Verbesserungspotenzial im ÖV

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Cloakmaster @ 16 Oct 2015, 09:21 hat geschrieben:sind - zumindest mir als Laien - nicht all zu viele herausragende schweizer Entwicklungen auf dem Bahnsektor bekannt. Gibt es besonders energie-effziente Züge dort? Vergleichsweise kurze Fahrzeiten? Herausragende Ausstattungen für Bahn-kunden wie flächendeckendes WLAN, Bildschirme an jedem Sitzplatz, sonstige Komfort-Angebote? Sonst irgend etwas, wofür Bahn-Kunden in aller Welt der schweizer Staatsbahn zu ewigem Dank verpflichtet wären? (ok, der war jetzt arg dick aufgetragen)
Naja, es gibt einen ziemlich dichten landesweiten Taktverkehr Bahn+Bus bis auf jede bessere Berghütte, durchgehend elektrischen Betrieb, eine hohe Pünktlichkeit, ein flächendeckendes Tarifsystem ohne NV/FV-Trennung, eine im internationalen Vergleich sehr hohe Fahrgastzahl. Vor allem beim Generalabo/Bahncard100, die in absoluten Zahlen (!) um die Faktor 10 höher ist als in Deutschland. Und das eben gerade ohne WLAN, Bildschirme und Schischi, man beschäftigt sich eher damit das Funktionieren des Gesamtsystems (!) zur Not in Beton zu gießen. Ich verstehe aber nicht, was die restliche Welt von der schweizer Verkehrsdurchführung haben soll oder technische Entwicklungen der schweizer Industrie mit der Organisationsform ihrer Kunden!?

Die Schweizer haben dennoch tolle Dinge erfunden. Eine der am weitesten verbreitetsten, genialsten und dennoch unterschätztesten Erfindungen ist der Leichtstahlwagen bzw. wenn mehrere zusammenkommen, der Leichtschnellzug, der erst rund 25 Jahre später bei uns als "Silberling" Karriere machen sollte und bis heute den deutschen Regionalbahnen gelegentlich den Ar... rettet. Die Grundidee war, dass man schneller fahren kann und weniger Energie braucht, wenn der Zug 1/3 leichter ist. Diese Erfindung ist übrigens wie auch der weiter oben beschriebene elektrische Betrieb eine Folge der Kohleknappheit im ersten Weltkrieg und der Wirtschaftskrise. Erstmals wurde auch versucht, den Fahrgastfluss zu optimieren, um die Haltzeiten zu verkürzen. Auch die dabei entstandene Türanordnung hat der deutsche Silberling später übernommen.

Entsprechend gab es ab 1935 (!) schon elektrische Leichttriebwagen "Roter Pfeil" mit Einmannbedienung und mit 720 mm niederflurigem (!) Innenraum für schwach frequentierte Strecken. Auch der Siegeszug der modernen Drehgesell-E-Lok in Europa begann ab 1944 mit der BLS Ae 4/4 und 1946 mit der ersten SBB Re 4/4, nachdem zuvor 1939 mit der Am 4/4 mal eben auch noch der Prototyp der modernen diesel-elektrischen Lok gebaut wurde. Wenn du irgendwo mal eine 111 mit n-Wagen, einen Vectron DE oder irgendeinen neuzeitlichen Niederflur-ET siehst, kannst du dich jetzt fragen: "Wer hat's erfunden?" ;)

Die 111 hat wie so viele Bundesbahnloks noch ggf. eine Elektroausrüstung der schweizer BBC, der München-Nürnberg-Express und einige IC-Wagen noch druckertüchtigte Wagenübergänge der SIG. Die ersten "West-Dostos" DBz 750 ff, die heute von München aus eingesetzt werden, kamen noch nicht aus Görlitz, sondern aus Pratteln von der Firma Schindler, haben SIG-Drehgestelle und sind baugleich mit Wagen der S-Bahn Zürich. In München Hbf wirst du jedenfalls abgesehen von den Meridian-Flirts noch viel mehr entdecken können, was Schweizer gebaut, entwickelt oder erfunden haben. WLAN, Bildschirme und Schischi sind daher jetzt nicht so die Kategorie in denen man die Verdienste des schweizer Bahnwesens für die Welt messen sollte, wenn man schon eine derart große Messlatte anlegen will.
Cloakmaster @ 16 Oct 2015, 09:21 hat geschrieben:Und da du ja die Schulen anschneidest: quer durch die Bank werden privaten Schulen weit bessere Noten zuschrieben, als staatlichen.
Weil die Privatschulen sich die Premiumschüler für die Premiumlehrer rauspicken können und um den Rest soll sich halt der Staat kümmern.
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Beitrag von 146225 »

Ich möchte mich da auch mal anlehnen und die Frage, was an der Eisenbahn in der Schweiz so besonders wäre, mit einem anderen helvetischen Werbeslogan beantworten: "Kannst Du nicht erklären - mußt Du probieren!"

Für mich sind es nicht die großen Grundsätze, sondern die 1000 Kleinigkeiten, die unseren südlichen Nachbarn den Vorsprung bringen. Wer in der Schweiz im IC auf einen Knoten zufährt, bekommt keine Anschlüsse der Gegenrichtung und keine "Sänk ju for tschusing" - Grütze abgelesen, dafür aber, wo sinnvoll, die nächsten wichtigen Verbindungen ganz selbstverständlich auch auf italienisch und/oder französisch. Unnötig zu erwähnen, dass es auch immer Anschlüsse gibt. Der Pendlerzug frühs ist wenn es sein muss auch 15 Wagen lang, das fällt irgendwie positiv auf, in einem Land in dem von 5 Wagen 1 ausfällt und 1 defekt ist, was Legebatteriehaltung vom Allerengsten öfters mal als alltägliche Folge hat. Deutsche Provinzpolitiker haben Angst vor Kosten für Halbstundentakte, das Schweizer Stimmvolk bewilligt Bauausgaben für Viertelstundentakte. Schmalspurbahnen sind keine lustigen dampfenden Touribimmeln. Und so weiter, und so weiter...
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Beitrag von DSG Speisewagen »

autolos @ 16 Oct 2015, 15:30 hat geschrieben: Das ist Blödsinn!
Ist es nicht, den besten Fernverkehr hatten wir in den 90ern. Lupenreinen Stundentakt auf den Primären Linien (ICE, IC) und einen lupenreinen Zweistundentakt bei den IR-Linien. Das flächendeckend und ebenfalls war noch ein ordentliches Nachtzugnetz vorhanden.

Wo ist das also Blödsinn? Hauptsache wieder was gesagt autolos.
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Beitrag von Cloakmaster »

Mag sein, das so Spässkens wie WLAN von Eisenbahnern als "schischi" empfunden wird - natürlich ist oberste Prämisse ein stabiler und pünktlicher Betrieb. Trotzdem ist es eher dieser "Schischi" welcher die Kunden in die Bahn lockt - oder eben durch fehlen abhält. Ich persönlich bin auch kein WLAN-Fanatiker, aber die breite Masse schreit geradezu nach WLAN überall, und empfindet nicht-vorhandenes WLAN inzwischen als rückständig, veraltet, und abschreckend. Da kann der Zug noch so pünktlich sein, wenn der (potentielle) Kunde erst gar nicht eingestiegen ist, nutzt das der Bahn auch wieder nichts.

Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit werden nuneinmal nicht als Pluspunkte wahrgenommen, sondern als selbstverständlich vorrausgesetzt. Bei der Bahn sinniger Weise noch mehr, als bei jedem anderen Verkehrsmittel. Pluspunkte muss man dann eben doch mit dem "Schischi" sammeln. Und da gehts dann eben doch um die bequemsten Sitze, und das sogenannte "onboard Entertainment" - auch hier denke ich, daß es letzlich auf den einzelnen Sitzplatz herutner gerechnet keine all zu großen Investitionen wären, zB Bildschirme an jedem Sitzplatz in jedem (neuen) Zug zu installieren. Vorrausgesetzt, man bekommt das Vandalismus-sicher hin.
LH hat böse dafür draufgezahlt, diese dem Eco-Passagier (zu) lange zu verweigern, weil es als "Luxus" angesehen wurde. In unsere medialen Welt sird dies nicht mehr als Luxus, sondern als Normalität empfunden, und ein Fehlen damit eben wieder als altbacken, unmodern, unattraktiv.

Die Zahl der Steckdosen in den Zügen hat erfreulicher Weise ja schon zugenommen, her würde ich inzwischen zusätzlich auch an USB-Ladebuchsen denken. (Belastet auch das Boardnetz weniger, wenn die ganzen Mobilgeräte nur noch rund 5 Volt ziehen, statt 220V). All dies gilt übrigens nicht nur für IC/ICE, sondern auch für den Regionalverkehr, und letztlich warum nicht auch für den Stadtverkehr?


PS wie sind wir eigentlich vom Regioverkehr Bayern zur Grundsatzdiskussion Bahn gekommmen?
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Beitrag von 146225 »

Cloakmaster @ 16 Oct 2015, 20:57 hat geschrieben: Mag sein, das so Spässkens wie WLAN von Eisenbahnern als "schischi" empfunden wird
Angesichts der diversen sonstigen Mängel in bayrischen und anderen Bahnverkehren ist das ja auch wirklich "nice-to-have" - und die Revolution kommt sozusagen durch die hintere Lokschuppentür. Bei der SWEG im Schwarzwald scheint es schon recht ordentlich zu klappen mit dem WLAN ... - bis es halt irgendwann jeder hat.
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Beitrag von DSG Speisewagen »

WLAN sollte eigentlich Standard sein, über so etwas muss man nicht diskutieren. Das ist aber ein deutsches Problem, denn Free-Wifi ist ja vielerorts selbstverständlich und Deutschland ist doch bei dem Thema eh Entwicklungsland und belegt in Europa einen Platz im unteren Mittelfeld.
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Beitrag von Rohrbacher »

Cloakmaster @ 16 Oct 2015, 20:57 hat geschrieben:Mag sein, das so Spässkens wie WLAN von Eisenbahnern als "schischi" empfunden wird - natürlich ist oberste Prämisse ein stabiler und pünktlicher Betrieb. Trotzdem ist es eher dieser "Schischi" welcher die Kunden in die Bahn lockt - oder eben durch fehlen abhält.
Marktforschung ist was tolles. In der Schweiz gibt es wie gesagt kein WLAN (oder seit neustem doch?), aber dennoch 443.724 GA-Kunden jährlich. Das heißt, jeder 18. Schweizer besitzt ein Generalabo! Die DB verkauft rund 43.000 Bahncard100 im Jahr. Da brauchen wir nicht viel rechnen, das ist schon in absoluten Zahlen nur ein Zehntel. Bezogen auf die Bevölkerungszahl ist das lediglich jeder 1860. Deutsche oder anders gesagt: Die Schweizer kaufen über 100 Mal so viele Jahresnetzkarten! Spässkens.

