufschilder in den Türen zeigen dagegen immer noch Hof – Regensburg – München. Als einige Fahrgäste Richtung Hof einsteigen wollen, erklärt der Zub im Zug, dass der Zug hier enden würde und niemand einsteigen dürfe. Der Zub am Bahnsteig dagegen erklärt, dass der Zug wieder zurück nach Hof fahren würde und man einsteigen könne.
Manche Fahrgäste Richtung Hof steigen ein, manche nach München erst jetzt aus, manche überlegen sich das weitere Vorgehen im Türbereich und blockieren alles.
„Alle aussteigen!“, ruft der Zub drinnen nochmal. „NEEEEE!“, ruft der Zub von draußen, „der fährt zurück nach Hof!!!“ „Aber ich sollte doch alle rausschmeißen?!“ „Nur die nach München. Wo sind die Papiere?“ „Im Italiener.“ Gemeint ist der neue, graue Wagen von Netinera.

Ich bin mal mutig und steige ein. Die totale Verwirrung der Fahrgäste bleibt natürlich bestehen, weil die Zuglaufschilder in den Türen immer noch nicht getauscht wurden und München verkünden, während der ZZA Hof anzeigt und die Fahrgäste mit Ziel Prag immer noch auf Informationen warten. Zumindest während dem Umsetzen der Lok wäre eigentlich ausreichend Zeit gewesen, die Schilder zu tauschen. Ich beobachte das Schauspiel aus dem Übersatzfenster. Die Diesellok spricht jedenfalls stark dafür, dass der Zug wirklich nach Hof fährt, also empfehle ich allen Fahrgästen, die mich ansprechen und Richtung Hof oder Prag wollen, einzusteigen. Die alte Frau irrt wieder herum. „Prag?“ „Ja, richtige Richtung, aber Sie müssen in Schwandorf umsteigen“, ruft der Zub.
Mit +50 fahren wir ab. „Fahrgäste nach Prag, bitte steigen Sie in Schwandorf um. Wartezeit ca. 40 Minuten.“ In Schwandorf also raus, offensichtlich hat die Nachricht alle Fahrgäste, gleich welcher Sprache sie mächtig sind, erreicht, denn auch die alte Frau steht mit zwei großen Kunststoffbeuteln auf dem Bahnsteig. Drei Wagen werden gerade wegrangiert. Und weil der Alex nach München ja erst +20 hat, kann man die Rangierfahrt noch entspannt vorlassen.
Bild

Auf Gleis 4 ist er übrigens mit wenigen Minuten später und Gleiswechsel angekündigt, auf Gleis 1 dagegen korrekt mit +20.
Auf dem Abfahrtsbildschirm ist kein Zug nach Prag eingetragen und uns ist auch nichts entgegengekommen, was in Regensburg wenden könnte, also gehe ich davon aus, erst mit dem nächsten Regelzug fahren zu können. Daher bleibt mir Zeit für einen kleinen Stadtspaziergang. In Schwandorf bin ich ja bisher über hundert Mal durchgefahren, aber noch nie gestrandet.
Bild

Bild

Im Stadtpark gibt es eine schöne Fotostelle, nur das Licht passt nicht mehr.
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Ich kehre zum Bahnhof zurück. Hoffentlich gibt es wenigstens einen Wagen mit Übersatzfenstern, denn der spätsommerliche Oktober wäre perfekt dafür. Der Abfahrtsbildschirm im Bahnhofgebäude verkündet: Hof: pünktlich, Prag: fällt aus.

Mit drei anderen Fahrgästen begebe ich mich zum Servicekabuff auf Bahnsteig 2. „Ich weiß auch nicht, wann da was fährt. Das sind Private, das ist italienische Staatsbahn. Offiziell haben die uns nichts mitgeteilt, mir hat bloß der Fdl zugesteckt, dass der nicht fährt. Sonst hätte ich die Durchsage gar nicht machen können. Es ist das reinste Chaos hier und das geht schon so seit Wochen. (Anm.: Offensichtlich gibt es einen großen Schadbestand bei Dieselloks.) Die wollten ja Wettbewerb, das haben sie jetzt davon. Und ab nächstem Jahr bin ich sowieso nicht mehr hier. Schwandorf, Weiden, Hof, Bayreuth und Pfaffenhofen werden wegrationalisiert und aus dem Ansagezentrum in Regensburg gesteuert.“
Ich nehme mein FGR-Formular und Fressgutschein entgegen. So, und nun? „Gibt’s denn keinen Bus nach Prag?“, fragt eine junge Frau. „Schauen Sie, es fährt doch alle zwei Stunden ein Zug. Wer soll denn dann noch mit dem Bus fahren? Und einen Busersatz müsste wenn dann Netinera organisieren, das sind Private.“ Sie überlegt, mit anderen zusammen ein Auto zu mieten. Man wisse ja schließlich nicht, ob der nächste Zug in zwei Stunden fahren würde.
Grmpf, ich hätte via Marktredwitz – Cheb fahren sollen. Aber der Zug ist inzwischen abgefahren.

Auf Gleis 1 stehen alle Fahrgäste aus München, die ebenfalls nach Prag wollen. „Uns wurde gesagt, wir sollen hier umsteigen.“ Erstaunlicherweise stehen zwei Alex-Zub bereit und können sogar Auskünfte erteilen und das auch noch auf Englisch. Schon wieder Punktabzug. Sie empfehlen, mit der OPB nach Cham zu fahren. Dort würde ein Alex nach Prag bereitstehen. „Ja aber im DB Navigator steht doch nichts davon. Und hier steht, dass er ausfällt.“ „Wir benutzen nicht dieselben Apps und Informationskanäle wie die DB.“
Der Strom durch die Unterführung setzt sich in Bewegung. Die beiden Zub kommen allerdings nicht mit und das OPB-Personal weiß von alldem nichts. Ich steige trotzdem mal schnell ein, denn wenn das wirklich stimmt, gibt es bald keine freien Sitzplätze mehr im Solo-RS1. Und zwei Minuten danach ist er rappelvoll und setzt sich wenig später in Bewegung. Die Spannung steigt, während es durch den Herbstwald bergauf geht. Eine Gruppe trinkender Jugendlicher sorgt für die passende Geräuschkulisse.

