Incredible India

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Wir laufen zur Germany Bakery, die auch Bootstouren anbietet. Dass der Laden offensichtlich sehr beliebt ist, erkennt man daran, dass es dreimal German Bakery direkt nebeneinander gibt, der Klassiker insbesondere in Varanasi. Doch die Auslage spricht für sich:
Original...
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...und Fake
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Der Apfelstreusel entschädigt für den anstrengenden Fußweg
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Eine ständige Gefahr auf Dachterrassen sind Affen, welche es auf Essen jeglicher Art abgesehen haben. Aus diesem Grund sind zahlreiche Dachterrassen vergittert.
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Zur blauen Stunde begeben wir uns zum Ganges-Ufer - ein herrlicher Ausblick.
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Jeden Abend findet am Ufer die Aarti-Zeremonie statt.
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Beitrag von Entenfang »

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Ganz schön was los hier...
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Es ist ein wahrhaft beeindruckendes Schauspiel und die Musik und das Glockenläuten unfassbar laut.
Ein Video gibt die Stimmung vermutlich besser wieder als Bilder:
https://youtu.be/fm-Z8Ii41AU?t=232

Boote warten auf ihren nächsten Einsatz
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Im Hinduismus gilt das Swastika als Glückssymbol und ist ständig präsent. An den Anblick musste ich mich erst gewöhnen, denn aus Gewohnheit verbindet man mit dem Hakenkreuz automatisch das Böse.


Die Ufertreppen sind ziemlich steil
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Das Abendessen nehmen wir in einem winzigen Laden ein, der nur drei Tische hat, dafür aber hervorragende Dosa (südindische, gefüllte Pfannkuchen) und - sowas gibt es in Indien wirklich - eine saubere Toilette.
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Blick über den Ganges - aber was sind das für komische Leuchtstreifen auf dem Wasser, die ich mit der Langzeitbelichtung eingefangen habe?
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Morgen gibt's die Auflösung.

Als wir am Ufer zurücklaufen, drängt sich jemand auf, der angeblich kein Guide wäre - natürlich nicht, nie und nimmer... Wir sollten doch auch der Totenverbrennung zuschauen, dürften aber keine Fotos machen. Alles schön und gut, aber wir wollen jetzt gar nicht der Totenverbrennung zuschauen.
Aber da dürften wir nicht durchgehen!!!
Dürfen wir wohl, sonst könnten wir gar nicht zu unserem Gästehaus zurück.
Keine 50 m weiter quatscht uns schon der nächste an. "Which country?" Germany. "Which education?" Hä? "Are you a student?" Yes. "Do you want Hashish?" OMG. Eigentlich hat mich die Zeremonie schon ausreichend in Trance versetzt, da muss ich gar nicht nachhelfen...

"Hello, where are you going?" Zum Gästehaus.

"Hello my friend! Where are you going?" Immer noch zum Gästehaus.


Vom Besitzer erfahren wir, dass auch sein Haus in wenigen Monaten abgerissen werden soll und er sich momentan noch gerichtlich dagegen wehrt. Einerseits habe ich Mitleid, andererseits erklärt es natürlich auch zum Teil den Zustand des gesamten Hauses und die offensichtlich fehlende Motivation, daran etwas zu ändern.
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Beitrag von Entenfang »

Tag 10 Varanasi

Auflösung von gestern:
Es handelt sich um Kerzen, die auf dem Wasser treiben gelassen werden und einen Wunsch erfüllen sollen.

Kuhweide in der Baustelle
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Ich beschließe, die Unterkunft für die nächsten zwei Nächte zu wechseln. Eine Straße weiter gibt es ein anderes Gästehaus, in dem das Zimmer 11 ¤ kostet. Die Sauberkeit ist zwar auch hier nicht perfekt, aber dafür schließen Türen und Fenster ordentlich, sodass es nachts nicht so kalt hereinzieht.
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Ich suche gleich die Wolldecken, die natürlich keinen Deckenüberzug haben. Also suche ich im Eingangsbereich nach dem Chef des Gästehauses.

Der Chef ist gerade in einem Nebenzimmer des Eingangsbereichs, aus dem dichter Rauch qualmt. Er lässt sich am Kopf massieren. Ein weißer Tourist beschwert sich über den Qualm, doch der Chef meint nur, er wäre ja gleich fertig und dann würde es keinen Rauch mehr geben. "I have problems with my body, you know..." Er geht zurück ins Nebenzimmer und lässt sich weiter massieren. Sowohl er als auch der Masseur husten heftig. Bei dem Qualm werden wohl beide bald noch viele weitere Probleme bekommen...

Nachdem ich mich in einem riesigen Gästebuch eingetragen habe, soll ich auch gleich beide Nächte bezahlen. Wegen des Deckenüberzugs würde er mal schauen, ich solle mal am Nachmittag nochmal fragen. In Indien ist es selten eine gute Idee, Leistungen im Voraus zu bezahlen, weil dann die Motivation, diese angemessen zu erbringen, noch weiter schrumpft. Also bezahle ich vorerst nur die erste Nacht und behaupte ganz auf indische (= gelogene) Art, gerade nicht mehr Bargeld zu haben und erst zum Geldautomaten zu müssen.

Ganz gelogen ist die Behauptung allerdings nicht, denn ich brauche tatsächlich bald Bares. Google Maps verzeichnet diverse Geldautomaten in der nahegelegenen Hauptstraße und an sage und schreibe 6 Automaten sind wir erfolglos, weil sie entweder komplett defekt sind oder nicht die geforderte Mindestsumme von 50 ¤ ausgeben können.