Ich habe nix gegen WLAN im Zug, im Gegenteil und freue mich, weil der neue MüNüX Ende nächstes Jahr schon welches haben soll. Aber um die Leute in die Züge zu bekommen, braucht es doch ganz andere Maßnahmen, die wie gesagt mehr auch mit Beton zu haben. In diesen Maßstäben sind ein paar Monitore und WLAN im Zug halt nur Schischi. Nice to have. Mehr nicht.
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Beitrag von Cloakmaster »

Wie schon einmal festgestellt, ist die Schweiz nur bedingt mit Deutschland vergleichbar. Die Schweiz hat auch keinen ICE, und da die Schweitz bahntechnisch ja das grosse Vorbild ist, sollten wir in D den ICE wieder abschaffen...??

diese Nice to have oder not nice not to have ist bei einer immer größer werdenden Zahl potentieller Bahn-Kunden der Ausschlag, ob es die Bahn wird, oder doch der Fernbus, die Mitfahrgelegenheit oder gar der Inlandsflug.

Was kostet das Schweizer GA im Vergleich zur BC100? Am besten auch noch in Relation zum Durchschnittseinkommen, welches, wenn mich nicht alles täuscht, in der Schweiz höher liegen dürfte, als in Deutschland? Und ja, natürlich speilt es auch eine Rolle, daß Deutschland nunmal eine Autofahrer-Nation war, ist und bleibt. Da ist gerade in den 50er und 60er jahren viel Porzellan zerschlagen worden, welches nun einfcah nicht mehr zu kitten ist. Und darum muss die deutsche Bahn sich eben auch so einiges mehr einfallen lassen, um eine größssere Zahl an (Stamm-)Kunden zu generieren. Bahnfahrten von 5 Stunden und mehr wird es in der Schweiz nun auch nicht so viele geben.
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Beitrag von Rohrbacher »

Cloakmaster @ 16 Oct 2015, 22:31 hat geschrieben:Wie schon einmal festgestellt, ist die Schweiz nur bedingt mit Deutschland vergleichbar. Die Schweiz hat auch keinen ICE, und da die Schweitz bahntechnisch ja das grosse Vorbild ist, sollten wir in D den ICE wieder abschaffen...??
Nein, nur schauen, was machen wie anders, wie kriegen die die Leute in die Züge. Die Instrumente dazu sind in Deutschland und der Schweiz auf jeden Fall vergleichbar. Den Kunden sind eigentlich immer die gleichen Dinge wichtig.

Und natürlich hat die Schweiz ICE, sogar im Binnenverkehr, z.B. der ICE 1256 Chur - Basel SBB. Wenn sie denn pünktlich fahren, sollen die ICE1 sogar sehr beliebt sein. ;)
Cloakmaster @ 16 Oct 2015, 22:31 hat geschrieben:Bahnfahrten von 5 Stunden und mehr wird es in der Schweiz nun auch nicht so viele geben.
Natürlich nicht. Deswegen fahren die Schweizer halt nach Mailand, Lyon, Paris, München, Stuttgart, Frankfurt... Ebenso wie in Deutschland finden die meisten Fahrten auf Kurz- und Mittelstrecken statt. Dort wird in Deutschland regelmäßig das Porzellan zerschlagen. Auf der Münchner Stammstrecke, auf den überlasteten Hauptstrecken, den stillgelegten Nebenstrecken, in nicht vorhandenen Ersatzzügen etc. Autofahrer-Nation ist schon richtig. Nur irgendwie sind sie es geworden und warum sind sie es geblieben? Und sind sie es denn alle? Es wäre schön, wenn's nur externe Gründe wären, die man nicht beeinflussen kann als Eisenbahn, aber so ist es eben nicht.

Hochrheinbahn Waldshut (D) - Schaffhausen (CH), Betriebsführung durchgehend DB Netz als deutsche Strecke. Ausbauzustand Schweiz (an den Formsignalen erkennt man die DB-Betriebsführung) vs. Ausbauzustand Deutschland, nur wenige Kilometer weiter. Im Kanton Schaffhausen vergingen nur wenige Jahre zwischen dem demokratischen Beschluss, die Strecke bis zur Grenze zwecks Angebotsausweitung auszubauen und für den Einsatz von ET zu elektrifizieren, in Deutschland wird noch überlegt. An dem Beispiel sieht man, dass die DB schon auch kann, wenn die Gebietskörperschaft sagt, dass sie soll.
Was kostet das Schweizer GA im Vergleich zur BC100?
3.655,00 CHF, derzeit etwa 3.376,75 Euro. Die Bahncard100 kostet 4.090,00 Euro. Dafür dass die Schweiz klein ist, doch recht viel, selbst wenn der Durchschnitts-Schweizer vielleicht 1/3 mehr im Geldbeutel hat. Der Durchschitts-Schweizer hat etwa so viel wie der Durchschnitts-Münchner. Daran liegt's eher nicht, würde ich sagen. Es ist auszuschließen, dass jeder 18. Münchner eine BC100 hat, denn alleine dann müsste die DB schon fast doppelt so viele BC100 verkaufen. Auch sind die Schweizer etwa genauso mobil wie die Deutschen, eher weniger. In Deutschland sind die Wege von Pendlern oft sogar länger und teurer.
diese Nice to have oder not nice not to have ist bei einer immer größer werdenden Zahl potentieller Bahn-Kunden der Ausschlag, ob es die Bahn wird, oder doch der Fernbus, die Mitfahrgelegenheit oder gar der Inlandsflug.
Ja. Wie gesagt. Mit WLAN würden 100. Mal so viele mitfahren... Sicher.
In der Autofahrernation sind daher Autos ohne WLAN unverkäuflich. Halt nein, sind sie nicht. Mh...
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Beitrag von Cloakmaster »

Einen Autofahrer kriegt man auch nicht so leicht in die Bahn, wie zB einen Fernbus-Fahrgast? Und womit wirbt der Fernbus? Unter anderem mit - na so was, WLAN. Ich bin mir sicher, daß dies dem Fernbus so manchen Kunden zugetragen hat, welcher sonst die Finger vom Fernbus gelassen, und eine andere Beförderungsart bevorzugt hätte. Und wer ein, zwei drei problemfreie Fernbusfahrten erlebt hat, kommt so langsam auf den Geschmack, bei der nächsten Reise direkt nach einem Fernbus-Angebot zu suchen, womit die Bahn noch mehr aus dem Fokus rutscht.

Wenn ich den Kofferraum voll bis unters Dach mit Gepäck habe, würde mich nichtmal ein Gratis-ticket für die erste Klasse dazu bewegen, das Auto stehen zu lassen, beim Wochenendtrip nur mit einem Rucksack dabei nach zB Berlin siehts da anders aus. Nur kann es da ebensogut der Fernbus, oder die Mitfahrzentrale sein. Was nun sollte mich dazu bewegen, die Bahn zu nehmen? Der Preis? meist sind die anderen günstiger. Das Tempo? da dürfte das Mitfahren zumindest ebenbürtig sein. Das Anschluß-Ticket im Nahverkehr? Beidingt, aber ein netter Fahrer wird mich auch zumindest in der Nähe dessen, wo ich hin will, rauslassen.

Wem willst du denn nun die vielen BC100 verkaufen? Im Vergleich zur Schweiz und bezogen auf das relative Einkommen ist die BC100 für einen deutschen Arbeitnehmer rund doppelt so teuer, wie das schweizer GA für einen schweizer Arbeitnehmer. Natürlich bietet die BC100 auch ein vielfaches an Leistungen, ein grössere Netz etc, pp - Nur ist das offenbar nicht das, was die Leute anlockt. Eine Europa-Bahncard für 20.000 Euro pro Jahr wäre realtiv zu den Kosten von Jahreskarten für 28 europäische Länder günstig - dürfte aber trotzdem nicht all zu viele Abnehmer finden. Ich denke, daß im Gegenzug Regio-BC100 für Süd- Mittel- und Norddeutschland zum Preis von knapp 2000 Euro liessen besser an den Mann bringen, als die Deutschlandweite BC100. Einfach, weil der Einstiegspreis ein anderer ist. Weiterer Vorteil des GA ist, daß man es bereits ab 4 Monaten bekommt - BC100 kann man zwar auch in einer monatlich kündbaren Version kaufen, aber hierzulande beträgt die Mindestdauer 12 Monate. Und: Wie oft fahren Schweizer mit der Bahn nach Mailand, Frankfurt oder Paris? Im Gegenzug: wie oft fährt ein Münchner mit der Bahn nach Westerland, Freiburg, Schwedt oder Flensburg?