Wir erreichen Cham uuuuuuuund…
…ein Alex steht bereit. Kollektive Erleichterung bei allen Fahrgästen, die durch die Unterführung strömen. Auch die alte Frau mit ihren zwei Beuteln ist dabei.
Ich sichere mir ein Abteil mit Übersatzfenstern und nach weiteren 10 Minuten setzt sich der Zug mit +35 (also +155) in Bewegung.
Erwartungsgemäß steigt die Verspätung in Tschechien weiter an, obwohl die Kreuzungen sogar ganz gut passen.
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Dafür sind etliche BÜ defekt und werden unter Dauerpfeifen im Schritttempo passiert.
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Der Zub teilt kostenloses Wasser aus.
Pilsen lassen wir nach einem flotten Lokwechsel mit +41 zurück, der Gegenzug musste auf unsere Lok warten und hat deshalb ebenfalls +30. Während in Pilsen noch kräftig gebaut wird...
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...ist der folgende Streckenabschnitt ganz gut ausgebaut und mit 100 bis 140 befahrbar. Als die Landschaft in der blauen Stunde versinkt, folgen wir dem Lauf der Beroun. Natürlich laufen wir auf eine S-Bahn auf und legen den restlichen Weg bis Prag im Stop-and-Go zurück. Mit +163 empfängt mich endlich Klaviermusik im Prager Hbf.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Maikäfer
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Beitrag von Maikäfer »

Servus,
jetzt mal ein unbebilderter Reisebericht aus meiner Jugendzeit, der so heutzutage nicht mehr möglich wäre. Ich hoffe, ich bekomme das aus dem Gedächtnis nach über 40 Jahren einigermaßen hin.
Ich war damals in den Schulferien ziemlich regelmäßig bei meiner Oma in Niederbayern. Wenn es nicht gerade eine Mitfahrgelegenheit mit dem Auto von jemandem aus der Verwandtschaft gab, fuhr ich mit dem Zug dorthin. In Zeiten, in denen noch nicht ansatzweise an einen Taktfahrplan zu denken war, gab es immerhin eine ganz günstige Verbindung am Vormittag mit zweimal umsteigen: Schnellzug etwa ab 20 nach 9 von München nach Landshut, dort umsteigen in den Personenzug nach Plattling (jawohl, Personenzug, nicht Regionalbahn, damals in den 70ern), weiter ab Landau/Isar mit dem Bahnbus zum Wohnort meiner Oma. Die Bahnstrecke dorthin war damals noch im Güterverkehr in Betrieb, der Personenverkehr war aber schon mindestens 10 Jahre zuvor eingestellt worden. Heute verläuft dort ein Fahrradweg, der als "Bockerlbahn-Radweg" vermarktet wird.
Meine Oma machte die "weltbesten" Mehlspeisen, alle möglichen Variationen, auch aus Kartoffelteig, mit niederbayrischen Namen, an die ich mich nicht mehr erinnere, und die hierzuforum auch nicht verstanden würden. Zu meiner Ankunft etwa um ein Uhr war natürlich immer schon etwas zum Mittagessen bereit. Ich weiß nicht mehr, was es an dem betreffenden Tag gegeben hat, aber ich behaupte mal einfach, es wäre Apfelstrudel gewesen, das versteht man wenigstens. Deshalb nenne ich meine Geschichte:

"Niederbayerns stromfressendster Apfelstrudel"
(obwohl meine Oma auf einem alten Holzofen kochte).

