Reiseerlebnisse mit der Bahn

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Anmerkung: Alle als wörtliche Rede gekennzeichneten Passagen sind nach meinem Gedächtnis wörtlich übernommen.


„Verehrte Fahrgäste, wegen einer PZB-Störung verzögert sich die Abfahrt noch um einige Minuten. Wir bitten noch um etwas Geduld.“ Na grandios, und das bei 6 Minuten Umsteigezeit – verteilt auf 2 Umstiege und der letzten Verbindung des Tages… Mit +13 verlassen wir München. „…wenn Sie irgendwelche Anschlüsse brauchen, kommen Sie gerne auf das Zugpersonal zu.“ Ja, da hätte ich was. Bei der Fahrkartenkontrolle erkundige ich mich nach dem Befinden der PZB. „Ja, er hat die Lok ab- und nochmal aufgerüstet und einen Sifatest gemacht. Sie geht wieder, sonst dad mer ja net fahren.“ Den RE 3698 ruft sie natürlich gerne an, ich werde bestimmt nicht der einzige sein, der den Anschluss braucht. „Wir sind jetzt mit +13 in München raus, in Landshut erwarten wir noch +9, schau mer mal, vielleicht holen wir bis Regensburg auch noch was raus. Und 5 Minuten wart der bestimmt.“ Kurze Überschlagsrechnung, normalerweise sind 1-2 Minuten pro Halt drin und nochmal 5 beim Lok- und Richtungswechsel in Regensburg. Sollte eigentlich klappen.

Zuerst eine La wegen Baustelle, dann müssen wir eine S-Bahn überholen. Natürlich nicht auf dem durchgehenden Hauptgleis… Irgendwie wollen die Trassierungsparameter für die gerade Gleisverbindung nicht so recht in meinen Kopf, weswegen ich mich eigentlich in den Bistrowagen mit den großen Tischen gesetzt habe. Bei jeder Weiche erzittert das Damoklesschwert über meinem Kopf. Hoffentlich wird das Ruckkriterium eingehalten, sonst könnte es für mich unangenehm werden. Halt in Freising, unverändert +13. Ich blättere weiterhin in meinen Vorlesungsunterlagen. Eine Vierergruppe mit großen Koffern steigt zu. Es sind Bändchen vom Fluggepäck zu erkennen. Bei der Fahrkartenkontrolle weist die Zub sie darauf hin, dass auf dem Bayernticket alle Namen eingetragen werden müssen – natürlich problemlos auf Englisch. Auch die Nachfrage, wann denn Ankunft in Regensburg sei, kann die auf Englisch beantworten. Wir sind hier doch nicht bei der DB, wo sich die Englischkenntnisse auf „Welcam in the Ih-Ce-Eh“ und „Sänk ju for tschusing Deutsche Bahn today“ beschränkt. Vor Landshut gebe ich schließlich auf und genieße die Frühlingslandschaft. Immer noch +12…

Vor Regensburg ziehe ich schließlich um, denn auf eine Fahrt auf das Abstellgleis habe ich eigentlich keine Lust und zur Weiterfahrt nach Prag wird der Zug geschwächt. Ein Abteil wird komplett frei, das nehme ich natürlich gerne. Leider weigert sich das Fenster beharrlich, aufzugehen. Schließlich kommen zwei junge Männer, ich schätze sie auf Mitte 20. Einem hört man dem bayerischen Klang der Stimme sofort an, der andere hat eine recht dunkle Hautfarbe. Ob das der Zug nach Schwandorf ist? Aber ja.
„Hm, wir verpassen ja unseren Anschluss. Schau mal nach, wann wir dann ankommen.“
Ein bisschen auf dem digitalen Speichermedium herumgewischt und schon kommt man darauf…
„Dann sind wir ja erst um halb 12 da!!!“
„Hey, um Viertel geht ein anderer nach Nürnberg. Wollen wir den nehmen? Dann sind wir schon um halb 11 da.“
„Hmm…“
„Entscheid dich schnell…“
Aber schnelle Entscheidungsfindung war wohl nicht die Stärke des Zugroasten und so hatte ich das Abteil doch nicht für mich alleine.
„Boah, wir kriegen bestimmt voll Ärger.“
„Gib mal von Schwandorf nach Hochstadt ein.“
Einige Wischer später verkündet der Dunkle, dass sie es doch bis halb 11 schaffen würden, auch über Schwandorf.
„Soll ich anrufen?“
Gesagt, getan.
„Ja hallo Frau x, hier sind y und z aus München (gelogen, der eine ist erst in Landshut eingestiegen). Wir sind gerade im Zug, aber da war irgendeine Störung und wir haben Verspätung. Wir kommen erst um halb 11 an.“ „Ja, Ok, machen Sie sich keine Sorgen und fahren sie ruhig weiter. Aber bringen Sie eine Bestätigung von der Bahn mit.“
„Die ist voll nett, die Frau x.“
„Wann fahren wir denn jetzt endlich weiter???“
Just 3 Sekunden danach ruckelt es und der Zug rollt wieder an. Verdammt, +11. Irgendwie klappt das heute nicht so recht mit dem Verspätung aufholen.
Nichts Böses ahnend, bange ich weiter um meinen Anschluss.
„Hey, ich hab vor kurzem angefangen, mir Testosteron zu spritzen.“
„Aha, wie oft machst du das?“
„Naja, zweimal pro Woche. Alle 4 Tage.“

Der Dunkle kramt in seinem Rucksack und zieht etwas raus.
„Hier, schau mal.“
„Boah, lass dich damit bloß nicht erwischen…“
„Klar, ich nehm die Spritzen auch nicht mit. Bloß das andere Zeug. Am Anfang wusste ich gar nicht, wie man das spritzen muss. Aber zum Glück gibt’s im Internet Beschreibungen mit Bildern, wie das geht, damit man den Muskel trifft.“

„Naja, momentan nehm ich die 250mg. Das ist die Dosis für Anfänger. Aber nächste Woche will ich eigentlich auf die 500mg hochgehen.“
„Wo kriegst du das Zeug eigentlich her?“
„Da gibt’s so einen Typ im Internet…“
„Internetshop?“
„Nein, kein Internetshop. Das ist eigentlich ein Forum, xyz heißt das. Da gibt’s einen, der verkauft das so nebenher. Da gibt’s alles. Drogen, Anabolika, Medikamente… Ich muss dann Bargeld schicken, dann schickt der ein Paket.“
„Und woher kommt das Paket?“
„Keine Ahnung, der schreibt einfach irgendwelche erfundenen Namen drauf. Laut Adresse kommts aus Hamburg. Das Bargeld tu ich in einen Briefumschlag. Das wird dann an irgendwelche leer stehenden Häuser geschickt, der schreibt dann irgendwelche Namen auf die Briefkästen. Das muss ich mit – du weißt schon – Einschreiben schicken, damit ich weiß, ob das angekommen ist. Wenn er das Geld abgeholt hat, schickt der das Paket los. Ich muss nur darauf achten, dass ich da bin, wenn es ankommt. Weil wenn das zurückgeschickt wird, geht das ja nirgendwohin…“
„Und wie oft hast du bei dem schon gekauft?“
„Das ist das erste Mal. Der schickt auch keine großen Mengen an eine Person. Der will nicht, dass man sich damit kaputt macht. Er will zufriedene Kunden haben.“

„Der Anschluss nach Hof wird erreicht. Der Zug steht abfahrtbereit auf Gleis 3, selber Bahnsteig, direkt gegenüber. Wir bitten um zügiges Umsteigen.“ Puh, nochmal Glück gehabt.
Meine beiden Abteilgenossen verlassen ebenfalls das Abteil, während wir uns dem Bahnhof Schwandorf nähern, stehen sie im Gang direkt vor mir, schon die (immerhin nicht angezündete) Zigarette im Mund.
Der Dunkle schaut auf die Uhr.
„Alter, jetzt ist der Zug gerade abgefahren…“
„Ach was, der wartet vielleicht.“
„Das wär schon geil.“
Manche Fragen würden sich so leicht beantworten lassen, hätte man halt 5 Minuten vorher auf die Durchsage gehört.
„Hey, oder wollen wir einfach noch eine Stunde hier in Schwandorf chillen und mit dem nachher fahren?“
„Hmm…“
„Ach verdammt, wo kriegen wir jetzt die Bestätigung von der Bahn her…“
Quietsch, wir stehen. Gegenüber steht die Doppeltraktion 612er nach Hof.
„Irgendeinen werden wir schon erwischen…“
Wie sie sich letzten Endes entschieden haben, weiß ich nicht. Ich bin schließlich zügig umgestiegen und habe mich nicht an der letzten Türe in die Schlange gestellt.

Im vorderen Tw ist es etwas leerer, aber natürlich ist die 2. Klasse-Lounge ganz vorne. Auf einen Sprint mit Koffer habe ich keine Lust , also steige ich in der Mitte ein und kämpfe mich im Zug weiter nach vorne durch. DRÖHN! Unverkennbar setzt sich der 612er in Bewegung (mit +8), während ich mich zwischen dem im Gang abgestellten Gepäck nach vorne schlängele. Einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, mich ausnahmsweise in den Großraum zu setzen. Aber nach so viel Angst und Bangen möchte ich mich jetzt etwas entspannen und außerdem ohne Kopfweh ankommen. Also weiter bis zur Lounge vorgekämpft. Schade, Vorhang zu. Das Gepäck darf der Mann mittleren Alters auf 2 der 4 Sitze verteilen, einen hätte ich gerne zum Sitzen. Erst versteht er nicht, dass ich den Fensterplatz will, so vertieft liest er die Bild am Sonntag oder er lässt sich so laut über seine Kopfhörer beschallen. Die Sonne ist untergegangen, zwischen den Hügeln der Oberpfalz leuchten die Wolken rot. Endlich entspannen.
Laut tönt Gelächter, Musik und irgendwelches Gelaber, das ich nicht verstehe, aus den Lautsprechern eines digitalen Speichermediums. Die ganze Lounge wird mit irgendeiner furchtbar schlechten Comedy-Serie beschallt, von der Art, bei der das Publikum alle 3 Sekunden lacht. (Ich frage mich bis heute, ob das nicht nur eingespielt wird) Ab und zu kichert auch der Besitzer des digitalen Speichermediums oder sein Kumpel, der neben ihm sitzt. So viel zum Thema Entspannung. In Weiden sind es +9, in Wiesau +10. DRÖHN. Lach. Kicher.
Irgendwann pfeift der Tf, ich sehe Jugendliche auf der Brücke neben dem Gegengleis herumspringen. Und das auch noch auf einer Brücke ohne Sicherheitsraum. Tsts. Das nächste Signal in Gegenrichtung steht auf Fahrt, aber bis der Gegenzug kommt, dauert es noch einige Minuten. Hoffentlich gibt es keinen PU…
Diedeldüdeldiedeldüdeldiedeldüdeldieeeee. Bei jemandem klingelt das Handy, er geht in den Vorraum. Die Tür kämpft sichtlich mit der Schräglage in den Kurven. Inzwischen haben die Jugendlichen genug von der schlechten Comedy-Serie und man hört nur den Klingelton gedämpft durch die Tür, die den Kampf gegen die Schräglage inzwischen gewonnen hat.
„Alter, mir ist schlecht.“
Kommt davon, wenn man die ganze Zeit auf einen Bildschirm starrt. Ich wusste doch genau, warum ich mir mein Buch für die Dostos nachher aufgehoben habe. Das war eine Genugtuung für eine Stunde Dauercomedy.
…düdeldieeeee. Diedeldüdeldiedeldüdeldiedeldüdeldieeeee. Diedeldü… Die Tür hat den Kampf wieder gewonnen.
Wir bleiben stehen, wo wir eigentlich nicht stehen bleiben sollten. „Wegen einer Bahnübergangsstörung verzögert sich unsere Weiterfahrt noch um einen Augenblick.“ Na toll. Aber der Anschluss nach Dresden wird sicher warten, sonst hätte man wohl kaum 10 Minuten in Schwandorf gewartet.
„Warum stehen wir denn mitten auf der Straße?“
„Strecke“, verbessert sein Kumpel.

„Boah, mir ist so schlecht.“
„Ist dir echt so schlecht? Wir stehen doch grad.“

DRÖHN! Weiter geht’s, nach kurzer Zeit stehen wir aber vor dem gestörten BÜ. Schranken sehe ich keine, das Blinklicht blinkt munter vor sich hin und weit und breit keiner in Sicht, der über den BÜ laufen oder fahren könnte. Aber Vorschrift ist Vorschrift, also halten wir an, pfeifen und DRÖHN, weiter geht´s.
…diedeldüdeldieeeeee. Diedeldüdeldiedeldüdeldiedeldüdeldieeeee. Diedeldüdeldiedel…
Eine junge Frau ist in die Lounge gekommen und klopft an die Tür zur Fahrerkabine. Keine Antwort. Sie prüft die Klinke, die Tür ist nicht versperrt. „Entschuldigung??“ Aber am Vorhang vorbei traut sie sich nicht und zieht kurze Zeit später wieder ab, ohne eine Antwort zu bekommen.
„Wer fährt denn den Zug jetzt?“
„Der fährt natürlich alleine“, schlägt sein Kumpel vor.

„Scheiße, mir ist so schlecht…“
In Marktredwitz sind es dann +14, aber kurz nach der Abfahrt kommt die beruhigende Durchsage. „Achtung Zub! Achtung Zub! Bitte Anschluss Dresden anmelden!“
Inzwischen hat auch das Handy Ruhe gegeben. Ich weiß nicht genau, wie lange es ununterbrochen geklingelt hat, aber es waren mindestens 10 Minuten.

Dem einen ist scheinbar nicht mehr schlecht oder er hat einfach aufgehört, sich zu beschweren. Wie sich herausstellt, sind die Jungs zu viert. Ich schätze sie auf 10. oder 11. Klasse.
„Morgen haben wir Deutschschulaufgabe.“
„Mir doch egal. Ich schreib eh alles ab.“
„Was? Du willst den kompletten Bericht abschreiben?“
„Ja, ich kann das.“
„Auch wenn du weißt, dass da Fehler drin sind?“
„Mir egal, ich schreib alles ab.“

„Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir Hof Hauptbahnhof. Es warten auf sie die RB nach Gera (die eigentlich ein EBx ist) und der RE nach Dresden, selber Bahnsteig gegenüber, in Fahrtrichtung vorne.“ Der Mann, mit dem ich den Vierer geteilt habe, steht zügig auf, packt seine Siebensachen und geht zur Tür. Seine Bild am Sonntag hat er auf seinem Sitz liegen gelassen. Auch den Sportteil, der extra eine Kennzeichnung „Zum Herausnehmen“ hat, liegt noch dort. Ich stehe auch auf, hinter mir die Jungs.