Und ja, das liebe Auto. Bei rund 800.000 Beschäftigten in der Automobilindustrie sind das schon mal 800.000 potentielle Kunden, welchen man nur relativ schwer eine BC100 verkaufen kann.. Und ja , Neufahrzeuge ohne "Connected Drive" und ähnlichen "schischi" lassen sich immer schwerer verkaufen. Daß der Fahrer bekanntlich im Auto besseres zu tun haben sollte, als im Internet zu surfen unterschlägst du dabei mit voller Absicht. Und trotzdem zieht auch dort das Internet, gestützt auf - oh, schon wieder, WLAN, immer weiter ein. Selbst Kleinwagen kommen mit Sprachgesteuertem SMS Versand und -empfang daher, aber wozu sollte die Bahn ein Interesse haben, den Kunden stests aktuelle Anschluß- und Verspätungsinformationen aufs Handy zu liefern? so was von "schischi" aber auch, der Beförderungsfall wird schon merken, wenn er seinen Anschluß verpasst hat...
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Beitrag von Rohrbacher »

Cloakmaster @ 17 Oct 2015, 10:13 hat geschrieben:Natürlich bietet die BC100 auch ein vielfaches an Leistungen, ein grössere Netz etc, pp - Nur ist das offenbar nicht das, was die Leute anlockt.
Eben nicht! Das Netz der Bahncard100 hat Löcher, die größer sind als ganze Kantone. Im Dreieck zwischen Ingolstadt - Landshut - Regensburg kannst du mit der Bahncard100 höchstens in ein paar RBO-Bussen nutzen, die aber im besten Fall fünf Mal am Tag fahren und wenn, dann nicht sauber mit der Bahn verknüpft sind. Glaub mir, selbst wenn die WLAN und goldene Becherhalter hätten, würden die Fahrgastzahlen gleich bleiben und sich auf Leute beschränken, die nicht anders können. Da ist die Schweiz eine völlig andere Welt. Das deutsche Netz ist nicht dicht genug, überlastet, teilweise auch marode und langsam, Züge oft verspätet und untereinander und mit den Bussen kaum verknüpft. Daran und nur daran liegt's momentan, dass man viele Leute, selbst wenn sie wollen würden, nicht in die Öffis bekommt. Wo nix ist, kann nix genutzt werden.

Das Problem ist auch die Reform-Reform-Reformierei in Deutschland und heute die Zuständigkeit von hunderten Aufgabenträgern, die in Form der Landkreise oft keinerlei Fachkenntnis haben. Schweiz: Die SBB gibt's seit 1902, das Postauto seit 1906, die RhB sogar seit 1897 auch die Umwandlung in öffentlich-rechtliche Aktiengesellschaften 1999 (SBB) bzw. 2005 (Postauto) nicht dazu geführt hat, dass die Netze fragmentiert wurden man sich durch dezentrales, planloses Rumwurschteln teilweise abgeschafft hat. Es gibt heute keine Gemeinde in der Schweiz unter 10.000 Einwohner, die keinen regulären Schienenanschluss mit mindestens Stundentakt hat und keine Gemeinde, die nicht per PostAuto auch in der Regel mindestens stündlich erreichbar ist. Selbst im MVV ist das meist nicht der Fall und nichtmal dort kriegt man's hin, ein durchweg ordentlich durchkonstruiertes Netz aufzubauen.

Neulich wollte ich mal recherchien, was eine Busfahrt von Freising nach Pfaffenhofen (Mo-Fr 1 Fahrtenpaar) bzw. von Rohrbach nach Wolnzach (schultags ca. drei/vier Fahrtenpaare + Rufbus auf extra Fahrplan mit extra Tarif + zwei Fahrten auf exra Fahrplan mit extra Tarif eines anderen VU) eigentlich kostet, aber meinst du das steht (bis auf den fast taxiteuren Rufbus) irgendwo online oder das Unternehmen reagiert auf schriftliche Anfragen? Das ist Deutschland. Egal, mit einer Bahncard kommst du dort eh nicht weit und um überhaupt mal soweit zu kommen, musst du wissen, was du suchst.

In der Schweiz gehst du auf sbb.ch oder postauto.ch und kannst du dir nahezu das komplette schweizer ÖV-Netz raussuchen und wirst wie gesagt auch was finden. Bei bahn.de sind doch einige Orte gar nicht auffindbar, zumindest nicht mit halbwegs tauglichen Verbindungen.

Wir brauchen jetzt nicht drüber diskutieren ob man mit Dingen wie WLAN Leute in Züge und Busse bringen könnte, die gar nicht da sind. Deswegen kann man dafür auch keine Bahncards oder sonstwas verkaufen. Du hast bei meinem Beispiel mit dem GA einfach Ursache und Wirkung verwechselt. Weil das Angebot so gut ist, fahren so viele damit und zwar regelmäßig.

Mit einem Schweizer GA kannst du im Alltag landesweit was anfangen, eine Bahncard100 taugt nur für Vielfahrer und Langstreckenpendler im Kernnetz, aber meist nicht, um annähernd so mobil zu sein wie mit einem Auto. Das Preis-Leistungsverhältnis des GA ist daher ziemlich gut, wenn man bedenkt dass eine MVV Isarcard Gesamtnetz auch schon um die 2.000 Euro im Jahr kostet, du damit aber nichtmal bis Augsburg, Ingolstadt, Regensburg oder Rosenheim kommst und selbst wenn, dann nur ohne IC/ICE! Die Schweiz ist schon noch ein bisschen größer, du darfst alle Züge nutzen und bedenkt man das Lohn- und Preisniveau ist das schweizer GA sehr preiswert. Dass deutscher ÖV vergleichsweise teuer ist, hält bekanntlich auch viele von der Nutzung ab.
Cloakmaster @ 17 Oct 2015, 10:13 hat geschrieben:Und ja, das liebe Auto. Bei rund 800.000 Beschäftigten in der Automobilindustrie sind das schon mal 800.000 potentielle Kunden, welchen man nur relativ schwer eine BC100 verkaufen kann..
Das ist von dem her schon Quatsch, weil sich manche dieser Beschäftigten gar kein Auto leisten können und sich die Firmen es sich gar nicht leisten können, dass alle Mitarbeiter bis zum Mechanik-Azubi mit dem Auto zur Arbeit kommen. Das siehst du schön an den BMW-Werksbussen, so einer Art Parallel-ÖV-Netz. Eine gewisse größere Mainburger Busfirma als örtlicher Marktführer fährt meines Wissens fast mehr Kilometer am Tag nur für BMW als für MVV, RBA, RBO und INVG. :ph34r:

Und selbst wenn alle diese 800.000 niemals was anderes als Auto fahren würden, sind das nur 1% der deutschen Bevölkerung und auch diesmal hat niemand gefordert, das Auto abzuschaffen. In der Schweiz gibt es ja bekanntlich keine Autos und nur gaaaaaanz schlechte Straßen. Nein, es gibt auch in Deutschland, wo das Auto als Kulturheiligtum ja auch nicht unumstritten ist, eine riesengroße Zielgruppe wo Leuten, die eigentlich gerne Bahn/Bus fahren, nicht gerne Auto fahren, sich das Geld sparen würden oder selbst keinen Führerschein haben. Grad letzteres wird bei jungen Leuten immer verbreiteter, die privaten Autokäufer werden immer älter. Es dauert nicht mehr lang, da könnten nicht mehr die 18-25-jährigen die Gruppe mit den meisten Unfällen sein, sondern die über 65-jährigen. Man kann aber nicht fordern, dass diese Leute dann ggf. nicht mehr Auto fahren, wenn sie keine Alternative haben!

Ich sehe das aus eigener Erfahrung so: In einem 4-Personen-Haushalt mit zwei Pkw gibt's immer noch eine Zielgruppe von mindestens zwei Personen, für die man potenziell für die Bahn und den Bus (auch Fernbus) gewinnen kann. Man darf nicht vergessen mindestens 50% der Fernbuskunden kommt ja aus einer Zielgruppe, die auch vorher schon nicht oder nur selten Bahn gefahren ist. Auch als Bahn darf man diese riesengroße Gruppe nicht vergessen.

Wenn ich zu dem Thema ellenlange Beiträge schreibe, die Zeit tot diskutiere oder auch mal Bahn-/Busnetze entwerfe, dann sehe ist ganz realistisch selbst auf'm Dorf mit knapp 6.000 Einwohnern mehr als genug Leute und Fahrtanlässe mit denen man einen Regionalbus für einen Stundentakt ausreichend auslasten kann, also irgendwas zwischen 250 und 400 Fahrgäste am Tag erreicht, wovon dann durchaus auch wieder 100 NEUE Fahrgäste im Zug resultieren könnten. Es müsste nur ein sinnvolles, preislich faires Angebot geben. Bei uns im Landkreis an die 1.000 Autos/Krafträder je 1.000 Einwohner (!) zu ersetzen, muss ja gar nicht sein, das ist nichtmal in der Schweiz annähernd möglich, aber der deutsche ÖV hat in allen Belangen besonders in der Fläche noch sehr viel Luft nach oben, wo man von der Schweiz durchaus lernen könnte. Oder von mir aus von der DB Südbadenbus, deren Netz für deutsche/bayerische Verhältnisse mehr als nur in Einzelfällen aus meiner Sicht recht vorbildlich und mit den schweizer Postautos vergleichbar ist.
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Beitrag von 218 466-1 »

Rohrbacher @ 16 Oct 2015, 22:12 hat geschrieben:In der Schweiz (...) Die Schweizer (...)
Rohrbacher @ 16 Oct 2015, 23:34 hat geschrieben:der Schweiz (...) Schweiz ICE (...) die Schweizer (...) Schaffhausen (CH), (...) Im Kanton Schaffhausen (...) 3.655,00 CHF (...) die Schweiz (...) der Durchschnitts-Schweizer (...) Der Durchschitts-Schweizer (...) die Schweizer
Rohrbacher @ 17 Oct 2015, 18:20 hat geschrieben:Schweiz: Die SBB (...) (SBB) (...) in der Schweiz (...) In der Schweiz (...) sbb.ch oder postauto.ch (...) schweizer (...) Schweizer GA (...) Die Schweiz (...) das schweizer GA (...) In der Schweiz (...) in der Schweiz (...) Schweiz (...) schweizer Postautos
Mal ganz fies das wesentliche aus den Beiträgen zusammengefasst. :P :D
Cloakmaster @ 17 Oct 2015, 10:13 hat geschrieben:Einen Autofahrer kriegt man auch nicht so leicht in die Bahn, wie zB einen Fernbus-Fahrgast? Und womit wirbt der Fernbus? Unter anderem mit - na so was, WLAN.
WLAN sollte eigentlich schon lange Standard auch im NV sein.
Würde es noch eine Bewirtung (zumidest Snack-Automat) geben, wäre der IC2/IC-D genau das, wie ich mir einen moderner RE vorstelle.
IC sollte sich schon eher am Regio-Jet orientieren.