Also: die Fahrt verlief zunächst normal. Der Schnellzug war ein "Interzonenzug" (jawohl, sowas gab es vor der Wende!), mit Zugteilen nach Berlin und Dresden. Das war für mich damals schon ein etwas anderes Fahrgefühl. Abgesehen davon, dass der Zug zu einem guten Teil aus DR-Waggons bestand (innen mit Werbung für die Messe Leipzig und für Plaste und Elaste aus Schkopau) traf man dort auch immer wieder auf Mitreisende, die einen für meine Ohren damals merkwürdigen Dialekt sprachen (also sächsisch - nix für ungut, liebe Mitlesende aus den Gebieten, die zwischenzeitlich als "neue Bundesländer" bezeichnet wurden...).
In Landshut hieß es wie immer umsteigen.
Nun war die Strecke Landshut-Plattling erst in den 70ern elektrifiziert worden. An besagtem Tag war der elektrische Fahrdraht gerade erst seit dem vorherigen Wochenende in Betrieb. Mein Onkel, Gott hab ihn selig, seines Zeichens Bundesbahn-Obersekretär, hatte mich zuvor informiert, dass vor dem Personenzug nun eben statt der V 100 eine E-Lok wäre, sonst würde sich nichts ändern.
Der Personenzug stand wie immer in Landshut bereit, jetzt aber mit einer 194.5. Das versprach eigentlich gute Beschleunigung mit den drei grünen Mitteleinstiegs- und/oder Umbauwagen. Aber weit gefehlt: mit besserem Radfahrertempo verließ der Zug den Bahnhof, und wurde auch nicht schneller, als es aus Landshut rausging. Am dritten oder vierten Bahnhof verfolgte ich aus dem geöffneten Fenster ein Gespräch des Zub mit dem örtlichen Fdl, woraus hervorging, dass es Probleme mit der Stromversorgung gäbe.
Ich sah meine Vorfreude auf den Apfelstrudel schwinden, da ich ja den Bus in Landau erwischen musste. Weiter gings im gemäßigten Tempo, dann aber plötzlich merkbar schneller. An einem Bahnhof kurz vor Landau bemerkte ich noch einen langen Güterzug auf dem Nebengleis, dessen Tf meiner Meinung nach ziemlich missmutig auf den kurzen Personenzug schaute, den er offenbar vorbeilassen musste. Kein Wunder, wenn er bei den Stromproblemen den Zug wieder in Bewegung bringen musste...
In Landau mit gut +20 angekommen, stand der Bus tatsächlich noch da. Mit der Bemerkung "grad wollte ich losfahren" ließ er mich mit ein paar Mitreisenden, die auch froh waren, noch mitzukommen, einsteigen und fuhr sofort los. Der Apfelstrudel war gerettet.
Am Abend der Anruf von meinem Onkel, wie der Apfelstrudel geschmeckt hätte. Ja, wie immer gut, warum?
Mein Onkel war damals im Direktionsgebäude der BD München im "Allerheiligsten" beschäftigt, einem Raum, in dem alle Fahrten der Münchner S-Bahn über eine große Wandtafel verfolgt und ggf. umdisponiert wurden, aber auch alle anderen Strecken südlich der Donau an weiteren Arbeitsplätzen über Bildschirme verfolgt wurden. Damals in den 70ern die modernste Technik. Mein Onkel war an diesem Tag ausgerechnet u.a. für die Plattlinger Strecke eingeteilt und verfolgte die Zugnummer, die zu "meinem" Zug gehörte, an seinem Bildschirm. Und sah, dass die Verspätungsminuten immer mehr wurden. Da er selbst öfter diese Verbindung nutzte, wusste er, dass es mit dem Busanschluss in Landau knapp werden würde. In Zeiten vor Handy und Zugbahnfunk mussten die Busfahrer nur 20 Min. auf den Anschluss warten, dann sollten sie losfahren. Also disponierte er kurzerhand den Güterzug kurz vor Landau aufs Nebengleis (eigentlich hätte dieser in Landau eh einen Planaufenthalt gehabt) und rettete so mein Mittagessen.
Vom Stromverbrauch beim Wiederanfahren reden wir lieber nicht.

So, das war meine Geschichte aus alten Zeiten,

ich wünsche einen guten Rutsch!

Josef (Maikäfer)
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Wenn zum Jahresabschluss alles schief geht


Dabei hatte alles so gut begonnen. Der RE nach Stuttgart läuft pünktlich in Metzingen ein. „Das hat ja Seltenheitswert…“, kommentiert die Verwandtschaft, nachdem sie mich am Bahnhof abgesetzt hat. Bei mir ging dieses Jahr eigentlich immer alles gut. Meistens zumindest.
Hätte ich bloß meine Klappe gehalten.

Unspektakulär und pünktlich verläuft die Fahrt bis Stuttgart. Auch der IC nach Nürnberg ist verspätungslos angekündigt, sodass mir eine halbe Stunde Aufenthalt bleibt. Nachdem ich mir den aktuellen Fortschritt der Baustelle ausgiebig angesehen habe und zum Bahnsteig zurückkehre, steht er schon bei +15. Irgendwie wundert mich das nicht – bisher hatte ich auf dieser Strecke fast immer Verspätung. Um meinen 18 min-Anschluss in Nürnberg kann ich aber schon bangen. „Wieso sind es denn jetzt schon 15 Minuten Verspätung?“, beschwert sich ein älterer Mann bei einem Servicemitarbeiter. „Vorher waren es doch nur 10 Minuten!“ „Verstehen Sie doch, das sind Circa-Angaben. Das kann sich nochmal ändern!“ Aus den +15 werden bald +20. Als Grund werden Personen im Gleis genannt. Jetzt brauche ich schon eine ordentliche Portion Glück, damit ich noch planmäßig ans Ziel komme.
Der IC2 nach Karlsruhe verlässt mit surrender 147 den Stuttgarter Hbf. Vom Außendesign her ist die Lok für mich ganz klar ein neuer Tiefpunkt.

Einige Gleisänderungen später rollt mein IC endlich ein. Hoppla, das ist ja eine 120. Sofern man in der 2. Klasse so befördert wird, beklage ich mich ganz sicher nicht über den fehlenden IC2. Über die Verspätung dagegen schon. Mit +23 setzt sich der Zug endlich in Bewegung und kommt genau bis zum ersten Bksig, welches auf Halt steht. Bald bekommen wir Hp1Vr0 und 10 Sekunden später kommen wir mit einem Ruck hinter dem Signal zum Stehen. Nachdem sich der Tf von der Zwangsbremsung befreit hat, ist auch die Bahn frei und wir rauschen zügig Richtung Schwäbisch Gmünd. Doch noch ehe wir dort ankommen, ist wieder irgendetwas Langsames vor uns.
„Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen wir Schwäbisch Gmünd. Ihre nächste Reisemöglichkeit ist mit dem Regionalexpress nach Böbingen und Mögglingen. Dieser Zug fährt vom Gleis 1 direkt hinter uns. Ladies an gentlemen, your next connection in Schwäbisch Gmünd: Local Train to Böbingen and Mögglingen from platform 1.“ Auch alle anderen Durchsagen macht der Zub konsequent und verständlich auf Englisch – bravo, geht doch!

„Wir erreichen jetzt Schwäbisch Gmünd. Bitte entschuldigen Sie, aber ich wurde falsch informiert. Der Regionalexpress nach Böbingen und Mögglingen ist doch vor uns und wird nicht mehr erreicht.“

„Wir begrüßen alle zugestiegenen Fahrgäste im IC nach Nürnberg. Wir haben Schwäbisch Gmünd mit einer Verspätung von 32 Minuten verlassen.“
Sieht schlecht aus.