Durch die Gassen suchen wir eine gute Gelegenheit zum Mittagessen.
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In Indien sehr beliebt sind mouth freshener (irgendwie fällt mir kein passendes deutsches Wort dafür ein).
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Sie bestehen meist aus einem Granulat und Kräutern und schmecken nach Zahnpasta. Sehr zur Verwunderung der Inder habe ich mich ihrer Einnahme nach dem Essen stets verweigert, weil sie meiner Meinung nach den leckeren Geschmack des indischen Essens zerstören. Im Bild sind sie hinten rechts zu sehen, die vielen bunten Kugeln dürften wohl Süßigkeiten sein.
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Beitrag von Entenfang »

Ein Baum aus dem Nichts
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Wohin des Wegs?
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Wohin wohl diese ganzen Kabel führen und welchem Zweck sie dienen...?
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Wir finden eine hübsche Dachterrasse, die auch ohne Gitter affensicher scheint.
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Das Gewusel ist ganz weit weg
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Ein Biryani (gebratener Reis) zur Stärkung
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Wer ungern auf Alkohol verzichtet, hat es in Indien schwer. Eine Dose Bier kostet mehr als ein Hauptgericht und ist nur an wenigen Orten erhältlich. Vermutlich benötigen die Restaurants entsprechende Lizenzen. Besonders kurios finde ich das Einwickeln in eine Serviette...
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Waschsalon auf der anderen Uferseite
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Auf den Dächern kann man sich gut austoben
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Die bunten, zusammengewürfelten Häuser geben ein sehr abwechslungsreiches Bild ab
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Beitrag von Entenfang »

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Hier wird eine Hochzeitsparty vorbereitet
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Mittagsschläfchen
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Es beeindruckt mich einfach immer wieder, wie gleichgültig Inder ihren Bedürfnissen nachgehen. Haben sie Hunger, setzen sie sich auf den Boden und essen. Müssen sie pinkeln, tun sie es einfach am Straßenrand. Sind sie müde, legen sie sich hin und schlafen.

Pause am Ufer
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Bootstour
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Auch wir wollen uns heute Nachmittag aufs Wasser begeben und haben in der German bakery eine Bootstour gebucht. Auf dem Weg passieren wir den Obst- und Gemüsemarkt...
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...und eine Garküche.
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Leider ist Varanasi auch für die besonders niedrigen Hygienestandards bekannt.

Ein Schrein in einem kleinen Laden - fast jeder hat einen
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Ufer im Abendlicht
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Beitrag von Entenfang »

Auf dem Wasser
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Hier wird abends die Zeremonie abgehalten
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Varanasi ist wahrscheinlich die Pilgerstätte für Hindus. Aber warum eigentlich?
Unser Führer erzählt einige Geschichten zur Stadt, beginnend mit der Namensherkunft. Vermutlich entstand der Name aus den Flüssen Varuna und Assi, welche in den Ganges münden. Der Fluss ist deshalb heilig, weil der Ganges dem Himalaya entspringt, wo auch der Gott Shiva den Sitz haben soll. Jetzt wäre geklärt, weshalb der Ganges so wichtig ist. Und weshalb ist jetzt Varanasi von so großer Bedeutung? Es gibt doch schließlich so viele Orte, die am Ganges liegen. Doch eine Besonderheit gibt es nur hier - nämlich die Fließrichtung nach Norden.

Blick zurück, das kleine Ruderboot links hat uns sicher über den Fluss gebracht
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Überall lassen Kinder Drachen steigen und die Überreste sind allgegenwärtig. Auf wenigen Metern verheddern wir und dreimal in irgendwelchen Schnüren.

Die Stadt ist bekannt für ihr Krematorium, in dem die Toten verbrannt werden, denn in Varanasi zu sterben ist für Hindus offenbar besonders erstrebenswert. Von der Dachterrasse gibt es einen guten Blick darauf:
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Man beachte die Holzvorräte!

Und hier von der gegenüberliegenden Uferseite
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Das Fotografieren in größerer Nähe ist verständlicherweise nicht erwünscht und angeblich nur nach vorheriger Sondergenehmigung von einer Terrasse möglich
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Nach dem Tod wird der Körper zuerst gewaschen, dann mit Ghee (flüssiger Butter) eingefettet und anschließend in bunte Tücher gehüllt. Der Leichnam wird dann auf eine Bambusleiter aufgebahrt und von den Angehörigen mit einem Sprechchor durch die Straßen zum Krematorium gebracht.
https://www.youtube.com/watch?v=VPG7pRlJ4VM
Frauen dürfen der Verbrennung nicht teilhaben. Anschließend wird die Asche im Ganges verstreut. Wie unser Führer mehr oder weniger in einem Nebensatz anmerkt, werden auch nicht alle Leichen verbrannt. Selbstmörder, Schwangere, Babys und Kleinkinder sowie durch Schlangenbisse Getötete dürfen nicht verbrannt werden. Ihre sterblichen Überreste werden offenbar direkt in den Fluss geworfen.