„Alter, warum stehen wir eigentlich schon?“
Jetzt, wo er es sagt, frage ich mich das eigentlich auch. Draußen rauscht Oberkotzau vorbei. Da habe ich mich wohl von der allgemeinen Unruhe anstecken lassen.
„Ich hab voll Hunger. Haben wir noch Zeit, was zum Essen zu kaufen?“
„Ne, der andere geht schon in 4 Minuten.“
„Hoffentlich verpassen wir den nicht, sonst müssen wir eine Stunde warten.“
Nein, 4 Minuten Umsteigezeit reichen eher nicht, um sich noch was zum Essen zu kaufen. Abgesehen davon, dass der Yorma´s schon um halb 9 schließt. Dieser Anschluss ist wegen der Verspätung auf jeden Fall weg.
Wir fahren in den Bahnhof von Hof ein. „Bitte beachten Sie: Der Ausstieg ist erst nach einem kurzen Zwischenhalt möglich.“
„Mir doch egal“, höre ich hinter mir, „ich steige sofort aus.“
Ich hätte zu gerne gesehen, wie er durch die geschlossene Tür aussteigt… Leider geht es nach wenigen Sekunden noch einige Meter weiter, dann sind die Türen endlich freigegeben und alle strömen in Fahrtrichtung nach vorne zum EBx oder zum RE.
Es ist gerade blaue Stunde und ich hätte gern ein Bild gemacht. Aber bei +16 und 3 Minuten Umsteigezeit lasse ich es lieber.
Ich entscheide mich für den (in Fahrtrichtung) mittleren der 3 Wagen, aber dort ist dummerweise in Fahrtrichtung oben die 1.Klasse, also muss ich wohl einen Wagen weiter, wenn ich die Aussicht in die Nacht genießen will. Also ab durch das Mehrzweckabteil. Einer steigt mit Fahrrad ein, kurz darauf ein weiterer.
„Wohin fährst du?“
„Plauen.“
„Ist das bei Zwickau?“
Nein, eher nicht. Ein anderer Fahrgast klärt ihn auf, dass Plauen vor Zwickau kommt.
„Wollen wir einen Rädertausch machen?“
Der andere ist verwirrt. „Wie… Rädertausch???“
Er wollte sein Fahrrad als erstes hinstellen, weil er später raus muss, um nicht das ganze Mehrzweckabteil für 2 Fahrräder zu beanspruchen. Endlich mal einer, der mitdenkt.

Im nächsten Wagen finde ich einen netten Platz im oberen Stockwerk.
„Vielleicht sollte mal einer dem Lokführer sagen, dass er abfahren kann.“
Keine schlechte Idee, mit +14 fahren wir ab. Ausnahmsweise werden wir nicht in schönstem Sächsisch (Meine Damen und Herren, herzlich Willgömmen im Regiönalexbress von Höf Aubtbanöf nach Dresden Aubtbanöf) begrüßt, trotzdem weiß jeder, wo er ist. Nach einiger Zeit sind ein paar Fahrgäste eingenickt, werden aber schon nach knapp 30 Minuten wieder geweckt. NÄCHSTER HALT PLAUEN OBERER BAHNHOF. ÜBERGANGSMÖGLICHKEIT ZUM REGIONALVERKEHR UND ZUM ÖFFENTLICHEN PERSONENNAHVERKEHR. „Ausstieg in Fahrtrichtung links.“ Amen. Jetzt sind alle wieder wach. Da sind mir die manuellen Nuscheldurchsagen schon fast lieber. Die weitere Fahrt bis Dresden verläuft unspektakulär, nur bei jedem Halt wird man unsanft geweckt.
Mit +11 erreichen wir Dresden, wenigstens muss ich dann nicht so lange auf meinen Bus warten. Eine nette Bahnfahrt geht zu Ende. Schade eigentlich, ich hätte noch eine Stunde fahren können.
Unwillig halte ich dem Busfahrer das halb gefaltete Online-Ticket unter die Nase. Das gefällt ihm aber nicht. „Was´n das???“ Als ich auf Dresden+City zeige, gibt er sich aber zufrieden. Bald habe ich es geschafft. Nur die Trassierungsparameter für die gerade Gleisverbindung muss ich mir morgen nochmal anschauen.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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DSG Speisewagen
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Beitrag von DSG Speisewagen »

Entenfang @ 7 Apr 2014, 22:31 hat geschrieben: Bei der Fahrkartenkontrolle weist die Zub sie darauf hin, dass auf dem Bayernticket alle Namen eingetragen werden müssen – natürlich problemlos auf Englisch. Auch die Nachfrage, wann denn Ankunft in Regensburg sei, kann die auf Englisch beantworten. Wir sind hier doch nicht bei der DB, wo sich die Englischkenntnisse auf „Welcam in the Ih-Ce-Eh“ und „Sänk ju for tschusing Deutsche Bahn today“ beschränkt.
Findest du das nicht etwas tendenziös?
Es gibt sowohl beim Alex Leute die kaum Englisch sprechen wie auch bei der DB und eben umgekehrt. Meines Wissens ist das bei den meisten EVU so dass die Leute die gut Englisch sprechen das schon mitbringen, die EVU aber keinen Wert darauf legen den anderen Mitarbeitern einen Englischkurs anzubieten, was ja dem EVU auch in gewisser Weise hilft und wo es mit profitiert.

Verallgemeinerungen helfen hier eh keinem weiter, finde ich. So einfach ist die Welt nicht.

Achja, danke aber für den interessanten Bericht, da ist man gedanklich mitgefahren. ;)
Trassengebühren halbieren! Schwerverkehrsabgabe ab 3,5t für Lkw und Busse einführen! Infrastrukturausbau, Knotenausbau, Kapazitätsausbau! Verminderter Mehrwertsteuersatz für alle Zugfahrkarten! Fahrgastrechte für alle Verkehrsträger gleich!
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Beitrag von Entenfang »

DSG Speisewagen @ 7 Apr 2014, 23:22 hat geschrieben:Verallgemeinerungen helfen hier eh keinem weiter, finde ich. So einfach ist die Welt nicht.

Achja, danke aber für den interessanten Bericht, da ist man gedanklich mitgefahren.  ;)
Ich kann mich an keine einzige Fahrt mit der DB erinnern, bei der es nicht Englisch mit starkem Akzent gab oder Probleme bei der Verständigung, wenn mal ein Fahrgast etwas auf Englisch gefragt hat. Beim Alex habe ich bisher noch nie Englisch gehört. Das muss natürlich nicht für alle Zugbegleiter gelten, aber Englisch bei der DB hat definitiv Kultstatus.

Bitte, gerne.
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218217-8
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Beitrag von 218217-8 »

Anschaulich und unterhaltsam geschrieben! Vielen Dank für den Bericht!
Und ein schönes Beispiel dafür, dass bei der Bahn Anschlüsse auch trotz Verspätung klappen können. Nur ist das weder in den Medien, noch in den Köpfen der vielen selbstberufenen Bahnkritiker präsent.
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DSG Speisewagen
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Beitrag von DSG Speisewagen »

Entenfang @ 7 Apr 2014, 23:55 hat geschrieben: Ich kann mich an keine einzige Fahrt mit der DB erinnern, bei der es nicht Englisch mit starkem Akzent gab oder Probleme bei der Verständigung, wenn mal ein Fahrgast etwas auf Englisch gefragt hat. Beim Alex habe ich bisher noch nie Englisch gehört. Das muss natürlich nicht für alle Zugbegleiter gelten, aber Englisch bei der DB hat definitiv Kultstatus.
Fährst du flächendeckend in der Republik und sprichst dann Englisch mit den Leuten? Gerade bei jungen Zub im Fernverkehr habe ich da immer keine Probleme festgestellt. Verhandlungssicheres Englisch wird ja wohl kaum einer voraussetzen oder?
Man schaue sich mal an wie unsere Politiker oder andere ranghohe Vertreter des Landes Englisch sprechen.
Ich fahre ja nicht oft im Alex mit, aber auch da gibt es Leute die kaum Englisch sprechen, da man in manchen Zügen schnell mit US-Bürgern, Briten oder Australiern im Abteil sitzt, bekommt man das schon mit.
Außerdem Englisch ohne Akzent, es reicht doch wenn die Leute die Infos rüberbringen, ob das mit Akzent ist oder nicht. Ich glaube kaum dass die EVU den Mitarbeitern Sprachurlaube in Malta bezahlen, es reicht ja nicht mal für anständige Englischkurse. Man kann den Leuten doch keinen Vorwurf machen wenn die EVU hier nicht investieren wollen. Es gibt ja auch viele Zugbegleiter aus dem Osten die rein mit russisch aufgewachsen sind.
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Beitrag von 146225 »

@Entenfang: Sehr schön, direkt mitten aus dem Leben erzählt. Würde man seine alltäglichen Mitreisenden öfters mal bloggen, wäre das am Ende des Jahres wohl auch eine ganz besondere Komödie...
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Danke dafür - hat sich toll angehört :) Aber fahren würde ich diese Strecke trotzdem nie wieder, zu langsam und zu viele schlechte Erfahrungen...
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
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Beitrag von 146225 »

Bayernlover @ 8 Apr 2014, 08:14 hat geschrieben: Aber fahren würde ich diese Strecke trotzdem nie wieder, zu langsam und zu viele schlechte Erfahrungen...
Mit solchen Sätzen wäre ich vorsichtig, weil wir die Zu(g)kunft alle nicht im Voraus planen können. B-)
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Beitrag von Entenfang »

Auf besonderen Wunsch eines Nicht-Forenteilnehmers gibt es eine weitere Geschichte und das Ergebnis will ich euch nicht vorenthalten. Die Familie mit Kindern, die mir in der anderen Geschichte gefehlt hat, hat sich praktischerweise dieses Mal zu mir gesetzt. Damit ist die Familienquote auch erfüllt ;) Vielleicht wäre es auch sinnvoll, den Thread in Geschichten vom Bahnfahren o.Ä. umzutaufen.

Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist rot!

„Sehr verehrte Fahrgäste, das Lok- und Zugpersonal von DB Regio Nordostbayern (Hä???) begrüßt Sie recht herzlich im Regionalexpress Siebundvierzig Siebzig auf der Fahrt von Dresden Hauptbahnhof nach Hof Hauptbahnhof über Tharandt, Freiberg Sachsen, Flöha, Chemnitz Hauptbahnhof, Glauchau Sachsen, Zwickau Sachsen Hauptbahnhof, Reichenbach Vogtland oberer Bahnhof, Plauen Vogtland oberer Bahnhof weiter nach Hof Hauptbahnhof. Wir wünschen Ihnen eine angenehme Reise. Nächster fahrplanmäßiger Halt ist Tharandt.“
Solche Ansagen liebe ich doch. Aber warum DB Regio Nordostbayern jetzt auf einmal in Sachsen unterwegs ist? Etwas später habe ich es dann doch verstanden. Verwunderlich war aber, dass die Ansage kein bisschen sächsisch war. Das hat mich schon sehr stutzig gemacht. Aber solche langen Ansagen haben immerhin den Vorteil, dass man schon in Tharandt angekommen ist, bis die Begrüßung fertig ist. Wenigstens muss man dann den nächsten Halt nicht mehr extra ankündigen. Bald ist Ostern und der Zug ist überdurchschnittlich stark gefüllt. Ich mache es mir in einem Vierer am Fenster bequem, so gut das bei 100% Auslastung eben geht. Die Frau und der Mann, die sich neben mir unterhalten, verstehe ich leider nicht, da sie eine mir nicht bekannte Sprache sprechen. Schade eigentlich, aber ich habe ja ein Buch dabei.

„Sehr verehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Chemnitz Hauptbahnhof. Dort erhalten Sie Anschluss an die Citybahn nach Stollberg über Chemnitz Theaterplatz, Abfahrt vierzehn Uhr eins von Gleis zwei. An die Regionalbahn nach Elsterwerda über Chemnitz-Kinderwaldstätte, Abfahrt vierzehn Uhr sechs von Gleis sieben. An die Citybahn nach Burgstädt über Chemnitz-Borna, Abfahrt vierzehn Uhr sieben von Gleis sechs. An die Regionalbahn nach Olbernhau-Grünthal über Niederwiesa, Abfahrt vierzehn Uhr neun von Gleis acht. An die Regionalbahn nach Thalheim Erzgebirge über Chemnitz Süd, Chemnitz-Reichenhain, Chemnitz Erfenschlag, Abfahrt vierzehn Uhr zehn von Gleis zwölf. An die Citybahn nach Hainichen über Chemnitz-Hilbersdorf, Abfahrt vierzehn Uhr dreizehn von Gleis fünf. Wir verabschieden uns von allen Fahrgästen, die in Chemnitz Hauptbahnhof aus- oder umsteigen und wünschen Ihnen noch einen schönen Tag und eine gute Weiterreise. Achten Sie bitte beim Aussteigen darauf, keine persönlichen oder Wertgegenstände zurückzulassen. Nächster fahrplanmäßiger Halt Chemnitz Hauptbahnhof, Bahnsteig rechts.“ Um sich das alles zu merken, muss man wohl Gedächtnisweltmeister sein. Zum Glück gibt es Abfahrtstabellen. Aber dafür, dass endlich mal ein Zub den Fahrgästen zutraut, selbst zu entscheiden, ob der Bahnsteig nun in Fahrtrichtung oder gegen die Fahrtrichtung rechts ist, gibt es von mir einen Pluspunkt und die ewigen Ansagen (die bei jedem Halt in ähnlichem Stil waren) sind schon verziehen. Achja, wo war ich nochmal in meinem Buch stehen geblieben?

In Chemnitz warten viele Fahrgäste, die beiden Plätze im Vierer werden frei, jetzt sitzt mir nur noch eine junge Frau gegenüber, die an der TU Dresden studiert und die ganze Fahrt auf ihrem Smartphone wischt und drückt. Die 3 Dostos nehmen die Fahrgäste auf und mit +3 geht es weiter. Die beiden freien Plätze werden von Kindern gestürmt, während die Mutter versucht, das Gepäck zu verstauen und gleichzeitig die Kinder im Auge zu behalten. Es sind 2 Jungs, etwa 8 Jahre alt, und 2 Mädchen, ich schätze sie auf 4 und 7. Nach einigen Minuten ist das Gepäck verstaut und die Mutter setzt sich eine Reihe weiter hin. Mittlerweile ist auch ein Mann dazugekommen, der sich auf der anderen Seite des Gangs hinsetzt. Die junge Frau mir gegenüber bietet der Mutter schließlich einen Platztausch an. Ich schaue mich ebenfalls um, sehe aber keine freien Plätze in der Nähe. Also bleibe ich sitzen, neben mir die Mutter mit der kleinsten auf dem Schoß, gegenüber teilen sich die Jungs und das ältere Mädchen 2 Sitze. Angesichts des Geschubses und ständigen Aufspringens gehe ich davon aus, dass ihnen der Platz nicht gereicht hat. „Adrian, geh und sag Christian, er soll herkommen.“, sagt die Mutter. Einer der beiden Jungs springt auf und rennt im Waggon bis zur Treppe nach vorne. „Christiaaaaaaaaaaaaaaaan!!!!“ Aber er kommt alleine zurück.