„Wir begrüßen alle zugestiegenen Fahrgäste im IC nach Nürnberg. Wir haben Aalen mit einer Verspätung von 36 Minuten verlassen. *Leicht genervt* Da wir jetzt auch keine Regionalbahn mehr vor der Nase haben, hoffe ich, dass wir auch mal Verspätung abbauen, anstatt aufzubauen. *Normaler Tonfall* Wir wünschen Ihnen trotzdem eine angenehme Reise.“

Eine Gruppe junger Leute steigt ein und will offensichtlich von Nürnberg mit dem IC-Bus nach Prag fahren. „Der Schaffner hat gesagt, er ruft an und meldet sich bei uns.“
Tiefgefrorene Winterlandschaft zieht vorbei, nichts passiert.
„Ich geh mal den Schaffner suchen.“

„Meine Damen und Herren, schon mal eine Vorabinformation für Umsteiger in Nürnberg, die nach Prag wollen: Der Bus nach Prag, Abfahrt 14:50 Uhr, wartet am Busbahnhof bis 15:05 auf Sie.“
Jubel bricht aus.
Hmm, wäre das eventuell auch eine Option für mich? Ich entscheide mich schließlich gegen den Bus. Statt via Cheb werde ich via Schwandorf fahren.

Der Zub sagt alle Anschlüsse in Nürnberg durch und wir laufen mit +31 ein.
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Ich hole mir den Zugbindung aufgehoben-Stempel, da meine tschechische Fahrkarte stets eine Zugbindung auf dem internationalen Zug hat. Ich gehe davon aus, das erhaltene FGR-Formular nicht zu brauchen, denn selbst bei einer Stunde Verspätung bin ich dank tschechischer Fahrkarte noch unter 4€ Rückerstattung. Dann setze ich mich in den einigermaßen warmen Wartebereich zwischen den Geschäften. Zwei ältere Männer und eine Frau sitzen dort, einer hat eine Flasche Alkohol in seiner Jackentasche (vermutlich aufgrund des Alkoholverbots im Bahnhof). Die Frau hält ihre Dose Bier ganz offen in der Hand und schert sich offensichtlich nicht darum. Neben ihnen sitzt ein Mann, der laut und verständlich für alle Personen in der näheren Umgebung telefoniert. Dabei fuchtelt er wild mit den Armen. „Gott, das ist so ein Chaos! Ein totales Chaos!“ Zum Glück hat er den Sitz neben sich mit Gepäck blockiert, sonst hätte eine dort platzgenommene Person wohl mehrfach die Hände des Telefonierers in ihrem Gesicht wiedergefunden.

Ich begebe mich zum Abfahrtsgleis, wo bereits der RE nach Neustadt (Waldnaab) und nach Regensburg via Schwandorf bereitsteht. „Hallo, ist das hier der Zugteil nach Regensburg?“, fragt mich ein mittelalter Mann, der mit einer gleichaltrigen Frau eingestiegen ist.

Am Gleis gegenüber steht der RE nach Hof. Ein mittelalter Mann wartet offensichtlich auf jemanden, denn er blockiert die Tür, schaut ständig zum Treppenaufgang und versucht, jemanden anzurufen. Auch eine Frau, die ein Baby trägt, spaziert unruhig im Einstiegsbereich des 612 herum. Ein paar Fahrgäste kommen angerannt, vermutlich Umsteiger. Der Tf schaut aus dem Fenster und bald pfeift der Zub und die Türfreigabe wird zurückgenommen. Obwohl offensichtlich die erwarteten Personen noch nicht eingetroffen sind, zieht sich der Türblockierer zurück. Aus irgendeinem Grund fährt der Zug aber nicht ab und der Tf schaut weiter aus dem Fenster. Eine Frau kommt angerannt, kann die Tür aber nicht mehr öffnen. Der Tf gibt ihr schließlich ein Zeichen, entsperrt die Türen nochmal und sie steigt ein. Dann kommt auch ein weiterer Mann mit Kinderwagen und eine Frau angerannt, die offensichtlich sehnlichst erwartet werden. Mit vereinten Kräften wird der Kinderwagen verladen und endlich kann der Zug abfahren.


Pünktlich schaukeln wir los und in die beginnende Dämmerung. Als der Zub zur Kontrolle vorbeikommt, meint die Frau, dass sie mit der Eisenbahn aufgewachsen wäre und ihre Mutter 45 Jahre lang als Schaffnerin gearbeitet hätte. „Die konnte alle Züge der Tschechoslowakei auswendig! Damals gab es ja nur Züge und keine Autos…“

Leicht hinter Plan sind wir in Schwandorf. Mit einigen anderen hetze ich durch die Unterführung, denn der Alex fährt schon in zwei Minuten. Durch kräftigen Schneefall rollt der Zug in den Bayerischen Wald. Die Kreuzungen mit den Gegenalex klappen einwandfrei und auch Pilsen verlassen wir pünktlich.

Nur weit kommen wir nicht. Am Hp Pilsen-Doubravka kommen wir zum Stehen. Einige Minuten passiert nichts. Man hört die Zub irgendwas erklären und der Tscheche in meinem Abteil öffnet die Tür einen Spalt, um mitzuhören. „Dear passengers, due to an extraordinary event on the tracks we have to go back to Plzen; and use the other track. Thank you for your understanding.“
Was ist denn los? „Cesky? English?“ Auf Englisch erklärt er mir, dass der Zug vor uns im vorausliegenden Tunnel einen Selbstmörder erwischt hat. Einige Fahrgäste sind auf den Bahnsteig ausgestiegen, um zu rauchen. Etwa eine halbe Stunde später spürt man das Ankuppeln einer Lok und etwas später fahren wir rückwärts. Fast eine Stunde nach der Abfahrt stehen wir wieder am Bahnsteig in Pilsen. Ein Rychlík und ein Pendolino aus Prag kommen an, dann sind wir dran. Mit +67 verlassen wir Pilsen zum zweiten Mal.