Man muss den Leuten etwas bieten, statt "nur" die Grundversorgung mit der billigsten Variante. Klar, dass die Leute nicht bereit sind, höhere Fahrpreise für längere Fahrzeit und schlechtere Ausstattung zu zahlen.
Dazu müsste aber die Bahn generell erstmal politisch höhere Priorität haben und nicht mehr als Wirtschaftsunternehmen geführt werden.
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Beitrag von Rohrbacher »

218 466-1 @ 17 Oct 2015, 18:52 hat geschrieben:Mal ganz fies das wesentliche aus den Beiträgen zusammengefasst. :P  :D
Wow. In einem Diskussionsbeitrag "Was kann die Schweiz besser und warum?" muss man echt ein ganz ausgebuffter Leser sein, um diese verräterischen Schlüsselworte zu finden. ;)

So langsam erinnern mich die Diskussion und die Lösungsansätze erschreckend an die Sparkassen-Werbung.
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Beitrag von Cloakmaster »

Kuchen!!
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Beitrag von 218 466-1 »

Rohrbacher @ 17 Oct 2015, 20:52 hat geschrieben:Wow. In einem Diskussionsbeitrag "Was kann die Schweiz besser und warum?"
Nur dass das tatsächliche Bahnland Schweiz mit dem so genannten "Bahnland Bayern" nicht wirklich vergleichbar ist. :rolleyes:
Genauso sinnvoll wäre eine Diskussion, warum Spanien im Wintersport im Vergleich zur Schweiz eher mager abschneidet. ;)
Rohrbacher @ 17 Oct 2015, 20:52 hat geschrieben:So langsam erinnern mich die Diskussion und die Lösungsansätze erschreckend an die Sparkassen-Werbung.
Und die Lösungen von DB Bahn erinnern mich erschrekend an diese Sparkassen-Werbung. :ph34r:
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Beitrag von Rohrbacher »

218 466-1 @ 17 Oct 2015, 21:51 hat geschrieben:Nur dass das tatsächliche Bahnland Schweiz mit dem so genannten "Bahnland Bayern" nicht wirklich vergleichbar ist. :rolleyes:
Was schreib ich hier eigentlich noch... Natürlich sind die beiden "Bahnländer" vergleichbar. In beiden Ländern kann nur genutzt werden, was es tatsächlich gibt. In einem Land fährt die Bahn in fast jedes Dorf, im anderen meistens nicht. So. Das könnte also schonmal ein ziemlich relevantes Detail sein. Wie flächendeckend ist das Angebot in einem Flächenland? In beiden Ländern ist die Bevölkerungsdichte ähnlich, in der Nordschweiz höher als in den Alpen, in München höher als in Niederbayern. In beiden Ländern können sich viele ein Auto leisten, Arbeit und Wohnung sind oft getrennt, in beiden Ländern können die Fahrgäste rechnen, wie teuer im Vergleich zur allgemeinen Lebenshaltung die Bahn ist, merken wie pünktlich die Züge sind, wie sauber die Bahnhöfe, wie gut Bus und Bahn verknüpft sind, wie gut die Informationen sind etc. etc. Gegenprobe: Würden die Schweizer (<- für deine Zitatsammlung) auch so oft mit der Bahn fahren wie heute, wenn die Züge vielleicht im Schnitt ein bisschen neuer wären und WLAN hätten, aber es 50% der Strecken nicht mehr gäbe, nur noch 15% der bisherigen Investitionen ins Netz getätigt werden, die Züge daher schlechtere Anschlüsse hätten, oft zu spät wären, Busanschlüsse oft in keinem Auskunftsmedium zu finden sind, es generell bei der Informationen massiv hapert, Bahnhöfe aussehen wie Ruinen und Bahn und Politik zu kurzfristigen und halbherzigen Entscheidungen neigen, was nicht direkt Vertrauen schafft, wenn ein junger Azubi überlegt, wie er in die Arbeit kommt und ob der Bus noch fährt, wenn er im dritten Lehrjahr sein wird?

Wenn nein, dann liegt's auch in Deutschland/Bayern genau an dieser Liste von so fundamentalen Unzulänglichkeiten, dass die beiden "Bahnländer" eben so unterschiedlich sind. Dann helfen eben auch Fähnchen, pardon WLAN nur unwesentlich um den ÖV attraktiv zu machen. Ein Tor schießen reicht nicht, wenn ich 0:7 hinten liege. Also muss man schauen, wie machen das andere ggf. besser. Dazu gibt's im ersten Schritt halt nix besseres als einen Vergleich mit anderen, wo's besser läuft. Wie bei der "0815-Bank" aus der Sparkassenwerbung.
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Beitrag von Entenfang »

So, jetzt mache ich einfach mal einen neuen Thread für die spannende und umfangreiche Diskussion auf mit der Bitte an die Mods, alles ab hier zu verschieben. Ich habe mal Eisenbahn allgemein gewählt, doch ganz einfach ist es nicht, die passende Kategorie für eine Diskussion zu finden, in der es um SPNV, SPFV, GV, Trassengebühren, Fern- und Regionalbus, Flugzeuge und Autos geht.

Cloakmaster @ 16 Oct 2015, 20:57 hat geschrieben:Mag sein, das so Spässkens wie WLAN von Eisenbahnern als "schischi" empfunden wird - natürlich ist oberste Prämisse ein stabiler und pünktlicher Betrieb. Trotzdem ist es eher dieser "Schischi" welcher die Kunden in die Bahn lockt - oder eben durch fehlen abhält.  Ich persönlich bin auch kein WLAN-Fanatiker, aber die breite Masse schreit geradezu nach WLAN überall, und empfindet nicht-vorhandenes WLAN inzwischen als rückständig, veraltet, und abschreckend. Da kann der Zug noch so pünktlich sein, wenn der (potentielle) Kunde erst gar nicht eingestiegen ist, nutzt das der Bahn auch wieder nichts.
Zu dem Thema möchte ich gerne einen kleinen Ausflug in die Theorie der Kundenzufriedenheit unternehmen. Dazu gibt es mehrere Modelle, z.B. Herzbergs 2-Faktoren-Modell oder das Kano-Modell. Ersteres wird vor allem bei der Arbeitsmotivation verwendet, kann aber auch auf Kundenzufriedenheit angewendet werden.

Wie es in den beiden Grafiken schön veranschaulicht ist, erkennt man, dass die Hygienefaktoren/Basisanforderungen nur Unzufriedenheit bekämpfen können, aber niemals Zufriedenheit herstellen können. Es wird einfach als selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie vorhanden sind. Dazu gehören beispielsweise Sicherheit, Heizung, Sauberkeit. Auch Pünktlichkeit gehört meiner Ansicht nach eigentlich in diese Kategorie, aber man kann sie auch zu den Leistungsanforderungen des Kano-Modells zählen. Eigentlich gehe ich davon aus, wenn meine Ankunftszeit 16:04 Uhr ist, dass ich dann auch tatsächlich um diese Zeit ankomme und freue mich nicht besonders, wenn es auch tatsächlich klappt.

Die Leistungsanforderungen des Kano-Modells können sowohl Unzufriedenheit bekämpfen als auch Zufriedenheit herstellen. In der Regel hat man konkrete Vorstellungen. Als Beispiel könnte man Fahrgastinformation nennen. Fährt man mit einem Bus eine unbekannte Strecke und es gibt keinerlei Information zur nächsten Haltestelle, wird man möglicherweise verärgert sein. Erwartet wird in der Bahn vielleicht eine Ansage des nächsten Haltes und begeistert ist man, wenn der Zub eine freundliche persönliche Begrüßung oder einen lustigen Spruch parat hat.

Die Motivatoren/Begeisterungsanforderungen dagegen sind sozusagen der Bonus. Sie werden nicht erwartet und begeistern, wenn sie da sind. Als Beispiel könnte man die intensive Kundenbetreuung durch den Zub nennen, der sich bei allen Fahrgästen nach Anschlüssen erkundigt, um sie entsprechend vorzumelden, Catering im Zug, umfassende Mobilitätsangebote (City-Ticket), Fahrgastfernsehen, Sparpreis Aktion für 19€ ... Insbesondere die Autoindustrie spielt extrem stark damit, vor Kurzem habe ich ein Werbung von Opel gehört, welch wundersame Ausstattung es im neuen Astra doch gibt.


Selbstverständlich ist die Einordnung in die unterschiedlichen Gruppen sehr subjektiv. Während Cloakmaster WLAN als Basisanforderung sieht, gehört es für Rohrbacher zu den Begeisterungsanforderungen. Ich persönlich würde es bei den Leistungsanforderungen einordnen und hoffe sehr, dass man das in Deutschland auch noch hinkriegt.

Ein weiteres Problem bei der Einteilung ist, dass die Begeisterung allmählich nachlässt. War vor 30 Jahren ein klimatisierter Wagen möglicherweise noch ein Grund für Begeisterung, ist das heute einfach selbstverständlich.