„Mama, ich will meine Zeitung“, sagt das ältere Mädchen.
„Nein, ich mach jetzt die Tasche nicht mehr auf.“
„Ich will aber meine Zeitung“, fordert sie nochmal und stampft auf den Boden. Damit hat sich das Thema erledigt.
Inzwischen habe ich mein Buch weggelegt, angesichts der umher tollenden Kinder kann ich mich kaum noch konzentrieren. Stattdessen höre ich lieber meinen Mitreisenden zu.
Der eine Junge verkündet stolz: „Ich bin Gate Over.“
„Was heißt das?“, will der andere wissen.
„Das heißt, dass ich tot bin.“
„Game Over“, verbessert der Mann, der sich als Vater herausstellt und sich nun auch zunehmend häufiger mit der Mutter unterhält, teils auf Deutsch, teils auf Polnisch.
„Gate Over“, versucht der Junge nochmal. „Game Over“, verbessert der Vater. Beim nächsten Versuch klappt es und der Junge erklärt nochmal, „Ich bin Game Over.“

In Glauchau kommt dann ein Mann dazu, Typ Motorrad-Rocker, der einen der beiden Jungs abholt. Vermutlich ist es sein Sohn und die beiden sehen sich erschreckend ähnlich. Der einzige deutliche Gegensatz sind die Haare, die der Vater beinahe komplett abrasiert hat, während der Sohn lange Haare hat. Kurz nachdem die beiden verschwinden, kommt ein älterer Junge dazu, vielleicht 13. Wie sich wenig später herausstellt, handelt es sich um Christian. Während seine Geschwister im Gang herumspringen, setzt er sich auf den freien Platz, schräg gegenüber von mir und gibt sich betont cool. „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist orange“, kräht das ältere Mädchen. Das Geturne geht noch einige Zeit weiter, während sich Christian nicht von seinem Platz bewegt und seinen Bruder höflich (na gut, eigentlich weniger höflich) abweist, als dieser seinen Platz wieder haben will.

Inzwischen haben wir Zwickau erreicht und Christian erkundigt sich: „Sind wir nicht damals hier ausgestiegen, als wir zu Dings gefahren sind?“ „Nein, das war woanders“, sagt sein Vater. „Sieht aber genauso aus.“ In Zwickau wird ein Platz am Vierer schräg gegenüber frei und ich ziehe um, damit die Mutter auch einen sinnvollen Sitzplatz hat. Bisher war sie ständig auf, um etwas aus der Tasche zu holen, mal ein Malbuch, eine Zeitschrift, eine Flasche Wasser oder etwas zum Essen. Adrian und das ältere Mädchen sitzen sich jetzt am Fenster gegenüber und strampeln sich gegenseitig an, worauf sie nach einiger Zeit von Christian darauf hingewiesen werden, das zu unterlassen. Ab und zu zischt er ihnen auch zu, wenn sie zu laut schreien. Während seine Geschwister allerdings die Schuhe zum Toben ausgezogen haben, sitzt er bequem und hat die Füße samt Schuhe auf den Sitz gegenüber gelegt.
Der Vater hat einen Vorschlag: „Einer denkt sich ein Tier aus, die anderen müssen das erraten. Jeder darf 3 Fragen stellen, die nur mit ja oder nein beantwortet werden.“ Und los ging das muntere Ratespiel. „Ist es eine Maus?“ „Lebt es an Land?“ „Ist es größer als eine Katze?“ „Kann es fliegen?“ Und so weiter, und so fort. „Lebt es in Nordamerika?“, frägt Christian. „Ja.“ „Ist es ein Hai?“, will seine Schwester wissen. „Alter, bist du dumm? Es lebt an Land!! Außerdem bin ich dran. Kann es klettern?“ „Ja.“ „Ist es eine Eule?“ „Ich bin dran“, erinnert Christian, „lebt es auf Bäumen?“ Irgendwann errät die Mutter das Tier, ich weiß die Auflösung jedoch nicht mehr. Dann überlegt sie sich eins. Ich rate eifrig im Gedanken mit. Aber sie macht es nicht leicht. Gesucht ist ein Tier, das in Deutschland lebt, an Land, größer als ein Hund, kleiner als ein Tiger, kann nicht fliegen, aber hüpfen, Allesfresser, tagaktiv, mit 2 Beinen. Während munter geraten wird, Giraffe, Hai, Hase, Eule, Fuchs, alles ist dabei, egal ob sinnvoll oder nicht. „Was ist denn das für ein behindertes Tier?“, beschwert sich Christian. Irgendwann schlägt jemand „Mensch“ vor. Daran hatte ich auch schon gedacht. Aber die Mutter verneint. Nach einiger Zeit löst sie auf, es soll sich um einen Pfau handeln. Ist der tatsächlich größer als ein Hund? Naja, egal. Christian darf sich als nächstes ein Tier ausdenken, aber nach dem schwierigen Rätsel hat keiner mehr so richtig Lust. „Na los, ihr müsst mein Tier erraten.“ Ohne Erfolg, schließlich gibt er als Tipp, dass es sich um eine Art Echse handelt. „Es ist ein Reptil“, fügt er noch hinzu. „Was ist ein Reptil?“, will sein jüngerer Bruder wissen. Uh, oh. Damit hat er wohl nicht gerechnet und kommt ganz schön in Schwitzen. „Naja, das ist ein Tier, das lebt an Land und äh in warmen Gebieten…“
Damit ist das Spiel erst mal vorbei, Plauen ist auch schon vorbei und wir sind wieder pünktlich. „Was hast du eigentlich mit dem Handy gemacht, das 5€ gekostet hat?“, will der Vater von Christian wissen.
“Keine Ahnung…“
„Ja, wen soll ich denn fragen? Du hast doch gesagt, dass du keine SMS und so schreibst.“
„Ja.“
„Also, welchen Scheiß hast du gemacht? Hast du irgendein Abo abgeschlossen? Es wurden 34,95 statt 29,95 von meinem Konto abgebucht, das sind 5€ zu viel!“
„Ich weiß nicht, ich hab nur gespielt und Whatsapp…“
Damit wurde das Thema fallen gelassen und nach einer Weile Bedenkzeit verkündet der Vater: „Wir haben jetzt die Hälfte geschafft. Jetzt sind es nur noch 5 Stunden.“ „Ja, und noch 5 mal umsteigen“, meint das ältere Mädchen. Wenn das der Wahrheit entspricht, würde ich nicht mit ihnen tauschen wollen. Unser Haus war noch in Sichtweite, da habe ich als Kind schon gefragt, „Wann sind wir endlich da?“
Christian wechselt das Thema und sagt, an seine Geschwister gerichtet: „Jetzt machen wir mal einen Test, wie intelligent ihr seid. Also: Pauls Mutter hat 3 Söhne. Hans, Franz und …?“ Ich stutze eine Sekunde zu lange, dann komme ich drauf. „Gans“, plärrt das ältere Mädchen. „Nein, ich sags nochmal. Pauls Mutter…“ Nach dem zweiten Versuch kommt „Paul“ von ihr wie aus der Pistole geschossen. Dem Vater gefällt diese Idee offenbar. „Ich stelle euch mal eine Frage. Ein Vogel fliegt bis zur Mitte in einen Wald hinein. Warum?“ Ich weiß es, ich weiß es!!!! Aber ich warte ab. „Wegen der Sicherheit“, schlägt das Mädchen vor. „Weil er keine Lust mehr hat“, versucht es Adrian. „Wer es weiß, bekommt 2 Gummibärchen“, verkündet der Vater. Hmm, soll ich? Eigentlich gehört aktives Eingreifen in Gespräche nicht zu meinen Aufgaben. Keiner kommt drauf, der Vater löst auf und ich habe meine Chance auf 2 Gummibärchen verspielt. Die richtige Antwort lautet: Weil er nach der Mitte wieder aus dem Wald herausfliegt. „Ein Vogel sitzt ganz oben auf einem Baum. Warum?“ Den kenne ich noch nicht.
„Weil er besser jagen kann“, schlägt das Mädchen vor.
„Weil er besser sehen kann“, schlägt Adrian vor.
„Weil er besser scheißen kann“, schlägt Christian vor.
Alles falsch, die richtige Antwort lautet: Weil er höher nicht kann.

Wir werden darauf hingewiesen, dass in wenigen Minuten Hof erreicht wird. Ich packe meine Sachen, die Familie ebenso. „Nimmst du bitte den Rucksack?“, fordert die Mutter Adrian auf. „Beeil dich bitte, wir haben nur 4 Minuten zum Umsteigen.“ Auf halber Höhe zwischen dem oberen und dem unteren Stockwerk stehe ich in der Schlange zum Aussteigen. Aus dem Mikro ertönt ununterbrochen Genuschel, das ich nicht verstehe. Da habe ich wohl einen sehr ansagefreudigen Zub erwischt. Wie an der allgemeinen Verwirrung beim Ausstieg zu erkennen ist, hat die unendlich lange Ansage aber nicht unbedingt zur Klärung beigetragen. Aber der Mann mit Snackwagen ist ein wahrer Experte und kann allen verwirrten Fahrgästen weiterhelfen. Am Gleis gegenüber steht im hinteren Teil auf Gleis 8b eine Agilis nach Bad Steben, während im vorderen Teil auf Gleis 8a ein RE aus 2 Tw steht, die unterwegs aber nochmal geteilt werden. Somit gibt es 3 Ziele an einem Gleis, möglicherweise zu viele für manchen Fahrgast.

Ich tausche Kindergeschrei gegen 612er-Gebrumme, entscheide mich für den vorderen der beiden Tw und laufe bis zur Lounge nach ganz vorne. Der kleine Spaziergang hat sich gelohnt, ich habe die Lounge komplett für mich alleine. Auch das braucht man ab und zu. Ich sehe den Zub einsteigen, der auch schon den RE von Dresden begleitet hat. Aha, deshalb Zugpersonal von DB Regio Nordostbayern. In Weiden hält uns ein Polizist fotografisch fest und in Schwandorf verabschiedet der Zub alle aussteigenden Fahrgäste und verkündet: „Wir würden uns freuen, Sie bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen.“ Schade, dass die MVG die frühere Ansage an den Endstationen (Wir würden uns freuen, Sie bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen, Ihre MVG, U-Bahn, Bus und Tram für München) gegen ein schnödes „Endstation, bitte alle aussteigen“ getauscht hat. Gerne lasse ich mich bald wieder an Bord begrüßen. Bis ich in Schwandorf umsteige, behalte ich meine Privatlounge. Im Alex genieße ich kurzzeitig den Fahrtwind, aber der sonnige Apriltag täuscht. Die Lufttemperatur ist frisch.

In Regensburg warten sehr viele Fahrgäste, zum Glück bin ich schon in Schwandorf umgestiegen. Das Abteil füllt sich, später müssen sogar einige stehen. Wir fahren pünktlich in Freising ab, ich habe mich aber zu früh gefreut. Ab Neufahrn geht es im Schneckentempo voran. Wir fahren ständig zwischen Schritttempo und 70. Ich riskiere einen Blick aus dem Fenster. Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist rot. Leider ist es unser Signal. Wir zuckeln weiter, ständig ist in der Ferne ein Signal rot und nach dem Umschalten kriegen wir fast immer Hp1Vr0. Ich habe 9 Minuten, um meine U-Bahn zu erwischen. Zeitig packe ich und arbeite mich einige Waggons nach vorne. Mit +6 rollen wir in den Münchner Hbf. So weit, so schlecht. Vor mir stehen 2 junge Frauen mit Migrationshintergrund. Die eine verkündet: „Oida, ich scheiß auf alles, was deutsch ist.“ Wir rollen aus und sie zieht kräftig am Hebel, um die Tür zu öffnen. Und die Tür geht auf, obwohl wir noch gar nicht stehen. Vermutlich hat sie vorher auf das deutsche Schild „Nicht öffnen, bevor der Zug hält“ geschissen und es dadurch unleserlich gemacht. Nach einem kurzen Überraschungsmoment stehen wir aber und sie steigen aus. Ich blicke auf die Uhr. 2:10, um von Gleis 26 zur U5 zu kommen. Ich nehme die Herausforderung an.
Mein Sprint mit Slalomeinlage führt mich durch den Bahnhof, ich bin nicht der einzige. Im Zwischengeschoss zur U-Bahn gilt mein erster Blick dem Abfahrtsbildschirm. Die oberste Abfahrt ist in 1 Minute angekündigt. So weit, so gut. Erst auf den zweiten Blick sehe ich das gelbe Band am unteren Bildschirmrand. Technische Störung, erhebliche Abweichungen im Fahrplanablauf auf der U2, U4 und U5. Auf den dritten Blick sehe ich, dass die nächste U5 in 18 Minuten angekündigt ist. Mein Sprint hat mir dieses Mal keinen Zeitgewinn gebracht, ich muss mich wohl mit einem Konditionsgewinn zufrieden geben. Ganz so lange muss ich dann aber doch nicht warten, die nächste U-Bahn kommt allerdings mit +5. Immerhin muss ich dann nicht ewig auf meinen Bus warten. Als die Türen an der Quiddestraße aufgehen, rennen einige los. Die wollen bestimmt zum 197er. Ich muss ausnahmsweise nicht rennen. Interessiert beobachte ich aber den Fahrgaststrom zum Bus, der tatsächlich gerade in der Haltestelle steht. Zuerst springen die Sprinter in den Bus. Dann sehen diejenigen, die zügig die Rolltreppe hochgegangen sind, dass der Bus da steht und rennen los. Dann sehen diejenigen, die auf der Rolltreppe gestanden haben, dass der Bus da steht und rennen los. Dann sehen die Nachzügler, dass der Bus da steht und rennen los. Der Bus jedenfalls ist so schnell nicht mehr weggekommen.
Lange wird es bis zu meiner nächsten Bahnfahrt nicht mehr dauern. Nachdem ich mich bei den ewig langen Umsteigezeiten von je 8 Minuten fast schon gelangweilt habe, werde ich wieder die Verbindung mit 6 Minuten Umsteigezeit nehmen – verteilt auf 2 Umstiege, versteht sich. Und ich freue mich schon drauf.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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218217-8
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Beitrag von 218217-8 »

Wieder klasse geschrieben! Danke!

Notierst Du Dir die Details (z.B. Ansagentexte, Namen der Personen, was wann genau und in welcher Reihenfolge passiert ist, usw.) eigentlich unterwegs, nimmst Du sie auf, hast Du so ein sagenhaftes Gedächtnis, oder gilt da eine gewisse künstlerische/schriftstellerische Freiheit in den Details?

Ich freue mich jedenfalls auf weitere Berichte!
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DSG Speisewagen
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Beitrag von DSG Speisewagen »

@Entenfang
Erst mal ein Dank für den Bericht.

DB Regio Nordostbayern fährt derzeit ja auch noch nach Dresden, im Wechsel eben mit den Dresdner Personalen. Ob das ab Dezember so bleibt kann ich nicht sagen, man hört aber dass dann nur noch Südost fährt. Tut mir vor allem für die Hofer Personale leid, die damit einiges an Abwechslung verlieren.

Bei Freising - München macht sich wie so oft einmal mehr das fehlende dritte, evtl. vierte Gleis, bemerkbar, womit die S-Bahn ihre eigene Infrastruktur hätte. Gilt natürlich auch für die anderen betroffenen Strecken, z. B. nach Geltendorf.

Zum Abschluss noch das OT: Die beiden Migrantinnen tragen mit ihren Aussagen (mit den vielen Menschen wohl bewusste Provokation) nicht gerade dazu bei dass das Verständnis für Migranten wächst, sie fördern also Rassismus. Die Frage ist nur ob der Horizont der beiden so weit reicht. Im übrigen hätten sie eigentlich auch auf sich sch... müssen, denn sie haben ja die verbotene Sprache gesprochen. ;)
Ich finde es schade wenn es auf beiden Seiten immer noch solche rückständigen Zeitgenossen gibt. Deutschfeindliche Migranten sind genauso schlimm wie Ausländerfeindliche Rechtsradikale. Beide schaden einem gemeinsamen und friedlichen Miteinander, dem sich zum Glück die Mehrheit verschrieben hat.
Trassengebühren halbieren! Schwerverkehrsabgabe ab 3,5t für Lkw und Busse einführen! Infrastrukturausbau, Knotenausbau, Kapazitätsausbau! Verminderter Mehrwertsteuersatz für alle Zugfahrkarten! Fahrgastrechte für alle Verkehrsträger gleich!
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Beitrag von Entenfang »

218217-8 @ 19 Apr 2014, 02:43 hat geschrieben:Wieder klasse geschrieben! Danke!