Der Snackverkäufer macht angesichts der großen Verspätung ein gutes Geschäft und mit +127 erreiche ich endlich mein Ziel – die Verspätung ist im für mich eigentlich sehr gut verlaufenen Bahnjahr 2018 auf Platz 2.
Mein Bahnjahr 2023
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Beitrag von 146225 »

Mach Dir mal nix draus, das geht 2019 so weiter - ich hatte gestern lockere +120, resultierend aus Anschlussbrüchen wegen der Kumulation mehrer Störungen (und einer Baustelle) von DB Netz. Wenn man unter diesen Ausgangsbedingungen auf eingleisigen Strecken wechselnde Durchbindungen mit Flügeln fährt, hat man als EVU natürlich sehr schnell das Problem, dass kein einziger Zug mehr so wirklich pünktlich unterwegs ist. Abellio Mitteldeutschland (um die drehte es sich) bekommt aktuell zu Recht Kritik ab wegen der Personalmangel-induzierten SEV-Bedienung der Unstrutbahn. Doch gestern waren auf meinem Reiseabschnitt von Magdeburg Hbf nach Goslar alle Personale da und die VT bestens gepflegt einsatzbereit. Das alles bringt aber nix, wenn die Infrastruktur ein Scherbenhaufen ist, gegen Versagen und Versäumnisse des EIU ist noch bei keinem EVU ein Kraut gewachsen. DB Netz kennend ist klar: Fortsetzung folgt.
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Die Sprachlosigkeit der Bahn

Zum Ende eines verlängerten Wochenendes habe ich eine verlängerte Bahnfahrt geplant.

Braunschweig Hbf........RB 34771.......ab 10:05

Seesen..............................................an 10:44
..................................RB 14116........ab 10:55

Kreiensen..........................................an 11:11
.................................ME 82813........ab 11:19

Göttingen.........................................an 11:46
.................................RE 3661..........ab 12:08

Neudietendorf...................................an 13:38
.................................EB 80991........ab 13:49

Saalfeld............................................an 14:42
.................................RE 4911.........ab 15:06

Nürnberg Hbf....................................an 17:22
................................RE 4035..........ab 18:09

Ingolstadt Hbf..................................an 18:56
................................RE 59411........ab 19:09

München Hbf....................................an 19:52

................................IC 1268...........ab 08:47
München-Pasing...............................an 08:54



Die Vorstellung meiner gewählten Reiseverbindung ließ so manchen an meiner geistigen Gesundheit zweifeln. Doch letztlich haben mich zwei Gründe dazu bewogen, auf dieser Route zu fahren.
Erstens: Für einen Sonntagnachmittag am Ende eines verlängerten Wochenendes sind nicht einmal ansatzweise irgendwelche bezahlbaren FV-Fahrkarten zu bekommen. Selbst für meinen Alibi-Sparpreis musste ich fast eine halbe Stunde rumprobieren, bis ich dann mit dem hintendrangehängten IC für den nächsten Morgen Erfolg hatte und für dieses Abenteuer nur 22,40 € bezahlen muss.
Zweitens: Es gibt drei prinzipielle Nur-NV-Routen von Braunschweig nach München. Alternativ hätte ich auch via Magdeburg – Halle – Naumburg – Nürnberg oder via Halberstadt – Halle – Leipzig – Gera – Hof – Regensburg fahren können. Da alle drei Varianten etwa gleich lange dauern, habe ich mich für die Variante entschieden, die den größten Anteil mir noch unbekannter Strecken enthält.

Dem geübten Auge wird nicht entgehen, dass die gewählte Verbindung zwar keine wirklich kritischen und sehr kurzen Umsteigezeiten beinhaltet, aber durchaus Potenzial von Anschlussverlusten bietet. Und ich gebe zu, damit durchaus kalkuliert zu haben und doch noch zumindest teilweise FV nutzen zu können.

Die Fahrt startet pünktlich mit einem mäßig ausgelasteten Lint und verläuft ruhig. Die meisten Fahrgäste sind mit ihrem Handy beschäftigt, aus den Kopfhörern der Frau im Vierer gegenüber dröhnen die Bässe. Die Alkoholverbotspiktogramme wurden alle durch Abkratzen der Flasche verunstaltet. In der Region nördlich des Harzes prägen noch viele Formsignale den Bahnbetrieb.

Doch bereits in Salzgitter-Ringelheim ist es mit der Ruhe vorbei. Der Zug hält am Bahnsteig und die aussteigewilligen Fahrgäste drücken auf den Türöffner. Nichts. Nach weiteren erfolglosen Versuchen tritt allmählich Unruhe auf. Einer will schon die Notentriegelung ziehen, doch ein anderer hält ihn davon ab. „Nein, die nicht!“ Die hintere Tür des Triebwagens ist dagegen offen und einige rennen durch den Wagen nach hinten. Ein Fahrgast macht den Tf auf die Türstörung aufmerksam. Dieser kommt aus dem Führerstand und kriegt die Tür bald auf. Wie er das anstellt, kann ich allerdings nicht erkennen und am nächsten und letzten Halt in Seesen ist die Ausstiegsseite gegenüber, sodass keine weiteren Schwierigkeiten auftreten.
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Die RB nach Kreiensen ist mit +5 am DSA angekündigt und ich sehe schon meinen Anschluss in Gefahr. Doch sie kommt pünktlich und bleibt es auch.

Auf der Suche nach der merkwürdigsten Gleisnummerierung ist Kreiensen sicher ganz weit oben.
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Das Bahnhofsgebäude ist jedenfalls sehr eindrucksvoll, nur leider sonntags geschlossen.
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Pünktlich bringt mich der Metronom nach Göttingen.
Es schlägt 12 und der ICE nach München fährt ein.
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Doch für mich geht es hier im 612er weiter.
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Die +135 beim Flixtrain sind übrigens auf eine technische Störung am Zug zurückzuführen.