Um neue Kunden zu gewinnen, ist es zunächst immer erforderlich, die Basisanforderungen zu erfüllen. Sonst nützen auch die Begeisterungsanforderungen nichts. Ich glaube kaum, dass jemand wegen dem superschnellen WLAN zum neuen Bahnkunden wird, wenn mit hoher Verspätung oder gar einem Unfall gerechnet werden muss. Oder eben gar keine Bahn bzw. ÖV vor Ort vorhanden ist.
Außerdem möchte ich nochmal auf die Umfrage im Hörsaal (vor gut einem Jahr) unter Verkehrsingenieurstudenten hinweisen, über die ich auch schon mal berichtet habe. Auf die Frage "Was nervt am meisten beim Bahnfahren?" wurden in dieser Reihenfolge genannt:
-Preis
-Tarifdschungel (von mir)
-Freundlichkeit Personal im Zug
-Platzkapazität im Zug
-Pünktlichkeit
-Attraktivität Gesamtnetz/Angebot/Verfügbarkeit

Wenn ich mich im (Freak und Nichtfreak-)Bekanntenkreis umhöre, habe ich am häufigsten Preis, Pünktlichkeit, Verfügbarkeit, Sauberkeit, Tarifdschungel und Fahrgastinformation als negative Erfahrungen gehört. Fehlendes WLAN hat dagegen noch nie jemand bemängelt.
Rohrbacher @ 17 Oct 2015, 18:20 hat geschrieben:Weil das Angebot so gut ist, fahren so viele damit und zwar regelmäßig.
Ganz genau, das würde ich so unterschreiben. Ein gutes ÖPNV-Angebot wird auch genutzt und man muss gar nicht mal groß dafür werben. Siehe Karlsruher Stadtbahn, unzählige SPNV-Reaktivierungen, Tram nach St. Emmeram, ...
Rohrbacher @ 17 Oct 2015, 18:20 hat geschrieben:Wenn ich zu dem Thema ellenlange Beiträge schreibe [...]
Manchmal braucht man einfach ein paar mehr Zeilen. Bitte weiter so, aus deinen Beiträgen habe ich schon viele interessante Infos bekommen.
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Beitrag von Entenfang »

Ich schlage vor, die spannende Diskussion hier fortzusetzen, nachdem wir gaaaanz leicht OT geworden sind. ;)
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Beitrag von Cloakmaster »

Der Vergleich mag durchaus passen. dabei bleibt festzuhalten, daß ein vollständiger Umbau der 08/15-Bank zur sparkasse, aka ein vollstäniger Umbau der DB nach Vorbild SBB wohl nicht passieren wird. Fähnnchen (zB WLAN) verteilen ist aber oft auch schon plakativ genug, um neue Kunden anzulocken, obwohl das gesamtangebot noch immer weit hinter den Möglichkeiten hinterherhinkt. Der Vorteil der Fähnchen ist, daß diese schneller und leichter zu besaffen sind, als so ein Totalumbau des gesamtesn Systems.

Natürlich darf das nicht wie bei VW enden, wo man ein Software-Fähnchen verwendete, statt sich an den nötigen Totalumbau zu machen.
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Beitrag von Cloakmaster »

Für mich persönlich ist WLAN keine Basisanforderung. Ähnlich zwiespältig sehe ich auch den "superaufmerksamen" ZuB, der mich alle 3 Minuten nahc meinen Wünschen fragt - wo ich evtl einfahc nur pennen, und die Zeit zum Ziel rumkriegen will. Meine persönliche Lieblignsbeschäftigung während ich unterwegs bin ist nach wie vor Lesen. (es sei denn, ich bin selbst für die Führung des genutzten Fahrzeuiges verantwortlich, versteht sich.

aber da ich selbst recht viel utnerwegs bin, habe ich auch einen Bekanntenkreis, der recht viel unterwegs ist - darum sind Reisebedinugenn und -erlebnisse immer wieder ein beliebtes Thema. Und tatsächlich höre ich immer öfter Sätze wie "In die (Straßen-, Regional. - Fern-) Bahn kreigt mich kein Pfed, die haben da ja nicht mal WLAN...". Senn selsbt die erzkonservative und pokitsch chanchenlose CDU Bremen WLAN in allen Bussen und Bahnen des ÖPNV fordert, dann ist wohl wirklich die Zeit gekommen, darüber nachzudenken. Im ÖV denke ich, daß es einfacher und sinnvoller wäre, die Haltestellen mit Routern und repeatern zB des "freifunk"-Netzwerkes auszustatten, um eine ausreichende Abdeckung des Stadtgebietes zu erreichen.

Tatsächlich wurde nach Flügen zwischen Bremen und Berlin gesucht, nach Pkw-Mitfahrten, und nach Fernbussen. Mein Contra, daß das Mitfahr-Auto sicher kein WLAN bietet, wurde nicht wirklich gelten gelassen, und Direktflüge gibt es derzeit keine, so wurde es dann eben der Bus, der dazu auch umsteigefrei fährt - das zweifache Umsteigen an den beiden Busbahnhöfe wurde dabei ebensowenig als störend empfunden, wie die Notwendigkeit einer Anschlußfahrkarte in Berlin, um zum eigentlichen Zielort zu komen - welcher mit FV-Farte und City-ticket ohne extra BVG-Fahrkarte erreicht worden wäre. Wirklich bequem wurde die Fahrt nicht genannt: Nicht mal ne klitzekleien Raucherpause, boar ey...!, und auch die Stau-bedingte Verspätung wurde akzeptiert, denn dafür hatte man ja - hurra, stabiles WLAN! Dieses 'Merkmal' machte alle Nachteile des Bus vergeben und vergessen. Und das nicht nur einmal von einer Seite sondern vielmals, von vielen Seiten.

Daraus ziehe ich nun vor allem die Lehre, daß, wenn man das Gesamtsystem nicht wirklich verbessern kann, bzw. diese nicht kurzfristig erreicht werden kann, dann sind kleine Lollies (oder meintewegen auch Fänchen) noch immer eine kostengünstige und wirksame Methode, Unzufriedenheiten auszubügeln. Das gleiche gilt zB auch in der Gastronomie: Wenn eine freundliche und adrette Bedienung mir im restarant einen Laspus auf charmante Weise 'beichtet', dann verraucht auch sehr schnell so einiges an Unzufriedenheit über ein verbranntes Steak, einen vergessenen Salat, oder eine unfreiwillige Bier-dusche. zurück belibt dann oft nur die Erinnerung an den guten Service, und dann wird auch genau das weiter erzählt: Das man sich wohl gefühlt hat im Lokal xy - und oft genug fällt dann die Erwähnung des verbrannten Steaks sogar weg.

Ich wüsste zu gerne, wie die finanzielle Bilanz der Speisewagen bzw. Board-bistros aussieht. Nach meiner rein subjektiven Einstellung ist das Angebot systembedingt zu schlecht und zu kostenintensiv, um wirklich für den Kunden attraktiv, und zeitgleich für die Bahn renditestark zu sein. Ich persönlich würde sinnvoll bestückte Automaten in mehreren Waggons (statt nur einem) zu akzeptbalen Preisen doch bevorzugen.

Allerdings ist ein derartieges Angeobt genau das, womit die Bahn eben punkten kann: Im Fernbus und im Auto wird es nie Bier vom Fass geben, denke ich. Und: Man hat das Raumvolumen, welches so ein Zug nunmal in (im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln) unschlagbarer Menge bietet, bestens bespielt. Einzig ein Schiff könnte da noch mithalten. Aber reine Personenbeföderung auf dem Wasserweg wird wohl wenig Akzeptanz finden. Wer würde schon in eine stündliche Fährverbindung von zB Regensburg nach Linz einsteigen, wenn es nicht um eine Ausflugsfahrt geht, sondern man einfach nur ans Ziel kommen will?

Genau da liegt uahc der Haken an solchen Platzraubenden Extra-Angeboten. Sicher ist vieles denk- und auch machbar (Duschen, Wihrlpoos, Firnetss-Geräte, Kino...) aber: Wäre der kunde bereit, einen kostendeckenden Aufpreis zu bezahlen? Ich denke, eher nicht.

Früher war die Reise selbst schon Teil des Erlebnisses, man hatte Zeit und nahm sie sich auch. Inzwischen wird die Fahrzeit oft doch mehr oder minder als "verlorene" Zeit angesehen, da können zB auch die nächtlichen Hotelzüge nicht viel daran ändern. Das Modell der Autoreisezüge hat sich offensichtlaich ja ebenfalls überlebt. Schade eigentlich. Wenn ich zu dem Preis, den ich in etwa an Sprit an der Tanke gelassen hätte, mein Auto von A nach B transportiert bekäme, würde ich das sicher gerne und oft auch nutzen.

Ich persönlich fände einen im Sitz eingebauten PC mit Internet-Verbindung ganz gut, dann könnte mein privates Gerät in der Tasche oder gleich ganz zu Hause bleiben, und ich müsste nur einen Stick mit meinen privaten Dateien mitnehmen. Aber die meisten werden wohl ihr eigenes, privates und vertrautes Gerät bevorzugen. und wollen nur einen Stromanschluss zum Betrieb des Gerätes.

