Gerne.218217-8 @ 5 Oct 2020, 01:04 hat geschrieben:Bin erst heute auf dieses Thema gestoßen und habe auch die älteren Berichte gelesen. Wie üblich sehr informativ und doch unterhaltsam und hochwertig bebildert. Vielen Dank!
Leider geht der Link inzwischen ins Leere. Weißt du noch, wie oft der Bus damals fuhr?
Wie das vor 4 Jahren war, kann ich nicht mehr sicher sagen. Ich nehme aber an, dass die Bedienung ähnlich häufig wie heute war. In der HVZ wird Takt 10 angeboten. Interessant ist auch der Hinketakt am Sonntag, um mit nur einem Kurs so mittelmäßige Anschlüsse zur S-Bahn bieten zu können.
Tag 2 ÖPNV-Tag
Mein Ziel für heute ist die Befahrung der Überland-U-Bahnen U2 und U3. Ich wundere mich schon, warum die Fahrplanauskunft die U2 nie anzeigt. Ahso, SEV. War ja klar. Sommerferien sind eine schlechte Zeit zum Streckenabfahren. Tatsächlich gibt es zwischen Nieder-Eschbach und Gonzenheim für etwa 4 Wochen einen Inselbetrieb, während zwischen Heddernheim und Nieder-Eschbach gesperrt ist.
An der Hauptwache gibt es kurze Umsteigewege zwischen U- und S-Bahn, die Ost-West-Strecke der U-Bahn führt parallel zur S-Bahn, allerdings ohne bahnsteiggleichen Umstieg. Die Nord-Süd-Strecke der U-Bahn liegt direkt darunter um 90° gedreht. Da die U8 zuerst kommt, fahren wir zum Campus Riedberg, um dort in den SEV umzusteigen. Der oberirdische Streckenabschnitt weist eine starke Trennwirkung auf und ist mit Zäunen eingefasst. Die Vorrangschaltung ist ok, aber an einigen Stellen ausbaufähig. Muss man denn die Fußgängerampel wirklich so schalten, dass die Bahn erst 10 Sekunden halten muss und dann erst weiterfahren kann?
Um dem SEV einen Umweg zu ersparen, muss am Campus Riedberg ein immerhin sehr gut beschilderter Fußweg zurückgelegt werden.
Warum die SEV-Haltestelle allerdings nicht 50 m näher an der Kreuzung sein durfte, leuchtet mir nicht ein.
Der Fahrweg des SEV ist an den Kreuzungen mit Schildern ausgewiesen - sicher eine gute Maßnahme, um den Fahrern die Orientierung auf dem ungewohnten Linienweg zu erleichtern. Vielleicht sollte man das in München für alle Buslinien machen, damit die gelegentlich etwas überforderten Fahrer nicht falsch abbiegen... *Duckundweg*
Zwischen Nieder-Eschbach und Gonzenheim pendeln zwei einzelne Triebwagen über die kurze Strecke mit nur einer Zwischenstation im Viertelstundentakt und bieten damit unter der Woche außerhalb der HVZ ein dichteres Angebot als ohne Baustelle (dann nur Takt 20). Zumindest gibt es in Nieder-Eschbach eine Abstellanlage, sodass es an Zügen nicht mangelt. Warum in diesem Triebwagen die Sitzgruppe direkt hinter dem vollständig abgeschlossenen Führerstand nicht abgesperrt ist, im deutlich stärker ausgelasteten Innenstadtabschnitt dagegen schon, verstehe, wer kann.
Die schöne Feldüberfahrt merke ich gleich mal für die nächste Fahrradtour vor. Wenige Minuten später sind wir schon in Gonzenheim, das zur Stadt Bad Homburg gehört. Insgesamt hat die Fahrt aber trotzdem 85 min. gedauert - wie schnell die Zeit vergeht...
Die Geschichte des Niedergangs der Straßenbahn in Frankfurt ist lange und vielschichtig. Mal war es eine neue Autobahn, für die man eine neue Brücke gebraucht hätte, mal war es die fehlende Möglichkeit zur Integration in das Stadtbahnnetz, mal war es die "Aufwertung" des Stadtbildes, mal war es die administrative Grenze mit straßenbahnfeindlicher Haltung jenseits dieser, mal die in Frankfurt offenbar besonders ausgeprägte Furcht vor Parallelverkehr mit der S-Bahn.