Schließlich bringt uns der Bootsführer zur Zeremonie.
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Der dichte Verkehr auf dem Wasser ist mindestens genauso fragwürdig wie auf dem Land - ständig rammen sich Boote gegenseitig und müssen mit einem beherzten Schubser wieder auseinandergebracht werden und die Motorboote pusten ihre übelriechenden schwarzen Rußwolken direkt ins Gesicht der Insassen im nächsten Boot.
Nach und nach werden alle Boote aneinander festgebunden und es entsteht eine riesige Fläche voller Menschen.
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Beitrag von Entenfang »

Dann geht es los.
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Verkäufer springen von Boot zu Boot und bieten Blumen und Kerzen an. Letztere werden mit einem Wunsch im Wasser ausgesetzt und treiben unkontrolliert stromabwärts - oder auch nicht und bleiben an den Holzbooten hängen. Wen interessiert das schon?

Nach der Rückkehr in die Unterkunft frage ich ein zweites Mal nach dem Deckenüberzug. Später würde ich einen bekommen, verspricht der Chef. Ohje, denke ich schon, später heißt in Indien oft nie.

Zeit für das Abendessen auf der Dachterrasse. Um die zahlreichen Affen in der Nähe fernzuhalten, werden irgendwelche Kerzen auf der Brüstung angezündet. Der Effekt ist gleich 0. Also werden noch ein paar mehr Kerzen angezündet - die Affen turnen auf der Brüstung herum und bestaunen die Kerzen. Erst als ein Angestellter mit einem riesigen Stock kommt, nehmen sie Reißaus.
Ich riskiere ein Bild von der Dachterrasse
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Nach dem Essen frage ich nochmal nach einem Deckenüberzug. Der Chef geht in eine Abstellkammer nebenan und reicht mir einen. Ich bin total verdattert - warum zur Hölle hat er das nicht gleich gemacht? Der Überzug ist zwar fleckig, aber bestimmt sauberer und angenehmer als die kratzigen Wolldecken.
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Beitrag von Entenfang »

Tag 11 Varanasi

Ich schlafe lang, bin aber trotzdem schon müde, noch ehe ich richtig aufgestanden bin. Ob das an der nach wie vor präsenten Erkältung liegt oder daran, dass in Indien alles kraftraubend ist (sogar der Schlaf), lässt sich nicht klären. Jedenfalls stellt sich heraus, dass die dichter schließenden Fenster und Türen zwar die Kälte der Nacht draußen gehalten haben, aber dank der schlechten Bausubstanz einen anderen entscheidenden Nachteil haben - die Luft im Zimmer ist furchtbar muffig.

Ich mache einen Spaziergang durch die Basare, in denen die Geschäfte allmählich geöffnet werden.
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"Photo! Photo!"
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Leider geht die Öffnung auch mit Abstauben einher. Infolgedessen wird der Staub schön in der Luft verteilt und erschwert das Atmen. An einigen Stellen wird auch gekehrt. Viele Kehrende scheren sich wenig bis gar nicht um Passanten (was bei so vielen aber auch schwierig ist). Also sollte man besser selbst darauf achten, nicht den ganzen Dreck und Staub plötzlich direkt auf den eigenen Füßen wiederzufinden.
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Umspannwerke sind immer ein Hingucker
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Eine Ladenzeile
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Ziel des Spaziergangs ist laut Google Maps ein Stadtpark. In Realität handelt es sich um einen Busparkplatz...
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...mit Kloake...
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...und Eichhörnchen.
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Während ich im Schatten eines mächtigen Baumes sitze, bieten mir ein paar junge Männer eine Zigarette an. Die fehlt mir gerade noch, nach so viel Staub und Smog...
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Beitrag von Entenfang »

Wir fahren mit einer Rikscha nach Sarnath und sollen ausnahmsweise mal keinen völlig überhöhten Preis bezahlen.
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Der kleine Ort ein paar Kilometer nördlich von Varanasi ist eine weitere wichtige Pilgerstätte, weil hier angeblich Buddha seine Erleuchtung gefunden hat und der Buddhismus seinen Ursprung hat.
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Der buddhistische Tempel hat gerade Mittagspause, sodass wir zuerst in den ihn umgebenden Park gehen. Oh, wie verlockend doch die schattigen Parkbänke sind...

Schulausflug
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Doch mir wird keine lange Ruhepause gegönnt. Nach wenigen Minuten sprechen mich zwei Inder an und bitten mich, mit meiner "richtigen" Kamera ein paar Bilder von ihnen zu machen. Sie sind zwar etwas enttäuscht, als ich ihnen mitteile, dass sie diese frühestens in einem Monat erhalten, wenn ich wieder daheim sein werde, aber wir tauschen E-Mailadressen aus und ich verspreche, die Bilder so bald wie möglich bereitzustellen.

Kleiner Rundgang auf Socken durch den Außenbereich des Tempels
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Die bekannten bunten Wimpel sind besonders im Himalaya verbreitet.
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Es handelt sich um Gebetsfahnen in fünf verschiedenen Farben, welche für die Elemente Himmel, Luft, Erde, Wasser und Feuer stehen. Durch das Aufhängen im Wind sollen die darauf abgedruckten Gebete in den Himmel getragen werden.

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Das Drehen der Gebetsmühlen soll den Erwerb von positivem Karma ermöglichen.