So langsam will ich ins Bett, da fällt mir auf: Stimmt, ich habe praktisch kaum über die Basisanforderungen gesschrieben. Sauberkeit, Sicherheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit - sie werden einfahc selbstverständlich eingefordert, daß man darüber nicht einmal ein Wort verlieren mag. Man setzt einfach vorraus, daß dem so ist. Aber: Das gilt eigentlich für alle Systeme gleichermaßen. Ich erwarte einen sauberen Zug, erwarte aber auch, daß der Bus mindestens ebenso sauber, sicher, püntklich udn zuverlässig ist. Und genau darum eigen sich diese Basisforderungen in meinen Augen dann doch weniger, um Fahrgäste anzulocken. Lediglich ein Nichterfüllen (auch und gerade: Subjektiv unterstelltes Nichterfüllen, nicht zwingend objektiv erlebtes) wird extrem negativ bewertet.
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Beitrag von Rohrbacher »

Erstmal vielen Dank für die beiden Schaubilder, die finde ich sehr gut.
Entenfang @ 17 Oct 2015, 23:10 hat geschrieben:Während Cloakmaster WLAN als Basisanforderung sieht, gehört es für Rohrbacher zu den Begeisterungsanforderungen.
Korrektur. Auch ich sehe WLAN, wenn auch nicht als vorrangiges Austattungselement, heutzutage natürlich als Basisanforderung. Die Kunden kennen es von anderswo und erwarten es daher auch im Zug. Deswegen meine ich aber auch, dass die Fahrgastzahlen wegen einer (allerdings nachrangigen) Selbstverständlichkeit keine Sprünge machen werden, wenn's mal da ist. Kurzfristig vielleicht, weil's alle mal ausprobieren, aber für nachhaltige deutliche Steigerungen der Fahrgastzahlen braucht es größere Anstrengungen. Oftmals ja allein schon, um mehr Fahrgäste überhaupt befördern zu können. Die Fahrgastzahlen des München-Nürnberg-Express lassen sich mit den bisherigen Zugkapazitäten nunmal kaum noch steigern, egal was man sonst noch unternimmt.
Entenfang @ 17 Oct 2015, 23:10 hat geschrieben:Fährt man mit einem Bus eine unbekannte Strecke und es gibt keinerlei Information zur nächsten Haltestelle, wird man möglicherweise verärgert sein.
Nicht nur das. Viele Leute sind allein durch die Vorstellung (unabhängig von der tatsächlichen Lage) sich quasi in eine ungewisse, nicht kontrollierbare Situation zu begeben schon verunsichert und meiden daher solche Situationen. Die fahren jeden Tag auf ihrer Strecke mit der Bahn oder dem Bus, aber woanders hin trauen sie sich nicht. Meine Pappenheimer umschreiben das dann gerne als "ist umständlich". Deswegen fahren viele im Zweifel mit dem Auto, weil sie die Situation kennen und daher auch an fremden Orten für beherrschbarer halten.

Genau das ist in Deutschland (im Gegensatz zur Schweiz) nicht nur bei Fahrgästen, sondern auch in der Politik ein Problem. Die Entscheidungsträger, vor allem in den Landkreisen, die den Regionalbusverkehr organisieren sollen, sind dem ÖV meist völlig entwöhnt und können sich vieles schlicht und einfach gar nicht vorstellen, z.B. warum sowas "auf'm Dorf" nötig sein soll, denn "mia san do ned in da Stodt." Die Leute haben aus der Gewohnheit raus, keinen Bus zu haben, oft schon gar nicht mehr die Erwartungshaltung, dass das ÖV auch außerhalb von München geben müsste. Selbst dann nicht, wenn allein an einer vorgeschlagenen Linie 25.000 Leute (!) wohnen, Schulen mit heutzutage teils flexiblen Unterrichtszeiten, größere Firmen, Orts- und Stadtzentren mit Geschäften und Ämtern und natürlich auch Bahnhöfe mit Halbstundentakten am Weg liegen. Viel mehr erschließt ein Stadtteilbus in einer Großstadt auch nicht, wenn auch mit kürzerem Linienweg, dafür aber oft deutlich längerer Fahrzeit pro Wegeinheit. Stadtverkehr halt. Aber das ist für Leute, die mit dem ÖV überhaupt nichts mehr in ihrer Lebenswirklichkeit zu tun haben, schwer vorstellbar. Man denke an die 50% der Deutschen, die angeblich noch nie in einem Zug gesessen haben und in einem Bus eventuell zuletzt bei der Klassenfahrt vor 40 Jahren.

Das führt zum nächsten Problem, nämlich dass die Vorstellung und teils Erwartungshaltung vom ÖV ebenso alt ist und die leute entsprechende Bilder im Kopf haben. Wobei das gradaus dahin führt, dass man annimmt, das habe sich seither alles massiv verändert und daher die Enttäuschung, wenn sich doch gar nicht so viel verändert haben sollte, umso größer ist.

Um's gleich zu sagen, das muss nichts damit zu tun haben, dass jemand die gleichen Silberlinge vorfindet, die früher auch schon gefahren sind. Ich glaube das erkennen viele in Wirklichkeit gar nicht, allein weil der Silberling außen rot und innen blau-grau ist. Ich möchte eher in Richtung der Erfahrungswerte, die die Leute in ihrer Lebenswirklichkeit gemacht haben, nämlich dass sich zwischen VW Käfer und VW Golf VII massiv was zum Positiven verändert hat hinsichtlich Komfort und Fahrverhalten. Trotz Klimaanlage und tieferem Einstieg, kann es daher sein, dass ein solcher Kunde von einem 440 oder so ziemlich enttäuscht ist. Weil er sich das irgendwie anders vorgestellt hat. Die bahnentwöhnten Senioren unter meinen Pappenheimern vermissen vor allem Vorhänge an den Fenstern gegen die Sonne. In der Tat, die hatte früher mal jeder Schienenbus und jeder Umbauwagen mit Stahlrohrsitzgestellen und sich eigentlich schon praktisch, wenn man so drüber nachdenkt. Vielleicht sind die auch nur positiv in Erinnerung geblieben, weil in den meisten Autos der Sonnenschutz auch keine Rolle spielt und sich die Bahn da früher schon positiv abgehoben hat. Für die nichtdigitale Generation daher vielleicht ein Feature, dass mindestens so wichtig wäre wie WLAN, vielleicht sogar billiger zu realisieren wäre und eigentlich in jedem Reisebus drin ist!
Cloakmaster @ 18 Oct 2015, 00:24 hat geschrieben: Stimmt, ich habe praktisch kaum über die Basisanforderungen gesschrieben. Sauberkeit, Sicherheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit - sie werden einfahc selbstverständlich eingefordert, daß man darüber nicht einmal ein Wort verlieren mag.
Diese Erwartungen werden allzu oft enttäuscht und sieht man auch immer wieder, wenn man sich mit dem Image vor allem der DB AG beschäftigt. Mal abgesehen von der Sicherheit, drehen sich fast alle Beschwerden und nun eben auch Vorurteile genau um diese Punkte.

Sauberkeit, Sicherheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit. Ich möchte erstens noch einen guten Preis ergänzen, das ist den Deutschen bekanntlich allgemein sehr wichtig und bei der Bahn auch ein häufiger Kritikpunkt. Zweitens würde ich noch eine gute örtliche und zeitliche Verfügbarkeit ergänzen. Letzteres hat sich mittlerweile in Bayern flächendeckend gebessert, es gibt quasi keine Strecken mehr, die um 18 Uhr Betriebsschluss machen und nur alle paar Stunden mal fahren. Die örtliche Verfügbarkeit ist aber - ich erwähnte es - in unserem Flächenland ein fundamentales Problem, das in den letzten Jahrzehnten sehr zugenommen hat. Wer 25 oder 30 km vom nächsten Bahnhof entfernt wohnt, fährt kaum Bahn. Das sind nicht wenige, da auch teils große Gemeinden keinen Bahnanschluss mehr haben, teilweise nicht einmal mehr in Form eines Busses, bei dem es nicht an der zeitlichen Verfügbarkeit hapert. Wenn die Diskussion jemand liest, der z.B. irgendwo zwischen Freising und Kelheim, Ingolstadt und Landshut sowie Pfaffenhofen und Neufahrn in Niederbayern wohnt, der würde sagen, was nutzt mir die beste Eisenbahn, wenn ich örtlich keinen Zugriff habe? Was in Auto-Zug-Diskussionen oft mit "Ich fahr Auto. Oder holt dich der Zug daheim an der Haustür ab?" beschrieben wird, ist etwas versachlicht, meiner Meinung nach eines der größten Hindernisse für mehr Bahnverkehr in Deutschland. Das Netz ist in manchen Regionen einfach viel zu dünn und Busse als Ersatz schlecht oder gar nicht (mehr!) organisiert. Das (trotz einiger Einstellungen) unheimlich dichte Netz in der Schweiz macht aus meiner Sicht den allergrößten Unterschied international aus und dürfte für die hohen Fahrgastzahlen hauptverantwortlich sein. Denn wenn die Bahn vor Ort ist und in der Nähe Leute wohnen, wird sie genutzt. Trotz der diskussionswürdiger Sauberkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und teuren Fahrpreisen, in meinem Ort steht ein Bahnhof, es fahren Züge und Leute mit. Viele Leute. Die könnten fast alle mit'm Auto fahren, sie motzen teils, aber sie fahren mit. Die Leute sind nicht anders drauf als in den Orten 25 km weiter östlich, wo kein Bahnhof ist. Die fahren einfach deswegen deutlich weniger Bahn, weil sie einen viel schlechteren Zugriff haben. Dazu kommen noch die Leute, deren Reiseziel einer dieser nicht erschlossenen Orte ist. Viele davon werden deswegen auch auf den anderen 90% der Reisekette, wo eine Zugverbindung bestehen würde fehlen. Das Fehlen einer Bahnverbindung nach Mainburg, Pfeffenhausen, Riedenburg, Ottobeuren, Viechtach, was sich in Summe auf zig Millionen deutsche Haushalte ausweitet, kostet der Bahn auch im Kernnetz und auf Dauer massiv Marktanteile im Güter- wie auch Personenverkehr. Das wird auch so bleiben, egal wie toll man die anderen Probleme der Bahn in den Griff bekäme.

Die Fahrgäste, die jetzt im dem Weißenhorner manchmal zu viele sind für einen einzigen 650, sind vorher meistens nicht Bus gefahren, in Senden vom Auto umgestiegen oder jetzt zufällig vom Himmel gefallen oder wegen der Verkehrsanbindung hingezogen (der Effekt kommt erst noch), nö, die sind zu einem Großteil vorher die ganze Strecke mit dem Auto gefahren. Oder zu Hause geblieben, das gibt's freilich aus.