Einen ausführlichen und sehr guten Überblick gibt Wikipedia.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenb...ankfurt_am_Main
So lässt sich auch der kurios gelegene Endpunkt Gonzenheim mit der historischen Entwicklung erklären. Er liegt gut 1 km entfernt vom Bahnhof Bad Homburg und etwa 2 km von der Innenstadt entfernt in einem Wohngebiet. 1971 wurde auf der Trasse der ehemaligen Überlandstraßenbahn, die selbstverständlich auch die Innenstadt des bedeutsamen Kurortes Bad Homburg erschloss, die heutige U2 eröffnet. Stein des Anstoßes waren im wahrsten Sinne des Wortes die 2,65 m breiten Stadtbahnen - denn die passen oberirdisch nicht durch die engen Straßen von Bad Homburg. Und so hat sich die ÖPNV-Anbindung vor 49 Jahren deutlich verschlechtert - ein Umstand, der zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach ganz zaghaft behoben werden wird.
https://www.bad-homburg-u2.de/planung.html
In vertiefter Planung ist die Verlängerung nämlich zumindest seit 2002. 2018 wurde das Projekt in einer Volksabstimmung klar angenommen. 2023 soll mit dem Bau begonnen werden und die geplante Bauzeit beträgt 3,5 Jahre.
https://www.fnp.de/lokales/hochtaunus/bad-h...g-13749917.html
Und über welches Megaprojekt sprechen wir hier? Richtig, über gut einen Kilometer Stadtbahn, die einen neuen unterirdischen Bahnhof Gonzenheim samt Tunnel unter der Bahnstrecke sowie einem kurzen eingleisigen Abschnitt und einer oberirdischen Einbindung in den Bahnhof Bad Homburg bekommen wird. Und damit zwar weder die Kureinrichtungen noch das Stadtzentrum anschließt, aber besser als nichts... Um eine ähnlich gute ÖPNV-Anbindung wie vor der Straßenbahnstilllegung zu erreichen, muss offenbar manchmal weit über ein halbes Jahrhundert vergehen. Und in einigen Fällen wird man es wohl nie wieder erreichen. Besonders kurios finde ich ja, dass der Verkehrsverbund den Lückenschluss zeitweise mit der Begründung Parallelverkehr zur S-Bahn (!) abgelehnt hat. Manchmal frage ich mich schon, ob sich die Verantwortlichen der Bedeutung des Wortes "parallel" bewusst sind.
Wir machen einen Spaziergang durch den Kurpark und kehren dann zum Bahnhof zurück.
Mit der S-Bahn geht es eine Station weiter nach Oberursel. Hier ist die Umwandlung von Straßen- in Stadtbahn tatsächlich sehr gut umgesetzt worden.
Die weitere Strecke erschließt das gesamte Stadtgebiet Oberursel, führt nahe an der Innenstadt vorbei, bietet kurze Umsteigewege am Bahnhof und führt dann über einen Überlandabschnitt in die bereits bekannte U-Bahn-Stammstrecke zur Hauptwache.
Immerhin ist die S-Bahn auf der Rückfahrt pünktlicher als auf der Hinfahrt.
Nachmittags steht ein Besuch in Mainz auf dem Plan. Wir nehmen die S-Bahn nach Mainz-Kastel.
Glückwunsch an Rohrbacher, dieser Bahnhof ist die Lösung des gestrigen Rätsels, denn die rechtsrheinischen, ehemaligen Stadtteile von Mainz gehören seit der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen 1945 zu Hessen. Kastel wurde Stadtteil von Wiesbaden, während Gustavsburg und Bischofsheim seitdem eigenständige Gemeinden sind.
Der erste Bus Richtung Mainzer Stadtzentrum verschwindet von der DFI der schattenlosen Haltestelle und kein Fahrzeug kommt. Der gut gefüllte nächste Bus 3 Min. später sollte eigentlich klimatisiert sein, fühlt sich aber nicht so an. Eine Frau winkt hektisch dem Busfahrer zu, damit dieser die versperrte erste Tür öffnet. "Kann ich bei Ihnen Fahrkarten kaufen? Der Automat geht nicht." Sie diskutieren eine Weile herum, dann meint ein Fahrgast, sie könne selbstverständlich einsteigen, wenn der Automat defekt ist. Äußerst widerwillig tut sie das dann schließlich und wir fahren ab. "Hast du eine Fahrkarte?", fragt ein Mann ein kleines Mädchen, das neben ihrer Mutter sitzt. "Mama?!", fragt die Kleine ängstlich. "Na ich habe doch dich gefragt, nicht Mama. Wie alt bist du denn?" "Vier", kommt die quiekende Antwort. "Aha, und hast du eine Fahrkarte?" "Mama?!", jammert die Kleine, doch Mama schmunzelt nur. "Na gut, dann musst du entweder laufen oder mir dein ganzes Erspartes geben", meint der Mann. Mama gibt ihrer Tochter die Fahrkarte. "Keine Angst, ich kenne deine Mama", meint der Mann viel freundlicher zum sichtlich verängstigten Mädchen. Erst jetzt sehe ich, dass er ja wirklich ein Kontrolleur ist. Wir müssen unsere Fahrkarte aber nicht mehr vorzeigen, denn der Mann wechselt lieber noch ein paar Worte mit Mama, bevor er an der nächsten Haltestelle mit seinem Kollegen aussteigt.
Ich verbringe ein paar Minuten am Bahnhofsplatz und schaue mir das Treiben an. In Mainz scheint man auch große Freude an Sauna-Wagen zu haben, denn abgesehen von den älteren Wagen haben selbst zahlreiche neue Citaro C2 keine Klimaanlage und sind an diesem durchschnittlich warmen Sommertag mit ein paar wenigen Klappfenstern sicherlich kuschlig warm.