Zeit für eine Mittagspause. Im tibetischen Imbiss...
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...gibt es einfach mal gebratene Nudeln. Ein bisschen Abwechslung schadet auch nicht.
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Das Ergebnis des Bestrebens von Daimler, am aufstrebenden Nutzfahrzeugsegment Indiens teilzuhaben:
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Der Export von Fahrzeugen aus Deutschland erwies sich als absolut nicht konkurrenzfähig. Daher wurde der Ableger BharatBenz (=indischer Benz) gegründet, welcher direkt in Indien produziert. Außerdem sind europäische Fahrzeuge für den indischen Markt schlichtweg nicht geeignet - eine recht amüsante Aufstellung der Besonderheiten, welche ich nur bestätigen kann, findet sich auf Wikipedia.
https://de.wikipedia.org/wiki/BharatBenz#Lo...n_die_Fahrzeuge
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Beitrag von Entenfang »

Für den Kauf einer Eintrittskarte müssen wir zum Schalter. Überraschenderweise geht der Kauf an den Kassen für Einheimischen trotz der üblichen chaotischen Verhältnisse und der größeren Zahl Wartender...
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...deutlich schneller vonstatten als an der Kasse für Ausländer. Denn schließlich müssen ja insbesondere Amerikaner unbedingt mit Karte zahlen und natürlich kann nicht einer für die mitreisenden Freunde/ Partner mitbezahlen, sondern jeder legt größten Wert darauf, die eigenen Kreditkartendaten auch in Sarnath zu hinterlassen. Ob das den (angeblich) 60 Cent günstigeren Eintrittspreis wert ist? Eine Deutsche regt sich auf, als sich ein Inder schamlos vordrängelt, um Geld zu wechseln und der schaut etwas verwirrt, weil ihm offenbar gar nicht klar ist, warum die Ausländerin ihn überhaupt anmotzt. 5 Kartenzahlungen und 27360 Quittungen später sind wir endlich dran und nach 10 Sekunden fertig, weil wir ganz altmodisch mit Bargeld gezahlt haben.

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Das massive Ziegelgebäude links heißt Dhamek Stupa, ein buddhistisches Gebäude, rechts der Shri Digambar Jain Temple. Im Vordergrund die Ruinen eines Klosters, die mich stark an einen Skatepark erinnern und in denen selbstverständlich jeder herumlaufen und -klettern kann, wie es passt.

Ein paar Vitamine zur Stärkung
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Um die Ecke gibt es noch einen "Giant Buddha" zu bestaunen...
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...der in einem zwar hübschen, aber leider banklosen Park steht.
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Einen Vergoldeten kann man auch sehen.
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Wir nehmen schließlich eine Elektrorikscha zurück.
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Sie ist zwar viel leiser, schafft aber nur 25 km/h.
Der Fahrer fährt nach dem Prinzip "Wer am lautesten hupt, hat Vorfahrt" und vollführt einige waghalsige Manöver. Abgesehen von den Bodenwellen sorgen aber auch üble Schlaglöcher für Geschwindigkeitsdämpfer.

Kurze Pause auf der Brücke über den Varuna - ohne weiteren Kommentar
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Es ist sehr auffällig, wie wenig Autos es in Varanasi verglichen mit Jaipur oder Agra gibt. Die ganze Stadt scheint nur aus abgeranzten Häusern und Hütten zu bestehen.
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Beitrag von Entenfang »

Das nächste Umspannwerk
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Sehr beliebt scheint in Indien die tschechische Schuhmarke Bat'a zu sein.
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Jeder Spaziergang ist voller Überraschungen...
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Tempel in der Baustelle
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Ich vermute, dass man die zahlreichen Tempel nicht abreißen darf. Irgendwie ist das für mich ein klares Zeichen von Ignoranz gegenüber den Menschen, die ihr Zuhause verlieren. Im Tempel wohnt schließlich niemand.

Mahlzeit!
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Man beachte den Ventilator. Sehr oft sieht man sie auf höchster Stufe laufen, um die Glut der Kohleofens anzufachen.

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Für uns gibt es eine Thali-Platte mit Dal, Gemüse, Joghurt, Papadam und Chapati. Was die Kuh bekommen hat, kann ich leider nicht sagen.
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Beitrag von Entenfang »

Tag 12 Varanasi -> Kalkutta

Wir starten mit einem südindischen Frühstück, Dosa.
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Ausnahmsweise sind wir in einem Laden gelandet, in dem nicht nur Touristen sind, sondern ausschließlich Einheimische. Anschließend wollen wir den berühmtesten Tempel der Stadt besichtigen, den Kashi-Vishwanath-Tempel. Doch die Sicherheitskontrolle ist außerordentlich streng und man darf nur seinen Pass mitnehmen. Menschen stehen in einer Schlange. Einer sehr langen Schlange. Einer über 1 km langen Schlange... Angeblich müssten wir nicht anstehen, dafür aber 7,50 ¤ Eintritt bezahlen. Wir kämpfen uns durch die überfüllten Gassen, um den richtigen Eingang zu finden, was uns aber nicht gelingt. Schließlich wird uns das zu anstrengend und wir laufen lieber zum Flussufer.
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Menschen baden und waschen im Ganges. Manche nehmen bereits bei Sonnenaufgang zum Start in den Tag ein Bad. Ein Glück, dass sich das Krematorium stromabwärts befindet...