Deswegen werden auch die Verkehrsprobleme in den Städten oft am Besten durch Verbesserungen im ÖV des (weiteren) Umlands erreicht. Wer dort keinen Zugriff auf die Bahn hat und für den die Bahn im Leben keine Rolle (mehr) spielt, bringt sein Auto eben auch gerne mal mit in die Stadt. Deswegen finde ich es auch völlig bescheuert, dass es in Bayern kein Landesbusnetz oder größere Förderungen für wichtige auch mal landkreisübergreifende Zubringerbusse gibt, um zumindest damit ein paar Leute mehr indirekt Zugang zum Bahnnetz zu geben.
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Beitrag von 218 466-1 »

Rohrbacher @ 17 Oct 2015, 22:52 hat geschrieben:Natürlich sind die beiden "Bahnländer" vergleichbar. (...) Gegenprobe: Würden die Schweizer (<- für deine Zitatsammlung) auch so oft mit der Bahn fahren wie heute, wenn die Züge vielleicht im Schnitt ein bisschen neuer wären und WLAN hätten, aber es 50% der Strecken nicht mehr gäbe, nur noch 15% der bisherigen Investitionen ins Netz getätigt werden, die Züge daher schlechtere Anschlüsse hätten, oft zu spät wären, Busanschlüsse oft in keinem Auskunftsmedium zu finden sind, es generell bei der Informationen massiv hapert, Bahnhöfe aussehen wie Ruinen und Bahn und Politik zu kurzfristigen und halbherzigen Entscheidungen neigen, was nicht direkt Vertrauen schafft, wenn ein junger Azubi überlegt, wie er in die Arbeit kommt und ob der Bus noch fährt, wenn er im dritten Lehrjahr sein wird?

Wenn nein, dann liegt's auch in Deutschland/Bayern genau an dieser Liste von so fundamentalen Unzulänglichkeiten, dass die beiden "Bahnländer" eben so unterschiedlich sind. Dann helfen eben auch Fähnchen, pardon WLAN nur unwesentlich um den ÖV attraktiv zu machen. Ein Tor schießen reicht nicht, wenn ich 0:7 hinten liege. Also muss man schauen, wie machen das andere ggf. besser.
Ja schon.
ABER: Selbst wenn ein völliges Umdenken in der Politik stattfinden würde, die DB rückverstaatlicht wird, unter chinesischen Zwangsmaßnahmen (die hierzulande erforderlich wären), Bahnstrecken umfangreich neu gebaut / ausgebaut / reaktiviert werden, Großaufträge an neuen komfortablen Zügen mit Deluxeausstattung, flächendeckend sowohl ICE, IC RE und RB midestens in 30 Min. Takt fahren ohne sich gegenseitig zu behindern und auf Transrapid und Busse bestens abgestimmt werden, Bahnhöfe renoviert werden etc. - es würde nicht dazu führen, dass Bayern wirklich ein Bahnland werden würde.
Ganz einfach deshalb, weil zu viele schon aus Prinziep lieber Auto fahren und (aus deren Sicht) es nicht nötig haben, Bahn zu fahren.
Man könnte die Fahrgastzahlen natürlich deutlich steigern, aber dennoch wäre der prozentuale Anteil der Bevölkerung, die Bahn fahren, weiterhin deutlich unter dem schweizer Niveau.

Abgesehen davon, dass man die Investitionen und Baumaßnahmen ohnehin nicht realisieren könnte, weil die kleinste Verbesserung für Bahnstrecken, bereits Massive Proteste auslöst. Schließlich hätte Hintertupfing einen Ausbau der Straße dringend nötig, wo das Geld gebraucht wird. Ein ganz wesentlicher Unterschied zur Schweiz.
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Beitrag von Entenfang »

Na dann erstmal sorry fürs falsche Unterstellen, zu was ihr WLAN zählt.

Ähnlich zwiespältig sehe ich auch den "superaufmerksamen" ZuB, der mich alle 3 Minuten nahc meinen Wünschen fragt - wo ich evtl einfahc nur pennen, und die Zeit zum Ziel rumkriegen will.
Klar kann man es auch übertreiben. Eine absolute Unsitte sind meiner Meinung nach die automatischen "NÄCHSTER HALT PLAUEN VOGTLAND OBERER BAHNHOF. ÜBERGANGSMÖGLICHKEIT ZUM REGIONALVERKEHR UND ZUM ÖFFENTLICHEN PERSONENNAHVERKEHR." Informationsgehalt nahezu Null und viel zu laut.

Aber versetze dich in die Situation bei der Fahrkartenkontrolle.

Szene 1: Der Zub geht schlecht gelaunt durch den Wagen. "Die Fahrscheine bitte." Die Fahrkarten werden abgezwickt, ohne sie oder die Fahrgäste überhaupt richig anzuschauen.

Szene 2: Der Zub geht mit einem freundlichem Geischtsausdruck durch den Wagen. "Guten Tag, Ihre Fahrkarten bitte." ... "Danke, gute Fahrt." Die Verbindungen schaut er sich zumindest grob an, um im (möglicherweise später auftretenden) Verspätungsfall häufig auftretende Anschlüsse gleich vorzumelden.

Solche Kleinigkeiten können dafür sorgen, dass man die Fahrt gleich in viel besserer Erinnerung behält.
Ich wüsste zu gerne, wie die finanzielle Bilanz der Speisewagen bzw. Board-bistros aussieht. Nach meiner rein subjektiven Einstellung ist das Angebot systembedingt zu schlecht und zu kostenintensiv, um wirklich für den Kunden attraktiv, und zeitgleich für die Bahn renditestark zu sein.
Soweit ich weiß, rechnen sich die Bordbistros unterm Strich nicht. Bei der Diskussion um die ICx hat Grube noch mal bekräftigt, dass er die Bordbistros auf jeden Fall behalten will. (Hatten wir das nicht irgendwo schon verlinkt?)
Ich hatte bisher kein Glück mit den Bordbistros. Immer wenn ich mich darauf verlassen habe und hungrig war, gab es irgendeinen technischen Defekt oder Überfüllung oder einen sonstigen Grund, warum es kein gemütliches Essen nach meinen Vorstellungen wurde. Und das bei nicht gerade günstigen Preisen...

Naja, was heißt systembedingt. Bei der MAV wird dein Essen von einem Koch an einem Herd zubereitet. Man könnte also schon, wenn man nur wollte.
Wer 25 oder 30 km vom nächsten Bahnhof entfernt wohnt, fährt kaum Bahn.
Und genau deswegen bin ich auch nicht glücklich, wenn gefordert wird, SPNV unter 2000 oder 1000 Fahrgästen pro Tag abzubestellen. Denn das bedeutet dann sehr häufig leider auch, dass die Fahrgäste auf längeren Strecken verloren gehen.
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Beitrag von TramBahnFreak »

Rohrbacher @ 17 Oct 2015, 18:20 hat geschrieben:Selbst im MVV ist das meist nicht der Fall und nichtmal dort kriegt man's hin, ein durchweg ordentlich durchkonstruiertes Netz aufzubauen.
Um den mvv als Negativ-Beispiel für irgendwas heranzuziehen, muss man aber zugegebenermaßen auch nicht lange suchen... :ph34r:


Im Übrigen: herzlichen Dank an den Rohrbacher, du sprichst mir aus der Seele! :)
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Galaxy
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Beitrag von Galaxy »

Weil ich gerade in einer Jacke ein Ticket vom Sommer gefunden habe:

Dass das was man Ausdruckt bitte mit dem Übereinstimmt was auf den Bahnhofs/Lok anzeigen steht. Der DB Automat am Düsseldorfer Flughafen druckte RE 10117 auf den Reiseplan. Auf den Anzeigen stand aber RE 1. Wenn ich den Schaffner richtig verstanden habe ist das eine eine Zugnummer das andere eine Liniennummer. Es war in diesem Fall aber sehr verwirrend da der Zug über 30 Min Verspätung hatte, und als Endziel nicht mehr Paderborn, sondern Dortmund hatte. Die Anzeige im Bahnhof zeigt als Ziel Dortmund an, die E-Displays auf dem Zug zeigten Paderborn an.
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Beitrag von rautatie »

Für mich ist WLAN auch ein sehr angenehmes Nice-To-Have, denn insbesondere auf abgelegenen Regionalzugstrecken ist die Netzabdeckung oft schlecht.

Trotzdem ist es ein Nice-To-Have, und am wichtigsten ist mir nach wie vor ein gut funktionierender Basisbetrieb ohne allzu große Verspätungen und mit einigermaßen dichtem Takt und funktionierenden Umsteigeverbindungen. Was nützt mir ein tolles WLAN, wenn ich wegen notorischer Verspätung und nicht wartender Anschlusszüge irgendwo auf halber Strecke hängen bleibe?
Wo ist das Problem?
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Beitrag von Bayernlover »

Du kannst via WhatsApp jemanden darum bitten, dich abzuholen.
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
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Beitrag von Jogi »