Notierst Du Dir die Details (z.B. Ansagentexte, Namen der Personen, was wann genau und in welcher Reihenfolge passiert ist, usw.) eigentlich unterwegs, nimmst Du sie auf, hast Du so ein sagenhaftes Gedächtnis, oder gilt da eine gewisse künstlerische/schriftstellerische Freiheit in den Details?

Ich freue mich jedenfalls auf weitere Berichte!
Bitte. :)

Es handelt sich ausschließlich um ein Gedächtnisprotokoll, am Tag nach der Fahrt habe ich jeweils den Text geschrieben, da wirkt mein Kurzzeitgedächtnis noch ganz gut ;) Ich habe mir bei der gestrigen Geschichte aber schon im 612er dann einige Eckpunkte notiert, was gesprochen wurde, z.B. welche Tiere genannt wurden o.Ä. Die Namen sind eher nicht das Problem. Dazuerfunden ist absolut nichts, Abweichungen vom tatsächlichen Wortlaut oder von den Handlungen würde es nur aufgrund von Erinnerungsfehlern geben. Für die zeitliche Abfolge nehme ich die Zwischenhalte zu Hilfe, daran kann ich mich nachher noch gut erinnern. Für die Anschlüsse in Chemnitz habe ich einfach in der Abfahrtstabelle nachgeschaut, was da zur passenden Zeit abfährt. Ich bin mir sehr sicher, dass alle sinnvollen Anschlüsse angesagt wurden und jeweils die Halte in Chemnitz. (die ich auch nachgeschaut habe).

Mal schauen, ich habe noch weitere Anfragen diesbezüglich. Entscheidend ist natürlich, dass die anderen Fahrgäste insofern mitspielen, dass sie etwas Interessantes von sich geben. ;) Wenn dann noch die Rahmenbedingungen stimmen (z.B. lustige Ansagen oder kurze Umsteigezeiten), ist das natürlich perfekt für so eine Geschichte.
DB Regio Nordostbayern fährt derzeit ja auch noch nach Dresden, im Wechsel eben mit den Dresdner Personalen. Ob das ab Dezember so bleibt kann ich nicht sagen, man hört aber dass dann nur noch Südost fährt. Tut mir vor allem für die Hofer Personale leid, die damit einiges an Abwechslung verlieren.
Aha, danke für die Aufklärung. Interessant ist aber, dass ich auf meinen Fahrten eigentlich immer in mehr oder weniger breitem Sächsisch begrüßt wurde...
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Beitrag von TramBahnFreak »

Entenfang @ 19 Apr 2014, 14:19 hat geschrieben: Aha, danke für die Aufklärung. Interessant ist aber, dass ich auf meinen Fahrten eigentlich immer in mehr oder weniger breitem Sächsisch begrüßt wurde...
Dafür muss man nichtmal den südbayerischen Raum unbedingt verlassen... ;)
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Beitrag von Entenfang »

Kleine Haie und große Säufer


Auf meiner letzten Fahrt von Schwandorf nach Hof habe ich mich mal ausnahmsweise in den 612er-Großraum gesetzt. Ich hatte den 612er in lauter Erinnerung, aber als konsequenter Loungenutzer war ich dann vom Geräuschpegel doch überrascht. Für über 4 Stunden möchte ich den Sound jetzt aber nicht unbedingt genießen, also ab in die Lounge ganz vorne. Ich stelle erfreut fest, dass der Vorhang offen ist.
Döööööö! Die Sifa meckert beim Serviceblick bei der Abfahrt.

Zeitweise geht mit 160 schon ordentlich die Post ab und die Fahrt macht viel Spaß, auch wenn ich manchmal nicht wenig Kraft aufbringen muss, um in Position zu bleiben. Wenn man doch nicht in jeder Milchkanne halten müsste… Rapsfelder ziehen vorbei, je weiter wir fahren, desto sonniger wird es. Ein schöner Tag, um draußen zu sein (oder um Bahn zu fahren). Kurz vor Chemnitz lässt der Tf leider das Rollo herunter und ich sehe nichts mehr. Schade, die erste Reihe ist auch besetzt, sodass ich auch im Sitzen keine Chance habe. Vielleicht bekomme ich später noch eine Gelegenheit. Ich kehre also zu meinem Fensterplatz in Fahrtrichtung im Vierer zurück.

In Chemnitz füllt sich die bisher ziemlich leere Lounge. Eine Frau und ein Mann, ich schätze sie auf Mitte 40 und 3 Jungs, etwa 15 Jahre alt, kommen in die Lounge. Zunächst vermute ich, dass es sich um eine Familie handelt. 2 Jungs verschwinden aber wieder, nur einer setzt sich mir schräg gegenüber. Die Frau und der Mann setzen sich in den gegenüberliegenden Vierer ans Fenster. Die Frau macht es sich bequem, indem sie sich quer auf beide Sitze setzt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das nicht wirklich bequem ist. Kurz nach der Abfahrt gibt es eine genuschelte Durchsage, dass nur der vordere Zugteil nach Nürnberg fahren würde und der hintere in Hof abgestellt werde. „Was hat der gerade gesagt?“, wundert sich der Mann. „Irgendein Zugteil wird in Hof abgestellt, fragen wir nachher mal besser nach.“ Bisher ist noch niemand gekommen, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Aber vielleicht kommt ja noch jemand. Die Anzeige in der Lounge verkündet zwar unmissverständlich „Nürnberg Hbf“, aber das scheint ja niemandem aufzufallen. Offensichtlich weiß der Junge nicht so recht, wohin mit seinem Koffer von beträchtlicher Größe, er lässt ihn dann mehr oder weniger mitten im Gang stehen. Der Mann steht auf und meint: „Patrick, tu deinen Koffer am besten so unter den Tisch.“ Gesagt, getan. Ist ja nicht meine Beinfreiheit, die verloren geht. Der Mann geht in den Vorraum. „Ihr könnt auch hier reinkommen, es sind noch genug Plätze frei. Ein Mädchen antwortet etwas, das ich aber nicht verstehe. Ein bisschen verwundert bin ich schon. Muss wohl eine Großfamilie sein. „Die wollen lieber stehen“, erklärt der Mann der Frau nach seiner Rückkehr. „Wie? Für die nächsten 3 Stunden?“, meint die Frau. Jede Wette, dass sie das nicht durchhalten. Niemand hält es 3 Stunden im stickigen Vorraum eines 612ers aus.

Diii! Diii! Diii!, protestiert die GNT.
Patrick blättert in einem Buch, in dem es um Fußball geht. Auf jeder Doppelseite geht es anscheinend um einen Spieler und auf jeder Doppelseite gibt es einen Graphen, ähnlich dem eines Aktienkurses. Daneben steht „Marktwert des Spielers“. Es stimmt mich schon nachdenklich, dass Menschen wie Aktien gehandelt werden.
Niemand betreibt Konversation, sehr langweilig für mich. Also probiere ich die moderne Technik aus und beginne mit meinem Hörbuch am Smartphone, das erste meines Lebens. „Er ist wieder da“ von Timur Vermes. Hitler erwacht im Jahr 2011 und erlebt die moderne Welt. Der Leser imitiert recht erfolgreich die Originalstimme, das hat schon was. Patrick blättert weiter in seinem Buch, nur ungewöhnlich selten wirft er einen Blick auf sein Handy, das noch Tasten hat.

In Glauchau wird es noch voller. Zwei ältere Frauen kommen in die Lounge, eine ist etwa 60, die andere schon deutlich über 70. Die Ältere setzt sich auf den letzten Platz, der nicht durch einen Fahrgast oder ein Gepäckstück blockiert ist. Die Gepäckquote beträgt fast 50%. Die andere Frau bleibt stehen. Nach etwa einer halben Stunde wundert sich die Ältere, warum sich die Jüngere nicht hinsetzt. Sie traut sich offenbar nicht, jemanden zu bitten, sein Gepäck vom Sitz zu nehmen. Also steht kurzerhand die Ältere auf, weckt einen schlafenden Fahrgast und bittet ihn, die Tasche vom Sitz zu nehmen, was dieser auch anstandslos macht. Jetzt haben alle einen Sitzplatz. Das Rollo ist leider immer noch unten… Irgendwann werden doch noch die Fahrkarten kontrolliert und die Frau stellt erleichtert fest, dass sie im richtigen Zugteil sind. Wenig später kommt noch der Snackverkäufer, der Mann nimmt einen Kaffee schwarz, sonst kauft niemand etwas.
Dööt! Wachsam.

In Hof kommen 3 Herren dazu, etwa 60 Jahre alt. Man kann sie schon beim Einsteigen hören, ein Teil ihrer Gruppe entscheidet sich offenbar für den Großraum. Einer von ihnen wuchtet Patricks Koffer nach oben, Patrick rutscht ans Fenster, der Vierer hat damit 100% Fahrgastquote. Der dritte von ihnen setzt sich in die Zweierreihe vor mir. Sie reden so laut, dass ich der Handlung des Hörbuchs nicht mal bei voller Lautstärke folgen kann. Schon nach kurzer Zeit gebe ich auf und höre stattdessen ihnen zu, schließlich zwingen sie mich ja dazu. Ihrem Gespräch kann ich allerdings auch nicht problemlos folgen, ihr bayerischer Dialekt ist zu stark. „Wir warn Wandern“, verkündet der Mann, der mir schräg gegenüber sitzt, schon ein Bier zu viel hatte und mir vom ersten Moment an unsympathisch ist, „und ham in sechs Dagn nur viiiier Wandrer getroffa. Wer von da junga Leut wandert no heutzutag?“ Entweder zähle ich in seiner Statistik nicht zu den jungen Leuten oder ich zähle in seiner Statistik überhaupt nicht. Der Snackverkäufer versucht nochmal sein Glück. „Letzte Gelegenheit, in Marktredwitz gehe ich von Bord.“ Der Mann schräg gegenüber meint: „Mia ham heut scho gnug gsoffa“, und noch etwas Unverständliches. „Entschuldigung, können Sie vielleicht Deutsch reden?“ Der gefällt mir. Etwas besser verständlich brummt der Mann, der offensichtlich kein Lust hat, aufzustehen, um an seinen Rucksack auf der Gepäckablage zu kommen: „Wenn Sie mir meinen Geldbeutel geben, kauf ich was.“ Darauf lässt sich der Snackverkäufer aber nicht ein. „Ich geh vor, dann kommen Sie dran.“ „Ne, dann nicht.“
Der Mann und die Frau kommen mit den 3 Männern ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine Abschlussfahrt der 9. Klasse handelt und sie nach Landshut wollen. Wie? Von Chemnitz nach Landshut über Nürnberg??? Eine schnelle Befragung (na gut, wegen den verflixten Funklöchern nicht ganz so schnell) des DB Navigators bestätigt meine Vermutung. Würden sie in Marktredwitz aussteigen und eine Stunde auf den RE nach Regensburg warten, wären sie immer noch eine Stunde schneller in Landshut als über Nürnberg. Aber vielleicht fahren sie ja auch so gerne Bahn wie ich und nehmen absichtlich die längere Route… Auch der mir schräg gegenüber sitzende Mann fährt gerne Umwege. Er fährt nach Aichach über Augsburg.
Nach einer Weile diskutieren die 3 Männer lautstark über Fußball, ein Gebiet, auf dem ich leider absolut ahnungslos bin. Patrick zeigt sich sofort interessiert und klinkt sich in das Gespräch ein. Patrick ist Fan von Ingolstadt, Bayern mag er nicht. Auch der Mann bekräftigt: „I mog die a net. Die san so arrogant.“ Es gibt kleinere Kommunikationsschwierigkeiten, Patrick kämpft manchmal mit dem Bayerischen, der Mann mit den neumodischen, englischen Ausdrücken. Die nächsten Minuten wird darüber diskutiert, welcher Spieler wie oft und Torschützenkönig war und warum Schalke gegen Augsburg gewinnen muss, damit Stuttgart nicht absteigt. Egal, ich blamiere mich nur.
Wuuuusch! Wir durchfahren einen Tunnel. „Wie lang noch?“, will der Mann wissen. Patrick zieht einen Fahrtbegleiter aus dem Rucksack. „Eine Stunde noch.“ „Ah, das geht ja.“

Wuuusch! Wuuusch! Wuuusch! Wuuusch! Es folgen mehrere Tunnels in kurzem Abstand. Mittlerweile hat sich das Gespräch etwas beruhigt und ich fahre mit meinem Hörbuch fort. Patrick blättert wieder in seinem Buch über Fußball und erschrickt furchtbar, als Pegnitz als nächster Halt angekündigt wird. Dort steht bereits ein 612er und wir hängen uns dran. Bumm! Jetzt erschrickt der Mann, der mir schräg gegenüber sitzt.

Wir nähern uns Nürnberg. Die Hektometertafeln verkünden noch 15 km, da fangen die 3 Männer schon an, ihre Sachen zu packen und Unruhe in der Lounge zu stiften. Es ist Donnerstagnachmittag und Patrick meint zur Lehrerin: „Ach, wäre morgen frei…“ „Ich hätte morgen auch gern frei. Aber wir machen morgen entspannt.“ „Also nichts mehr lernen für morgen?“ „Nein, nein“, beschwichtigt die Lehrerin. Vielleicht geht die Jugend von heutzutage ja deshalb nicht wandern, weil sie so fleißig ist.
Mittlerweile hat die Anzeige auf Cheb umgeschaltet. Der unsympathische Mann bemerkt das. „Hä? Warum stehtn da jetza Tscheb? Außerdem heißt des Eger auf Deutsch.“ Soll vorkommen, dass Züge irgendwann wieder zurückfahren. Und Tscheb heißt der Ort weder auf Deutsch noch auf Tschechisch. Auch Patrick ist verwirrt. „Aber der hält jetzt schon in Nürnberg???“ Ich amüsiere mich durchaus ein wenig. Wie viel Verwirrung man doch mit dem Umschalten der ZZA stiften kann.
Mit -2 kommen wir in Nürnberg an. Im Vorraum sehe ich nur Jungs bereit zum Aussteigen. Die Mädels haben es sich wohl mit dem Aufenthalt im Vorraum nochmal anders überlegt. Für die Rückfahrt steht auf dem ZZA am Bahnsteig Hof, Schwandorf und Cheb. Ohweiohwei, gleich 3 Ziele an einem Bahnsteig in einem Zug. Die Verwirrung will ich mir da lieber gar nicht ausmalen. Ich nutze die Umsteigezeit für ein schnelles Trambild am Bahnhofsvorplatz. Dann gehe ich zu meinem RE nach Stuttgart. Ich erwarte etwas Dosto-mäßiges und hoffe auf eine Lademöglichkeit für mein Smartphone. Das Hörbuch hat den Akku ordentlich beansprucht.

Als ich aus der Unterführung komme, erwarten mich n-Wagen. Juhu! Mit den Teilen bin ich schon länger nicht mehr gefahren und das Wetter ist perfekt zum Luftschnappen während der Fahrt. Hoffentlich nörgelt keiner wegen der Zugluft rum… Der Zug ist mäßig stark gefüllt, größtenteils Pendler. In der Haupthalle war der RE noch wenige Minuten später angekündigt, das ist aber inzwischen verschwunden.
Pfeif! Rumms! Abfertigen in 3 Sekunden. Traumhaft.