Ein Zweier ist durch einen großen Koffer blockiert, doch ich habe noch ausreichend Platz daneben. Der junge Mann im Zweier gegenüber hat sich hinter dicken Kopfhörern verschanzt. Nach kurzer Zeit wird er auf mich aufmerksam, entschuldigt sich für den Koffer und meint, der könne ruhig auch in die erste Reihe gestellt werden. Ich schlage vor, ihn hinzulegen. Im ersten Bogen wird der sich sonst verselbstständigen.
Eine ältere Frau steigt ein und setzt sich in die erste Reihe, die nicht durch den Koffer blockiert ist. Sie ruft jemanden an. „Ja, ich bin jetzt im Regionalexpress. Im ICE hätten wir heute keinen Spaß gehabt, denn es waren etliche Reisegruppen unterwegs und der Speisewagen war auch nicht bewirtschaftet. Da wurden nur belegte Brötchen verkauft. Ich sitze jetzt direkt hinter dem Lokführer und kann ihm über die Schulter schauen. So was habe ich ja noch nie gesehen. Naja, zum Glück habe ich Proviant dabei…“
In der Tat ist der Vorhang sehr zu meiner Freude komplett offen.

Am Tisch hinter dem Mann mit Kopfhörern sitzt eine Familie, der Sohn ist etwa 9 Jahre alt. „Wann fahren wir los?“ In dem Moment startet der Tf den Motor. „Siehst du, wir fahren gleich los. Der hat schon den Elektromotor angemacht.“

Die Frau aus der ersten Reihe lehnt sich über die Sitze und spricht den Mann mit Kopfhörern an, der vor sich hindöst. „Entschuldigung?“ Keine Reaktion. „Entschuldigung???“ Erst nach dem dritten Versuch bemerkt er sie. „Können wir vielleicht das Fenster aufmachen?“ Gemeinsam ziehen sie an den Griffen des Klappfensters, doch nichts passiert. Ich meine daraufhin, dass der Zug klimatisiert wäre (auch wenn sich das gerade nicht so anfühlt) und die Fenster daher abgeschlossen.

Die Gespräche am Vierer hinter mir (zwei Frauen um die 40, eine mit ihrer Tochter von ca. 9 Jahren) drehen sich um Waldorfkindergärten, …

Vr2. Dööt.

…den Besuch der Tochter mit der Schulklasse…

Vorsignalwiederholer. Döt.

…in einer Moschee (wäre zu meiner Grundschulzeit wohl undenkbar gewesen) und…

Vorsignalwiederholer. Döt.

…dass sich eine befreundete Familie ein Sabbatjahr genommen hat. „Sabbat heißt doch Samstag, oder?“, wirft die Tochter ein. „Du kennst dich sehr gut aus“, lobt die Mama und nimmt den Faden wieder auf. Die Familie ist…

Hp2 Vr0. Döööt.

…für ein Jahr nach Hawaii gezogen.

Nach kurzem Halt kommt ein Desiro entgegen. Hp1 Zs3 “8“.

Sie drückt noch ihre Bewunderung für den Kollegen aus, der jeden Tag aus Reinsdorf an der Unschtrut (so ausgesprochen) pendeln würde. „Wie schafft der das bloß jeden Morgen und jeden Abend? Bis Heiligenstadt geht’s ja noch, das ist ja alles Autobahn, aber dann noch 40 Minuten Landstraße…“

Lf6 „12“

Die ältere Frau aus der ersten Reihe will den spektakulären Blick über die Schultern des Tf mit einem riesigen Tablet fotografieren. Ich fürchte schon, dass jetzt der Vorhang zugeht, doch glücklicherweise scheint das den Tf nicht zu stören.

Lf7 „12“

Ganz zufrieden ist die Frau mit dem Ergebnis wohl nicht, denn sie versucht es noch drei Mal. Das helle Sonnenlicht draußen sorgt natürlich für schwierige Lichtverhältnisse.

Ks1bl Zs3v „9“

„Hmm, ob der Schaffner mich wohl auch mal lenken lässt?“, überlegt die Mama hinter mit laut.

Ks1 Zs3 „9“

Ab Leinefelde beginnt dann eine wilde Achterbahnfahrt und der 612er kann zeigen, was in ihm steckt.

Lf7 „12“
Lf6 „11“

Das WC riecht so, als hätte jemand eine komplette Dose Deo versprüht.

„Weißt du, wo wir aussteigen müssen?“, fragt die Mama ihre Tochter. „Ja, irgendwas mit Salza.“ „Bad Langensalza, genau!“, hilft die Mama.

Hmm, unten gelb und oben grün. Warum sind Hl-Signalbezeichnungen eigentlich so kompliziert?

„Willst du ein Delfinvideo schauen?“, schlägt die Mama der Tochter vor, die bisher kaum etwas gesagt hat. Doch die Begeisterung für das Delfinvideo scheint wohl nicht allzu groß zu sein, denn bald steht die Tochter im Gang und schaut dem Tf über die Schulter.

Hl3a – das muss es sein.

Ganz diskret zückt sie nach einer Weile ihr Handy und macht ein Foto.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, Familien beim Zugfahren zu beobachten. Kinder aus vermeintlich bildungsfernen Familien sind oft in ein elektronisches Gerät vertieft. Kinder aus Familien mit hohem Bildungsstand schauen überdurchschnittlich oft aus dem Fenster und beschäftigen sich mit ihrer Umgebung.

„Kann ich Saft haben?“ „Nein, wir steigen jetzt gleich aus. Ich habe gerade alles eingepackt. Draußen kannst du dann trinken.“

Ks1

Lf7 „16“

Freie Fahrt bis zum Horizont.
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„Verehrte Reisende, in Kürze erreichen wir Gotha. Dort hat unser Zug planmäßigen Aufenthalt bis 13:28 Uhr.“
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In Neudietendorf verlasse ich den Zug in die Mittagshitze.
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Ein Junge rennt über den Bahnsteig und bald kommt die Dreifachtraktion RS nach Ilmenau und Saalfeld eingefahren.