Wir setzen uns auf die Stufen und beobachten das Treiben
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Ein kleiner Junge kommt zu uns und bettelt. Leider lässt sich Paul erweichen, gibt ihm 60 Cent (das war sicher der Deal des Tages für den Kleinen) und erwartungsgemäß führt die Großzügigkeit keineswegs dazu, dass er zufrieden abzieht, sondern dass wir ihn nicht mehr loswerden. Nachdem er uns nach den Namen gefragt und irgendwas Unverständliches geplappert hat, will er natürlich noch mehr Geld. Wir sehen keine Alternative und gehen weiter. An anderer Stelle setzen wir uns nochmal hin.
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Ein paar Minuten später taucht der Junge wieder auf und das Theater geht von vorne los. Als er beginnt, an meiner Armbanduhr zu zerren, ist auch die nächste Pause leider frühzeitig beendet.
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Beitrag von Entenfang »

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Kleinere Rechtschreibfehler tauchen bei englischen Texten immer mal wieder auf, denn auf Hindi wird fast alles so geschrieben wie man es spricht und das macht sich bemerkbar.
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Oh, es gibt ja noch ein zweites Krematorium.
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Wo die Menschen baden und ihre Wäsche waschen, könnten also doch Leichen vorbeischwimmen...
Der Geruch der Leichenverbrennung scheint aus irgendeinem Grund Tiere anzuziehen - an beiden Krematorien stehen ganze Kuhherden und unzählige Hunde streifen umher.
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Weiter geht's.
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Immer wieder strecken mir irgendwelche Männer aufdringlich-aggressiv ihre Hand entgegen. "Namaste! Namaste!" (indische Begrüßung)
Heute bin ich leider blöd genug, meine Hand zu geben. Der Typ hält sie sofort fest wie in einem Schraubstock und beginnt, rumzudrücken und zu zerren. Ich werde laut und kann mich glücklicherweise seinem Griff entwinden - eine gebrochene Hand fehlt mir gerade noch.

Hochzeitsboot
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Eine Menschenmenge bestaunt ein Motorboot, das auf Vollgas im Kreis fährt
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Für einen späten Mittagssnack landen wir etwas außerhalb in einem Wohnviertel, in dem die Essensreste und Küchenabfälle auf der Straße verteilt werden und die deswegen noch schmutziger und übelriechender als in Zentrumsnähe sind.
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In dem Viertel gibt es zahlreiche Hippie-Läden und wir probieren einen aus. Wir bestellen einen Kaffee, einen frisch gepressten Orangensaft, einen indischen Nachtisch und ein French Toast. Nach einer halben Stunde bringt uns die vermutlich gerade volljährige Tochter den Kaffee, nach einer Dreiviertelstunde den Orangensaft und Nachtisch und nach einer Stunde den Toast. Es ist mir wirklich schleierhaft, was die Frau so lange in der Küche gemacht hat - denn dass sie etwas gemacht haben muss, ist aufgrund des Klapperns aus der Küche eindeutig bewiesen. Mama und Papa sitzen währenddessen auf der Terrasse vor dem Haus und tun nichts.

Wir nehmen eine Elektrorikscha, um den Rückweg etwas zu verkürzen. Ruhepause am Ufer
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Beitrag von Entenfang »

Schließlich gibt es Pasta zum Abendessen.
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Wir laufen am Fluss entlang zurück zum Gästehaus, nicht ohne wieder aggressive Hände entgegengestreckt zu bekommen. "Namaste! Namaste!!!!" Ich falte meine Hände vor der Brust (Händeschütteln ist in Indien traditionell nicht üblich) und erwidere mit einem äußerst freundlichen Lächeln: Namaste!
Mehrere Drogenangebote bekommen wir auch und passieren schließlich ein Hippie-Pärchen, das mit einigen älteren Indern um ein Lagerfeuer sitzt. Der weiße Mann scheint sich aber mehr für sein Handy als für das dargebotene spirituelle Gespräch zu interessieren.

Ein letztes Mal passieren wir das Krematorium. Der melancholische Singsang der vorbeiziehenden Trauerzüge wird mir noch eine Weile im Kopf bleiben.
Das sinnlose Gehupe in den engen Gassen bin ich satt und stopfe mir Ohrstöpsel rein, als wir uns samt Gepäck zur Hauptstraße durchkämpfen. Mir wird es nie einleuchten, warum man hier mit dem Mofa herumgurken muss - ein paar Hundert Meter laufen ist aber wohl zu viel verlangt.

Wir bekommen eine Elektrorikscha angeboten. Zum Bahnhof, bitte. "3,10 ¤." Sicher nicht. "But it's no-entry area here!" Soso, aber du bist ja offensichtlich drin und auch nicht der einzige..., denke ich nur. Als wir Anstalten machen, die no-entry area zu Fuß zu verlassen, lässt sich der Preis auf 1,90¤ senken. Die Straßen sind rappelvoll und es herrscht ein Höllenlärm aus Gesprächsfetzen, Fahrradklingeln und Tausend Hupen. Egal ob zu Fuß, auf der Fahrradrikscha oder im Auto - niemand kommt schneller als in Schrittgeschwindigkeit voran. Wir sind etwas spät dran - wenn das bis zum Bahnhof so ist, schaffen wir es nie rechtzeitig.

Doch glücklicherweise löst sich das Chaos nach einer Weile auf. Das nutzt der Fahrer aus und fährt wie ein Wahnsinniger. Im Laufe der nächsten Viertelstunde kommt es zu mehreren Beinaheunfällen und er fährt so schnell durch tiefe Schlaglöcher, dass wir Angst haben, bald mit gebrochener Achse dazustehen.