Ich genieße den Fahrtwind, als wir beschleunigen, schiebe ich das Fenster etwas hoch. Ich habe kaum den Sitz berührt, da macht ein Mann schon das Fenster ganz zu. Bei der Fahrkartenkontrolle meint der Schaffner: „Ah, Bad Schandau, Elbsandsteingebirge. Schöne Gegend.“ Ich schäme mich ein wenig, ihm zu erklären, dass ich das nur wegen dem Sparpreis drauf geschrieben habe. Aber er geht zügig weiter und lässt mir keine Gelegenheit für einen Kommentar. An einigen Unterwegsbahnhöfen gibt es keine blecherne Ansage und mit jedem Halt bekommt die menschliche Ansage einen stärker schwäbischen Klang. Schön, wenn man weiß, wohin man fährt.

„Meine Damen und Herren, wir erreichen jetzt Schwäbisch Hall-Hessental. Planmäßige Weiterfahrt ist um 18:14. (also 15 Minuten Aufenthalt) Sie dürfen aussteigen, sich die Beine vertreten und eine rauchen.“ Die nette Ansage entlockt dem einen oder anderen Fahrgast ein Schmunzeln. Mittlerweile ist die Auslastung deutlich niedriger. Ich erlaube mir mal als Nichtraucher, die Raucherpause in eine Fotopause umzudeuten. Die zahlreichen Klopapierreste im Gleisbreich zeugen von reger WC-Nutzung während dieser Raucherpause. Der Gegenzug hat Verspätung. Er kommt 2 Minuten vor unserer Abfahrt an. Dann darf der Gz hinter uns vor. Das gibt jetzt aber sicher wenige Minuten später.

Ich lasse wieder das Fenster einen Spalt geöffnet, aber eine Frau meint, sie hätte nichts dagegen, gelegentlich mal durchzulüften, möchte aber keinen Dauerzug. Also mache ich auf der restlichen Strecke nur noch einige Fotos bei geöffnetem Fenster. In Fornsbach müssen wir wieder einen verspäteten Gegenzug abwarten, dann sind wir bei +6. Irgendwann überholen wir auch den Gz, der in Schwäbisch Hall uns überholt hat. Als wir uns Stuttgart nähern, ändert sich auch das Publikum. Die Fahrgäste sind jetzt deutlich jünger und verschiedenster Herkunft.

Quiiiiietsch. Bad Cannstatt, Zeit zum Umsteigen. Auf dem Bahnsteig sitzen einige junge Leute in Dirndl und Lederhosen. Es ist gerade Cannstatter Wasen.
wwwwwwZIUZIUZIUZIUZIUZIUZIUZIUZIUZIUwwwwww. Ein ICE rauscht vorbei.
Unser Signal steht auf Fahrt, aber das Vorsignal ist dunkel. Ich bin verwirrt. Der Zug nach Tübingen hält, vor mir steigt eine Gruppe junger Leute ein, 4 Jungs und 3 Mädels, die offensichtlich vom Cannstatter Wasen kommen. Auch der Zug riecht danach. Sie gehen in das obere Stockwerk, ich auch. Eine der Mädels setzt sich auf einen Stuhl, der mit Krümeln bedeckt ist. Als sie darauf hingewiesen wird, springt sie regelrecht auf. Sie hat wohl Übleres vermutet. Ich stehe direkt hinter ihr und will durch. Sie bemerkt mich scheinbar nicht. „Wohin fahren wir?“, will eine wissen, „ich kann nur geradeaus sitzen.“ Der Zug ist bereits angefahren. Während die junge Frau vor mir darüber nachdenkt, welchen der 20 freien Sitzplätze sie nehmen soll, grüble ich immer noch über das dunkle Vorsignal. Irgendwann geht sie dann aus dem Weg, sie scheint immer noch nicht bemerkt zu haben, dass ich die ganze Zeit hinter ihr gestanden habe. Ich entscheide mich für einen Zweier und beobachte die Gruppe, die mittlerweile doch einen Platz gefunden hat. Sie unterhalten sich laut, im ganzen Wagen problemlos zu verstehen. Einer der Jungs macht ein Geräusch, das sich wie eine Mischung aus Schmatzen und Küssen anhört. „Ich kann das nicht“, meint eines der Mädels. Als sie es dann probiert, stellt sie fest, dass sie es doch kann und führt es zur Demonstration gleich eine halbe Minute am Stück vor.
„Kleiner Hai, dumderum“, macht einer der Jungs.
Eines der Mädels hat sich verkehrt herum in einen Zweier gesetzt, um in Fahrtrichtung zu schauen, und das eine Bein dabei über die Schulterhöhe des Stuhls gelegt. Das muss ich bei Gelegenheit auch mal ausprobieren…
NÄCHSTER HALT ESSLINGEN NECKAR. AUSSTIEG IN FAHRTRICHTUNG LINKS. Immerhin wird hier nicht auf die Übergangsmöglichkeit zum öffentlichen Personennahverkehr hingewiesen oder es gibt hier keinen. Achwas, wie lange habe ich mir eigentlich schon vorgenommen, den Obusbetrieb Esslingen mal anzuschauen?
Dem hohen Alkoholpegel entsprechend gestaltet sich die lautstarke Konversation. Einer der Jungs zu einem Mädel: „Hast du ein Problem mit mir? Dann lass uns aussteigen und das wie Mann zu Mann klären.“ Sie lacht. „Hast du keine Eier oder was?“, legt der junge Mann nach. „Ich muss keine haben, du solltest welche haben“, entgegnet sie amüsiert. Schlagfertig trotz Alkoholpegel, das muss man ihr lassen.
„Kleiner Hai, dumderum“, kommentiert wieder derselbe wie vorhin.
Die Zub ruft von der Treppe hoch: „Bitte Schuhe von den Sitzen. Das gilt für alle.“ Abgesehen von der Ballettnummer hat keiner seine Füße hochgestreckt und auch sie hat keinen Schuh auf dem Sitz. Wie hat die diese Position bloß so lange durchgehalten?
Einer der Jungs telefoniert: „Kannst du uns abholen kommen? Wir sind in einer Stunde in Tübingen, vielleicht anderthalb.“ „Nein, in einer halben!“, verbessert ein anderer. „Egal, dann trinken wir noch ein Bier.“
Um das Niveau der weiteren Konversation zu finden, hätte man wohl am besten in der nächsten Fußgängerunterführung gesucht. Wer wen aufgezogen hat, weil er keine Freundin hat, wer Felix nackt gesehen hat und in welchen Fächern man eh nichts lernen muss und in der Prüfung abschreiben kann, das waren so die wichtigsten Themen.
Eines der Mädchen erläutert noch zu Letzterem: „Boah, ich hab mich sowas von nicht getraut, auch nur einen Blick zu machen. Hinter mir saß Vanessa.“ Als ob das alles erklären würde. Aber keiner fragt nach, also bin ich wohl der einzige, der das nicht versteht.
„Kleiner Hai, dumderum“, meint schließlich wieder derselbe.
Als wir in Wendlingen halten, beklagt sich eine über die zahlreichen Halte. „Na das ist halt eine Regionalbahn“, klärt einer der Jungs auf. Aha, also ist RE wohl die neue Abkürzung für Regionalbahn. „Hält der überall?“
„Nee.“
„Boah, des wär so geil, wenn der halten würde, wo ich hin muss.“
„Wo musst du denn hin?“
„Reutlingen West.“
„Ach, da hält nichts.“
Ein Mädchen steht plötzlich auf und schubst einen der Jungs. „Oh, da ist jemand betrunken“, kommentiert einer.
NÄCHSTER HALT WENDLINGEN AM NECKAR. AUSSTIEG IN FAHRTRICHTUNG RECHTS. Hoppla, da ist was falsch. Wir halten in Nürtingen. Jemand steigt ein und möchte an den Feiernden vorbei, aber die Schubserin blockiert zusammen mit einem Rucksack den Gang. Auch dieses Mal dauert es eine Weile, bis es jemand bemerkt.
„Kleiner Hai, dumderum.“
Die Landschaft fliegt vorbei, ich weiß, dass wir bald Metzingen erreichen und packe meine Sachen. NÄCHSTER HALT NÜRTINGEN. AUSSTIEG IN FAHRTRICHTUNG RECHTS. Habe ich mich etwa geirrt? Achso, die Ansage ist ja falsch und meine Orientierung völlig in Ordnung. Ich passiere die laute Gruppe, niemand und nichts blockiert meinen Weg. Ein Schild an der Wand weist freundlich darauf hin, dass man ab dem 10.6.2007 als Schwarzfahrer gilt, wenn man keine Fahrkarte gelöst hat.
Im Einstiegsbereich steht ein junger Mann, die Augen teilweise geschlossen. „Guck mal, der Arme da schläft im Stehen“, tönt es von oben. In der Tat scheint er nicht in der besten Verfassung zu sein. Gerade möchte ich aussteigen, da will er von mir wissen, ob wir schon in Nürtingen sind. Seine Alkoholfahne ist beachtlich. Ich kläre ihn auf, dass er zu weit gefahren ist, dann steige ich aus, er ebenso. Ein bisschen frische Luft wird ihm sicher gut tun, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Gut 8 Stunden entspannte Fahrt liegt hinter mir, die mal wieder dank meiner Mitreisenden sehr kurzweilig waren. So entspannt sollte die Rückfahrt nicht werden.


Wenige Tage später heißt es für mich, wieder zurückzufahren. Angenehmerweise ist es früher Nachmittag und der Zug stinkt noch nicht nach Cannstatter Wasen. Meine Route ist anders, ich muss bis Stuttgart Hbf fahren. Super, die 30 Minuten Umsteigezeit kann ich für eine kleine Baustellenbesichtigung nutzen. In der Haupthalle ist mein IC nach Nürnberg mit +15 angekündigt. Keine Katastrophe, denke ich mir, ich habe ja 24 Minuten Umsteigezeit. Bis ich am Südeingang das Bahnhofsgebäude verlassen will, regnet es leider in Strömen. Damit hat sich die Baustellenbesichtigung wohl erledigt. Etwas später gehe ich zurück in die Haupthalle, jetzt sind es nur noch +10. Auf dem Weg durch die Baustelle zum provisorischen Querbahnsteig ist man leider nicht wirklich vor den Elementen geschützt. Der Regen findet viele gute Möglichkeiten, die Menschen auf dem Weg zum Querbahnsteig zu duschen. Am Bahnsteig angekommen, wird mehr oder weniger in Dauerschleife etwas durchgesagt. Dass der IC von Karlsruhe nach Nürnberg gleich auf Gleis 15 einfahre. Dass er Verspätung habe. Dass auf Gleis 16 der ICE von Dortmund nach München einfahre. Dann das ganze nochmal auf Englisch und dann wieder vorne.
Wiiiiiiiiiiohmaaaaaaaaaaaauieeeeetsch. Der ICE auf Gleis 16 ist eingefahren. Wenig später kommt auch mein IC, ich mache es mir gemütlich.
Quietschwuuuuuuuuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii. Der ICE auf Gleis 16 fährt wieder ab.
Mit +13 fahren wir schließlich ab. Nichts Böses ahnend fahre ich mit meinem Hörbuch fort und genieße die Landschaft, während der Regen gegen die Fenster prasselt.

Crailsheim verlassen wir mit +14, mittlerweile hat der Regen aufgehört, Sonne und Wolken wechseln sich jetzt ab.
Eine Frau telefoniert lautstark im Vorraum, selbst durch die geschlossene Tür hört man sie. Leider verstehe ich kein Wort, sie spricht vermutlich Arabisch.

Die Frau im Vorraum hat die Lautstärke weiter gesteigert, einige Fahrgäste schauen teils verwundert, teils genervt Richtung Vorraum.
„Verehrte Fahrgäste, aufgrund einer Unwetterwarnung müssen wir unsere Geschwindigkeit um die Hälfte reduzieren. Dadurch wird sich unsere Verspätung nochmals um 15 Minuten erhöhen. Wir bitten um Ihr Verständnis.“ Ohje, das ist schlecht. An meinem Anschluss in Nürnberg liegt mir viel, denn es ist die letzte Verbindung nach Dresden. Ich weise den Zub darauf hin, er verspricht, den Anschluss vorzumelden.
Ein wenig sauer bin ich schon, aber nicht auf „die Bahn“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein EVU dafür verantwortlich ist.
Die Frau gibt jetzt alles und brüllt aus Leibeskräften in ihr Handy. Beinahe der komplette Wagen schaut zum Vorraum.
Wir bummeln also mit 80 bis Ansbach, es wird immer sonniger. In Ansbach haben wir dann +26. Die Frau hat sich inzwischen beruhigt und ihr Telefonat beendet.
Kurz vor Nürnberg kommt dann die erleichternde Durchsage. Zahlreiche Anschlusszüge warten, auch der nach Hof. Zeitig gehe ich in den Einstiegsbereich, um nicht unnötig Zeit zu verlieren. Letztlich ist es nur ein kleiner Sprung durch die Unterführung zum nächsten Bahnsteig, ich platziere mich in der vorderen Lounge, der Vorhang ist offen. Leider ist das Rollo unten, aber aus der ersten Reihe sieht man einigermaßen im Sitzen. Mit +4 fahren wir ab, wegen meinem Anschluss in Hof mache ich mir eigentlich keine Sorgen.
Dööt. Frei.