Der Junge tollt im Wagen herum. Ich schaue dem Tf über die Schulter und plötzlich schaut der Zub ganz böse. Der Junge fummelt am Fahrkartenautomaten herum. Bald geht die Türe auf und der Zub brüllt etwas Unverständliches. Der Junge zischt ab wie der Blitz. Dann wieder monotones Dröhnen bis Saalfeld.

Der Franken-Thüringen-Express kommt an und ich steige ein. Uff, ganz schön warm hier drin… Bei der Fahrkartenkontrolle schaut der Zub ganz schön lange auf meine Fahrkarte.
Nach einiger Zeit gehe ich auf Temperaturfühlung durch den Zug. „Suchen Sie was?“, erkundigt sich der Zub freundlich. Ja, einen kühleren Wagen. Tatsächlich ist es nur im ersten Wagen so heiß und ich setze mich um.

In gemächlichem Tempo zieht der Frankenwald vorbei.
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Dumdedim. Nächster Halt: Steinbach am Wald.

Wir kommen am Esig zum Stehen.
„Verehrte Reisende, aufgrund einer Weichenstörung verzögert sich unsere Weiterfahrt.“
Einige Minuten passiert nichts.
„Verehrte Reisende, aufgrund der Weichenstörung können wir nicht einfahren. Wir werden in Kürze nach Ludwigsstadt zurückfahren und dann auf dem Gegengleis nach Steinbach. Wir bitten um Beachtung und Entschuldigung.“

Der Tf geht durch den Zug, einige Minuten später setzen wir uns in entgegengesetzter Richtung in Bewegung und fahren vermutlich auf Sicht zurück.
Wieder in Ludwigsstadt angekommen, wechselt der Tf erneut die Seite und wie angekündigt rollen wir bald auf dem Gegengleis nach Steinbach. Doch erneut kommen wir dort vor dem Esig zum Stehen.
„Verehrte Reisende, unser Einfahrgleis ist derzeit noch durch einen Güterzug belegt. Es soll aber bald freigeräumt werden.“
Es vergehen nochmals fast 10 Minuten, ehe wir in den Bahnhof einfahren. Mit +40 geht’s dann weiter. Ich komme um ein Grinsen nicht herum – vielleicht haben die 47 Minuten Umsteigezeit in Nürnberg doch ihren Sinn.

Bis Bamberg sinkt die Verspätung ein paar Minuten.
Dumdedim. Sehr geehrte Fahrgäste, wir begrüßen Sie im Franken-Thüringen-Express nach… (5 Sekunden Pause; anderer Aufnahmeschnipsel) …Nürnberg Hbf. Ladies and gentlemen, we welcome you on board the Franken-Thüringen-Ixpress to…

„Na, jetzt ist Ihnen wohl die Sprache ausgegangen“, kommentiert eine alte Frau.
Das Ziel hat bei den englischen Ansagen stets gefehlt.

In Hirschaid stehen wir wieder verdächtig lange.
Dumdedim. Sehr geehrte Fahrgäste, unsere Weiterfahrt wird sich noch um wenige Minuten verzögern, weil unser Zug noch durch einen anderen Zug überholt wird. Wir bitten um Entschuldigung.
„Na heute funktioniert wirklich gar nichts“, meldet sich die alte Frau wieder zu Wort. Und als ich dann an der Information war, hat die mir noch gesagt: ‚Sie haben ja gar keine Stunde Verspätung.‘ Na Entschuldigung mal – der ist ja ganz ausgefallen. Ich wollte nur meine Schwester in Brandenburg besuchen. Mit dem Auto wäre ich viel schneller gewesen und billiger ist es auch noch.“ „Ja stimmt“, gibt ihr eine andere alte Frau recht, „auf der A9 war bloß ein kleiner Stau. 20 Minuten länger haben sie vorhin eingesagt. Ich komme aus Breslau. Schon in Polen ist der Zug ausgefallen. In Berlin war ich dann an der Information und die meinte nur, sie könne ja auch nichts dafür. Jetzt habe ich schon über zwei Stunden Verspätung und bin fast zwölf Stunden unterwegs. Da hätte ich ja mit dem Auto hin und zurück fahren können und hätte auch nichts ständig rein und raus müssen.“ „Ja, ich versteh das auch nicht. Wir sind doch ein sogenanntes Industrieland. Warum funktioniert das immer alles so schlecht? Und warum man dann auch immer so unfreundlich sein muss…“
Weil wir ein Industrieland mit CSU-Verkehrsminister sind, denke ich mir zum ersten Teil.
Weil wir in Deutschland sind, denke ich mir zum zweiten Teil.

Nach über 5 Minuten Wartezeit rollt ein ICE im Schneckentempo an uns vorbei. Warum wir nicht weiter bis Forchheim fahren durften, wo uns der ICE mit Höchstgeschwindigkeit hätte überholen können, wird wohl das Geheimnis des Fdl bleiben. Jetzt haben wir schon mehr als +40 – der Anschluss in Nürnberg wird knapp.

Dumdedim. Nächster Halt: Fürth.
Es folgt eine manuelle Durchsage. „Meine Damen und Herren, aufgrund unserer großen Verspätung endet der Zug außerplanmäßig in Fürth. Nächste Reisemöglichkeit nach Nürnberg um 18:04 Uhr auf Gleis 5.“
Damit erreiche ich meinen Anschluss definitiv nicht mehr. Eine Frau verlässt gerade das Informationskabuff mit einem Zugbindung aufgehoben-Stempel und ich wittere meine Chance.