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Würde ich über eine Viertelstunde vor Abfahrt an einem deutschen Bahnhof ankommen, wäre das wohl sehr früh. Doch in Indien muss man gewisse Unwägbarkeiten miteinkalkulieren - z.B. eine Warteschlange vor der Rolltreppe, weil jemand mit ihrer Benutzung überfordert ist. Vermutlich ist es auch die einzige in der Stadt...

Buntes Treiben im Empfangsgebäude
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In der App und auf der Abfahrtstafel im Bahnhof wird unser Zug auf Gleis 9 angekündigt. Dort steht aber ein anderer Zug und uns bleiben nur noch 7 Minuten bis zur Abfahrt. Ein Fahrgast meint, unser Zug würde einfahren, nachdem dieser ausgefahren ist. Laut App ist unser Zug bereits auf Gleis 9 eingefahren, was aber nicht sein kann, weil dort ja der andere Zug steht, also mache ich mich auf die Suche nach einem Eisenbahner. Da ertönt schon die Ansage, dass unser Zug am Gleis 8 direkt gegenüber einfährt, was er wenige Augenblicke später auch tatsächlich tut.

Unser Wagen ist der erste hinter der Lok, also sind ein paar Hundert Meter Fußweg zurückzulegen. Wir haben 2nd AC im offenen Viererabteil und eigentlich die beiden unteren Liegen, doch die sind beide belegt.
Hier der Gang...
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...und das Abteil vor dem Ausstieg in Schlafstellung.
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Wir einigen uns schließlich darauf, 1 oben und 1 unten zu nehmen. Glücklicherweise gehen von der Klimaanlage hier keine Blizzards aus. Die Erkältung hat mich immer noch im Griff und ich schlafe schon bald ein, nachdem wir den ersten Zwischenhalt mit +15 verlassen haben.
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von Entenfang »

Tag 13 Kalkutta

Als ich aufwache, ist der Zug schon viel leerer und die Landschaft hat sich deutlich gewandelt. Palmen und Reisfelder prägen jetzt das Bild.
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Wir sind pünktlich unterwegs. Da wir für 52 km noch etwa anderthalb Stunden haben, bin ich guten Mutes, dass wir auch pünktlich ankommen werden. Zügig sausen wir durchs Land. Im Zulauf auf Kalkutta ist die Strecke viergleisig, außen fahren die Vorortzüge, aus deren Türen die Fahrgäste wie Trauben hängen.
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Und ehe man sich es versieht, werden die Gleise mehr und der Howrah Engine Shed zieht schon vorbei. Ich rechne mit -30 bei der Ankunft.
Überraschenderweise hat sich Kalkutta zumindest auf dieser Strecke nicht wie Delhi durch ausufernde Slums angekündigt, obwohl die Stadt eher für die Armut als für Sehenswürdigkeiten berühmt ist. Wir kommen bald zum Halten, sind aber noch nicht im Bahnhof. Überfüllte Vorortzüge rollen langsam vorbei Richtung Bahnhof, leere stadtauswärts.
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Es wird gepfiffen und Züge rollen rein und raus, nur wir bleiben wie versteinert stehen. Manch einer nutzt die Gelegenheit, seinen Fußweg im Gleisvorfeld zu verkürzen.
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Ein Müllsammler in Flipflops ist im Gleisbett unterwegs und geht schlürfend seiner hoffnungslosen Tätigkeit nach.
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Es dauert eine geschlagene Stunde, bis wir endlich Einfahrt erhalten und mit +34 wieder nahezu perfekt mit der Durchschnittsverspätung dieses Zuges ankommen. Sofort nach dem Ausstieg empfängt uns die Hitze - nun haben wir endgültig den heißen Abschnitt der Reise erreicht.
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Über 2000 km hat der Himgiri Express zurückgelegt.
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Beitrag von Entenfang »

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Durch eine Unterführung...
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...kommen wir zum Fähranleger.
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Neues Bild für die Reisebüro-Serie - ich kann das Modell aber überhaupt nicht zuordnen. Es sieht irgendwie breitspurig aus...
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Blick zurück zum mit 23 Gleisen größten und über 1 Mio. Fahrgästen täglich am stärksten genutzten Personenbahnhof Indiens
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Vom Fähranleger fahren Schiffe in zwei verschiedene Richtungen ab. Diese haben jedoch keine separaten Anleger, sondern man muss durch ein Schiff auf das andere laufen.
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Keine Ahnung, warum eine Lebensversicherung mit auf den Strand gephotoshoppten Fahrrädern wirbt...

Fähranleger auf der anderen Uferseite des Hugli-Flusses
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Die Fahrkarten werden eingesammelt und über das Geländer in den Fluss geworfen - manche hat der Wind aber offenbar auf dem Pflaster verteilt.

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Wir überqueren diesen BÜ, welcher von einigen Vorortzügen täglich befahren wird. Sehr schön finde ich, dass im gesamten Land offenbar die Daten aller Gleisbogen direkt auf einer Steintafel vermerkt sind. Vermutlich ist es im indischen Chaos andernfalls unmöglich, sie jemals wiederzufinden...

Weil das mit den Bussen so eine Sache ist, ...
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Beitrag von Entenfang »

...denn sie halten nie richtig an, weil es in Kalkutta generell keine Haltestellen gibt...
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...und man weiß auch nicht so recht, wohin sie fahren.
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Also nehmen wir ein Uber, stehen aber ewig im Stau. Würde es in Indien richtige Bürgersteige geben, wären wir zu Fuß schneller gewesen, nicht zuletzt, weil man in Kalkutta oft Umwege wegen der zahlreichen Einbahnstraßen fahren muss.