Der größte Teil der Fahrt verläuft entspannt, mit 160 brausen wir Richtung Hof. In Bayreuth sind es nur noch +2 und der Zub hat mich auch darauf hingewiesen, dass ich mir wegen dem Anschluss keine Gedanken machen soll. Nach einiger Zeit kommt eine ältere Frau in die Lounge und setzt sich auf die Armlehne des Zweiers gegenüber. „Hachja, das ist Faszination Eisenbahn. Fast wie in Eisenbahnromantik. Schauen Sie das auch? Ist ja erstaunlich, dass man hier einfach so schauen kann. Normalerweise ist da ja eine Lokomotive vorne, in die man nicht rein kann.“ Herrgott, gleich so viele Fragen und Aussagen auf einmal. Ich versuche ihr zu erklären, dass wir uns in einem Triebwagen befinden und dass es völlig normal ist, dass dann keine Lok vorne ist. Und dass der Vorhang leider oft zu ist und man dann nichts sehen kann. Und dass ich sehr gerne vorne schaue. Sie klärt mich auf, dass sie 74 sei, gerade in Augsburg ihre Enkel besucht habe und wieder nach Hause nach Hof fahren würde. Ich kläre sie auf, dass ich nach Dresden fahre. „Oh, aber Sie sprechen einwandfreies Hochdeutsch. Man hört keinen östlichen Klang.“ Das liegt daran, dass ich aus München komme, aber in Dresden studiere. „Ach, Sie studieren? Was denn? Oh, Verkehrsingenieurwesen, interessant.“ Allmählich komme ich immer weniger zu Wort, sie redet eigentlich ununterbrochen. Ich weiß gar nicht, wie ich alle Fragen beantworten soll, weil sie sofort 3 Neue stellt. Langsam geht sie mir ein bisschen auf die Nerven. Dass ich bestimmt ein Einserabi hätte. Dass mein Studium sicher schwer sei. Dass ich sicher leicht lerne. Dass ich noch so jung sei. Dass ihr ältester Enkel 24 sei. Dass sie mit ihrem Sohn in einem Haus mit Garten wohne. Dass sie mit 70 aufgehört habe, Auto zu fahren, ihren Führerschein aber für Notfälle behalten habe, sie sich aber nicht sicher sei, ob sie sich jetzt noch trauen würden, zu fahren. Dass es überhaupt unverantwortlich sei, bis ins hohe Alter Auto zu fahren. Dass man einen verpflichtenden Gesundheitscheck für Leute über 70 einführen sollte. Dass sie jemanden kenne, der mit 93 noch Auto fährt. Dass sie in ihrer Schwangerschaft in einer Wäscherei gearbeitet habe und beim Bügeln giftige Dämpfe eingeatmet habe. Dass sie ihr Geld gespart habe, um den Flugschein zu machen. Dass sie dafür nächtelang gelernt habe. Ob ich schon mal mit einer Cessna sonstwas geflogen wäre. Dass das viel besser sei, als mit einer Cessna wasweißich, weil das viel ruhiger und bequemer wäre. Dass das alles Faszination Eisenbahn sei, wie in Eisenbahnromantik. Dass sie einmal Angst vor einem Frontalzusammenstoß zweier Züge hatte, weil es dunkel war und der Lokführer den anderen vielleicht nicht rechtzeitig gesehen haben könnte. Dass sie dann auf einem anderen Gleis vorbeigerast wären. Dass das überhaupt alles Faszination Eisenbahn sei. Ob es von Hof noch 4 Stunden bis Dresden dauern würde. Und, und, und. Kurzum, sie ist einfach sehr gesprächsbedürftig und labert mich eine Stunde lang voll. Irgendwann habe ich nicht mehr wirklich zugehört, geschweige denn versucht, etwas richtigzustellen oder eine Frage zu beantworten.
Die Ansage für Hof ist meine Rettung, die Frau verschwindet zügig in den Vorraum. Ich sehe, dass wir mittlerweile sogar Verfrühung haben und schaue mir noch die Bahnhofseinfahrt an. Mit -2 kommen wir in Hof an. Ich freue mich, vielleicht kommen wir ja einmal pünktlich von Hof weg. Die Sonne steht tief und scheint direkt von vorne. Als ich aussteige, wartet die Frau auf dem Bahnsteig auf mich. Dass die Sonne so blenden würde. Dass sie abgeholt würde. Sie drückt mir eine Karte in die Hand, auf der ein Auszug aus einem Psalm steht. Die anderen Fahrgäste rennen uns beinahe um, so eilig haben sie es zum Dresdner RE. Zum Abschied wünscht sie mir Gottes Segen. Na dann kann ja eigenlich nichts mehr schief gehen, denke ich, reiße mich von ihr los und blicke auf die ZZA. Verspätung ca. 15 Minuten. Wir müssen auf den Regensburger RE warten.
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Beitrag von Martin H. »

Ein dunkles Vorsignal ist völlig normal, wenn es im eingestellten Fahrweg kein passendes Hauptsignal gibt, bei anderen möglichen Fahrwegen aber schon.
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Beitrag von Entenfang »

Martin H. @ 21 May 2014, 20:05 hat geschrieben: Ein dunkles Vorsignal ist völlig normal, wenn es im eingestellten Fahrweg kein passendes Hauptsignal gibt, bei anderen möglichen Fahrwegen aber schon.
Danke für die Erläuterung. Habe ich mittlerweile schon herausgefunden ;)

Mit dem Thema das sich daraus entwickelt hat, geht es hier weiter:

http://www.eisenbahnforum.de/index.php?act...b6400d8e2d37fcd
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Beitrag von DumbShitAward »

Bin beeindruckt über deine Containance... bei jeder der Fahrten wäre was dabei gewesen wo ich garantiert zumindest innerlich die Nerven verloren hätte. Am 612 liegts aber nicht.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Beitrag von Michi Greger »

Entenfang @ 21 May 2014, 19:24 hat geschrieben: Kleine Haie und große Säufer
Mal wieder eine schöne Reisegeschichte! Gefällt mir! :) Gerne mehr.

Gruß Michi
Achtung! Entladezeit länger als 1 Minute!
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Beitrag von JeDi »

Entenfang @ 21 May 2014, 19:24 hat geschrieben: Bei der Fahrkartenkontrolle meint der Schaffner: „Ah, Bad Schandau, Elbsandsteingebirge. Schöne Gegend.“
Damit ist dann auch klar, wers war ;)

Danke für den Bericht - und zumindest über das Zugpersonal von Regio Württemberg scheint es ja keine Beschwerden zu geben :-)
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Beitrag von Entenfang »

DumbShitAward @ 21 May 2014, 22:27 hat geschrieben:Bin beeindruckt über deine Containance... bei jeder der Fahrten wäre was dabei gewesen wo ich garantiert zumindest innerlich die Nerven verloren hätte. Am 612 liegts aber nicht.
Fairerweise muss ich schon anmerken, dass ich natürlich nur die Fahrten schriftlich festhalte, in denen auch was los ist. Ich erlebe durchaus auch Fahrten, in denen nichts Aufregendes passiert ;)
Anderseits stellt auch wieder die Frage, welche Alternativen ich habe. Und da sehe ich eher schwarz. Wenn man die kleinen und größeren Pannen mit bisschen Humor nimmt, dann kann man auch seinen Spaß haben. Ich hoffe, dass das in den Geschichten rübergekommen ist.
Damit ist dann auch klar, wers war
Sollte ich den kennen? :huh:
zumindest über das Zugpersonal von Regio Württemberg scheint es ja keine Beschwerden zu geben
Ehrlich gesagt würde mir jetzt spontan kein einziger Fall einfallen, in denen ich mich wirklich über das Zugpersonal geärgert habe, unabhängig vom Ort.
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Beitrag von DumbShitAward »

Entenfang @ 22 May 2014, 21:50 hat geschrieben: Fairerweise muss ich schon anmerken, dass ich natürlich nur die Fahrten schriftlich festhalte, in denen auch was los ist. Ich erlebe durchaus auch Fahrten, in denen nichts Aufregendes passiert ;)
Anderseits stellt auch wieder die Frage, welche Alternativen ich habe. Und da sehe ich eher schwarz. Wenn man die kleinen und größeren Pannen mit bisschen Humor nimmt, dann kann man auch seinen Spaß haben. Ich hoffe, dass das in den Geschichten rübergekommen ist.
Ich meinte eher die Mitreisenden, nicht betriebliche Störungen ;)
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Beitrag von Entenfang »

Gerade die sollte man mit viel Humor nehmen und sich nicht darüber aufregen.
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Beitrag von Entenfang »

Odysseus fährt nach Dresden


Die Ferien sind zu Ende, Zeit für mich, aus dem Ländle wieder in den Osten zu fahren. Wegen einer Baustelle fährt mein Zug schon 5 Minuten früher in Metzingen ab. Ich mache es mir im oberen Stock gemütlich und sehe eine Frau im letzten Moment mit dem Koffer aus der Unterführung hechten. Da hat wohl jemand den Rat des DSA nicht beachtet. „Fahrplanänderungen bis zum 22.6.14 Bitte informieren Sie sich.“ Aber vielleicht tue ich ihr ja Unrecht und sie ist einfach nur spät dran.

In Stuttgart ist mein IC nach Nürnberg mit +10 angekündigt und dieses Mal gießt es auch nicht aus Kübeln, also nutze ich die 40 Minuten für eine kleine Baustellenbegehung. Auf die Baustellenzäune sind auf kreative Weise noch kreativere Sprüche angebracht. Mit weißem Klebeband kritisiert jemand: „S21 isst überall. Bildung, Soziales, ÖPNV“ Auf der anderen Seite ist man weniger kreativ und jemand hat in riesigen Lettern „S21: MAFIÖSES DRECKSPROJEKT“ an den Bauzaun gesprayt. Ein paar Meter weiter verkündet der Bauzaun in ebenso großer Schrift: „GIER FT HIRISSRN“ Da wurde wohl die Reihenfolge der Bauzäune zwischenzeitlich geändert… Langsam mache ich mich auf den Rückweg und stelle mich an den Bahnsteig. Mittlerweile sind schon fast 10 Minuten nach der Planabfahrt vorbei und weit und breit kein Zug in Sicht (also schon Züge, von 425 bis TGV ist alles dabei, aber nicht mein IC). Dann kommt eine Durchsage, der IC kommt mit +20. Noch ist alles in Ordnung, in Nürnberg habe ich schließlich 24 Minuten Umsteigezeit.
Irgendwann kommt er dann endlich, mit +24 fahren wir ab. Langsam mache ich mir schon Sorgen, aber ein paar Minuten fahren wir vielleicht noch raus und mein Anschluss nach Hof kann ja noch kurz warten. Bei der Ansage entschuldigt sich der Zub für die Verspätung und wünscht trotzdem eine entspannte Fahrt. Richtig entspannen kann ich mich aber nicht. Es ist stickig, die Klimaanlage scheint nicht richtig zu funktionieren. Eine Frau telefoniert: „Ja, ich hab Verspätung, keine Ahnung, ob ich meinen Anschluss in Aalen noch erwische.“

„Ja, der ist schon mit Verspätung in Karlsruhe angekommen, aber anstatt dass dann alle aus- und einsteigen und der gleich weiter fährt, nein, dann haben wir auch noch ewig gestanden…“

In Schwäbisch Gmünd sind es noch +22, in Aalen noch +20. So weit so gut, irgendwann werden dann die Fahrkarten kontrolliert, der Zub klärt jeden Fahrgast stoisch darüber auf, dass er noch keine Informationen zu Anschlüssen habe und um Geduld bitte.
Einige Reihen vor mir sitzt ein Mann, dessen Online-Ticket nicht auf seinen Namen ausgestellt ist. Er hat auch die Kreditkarte dabei, mit der die Fahrkarte gebucht wurde, die ihm aber nicht gehört. Den Zub verstehe ich gut, die Antworten des Mannes leider nicht.
„Wissen Sie, ich kann Ihnen jetzt die Kreditkarte gar nicht zurückgeben“, meint der Zub, „ich muss die sperren lassen. Wir müssen davon ausgehen, dass Sie die geklaut haben. Aber dann hätten Sie mit ja wohl kaum den Ausweis gezeigt.“

„Ja, aber der Herr X soll sich mal durchlesen, was er da bei der Buchung zweimal bestätigt hat. Der muss schon persönlich fahren und darf seine Kreditkarte nicht aus der Hand geben.“

„Ich muss Ihnen auf jeden Fall das erhöhte Beförderungsentgelt berechnen, schließlich fahren ja Sie. Das müssen Sie dann mit dem Herrn X klären.“
Der Zub verschwindet dann mit Online-Ticket und Kreditkarte.
Einige Zeit später kommt eine Zub, die weiter die Fahrkarten kontrolliert. Ein älterer Mann fragt sie, ob es ein Zugtelefon gebe. „Wissen Sie, ich gehöre noch zu den Leuten, die kein Handy haben…“ Sie braucht einen Moment, bis sie versteht, was der Mann eigentlich will. Die Zub bietet ihr Handy an, meint aber, dass sie später nochmal vorbeikommen würde, weil sie gerade keinen Empfang habe.

In Ellwangen haben wir wieder +22.
Der Zub kommt zurück, inklusive Kreditkarte und einem Fahrschein, der etwa einen Meter lang ist. „Ja, da haben Sie Glück, ich soll die Karte doch nicht sperren lassen. Hier haben Sie die Karte wieder. Kümmern Sie sich auf jeden Fall darum, das erhöhte Beförderungsentgelt zu bezahlen, sonst droht Ihnen noch eine Anzeige. Das mit der Kreditkarte klären Sie dann am besten mit dem Herrn X. Und sowas machen Sie bitte nie wieder. Eigentlich müsste ich wegen Verdacht auf Kreditkartenbetrug die Polizei anrufen.“ Der Mann ist sichtlich schockiert.
Einige Zeit später telefoniert er dann. „Soll ich dir die Kreditkarte nachher vorbeibringen? … Wie? … Ja, OK, dann bring ich sie nachher vorbei.“

In Crailsheim sind es noch +20.

Die Zub kommt wieder und meint: „So, jetzt habe ich wieder Empfang.“ Sie gibt dem Mann ihr Handy. Er will ihr Geld geben. „Nein, nein, das ist schon OK, ich habe eine Flat.“
Ich spüre eine kühle Brise. Juhu, die Klimaanlage funktioniert ja doch.

Wegen Baustelle haben wir in Ansbach wieder +26, der Zub hatte einige Fahrgäste schon vorgewarnt. Aber er ist zuversichtlich, dass es mit den Anschlüssen klappt, da bis Nürnberg noch Luft im Fahrplan ist.

Wir nähern uns Nürnberg, ich packe zeitig meine Sachen und gehe zur Tür, bevor es kein Durchkommen mehr gibt. Es sind noch 7 km bis Nürnberg, da bremst der Zug ab. Nicht gut. Bitte kein rotes Signal jetzt. Wir bremsen auf 40 runter, dann auf 30, dann auf 20. Gar nicht gut. Na los, schalte um, du dummes Signal. Wir rollen mit 10, dann mit 5. Dann bleiben wir stehen. Mitten im Wald. Schlecht. Wir stehen einige Minuten. Ganz schlecht. Dann kommt eine Durchsage. „Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen jetzt… Moment, wir kriegen gerade neue Informationen rein.“ „*Seufz* Leider keine guten Neuigkeiten. Wegen einer suizidgefährdeten Person in Nürnberg-Stein ist eine Weiterfahrt zurzeit nicht möglich. Alle vorgesehenen Anschlüsse wurden uns abgesagt. *Seufz*“ Absolute Katastrophe. Zahlreiche Fahrgäste stöhnen auf. „Wir werden Sie informieren, sobald wir Näheres wissen. Ladies and gentlemen, as there´s a person running around the line, it´s not possible to go on.” Der war schön. Einige Fahrgäste müssen schmunzeln. “We will try to keep you informed via intercom announcement.”
Ich nehme wieder Platz. So schnell wird es wohl nicht weitergehen, wie ich jetzt noch nach Dresden kommen soll, ist mir schleierhaft. Schließlich habe ich mich mal wieder für die letzte Verbindung des Tages entschieden.
Wir stehen und stehen und stehen. Nach einer halben Stunde kommt wieder eine Durchsage. Man merkt, dass dem Zub wirklich alles furchtbar leid tut. „Meine Damen und Herren, wir haben leider immer noch keine weiteren Informationen. Einsatzkräfte von Bundes- und Landespolizei sind bemüht, die Person wieder einzufangen. Das ist leider schwierig, da es sich um einen mehrere Kilometer langen Abschnitt handelt. Ladies and gentlemen, it´s still not possible to go on.“
Einige Fahrgäste laufen durch den Zug, nach vorne und wieder zurück, nach hinten und wieder nach vorne. Auch zwei junge Männer hinter mir bewegen sich ständig nervös durch die Gegend. Einer der beiden will aussteigen und schauen, warum es nicht weitergeht. Aber die Außentür kriegt er natürlich nicht auf und er setzt sich wieder entnervt hin.
Nach einiger Zeit meint der eine: „Ne Stunde stehn wir schon.“
„Schnauze“, meint der andere.
„Was, Schnauze? Ist schon ne Stunde.“
„Bis se ne net finde, kömmer net weiterfahre“, stellt der andere völlig korrekt fest.
„Son Scheißdreck.“