Der freundliche Mitarbeiter erklärt gerade einem jungen Mann, wie er weiterfahren soll. Dieser erzählt gerade gestenreich von der Weichenstörung in Steinbach.
„Entschuldigung, aber ich kann Ihnen die Verbindung leider nicht ausdrucken. Das System ist gerade abgestürzt…“, meint der Mitarbeiter und schickt alle Fahrgäste zu Gleis 5. Der junge Mann weiß sich jedoch zu helfen und fotografiert die auf dem Monitor angezeigte Verbindung einfach ab.
Ich bekomme den gewünschten Stempel. „Tja, für Sie ist das natürlich gut. Einfach in den nächsten ICE steigen.“

Die RB auf Gleis 5 ist inzwischen mit +5 angekündigt, die S1 aus Bamberg hat wegen uns auch schon +10. Der FTX verabschiedet sich mit +10 wieder Richtung Leipzig.

Bald kommt der Lint eingefahren und ich schaue mal die nächsten Abfahrten in Nürnberg an – nur Fernverkehr.
ICE nach Hamburg mit +90 wegen verspäteter Bereitstellung
ICE nach München mit +50 wegen technischer Störung am Zug
IC-Bus nach Mannheim pünktlich
ICE nach München mit +105 wegen technischer Störung an der Strecke
IC nach Karlsruhe pünktlich
Als besonderes Schmankerl zum Ende des langen Wochenendes – ICE nach Dortmund: Zug fährt mit verminderter Sitzplatzzahl. Hinterer Zugteil verschlossen wegen defekter Klimaanlage.
Willkommen im Sommer. Zum ersten Mal sehe ich das rote durchgestrichene Auslastungssymbol.

München – Nürnberg: Information. Technische Störung an der Strecke zwischen Pfaffenhofen und Rohrbach. Es kommt zu großen Verspätungen im Fernverkehr der Deutschen Bahn.

Na das kann ja heiter werden.

Der ICE mit +50 müsste eigentlich direkt hinter der RB sein. Als wir vor einem Signal zum Halten kommen, fürchte ich schon, er wird mit irgendwelchen waghalsigen Manövern vorbeigelassen. Die verspätete S1 aus Bamberg überholt uns.
Doch meine Befürchtungen bleiben unbegründet, denn es geht bald weiter und ich wechsle zu Gleis 9.

Die nächsten ICE nach München stehen mit +25 und +35 dran. Wenige Minuten später rollt dann die Doppeltraktion ICE T mit +50 herbei. Der ZZA verkündet zusätzlich zur Verspätung noch „hohe Auslastung“ und ich versuche es taktisch günstig ganz vorne hinter der 1. Klasse. Es steigen sehr viele Fahrgäste aus, so weit vorne aber kaum jemand ein, sodass ich ausreichend freie Plätze vorfinde. Während ich warte, bis jemand vor mir den Gang freimacht, bietet mir eine Frau den Platz neben ihr an. Sie kommt aus Neumünster und hat heute auch schon ein paar Außerplanmäßigkeiten erlebt. Die Trittstufen im RE nach Hamburg wollten nicht einklappen und so war sie ganz froh, dass die Türe abgesperrt werden musste. Denn der Einstiegsbereich war ohnehin schon gedrängt voll und so konnten dort wenigstens keine weiteren Fahrgäste mehr rein. Der ICE war zwischenzeitlich so voll, dass Fahrgäste am Bahnsteig zurückbleiben mussten. Zudem gab es Probleme beim Vereinigen der Zugteile in Hannover und in Kassel musste dann eine Drehfahrt gemacht werden. „Naja, eigentlich bin ich mit 50 Minuten Verspätung ganz zufrieden. Anfangs waren 70 Minuten Verspätung angekündigt, sodass ich auch meinen Anschlusszug eine Stunde später verpasst hätte.“
Ich werfe ein, dass die Verspätung sogar gut für mich ist und ich mein Ziel möglicherweise vor Plan erreichen kann.
„Oh, wir sind noch nicht da. Ich habe auch nicht gedacht, dass noch viel passieren kann, nachdem ich im ICE in Hamburg saß. Eigentlich hätte ich gerne noch die letzten Sonnenstrahlen auf meiner Terrasse genossen, aber so wird das wohl nichts mehr. Ein Freund hat mir vorhin geschrieben, ihm ist es viel zu heiß und er macht deswegen Büroarbeit im Haus. Können wir nicht tauschen – er kann doch seine Büroarbeit hier im Zug machen und ich setze mich stattdessen auf die Terrasse…“

Kurz vor Ingolstadt laufen wir dann auf den MüNüX auf. Ich bin gespannt, wie gut wir die technische Störung an der Strecke passieren.
Wir kommen irgendwo zum Stehen. Spaziergänger und Fahrradfahrer überholen uns winkend.
Bild

Nach ein paar Minuten geht es aber ohne weitere Zwischenfälle weiter bis München, wo ich auf die Minute genau - wie auf meiner Fahrkarte angegeben - ankomme.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
einen_Benutzernamen
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

Letzten Samstag alleine im Ruhebereich mit den RJ übern Semmering nach Graz. In der restlichen 1ten war nur ein Herr sonst waren wir in der gesammten 1ten alleine. :lol:
Retour mit den letzten D Zug dieses mal nur ein 2te Klasse Abteil (was anderes gibts nicht) auch für mich alleine.
Da behaupten doch viele man kann im Zug jemand neues kennen lernen.
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cimddwc
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Beitrag von cimddwc »

Also was das Alleinreisen betrifft: Als ich im Mai mal wieder Heilbronn besucht hatte, hatte ich den ganzen Wagen 29 im ICE des BUGA-Alibi-Fernverkehrs von Stuttgart nach Heilbronn für mich alleine.

(Also den Passagierbereich, denn der Tf saß ja auch noch vorne drin.)
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