Unser Zimmer einer typischen Mittelklassen-Kette für 25 ¤ pro Nacht
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Hurra, die Klimaanlage funktioniert und das warme Wasser auch! Und sogar das Bad ist sauber...

Da ich von der Sauberkeit begeistert bin, traue ich mich im Hotelrestaurant auch gleich an eines der wenigen Fleischgerichte, das ich in Indien unbedingt mal probieren will - Chicken Tandoori.
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Das Hähnchen wird in Joghurt und Gewürzen mariniert, ehe es (traditionell in einem Lehmofen) gegrillt wird. Lecker ist es auf jeden Fall!

Den Nachmittag nutze ich für eine Ruhepause, in der Hoffnung, meine Erkältung und den dadurch verursachten Husten endlich loszuwerden.

Abendspaziergang
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Oder doch schon wieder Bergwanderung?
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Zum Abendessen suchen wir eine Kette, bekannt für ihren Fokus auf bengalische Spezialitäten, auf. Wir bekommen eine Speisekarte voller Gerichte, deren Namen wir noch nie zuvor gehört haben. Unsere Bitte um Empfehlung führt zu diesem Ergebnis:
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Es gibt Gemüse, Dal und Paul nimmt auch noch Fisch dazu - das würde ich mich in Indien nie trauen, selbst wenn ich Fisch mögen würde.

Markt in einer Tramwendeschleife. Eigentlich müsste hier laut meiner Recherchen vor der Reise noch Betrieb stattfinden. Zumindest ein Gleis von vielen ist definitiv abgeschliffen.
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Ich warte ab und tatsächlich rumpelt nach einiger Zeit eine Tram heran. Doch ehe mir ein Nachtfoto gelingt, verschwindet sie schon wieder im Verkehrsgewühl. Zwei junge Männer sprechen mich an. Woher ich kommen würde? Ob mir Indien gefallen würde?
Währenddessen ruft ständig ein Mann "Hallo! Hallo!", doch ich ignoriere ihn einfach. Als ich mich schließlich zum Metroeingang begebe, raunzt er mich an, dass das Fotografieren in der Metro verboten wäre. Aha, hier befinden wir uns also in der Metro???
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"Easy, easy," meinen die beiden Jungen nur, "many weird people here in India." Außerdem würde es ihrer Meinung nach zu viele Menschen geben, die nur herumsitzen und nicht arbeiten. Ob ich vielleicht gute Tipps hätte, wie man an ein Visum für Deutschland kommt?
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Beitrag von Entenfang »

Tag 14 Kalkutta

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So leer wie auf diesem Bild sind die Straßen seltenst - üblicherweise quält sich der Verkehr in Schrittgeschwindigkeit voran.
Ich versuche, den Tag gemütlich anzugehen und nehme die Metro zur Wendeschleife der Tram, an der ich gestern Abend erfolglos war.

Für deutsche Verhältnisse ist der Betriebsbeginn der U-Bahn sehr spät (sonntags erst ab 10:00 Uhr (!)) und der Betriebsschluss recht früh.
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Die Nord-Süd-Linie ist Indiens erste U-Bahnstrecke. Das 1. Teilstück wurde 1984 eröffnet und in äußerst langsamem Tempo ausgebaut. Kurz vor unserem Besuch wurde ein kurzer Abschnitt der lange erwarteten Ost-West-Linie eröffnet, der jedoch noch keine Umsteigemöglichkeit zur Linie 1 bietet und recht weit außerhalb ist, sodass ich ihn nicht besucht habe. Ungewöhnlich ist, dass die Metro Kalkutta zu Indian Railways gehört. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die Linie 1 auf indischer Breitspur verkehrt. Um die Beschaffung von Rollmaterial zu vereinfachen, werden alle neuen Linien inklusive der Linie 2 regelspurig sein.

18 Fahrzeuge der 1. und 2. Generation sind nicht klimatisiert, ab der 3. Generation kommt der Fahrgast in den Genuss dieses Luxus. Ein klimatisierter Zug der 3. Generation verlässt die Haltestelle Central, welche als einzige in der Innenstadt mit spanischen Bahnsteigen ausgestattet ist. Die Außenbahnsteige werden allerdings nicht genutzt und sind von einer dicken Staubschicht bedeckt.
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Welkes Laub auf abgefahrenen Schienen
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Wer mit der Tram fahren will, braucht viel Geduld, denn sie fährt äußerst selten... Da schaue ich mir noch das inmitten der Wendeschleife abgestellte und in ein Museum umgewandelte Fahrzeug an.
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Obsthändler
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Das Erbe der einstigen britischen Kolonialhauptstadt ist unübersehbar
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Eine große Baustelle für die zweite Metrolinie hat zu weiteren "vorübergehenden" Streckenreduzierungen bei der Tram geführt.
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Vom Busbahnhof nach Süden müsste es eigentlich auch noch ein Tramstrecke geben. Also laufe ich durch diese Stände...
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...zu diesem riesigen Platz, auf dem hunderte Busse und Taxis stehen.
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Gleis und Oberleitung sind zumindest da. Jetzt fehlt nur noch ein Schienenfahrzeug...