Nach einer guten Dreiviertelstunde, es ist mittlerweile schon 19:20, meldet sich der Zub wieder seufzend. „Meine Damen und Herren, wir können nun den vor uns liegenden Streckenabschnitt auf Sicht befahren…“ „Sehr gut, dann fahr“, kommentiert der junge Mann hinter mir. „…und werden in Kürze unsere Fahrt fortsetzen. Erwartete…“ Da rollt der Zug auch schon an. „…Ankunft in Nürnberg Hauptbahnhof zwischen 19:30 und 19:40. Wir stehen noch mit der Zentrale in München in Verbindung, um Sie wegen der nächsten Anschlüsse zu informieren.“ Das nützt mir aber auch alles nichts mehr. Keine Ahnung, wie ich jetzt noch nach Dresden kommen soll. Wieder einmal verfluche ich das frühe Ende des Regionalverkehrs nach Dresden. Ich befrage den DB Navigator, aber anscheinend gibt es keine Möglichkeit mehr. Mein Akku blinkt rot. Ohweia, ich habe mal wieder vergessen, mein Handy zu laden.
Wir tuckeln mit 25 los und über eine Brücke. Am anderen Ende steht ein Polizist, wir durchfahren den Bahnhof Nürnberg-Stein, dann beschleunigen wir. Die Anschlüsse werden durchgesagt. Eigentlich ist mir das jetzt auch egal, ich weiß ja, dass auf meiner Strecke nichts mehr fährt. Moment, war das gerade ein ICE nach Berlin? Geht da vielleicht noch was über Leipzig? Was hat er nochmal gesagt? Abfahrt 19:35? Das könnte doch klappen.
Der Zub entschuldigt sich nochmals für die Verspätung und man merkt, dass es ihm wirklich sehr leid tut und ihm alles furchtbar unangenehm ist. „Ja, es tut ihm leid“, kommentiert eine Frau genervt, „jetzt kann ich schauen, wie ich ans Ziel komme.“ Ich erinnere sie daran, dass „die Bahn“ eher wenig für suizidgefährdete Personen kann und frage sie, wohin sie denn möchte. „Nach Hirschaid.“ Wo ist das denn? „Bei Forchheim, aber das sagt Ihnen ja wahrscheinlich auch nichts.“ In der Tat.
Nach wenigen Minuten halten wir in Nürnberg mit +69.
So, mal schauen. Zügig mache ich mich durch die Unterführung auf den Weg ins Empfangsgebäude, mit der Absicht, die DB Information aufzusuchen und mir Ideen für die Weiterfahrt zu holen. Ich lande in der Haupthalle, dort springt mir das Reisezentrum ins Blickfeld. Ich prüfe noch den Abfahrtsbildschirm, ICE nach Berlin über Leipzig Abfahrt 19:35, keine Verspätung angekündigt. Es ist 19:29. Im Reisezentrum erwartet mich der Hinweis, eine Nummer zu ziehen. Na bei 6 Minuten ganz sicher nicht. Da wird gerade der 1. Klasse/bahn.comfort/BC 100-Schalter frei. Ich fühle mich keiner der genannten Kategorien zugehörig, versuche dennoch mein Glück. Ich sage, dass ich nach Dresden will. Die Frau verkündet kurze Zeit später, dass das heute nichts mehr wird. Auch nicht über Leipzig? Wenn ich den ICE nach Berlin nehme? „Nein, dann kommen Sie allerhöchstens noch bis Chemnitz.“ Das ist natürlich schlecht, ich erkläre mein Dilemma mit dem suizidgefährdeten IC äh der suizidgefährdeten Person vor meinem IC. „Das habe ich mir schon gedacht“, meint die Frau. Sie empfiehlt mir, zur DB Information zu gehen. Aber dann verpasse ich ja den ICE. „Das müssen Sie entscheiden.“ In der Tat muss ich entscheiden und vor allem schnell entscheiden. Ich verlasse im Laufschritt das Reisezentrum. Die DB Information ist direkt vor mir, leider stehen dort mindestens 10 Leute. Weniger als 3 Minuten, dann fährt der ICE nach Berlin. Verspätung ist immer noch keine angekündigt. Gutscheine und Erstattungen kann man immer noch nachholen, abgefahrene Züge einholen ist dagegen nur schlecht möglich. Und von hier aus komme ich ganz sicher nirgendwo mehr hin, also renne ich in die Unterführung.

Ich gehe die Treppe hoch, noch anderthalb Minuten bis zur Abfahrt. Hä, was ist denn das für ein komischer ICE? Moment mal, das könnte doch…
Eigentlich will ich einen Mitarbeiter fragen, ob es etwas bringt, nach Leipzig zu fahren. Auf den ersten Blick ist aber niemand zu sehen, also steige ich ein.
Tatsächlich, da habe ich doch glatt den MET erwischt. Erschöpft lasse ich mich in einen Ledersitz fallen. Der Vierer ist von Nürnberg bis Erlangen reserviert. Die Strecke kann ich notfalls auch stehen. Eigentlich sollten wir schon abgefahren sein, aber der Zug steht noch einige Minuten. Schließlich fahren wir mit +8 ab. Die Ledersitze, die 2+1 Bestuhlung, die Holzvertäfelung – die Atmosphäre allgemein – strahlt einen Hauch von Luxus aus. Niemand beansprucht einen Platz, sodass ich den Vierer komplett für mich alleine habe.

Es dauert ziemlich lange, bis der Zub kommt. Ich kläre ihn über meine Lage auf. Er gibt mir daraufhin ein Fahrgastrechteformular und empfiehlt mir, mich wegen der Weiterfahrt an die Information in Leipzig zu wenden. Für den Fall, dass die Zeit dort nicht reicht, soll ich mich in den RE nach Chemnitz setzen und beim Zub einen Taxigutschein weiter nach Dresden holen. Falls der Zug nicht begleitet ist, soll ich die Fahrtkosten vorstrecken.
Ich nutze die Zeit, um das Formular so weit wie möglich auszufüllen.
Sehr geehrter Kunde, wir bedauern sehr, dass Ihnen durch eine Verspätung eines Zuges Unannehmlichkeiten entstanden sind.
Ja, das bedaure ich auch.
Zwischenzeitlich haben wir unsere Verspätung beinahe wieder aufgeholt, aber in Lichtenfels haben wir dann +10 wegen Baustelle. Scheinbar wird gerade überall im Land auf Hochtouren gebaut.

Durch das Abendlicht rollt der MET Richtung Thüringer Wald. Erst recht zügig, dann immer gemütlicher. Bei einer weiteren Fahrkartenkontrolle meint der Zub: „Ausweis dazu, bitte.“
„Warum das denn?“, will der Fahrgast wissen.
„Na man kanns ja mal kontrollieren.“
Der Fahrgast reicht ihm den Ausweis.
„Danke sehr. Und Vorsicht, Ihr Ausweis läuft Ende des Monats ab.“
„Ja, aber ich kann doch auch den Reisepass nehmen?“
„Nein, das geht nicht. Das gilt bei uns nicht als gültige Identifizierungskarte.“
„Und warum nicht?“
„Weil der Herr aus Kenia auch einen Reisepass hat. Das wird bei uns nicht erkannt.“
„Aha.“
„Das ist auch der Grund, warum Führerscheine, Sozialversicherungskarten oder der Kassenbon von Aldi nicht gehen. Da stehen auch überall Nummern drauf und die kann ich alle hier eingeben. Aber erkannt werden die nicht.“
„Alles klar.“
„Ich verstehe Sie ja. Ich wurde auch mal zur Führerscheinkontrolle angehalten und sollte den Ausweis zeigen. Wieso Ausweis? Tja, 10 Euro musste ich dafür abdrücken. Deswegen weise ich auch immer darauf hin.“

Im MET gibt es keine der klapprigen Metallabfalleimer an den Plätzen, ich vermute also, dass man den Abfall im Vorraum entsorgen muss. Als ich mich im Vorraum, der auf mich wie ein Flur mit Einbauschränken wirkt, umsehe, fällt mein Blick auf ein Abfallpiktogramm. Jetzt muss ich den entsprechenden Schrankteil bloß noch aufkriegen. Die Zugchefin hat ihr Büro direkt daneben und ich frage sie um Rat. Mülleimerschubladen, wieder etwas dazugelernt.

Nach einer halben Ewigkeit erreichen wir Saalfeld, die Verspätung haben wir schon fast wieder aufgeholt. Ich arbeite mich durch meine Vorlesungsunterlagen.

Der Zub geht durch und entfernt die Reservierungen. Der Zug scheint ziemlich frei von Elektronik zu sein, denn es gibt noch Zettelchen. Er nimmt die Reservierungen für die beiden mir gegenüber liegenden Plätze und fragt mich, ob ich ihm denn die auf meiner Seite geben könne. Aber klar kann ich, das findet er cool.

In Jena steigen dann ein Mann mittleren Alters und eine junge Frau zu, die sich auf die beiden mir gegenüberliegenden Plätze setzen. Von Anfang an unterhalten sie sich laut, damit ist die Arbeitsatmosphäre dahin. Dann muss ich ihnen wohl zuhören. Wie sich wenig später herausstellt, sind es Vater und Tochter. Der Mann hat einen riesigen Rucksack und weiß offensichtlich nicht so recht, wohin damit, obwohl die Gepäckablage zu 90% frei ist. Schließlich schlägt der Mann, der am Zweier mit Tisch auf der anderen Seite des Ganges sitzt, vor, den Rucksack auf den ihm gegenüberliegenden Sitz zu stellen, was der Mann dann auch so macht. Die Frau hat 3 kleinere Gepäckstücke, 2 davon verstaut sie oben auf der Gepäckablage und einen Rucksack unter unserem Tisch.
„Ist schon ewig her, dass ich das letzte Mal ICE gefahren bin, bestimmt 15 Jahre“, meint der Mann, „musst mir mal die Technik erklären.“ So schwierig ist es nicht, den Sitz zu verstellen, und als der Mann es probiert, klappt es problemlos.
Die beiden wollen nach Stralsund, sie kommt aus Salzburg. Woher er kommt, finde ich leider nicht heraus, aber er ist aus einer anderen Richtung gekommen. Offensichtlich haben sie eine Verbindung, die einen mehrstündigen Aufenthalt in Eberswalde über Nacht enthält. Als der Zub zur Fahrkartenkontrolle vorbeikommt, erkundigen sie sich nach den Fahrtmöglichkeiten Richtung Stralsund. Er wundert sich ein wenig über die Verbindung, da meint die junge Frau: „Die hat mich am Telefon noch gefragt: Wollen Sie das wirklich machen?“ „Naja, um 1 ist es bestimmt schön in Eberswalde“, meint der Mann. „Ja, das würd ich jeden Tag machen wollen“, entgegnet der Zub, „und wieso find ich die Verbindung net, sagens mer des.“ Mittlerweile ist die Zugchefin dazugekommen. „Chefin, sag mer, warum find ich des net.“ Einige Wischer später verkündet er: „Fehler beim Laden. Ahso, ich hab kein Netz. Naja, egal. Im Nahverkehr gibt’s keine Zugbindung. Sie können auch mit einem anderen Zug fahren.“ „Und das geht sicher?“, fragt der Mann skeptisch, „ich werd dann sagen, der Kollege – erschaut auf das Namensschild des Zub - Y hat gesagt, es gilt.“ Der Zub schreibt schließlich auf sein Online-Ticket: „Gilt auch für Fahrt nach Neustrelitz“ und unterschreibt. Die Frau will auch ein Autogramm haben, bekommt aber keines. „Ich hab in Eberswalde studiert“, sagt der Mann. „Was kamma denn da studieren?“, wundert sich der Zub. „Forst, Waldzeug“, erklärt der Mann. „Also i dad das net macha“, meint der Zub, „sucha se sich a Kneipe in Berlin, heute um 0 Uhr ist das letzte Spiel.“ „Fußball ist mal unwichtig für zwei Wochen“, meint der Mann. „Naja, zum Zeitrumbringa…“
„Der ist voll cool“, stellt die Frau eine Weile, nachdem der Zub weg ist, fest, „wenn nur alle so wären. Aber bei der Rückfahrt habe ich sogar einen Ruhesessel reserviert.“

Die Frau scheint sich doch etwas über die Ausstattung der 2. Klasse zu wundern, während der Mann diese wohl als völlig normal ansieht. „Ich glaube, das war mal ein 1.Klasse-Wagen, jetzt haben sie ihn degradiert, weil er schon so alt ist.“ Naja, alt ist der nicht unbedingt. Und an dem Wagen kann man jetzt wirklich nichts aussetzen. Insgeheim wünsche ich ihnen DBuza zur Weiterfahrt, um mal altes Rollmaterial kennenzulernen.

„Hast schon mal so ein altes Handy gesehen?“, will der Mann wissen und zeigt sein Handy vor, das noch Tasten hat und nicht dem modernen Design entspricht. „Das hat doch sogar ein Farbdisplay“, meint die Frau. Jaja, ich kann mich noch daran erinnern, als Handys mit Tasten, dafür ohne Farbdisplay modern waren. Das ist gar nicht mal so lange her.
Ich habe meine Vorlesungsunterlagen geöffnet und schreibe auf einem Zettel einige Stichworte des Gesprächs mit. Immer wieder werfen mir die beiden, insbesondere die Frau, kritische Blicke zu. Haben die noch nie einen fleißigen Studenten gesehen?
Ich überlege, ob ich mein Handy aufladen soll. Dummerweise habe ich das Ladekabel im Koffer. Was die von mir denken, wenn ich jetzt auch noch das Ladekabel im Koffer suche, will ich mir lieber nicht ausmalen. Außerdem brauche ich das Handy jetzt nicht unbedingt.

In Naumburg steigt der Mann auf der anderen Seite des Ganges schließlich aus. Sofort schlägt die Frau vor: „Sollen wir uns rüber setzen? Dann sitzen wir uns gegenüber und du kannst mir besser deine Pläne zeigen.“ Entweder mag sie meine Gesellschaft nicht, oder es handelt sich um streng geheime Pläne, oder sie hat Lunte gerochen, dass ich ihr Gespräch belausche. Tja, nächstes Mal vielleicht etwas leiser reden, dann kann ich mich auf meine Vorlesungsunterlagen konzentrieren und muss mir nicht ihr Gespräch anhören. Der große Rucksack wandert auf den Sitz schräg gegenüber von mir, sie räumt ihre Gepäckstücke von der Ablage auf dieser Seite auf die Ablage der anderen Seite. Ihr Handy lässt sie auf dem Tisch liegen, den ich jetzt wieder für mich alleine habe. Sie picknicken im Zug, der Mann rundet seinen Speiseplan mit einer kleinen Flasche Rotkäppchensekt ab, den er direkt aus der Flasche trinkt. „Uähh, zu warm“, kommentiert er. Etwa nach einer Viertelstunde fällt der Frau auf, dass sie ihr Handy bei mir vergessen hat und schnappt es sich.