Entenfang @ 19 Oct 2015, 22:20 hat geschrieben:Soweit ich weiß, rechnen sich die Bordbistros unterm Strich nicht.
Tun sie auch nicht. Isoliert betrachtet, fährt die Bordgastronomie im FV einen (meine letzte Zahl von vor ein paar Jahren) niedrigen zweistelligen Millionenbetrag als Verlust ein. Auf der anderen Seite hat man wenigstens nach dem letzten Versuch 2002/2003 erkannt, dass FV-Kunden diesen Service erwarten, der sich sehr stark aus der Haltung speist, Ich kann in den Speisewagen gehen, muss aber nicht. Sieht man auch daran, dass für die ICx zumindest in der langen Variante von Anfang an ein vollwertiges Restaurant bestellt war.
Entenfang @ 19 Oct 2015, 22:20 hat geschrieben:Bei der Diskussion um die ICx hat Grube noch mal bekräftigt, dass er die Bordbistros auf jeden Fall behalten will. (Hatten wir das nicht irgendwo schon verlinkt?)
Neben dem "Alles kann, nichts muss" soll das Restaurant als Markenbestandteil des ICE bewahrt werden, auch in Abgrenzung zum IC 2, bei dem der Snack-Caddy gar nur auf ausgewählten Strecken vorbeirumpeln soll.
Der Vollständigkeit halber: Ein Link dazu wäre bspw. hier.
Entenfang @ 19 Oct 2015, 22:20 hat geschrieben:Ich hatte bisher kein Glück mit den Bordbistros. Immer wenn ich mich darauf verlassen habe und hungrig war, gab es irgendeinen technischen Defekt oder Überfüllung oder einen sonstigen Grund, warum es kein gemütliches Essen nach meinen Vorstellungen wurde. Und das bei nicht gerade günstigen Preisen...
Das ist auch ein Makel, der den Futterkisten (nicht unberechtigt, wobei da rein subjektiv die Zuverlässigkeit im letzten halben Jahr gestiegen ist) anhängt. Ebenso die Preise, wobei es da auch auf den Vergleichspunkt ankommt: Wer eher großstädtisch & mobil geprägt ist, dürfte sie weniger schlimm bzw. relativ "normal" empfinden (das Hähnchenknusperschnitzel mit Ofentomate und Rosmarinkartoffeln kostet an der Monopol-Raststätte schließlich auch 11,90 EUR ;) ), während das Klischee-Landei bei zwölfeuroneunzig Gulasch mit Spätzle sein Stammwirtshaus daneben stellt und dort für zwei Euro weniger eine anderthalbmal so große Portion bekommt.
Entenfang @ 19 Oct 2015, 22:20 hat geschrieben:Und genau deswegen bin ich auch nicht glücklich, wenn gefordert wird, SPNV unter 2000 oder 1000 Fahrgästen pro Tag abzubestellen. Denn das bedeutet dann sehr häufig leider auch, dass die Fahrgäste auf längeren Strecken verloren gehen.
Wenn ich da als Fallbeispiel die Wipperliesl daneben stelle, wo sich aufgrund der demographischen Entwicklung und weiter gehenden Fragmentierung der Schulwege (gemeinhin die "Lebensgrundlage" für Nebenbahnen) die Fahrgastzahlen von 2000 bis 2013 auf 42.000/Jahr halbiert (wiki-Artikel) und damit das Betriebskonzept ad absurdum geführt haben, stellt sich schon, ob dafür nicht der Bus eine vergleichbare Leistung für weniger Geld bieten kann... Im VBB beispielsweise wurde wimre zum Fahrplan 2015 der "PlusBus" (PDF) eingeführt. Trotz des bescheurten Namens, die Grundidee, die "Bahnqualitäten" Stundentakt (wenigstens unter der Woche) und abgestimmte und kurze Übergänge an Umsteigebahnhöfen anzubieten, hat was. Wobei ich persönlich noch weiter gehen würde, Durchtarifierung auch im DB-Tarif oder wenigstens das gleichzeitge Verkaufen von Anschlussfahrscheinen, Einbeziehen in die Anschlusssicherung, spezielle Fahrgastinformation bei Fahrplanabweichung (bspw. durch SMS), hochwertige Busausstattung, weitgehende Kulanzregelung, sollte der letzte Bus des Tages verpasst werden, weitgehendes Marketing und eine "Garantie", dass das Angebot auch langfristig in dieser Form bestehen bleibt. Alles mit dem Ziel, den Bus als gute Alternative in den Köpfen der Kunden zu verankern, den man irgendwie gerne benutzt und nicht nur deswegen, weil es nicht anders geht.

Das soll bitte nicht als Plädoyer gelesen werden, Nebenstrecken abzuklemmen, wirklich nicht, dafür haben Schönbuch- und Ammertalbahn meinen Bahnblickwinkel zu sehr geprägt. Wenn allerdings drei Regio-Schuttles kaum reichen, um die Schüler abzutransportieren, zeigen die Strecken auch, warum die Bahn ein Massenverkehrsmittel ist.

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Galaxy @ 20 Oct 2015, 06:02 hat geschrieben:Der DB Automat am Düsseldorfer Flughafen druckte RE 10117 auf den Reiseplan. Auf den Anzeigen stand aber RE 1. Wenn ich den Schaffner richtig verstanden habe ist das eine eine Zugnummer das andere eine Liniennummer.
Ist auch so ;)
Die Liniennummer bietet an sich die einfachere Orientierung mindestens im Verbund (in deinem Fall also im VRR bzw. generell in NRW), auf bundesweiten Fahrplanauskünften ist sie noch etwas "sinnlos", weil nicht jeder Regiozug einer Linie zugeordnet ist; die Zugnummer erlaubt eine eindeutige Identifizierung des Zuges, aber meinen Erfahrungen nach können viele Kunden damit nichts anfangen. Man könnte vielleicht beides abdrucken, dann kommt aber jemand anderes und beklagt sich über den Informationsoverkill...
Generell finde ich diese Art der Fahrgastinformation schwieriger als sie auf den ersten Blick aussieht. Für die Akzeptanz der Öffis ist sie wiederum eminent wichtig.
Galaxy @ 20 Oct 2015, 06:02 hat geschrieben:Der DB Automat am Düsseldorfer Flughafen druckte RE 10117 auf den Reiseplan. Auf den Anzeigen stand aber RE 1. Wenn ich den Schaffner richtig verstanden habe ist das eine eine Zugnummer das andere eine Liniennummer.
Das wiederum zeigt, warum auch eine Angabe von Endbahnhöfen, wie sie etwa online auch angezeigt wird, problematisch sein kann.
Speziell in diesem Fall würde ich entweder Bauarbeiten vermuten, weswegen der RE1 vorzeitig endet (das ist auch eine Gretchenfrage, soll der Regelendhalt oder das temporäre Ziel angezeigt werden); ein vorzeitiges Enden wegen der Verspätung würde ich eher in Hamm vermuten.
Oder in Düsseldorf Flughafen wurde ein anderer Zug am Bahnsteig angezeigt.

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rautatie @ 20 Oct 2015, 10:44 hat geschrieben:Trotzdem ist es [W-LAN] ein Nice-To-Have, und am wichtigsten ist mir nach wie vor ein gut funktionierender Basisbetrieb ohne allzu große Verspätungen und mit einigermaßen dichtem Takt und funktionierenden Umsteigeverbindungen. Was nützt mir ein tolles WLAN, wenn ich wegen notorischer Verspätung und nicht wartender Anschlusszüge irgendwo auf halber Strecke hängen bleibe?
Dass die Basics wie Verlässlichkeit und akzeptabel sichere Planbarkeit stimmen müssen (wobei man da über die qualitative Ausprägung auch wieder diskutieren könnte), ist - denke ich - unstrittig. Speziell das W-LAN würde ich aktuell einen Zwischenstatus zwischen Begeisterungs- und Basisanforderung im Sinne des Kano-Modells (Danke dafür!) zusprechen, der sich in nicht allzu ferner Zukunft stark in Richtung einer Basisanforderung entwickeln könnte/dürfte/werden dürfte (irgendwas dazwischen ;) ). Freies W-LAN wird in immer mehr Städten eingeführt, die ständige Vernetzungsmöglichkeit verbreitet sich also, die nachwachsende Generation nimmt (unabhängig davon, wie diese Entwicklung beurteilt werden kann) die virtuelle und reale Welt gar nicht mehr strikt getrennt wahr, wie die aktuelle Shell-Jugendstudie nahelegt. Für einen attraktiven Ö(PN)V kann es eigentlich unausweichlich sein, diesen Zug nicht zu verpassen, um seine Akzeptanz wenigstens zu bewahren und im Idealfall sogar auszubauen.

Zu deiner Frage, was es Dir nütze, wenn irgendwo hängen oder liegen bleibst: Mit dem W-LAN haste eine neue Option, die Zeit rumzukriegen oder auch die Option, die Zeit im Zug produktiv zu nutzen, etwa Mails checken, recherchieren, Vorträge vorbereiten, im EF vorbeischauen, ... ;)
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Beitrag von rautatie »

Bayernlover @ 20 Oct 2015, 11:44 hat geschrieben: Du kannst via WhatsApp jemanden darum bitten, dich abzuholen.
Leider kenne ich an vielen Reisezielen niemanden persönlich.... Und wenn beispielsweise in Hof der Anschluss nach Gera nicht klappt, wäre es einem Geraer auch nicht ohne weiteres zuzumuten, mich in Hof abzuholen, sogar wenn wir super befreundet wären.
Wo ist das Problem?
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Beitrag von rautatie »

Entenfang @ 19 Oct 2015, 22:20 hat geschrieben: Ich hatte bisher kein Glück mit den Bordbistros. Immer wenn ich mich darauf verlassen habe und hungrig war, gab es irgendeinen technischen Defekt oder Überfüllung oder einen sonstigen Grund, warum es kein gemütliches Essen nach meinen Vorstellungen wurde. Und das bei nicht gerade günstigen Preisen...
Das geht mir auch so, weswegen ich persönlich dazu übergegangen bin, mich nicht mehr auf die Bordgastronomie zu verlassen und lieber selbst vorzusorgen.

Witzigerweise funktionieren die Bistros manchmal nicht einmal dann ordentlich, wenn eine wohlwollend-freundliche Durchsage zum Besuch des Bordbistros einlädt, wo einen "die Mitarbeiter gern erwarten". Es mag ja sein, dass sie mich gern erwarten, aber wenn es dort dann nicht mehr gibt als ein nettes Gespräch und ein lauwarmes Mineralwasser, dann bleibe ich lieber auf meinem Platz sitzen.

Generell würde ich sagen: ein ordentliches Verbesserungspotential würde ich beim Thema Zuverlässigkeit sehen, und zwar in allen Aspekten des Betriebs: nicht nur bei der Pünktlichkeit, sondern auch beim Bistrobetrieb, den Reservierungsanzeigen, den Klimaanlagen, der Anzahl und Reihung der mitgeführten Wagen, den in der 1. Klasse nur manchmal verfügbaren Tageszeitungen etc. Fast alle Aspekte (egal ob wichtig oder nebensächlich) klappen bei der DB eben nicht wirklich zuverlässig.

Meine Befürchtung: würde die DB in allen Zügen WLAN anbieten, dann wäre es vermutlich so zuverlässig verfügbar wie die Reservierungsanzeigen...
Wo ist das Problem?
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