Wir nähern uns Leipzig, ich packe meine Sachen und gehe in den Flur äh Vorraum. Der Zub unterhält sich dort mit der Zugchefin. Ich verabschiede mich von ihnen und sage, dass die Fahrt mit dem MET doch eine kleine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten war. Der Zub meint schmunzelnd: „Wolla Sie die vielleicht mitnehma?“ Je weiter die Zeit vorangeschritten ist, desto breiter wurde sein Bayerisch. Ich wende ein, dass der MET vermutlich nicht in meine Wohnung passt. „Ach, mit bisserl umstellen geht das scho.“ Die Zugchefin schaut ihn irritiert an. „Na klar, jeder kann die mitnehma“, klärt der Zub sie auf. Er wünscht mir noch viel Glück auf meinem weiteren Weg.
Pünktlich halten wir in Leipzig, bis mein Zug nach Chemnitz abfährt, habe ich über eine halbe Stunde. Ich gehe direkt zur DB Information und erkläre meine Situation.
„Waaaas?!?! Sie wölln vön Kämnitz nach Dräsden mitm Taxi fahrn?!?! Das geht nischt!!!! Das is viiiiiiel zu weit!!!!“ Ja Entschuldigung mal… „Wär hatn das gesagt? Der Zugbägleiter?“ Allerdings. Und die Frau an der Information in Nürnberg hat es auch angesprochen, dass ich versuchen soll, so weit wie möglich zu fahren und von dort ein Taxi zu nehmen. Aber natürlich bin ich für weitere Vorschläge gerne offen. Er wurschtelt eine Weile am Computer herum, will meine Fahrkarte sehen und meinen Namen wissen. Dann schlägt er etwas versöhnlicher und in etwas gemäßigterem Sächsisch vor: „Okay, Sie ham zwei Möglischkeiten. Entweder Hotel hier oder um null Uhr neun nach Oschatz und von dort mitm Taxi.“ Eigentlich will ich endlich in mein Bett und entscheide mich für letzteres, obwohl ich wirklich gerne eine kurze Stadtbesichtigung in Leipzig gemacht hätte. Aber da wäre ja immer noch die Vorlesung morgen um 9:20…
Ich bekomme einen weiteren Stempel auf mein Online-Ticket und einen Taxigutschein. Ich werde in Oschatz erwartet. So weit, so gut. Zum Abschluss meint er noch: „Ach, und der McDonalds hier hat rund um die Uhr geöffnet.“ Auf meinen skeptischen Blick entgegnet er: „Naja, wissen Sie, ich will Ihnen nischt die Holzbänke hier empfehlen.“ Tatsächlich muss ich fast eine Stunde warten, aber da habe ich doch geringfügig andere Vorstellungen, als die im McDonalds zu abzusitzen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass ich den kompletten Leipziger Hauptbahnhof quasi für mich alleine habe. Für solche Notfälle habe ich immer einen Müsliriegel irgendwo in den Tiefen meines Rucksacks. Aber ein Wasser bräuchte ich noch. „Das kann ich Ihnen auch hier geben.“ Ich bedanke mich und mache mich auf den Weg zum Bahnhofsvorplatz. In Leipzig war ich noch nie und vielleicht springt ja noch ein Nachtfoto von der Straßenbahn raus.
Als ich den Bahnhof verlasse, stehen rund um das Bahnhofgebäude mindestens 10 Straßenbahnen. Da habe ich wohl gerade einen abendlichen Knoten erwischt. Bis ich meine Kamera und mein Stativ aufgebaut habe, ist der Knoten leider schon in der Auflösung. Aber ein bisschen Material bekomme ich doch noch. Die nächsten Bahnen sind erst in einer halben Stunde angekündigt und ich schaue mich ein wenig im Bahnhofsgebäude um. Die Gelegenheit, den riesigen Bahnhof in aller Ruhe anschauen (und ein paar Bilder machen) zu können, muss ich natürlich nutzen. Jetzt kann ich auch endlich das Ladekabel für mein Handy aus dem Koffer kramen, ohne die Blicke meiner Mitreisenden auf mich zu ziehen. Und vielleicht muss ich es ja noch benutzen.
Um Mitternacht gehe ich schließlich zum S-Bahnsteig im Tiefgeschoss und setze mich in meinen Hamster nach Oschatz. Die Steckdosen sind leider direkt unter der Gepäckablage angebracht und mein Kabel ist nicht lange genug, um das Handy auf dem kleinen Tisch abzulegen, auf dem das Netz der S-Bahn Mitteldeutschland (allerdings mit Schreibfehler in Elsterwerda-Biehla, wo jemand das h verschluckt hat) abgebildet ist. Ich versuche eine Konstruktion mit meinen beiden Wasserflaschen, aber als der Zug anfährt, wird das labile Gleichgewicht natürlich zerstört. Und auf die Gepäckablage will ich es nicht legen, weil dann die Gefahr, es zu vergessen, zu groß ist, vor allem in meinem mittlerweile ziemlich müden Zustand. Einige Plätze weiter sitzt ein Mann mit Kopfhörern im Ohr, der sich zur Musik bewegt und stumm mitsingt. Nachdem wir eine Station gefahren sind, nimmt er plötzlich die Kopfhörer aus dem Ohr. „Hä, wasn das?“ brummt er. Ob er wohl in die falsche Richtung eingestiegen ist? „Fährt der jetzt nach Halle?“ Hoffentlich nicht. Aber ich bin mir doch sehr sicher, dass auf dem Zug und am Bahnsteig Oschatz stand. In der Tat steht allerdings auf den Bildschirmen im Zug Halle – Leipzig. Vielleicht war das ja die vorherige Fahrt. Ganz zufrieden stellt ihn meine Erklärung aber nicht und am nächsten Halt schaut er aus der Tür, was auf der ZZA am Bahnsteig steht. Puh, Oschatz. Alles gut. Außerdem bin ich mir auch sehr sicher, dass keine S-Bahn vom Leipziger Hbf über den Citytunnel nach Halle fährt.
Mein Handy baumelt am Ladekabel vor und zurück, während der Zug beschleunigt und bremst.
Dumdedim. Nächster Halt Völkerschlachtdenkmal. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.
Zum ersten Mal meldet sich die automatische Ansage, auch der Bildschirm zeigt jetzt den korrekten Zuglauf an.
Obwohl an den zahlreichen Haltestellen kaum Fahrgastwechsel herrscht, hält mich das ständige penetrante Gepiepe wach. Muss das denn wirklich sein, frage ich mich zum wiederholten Male.
Der tiefstehende, nahezu volle Mond begleitet mich auf dem Weg durch die Nacht, während die Abstände der Haltestellen größer und größer werden und die Geschwindigkeit dazwischen in gleichem Maße zunimmt.
Dumdedim. Nächster Halt Wurzen. Umsteigemöglichkeit zum Regionalverkehr und zur Buslinie Sechshundertdreiundneunzig. Muss wohl eine sehr wichtige Buslinie sein.
Überpünktlich erreichen wir kurz vor eins Oschatz. Außer mir und der Zub ist immerhin noch ein weiterer Fahrgast im Zug. Das ist ja fast schon wie eine Taxifahrt, bloß mit wesentlich mehr Platz.

Das Taxi wartet auf mich, während der Fahrt durch zahlreiche Dörfer, in denen ich noch nie war und von denen ich noch nie den Namen gehört habe, erfahre ich, dass es ein bis zweimal im Monat vorkommt, dass jemand hier strandet und ein Taxi nach Dresden bekommt.

Kurz nach 2 und mit mehr als +180 bin ich endlich an meinem Ziel. Über 11 Stunden für ursprünglich 630 Bahnkilometer. Das sind ja fast schon rumänische Verhältnisse. Jetzt habe ich mir mein Bett aber wirklich verdient.

Am nächsten Tag (nein, eigentlich ja am selben) gehe ich zur DB Information am Dresdner Hbf, um meine Entschädigung zu bekommen. Ich benötige noch Rat, was ich genau wie ankreuzen muss. War das jetzt eine abgebrochene Fahrt? Oder eine andere Reiseroute? Und mit welchem Zug bin ich am Zielort angekommen? Um mir die 50% auszahlen zu lassen, schickt sie mich ins Reisezentrum. Jetzt führt wohl kein Weg am Nummer ziehen vorbei… Ich füge mich also meinem Schicksal und nehme auf dem roten Sofa Platz. Allzu viele Nummern sind nicht vor mir und alle 6 Schalter sind geöffnet. Zur Überbrückung der kurzen Wartezeit wische ich ein wenig auf meinem Handy herum, aber nach kurzer Zeit spricht mich eine alte Frau an, die neben mir auf dem Sofa sitzt und einige Papiere neben sich ausgelegt hat. „Darf ich Ihnen eine ganz persönliche Frage stellen?“ Achduje, was will die denn von mir. Noch 14 Nummern vor mir. Ob ich an Gott glaube und ob ich Rat bräuchte.
Noch 12 Nummern.
Dass sie nie an Gott geglaubt habe bis sie ihn persönlich getroffen habe.
Noch 11 Nummern.
Ich gebe mir wenig Mühe, meine Genervtheit zu verbergen.
Dass der Herr für uns ans Kreuz gegangen sei.
Noch immer 11 Nummern.
Sie drückt mir zwei gefaltete Blatt Papier in die Hand, ein rotes und ein weißes. Dass es ein Geschenk sei. Irgendwie scheine ich solche Leute in letzter Zeit magisch anzuziehen.
Noch 10 Nummern.
Dass das eine sich vielleicht wie ein Gedicht lese, aber keines sei.
Immer noch 10 Nummern.
Sie gibt schließlich auf, bleibt aber noch eine Weile stumm sitzen. Ich stopfe die Papiere in meinen Rucksack.
Noch 8 Nummern.
Schließlich spricht sie einen Schwarzen auf Englisch an und drückt ihm auch zwei Blatt Papier in die Hand. Zumindest die Überschrift ist auf Englisch, die scheint ja tatsächlich ihre Dichtung übersetzt zu haben.
Noch 7 Nummern.
Danach packt sie die verbleibenden Gedichte, die keine sind, ein und verschwindet aus dem Reisezentrum.
Irgendwann bin ich dann auch mal dran.
„Wohin wollen Sie fahren?“, fragt mich die Dame am Schalter freundlich. Ächz, eigentlich nirgendwo hin. Ich bin froh, hier zu sein. Meine Ankunft ist noch nicht einmal 12 Stunden her, es kommt mir aber schon wesentlich länger vor. Meine 18,40€ bekomme ich anstandslos ausgezahlt. Ein schlechter Stundenlohn für über 3 Stunden Verspätung. Aber immerhin fast schon genug, um meine nächste Heimfahrt zu bezahlen.
Und das wird hoffentlich eine völlig normale, stinklangweilige Fahrt sein.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
Lion's City
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Beitrag von Lion's City »

Sehr schöner Reisebericht ... hat Spaß gemacht das zu lesen .... über weitere Reiseberichte von Dir würde ich mich freuen !
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Super Bericht! Allerdings sollten die beteiligten Zubs zu rechtlichen Dingen einfach die Klappe halten :D

Und wieder mal die Erkenntnis, dass Dresden bahntechnisch gesehen am Ende der Welt liegt.
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
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Beitrag von DumbShitAward »

Wieder mal fühle ich mich darin bestätigt, nach Möglichkeit nicht die letztmögliche Verbindung des Tages zu nehmen und grundsätzlich immer mit vollem Handy unterwegs zu sein (auch Wechselrichter fallen aus).

Was ich da aber schon interessant finde ist, dass da so ein Theater wegen der Taxifahrt gemacht wurde, so wie ich das sehe ist der Unterschied in der Fahrstrecke von Oschatz - Dresden im Vergleich zu Chemnitz - Dresden gerade einmal fünf Kilometer.

Ich durfte mal Mannheim - Basel mit dem Taxi fahren :D
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Beitrag von JeDi »

DumbShitAward @ 20 Jun 2014, 11:35 hat geschrieben:Wieder mal fühle ich mich darin bestätigt, nach Möglichkeit nicht die letztmögliche Verbindung des Tages zu nehmen
Wobei ich da noch nie ein Problem hatte. Der letzte Zug wartet im Zweifel auch mal eine knappe Stunde...
DumbShitAward @ 20 Jun 2014, 11:35 hat geschrieben:Ich durfte mal Mannheim - Basel mit dem Taxi fahren :D
Ich hätte jetzt eigentlich auch erwartet, dass es das Taxi ab Leipzig gibt...
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Beitrag von DumbShitAward »

JeDi @ 20 Jun 2014, 11:37 hat geschrieben:Wobei ich da noch nie ein Problem hatte. Der letzte Zug wartet im Zweifel auch mal eine knappe Stunde...
So wie ich das mal erklärt bekommen habe aber nur, wenn der zu erwartende Rattenschwanz erheblich kürzer wäre, als das, was man ohne Warten bezahlen muss - eine recht ökonomische Entscheidung.
JeDi @ 20 Jun 2014, 11:37 hat geschrieben: Ich hätte jetzt eigentlich auch erwartet, dass es das Taxi ab Leipzig gibt...
Ich eigentlich auch, da das mit knapp 30km nicht irrsinnig viel weiter ist, er eine Stunde in Leipzig aufenthalt hatte und es so durchaus möglich gewesen wäre, dass er mit weniger als +120 angekommen wäre und so eine realistische Chance bestanden hätte, dass er unter +120 ankommt und die Bahn somit 13,25€ weniger Entschädigung bezahlen hätte müssen - obwohl... ob das die 30km mehr Taxi aufgefangen hätte...

Edit: sinnentstellender Grammatikfehler

Edit: mutmaßlich nicht, wenn man den Taxikostenrechnern Glauben schenken darf, auch wenn üblicherweise auf solchen Distanzen Pauschalpreise verhandelt werden.
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Beitrag von JeDi »

DumbShitAward @ 20 Jun 2014, 11:46 hat geschrieben: So wie ich das mal erklärt bekommen habe aber nur, wenn der zu erwartende Rattenschwanz erheblich kürzer wäre, als das, was man ohne Warten bezahlen muss - eine recht ökonomische Entscheidung.
Mei, dass der letzte Zug noch irgendwelche Nennenswerten Anschlüsse hat, die nicht problemlos warten können, ist eher selten...

Passend zu dem Thema gabs übrigens letztens das hier vom SM-Team der Bahn.
und die Bahn somit 13,25€ weniger Entschädigung bezahlen hätte müssen
Eher 9,20 weniger, oder?

Nachtrag:
Edit: mutmaßlich nicht, wenn man den Taxikostenrechnern Glauben schenken darf, auch wenn üblicherweise auf solchen Distanzen Pauschalpreise verhandelt werden.
Die Bahn hat da ohnehin Spezialkonditionen - die Verträge werden hin und wieder ausgeschrieben...
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Beitrag von DumbShitAward »

JeDi @ 20 Jun 2014, 11:50 hat geschrieben:Mei, dass der letzte Zug noch irgendwelche Nennenswerten Anschlüsse hat, die nicht problemlos warten können, ist eher selten...
Na kommt halt auf die Situation an... könnt mir schon Situationen vorstellen, wo ich in den sauren Apfel beißen muss, weil der IC oder RE ein Zubringer zu einer Ladung ICEs ist...
JeDi @ 20 Jun 2014, 11:50 hat geschrieben: Passend zu dem Thema gabs übrigens letztens das hier vom SM-Team der Bahn.
Das ist mal Public Relations! Sollte im Format 21x15 Meter in auf jedem Bahnsteig aufgestellt werden und jeder Fahrgast muss unterschreiben, dass er es durchgelesen hat :D
JeDi @ 20 Jun 2014, 11:50 hat geschrieben: Eher 9,20 weniger, oder?
Ich hab zwar die Nacht fast nicht geschlafen, aber auf welche Route beziehst du dich?


JeDi @ 20 Jun 2014, 11:50 hat geschrieben: Die Bahn hat da ohnehin Spezialkonditionen - die Verträge werden hin und wieder ausgeschrieben...
Klar, aber das dürfte wohl nicht viel an den Verhältnissen zwischen den Preisen ändern.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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