Ständig bieten Taxifahrer ihre Dienste an. Jemand fragt mich, ob ich wohl den Bus nach Darjeeling suchen würde. Nein, eigentlich die Tram.
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Beitrag von Entenfang »

Blinder Passagier
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Als die Tram klingelnd in Schrittgeschwindigkeit nach mehr als einer Viertelstunde Wartezeit endlich kommt, müssen erst mal diverse Fahrzeuge umgeparkt werden, um sie passieren zu lassen.
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Die Lücken verschwinden ganz schnell wieder.
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Nach nur kurzer Wendezeit kämpft sich die Tram wieder durch das Chaos.
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Mit der Metro fahre ich zurück zum Marmorpalast, für dessen Besichtigung man erst bei einer Touristeninformation eine besondere Erlaubnis abholen muss. Da diese aber nicht passgebunden ist, könnte man es auch gleich sein lassen.
Einer von uns muss sich mit Geburtsdatum und Adresse in ein Gästebuch eintragen und der Wachmann erklärt uns gleich, dass man drinnen auf keinen Fall fotografieren dürfe, weil es sich um eine private Ausstellung handelt. Wir setzen uns zuerst in den Park und lauschen dem Vogelzwitschern. Wie sehr wir uns doch nach Ruhe sehnen...
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Vor dem Eingang in den Palast müssen wir unsere Schuhe ausziehen, während irgendwelche Einheimische einfach mit Schuhen reinlatschen. Und unsere Rucksäcke dürfen wir auch nicht mitnehmen. Schweren Herzens muss ich meine Kamera wohl unbeaufsichtigt lassen - leider lassen sich gewisse Risiken in Indien einfach nicht vermeiden.
Wir müssen erstmal auf einer Bank im Eingangsbereich platznehmen, bis nach wenigen Minuten ein Guide kommt, der uns durch die Räume führt. In kaum verständlichem Englisch nuschelt er das, was ohnehin schon auf den Schildern vor den Kunstwerken steht. "Black dog. Jupiter. Italian marble." Ein Mann wedelt mit einem Besen herum. Auch wenn es sich um ein sehr prächtiges Gebäude handelt, nagt der Zahn Indiens deutlich erkennbar daran. Und warum stellt man irgendwelche Vitrinen und Skulpturen direkt vor Gemälde...?

Seitenstraße
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Ebenfalls unzweifelhaft ein koloniales Erbe, das ich nur in Kalkutta gesehen habe, sind diese Handkarren.
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Dass darauf mal vor etlichen Jahrzehnten Kolonialherren durch die Hitze gezogen wurden, kann ich mir gut vorstellen. Im Zeitalter der Autos wirken sie dagegen hoffnungslos aus der Zeit gefallen. Ihre Benutzung durch Einheimische konnte ich einige Male beobachten, um schwere Lasten wie Säcke oder Bauteile zu bewegen.

Mittagssnack gibt's in einem Café, welches mit Pizza und Maggi wirbt und rappelvoll mit indischen Studenten ist. Dass die Zielgruppe eindeutig Einheimische sind, merkt man nicht zuletzt am Plumpsklo, welches sich in einem Anbau außerhalb des Gebäudes befindet.

Mit einem Uber kämpfen wir uns durch den endlosen Stau Richtung Howrah Bridge. Unter einer Schnellstraßenbrücke wendet dort eine modernisierte Tram in einem Wendehammer inmitten des dichten Autoverkehrs.
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In der Nähe gibt es einen Blumenmarkt, den wir uns ansehen wollen.
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Beitrag von Entenfang »

Allerdings ist er derart überlaufen, dass die Besichtigung überhaupt keinen Spaß macht und ich ständig Angst habe, dass mir im Gedränge jemand etwas aus dem Rucksack klaut.
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Als sich auch noch Fahrradrikschas klingelnd und Kleintransporter hupend rücksichtslos ihren Weg durch die Menschenmassen bahnen, wird es mir endgültig nicht mehr geheuer und ich flüchte über eine Treppe auf die Howrah Bridge, um einen besseren Überblick zu bekommen.
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Ich plane, mit der Tram zurückzufahren. Doch ich warte eine halbe Stunde im Verkehrsgewühl und keine Tram in Sicht.
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Daher riskiere ich doch mal eine Busfahrt. Von hier zur nächsten Metrostation zweigen nur kleine Seitenstraßen ab, sodass ich mir sicher sein kann, dass alle 1000 Busse die richtige Strecke fahren werden. Das Auf- und Abspringen während der Fahrt finde ich stark gewöhnungsbedürftig und ich beobachte erst ein paar Einheimische dabei, ehe ich mich selbst traue. Ganz wohl ist mir allerdings nicht dabei und so bin ich ganz froh, dass der Bus zufällig doch vollständig anhält.
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Die Busbegleiter stehen stets in der offenen Tür und plärren ununterbrochen irgendwas. Ob das Hinweise an den Busfahrer sind oder der Fahrgastakquise dienen soll, weiß ich nicht.
Langsam, aber sicher bringt mich der Bus zur Metro und ich fahre zum Supermarkt. Glücklicherweise muss ich meinen Rucksack hier im Gegensatz zu Allahabad nicht abgeben, sondern ein Wachmann am Eingang verschließt den Reißverschluss mit Kabelbindern.
Meine Bekannte hat mir einen indischen Hustentee mit Kräuterzusatz empfohlen, um endlich meinen Husten loszuwerden. Taschentücher bräuchte ich inzwischen auch wieder dringend, finde aber keine.

Ein Tourist filmt den chaotischen Verkehr einer großen Kreuzung. Natürlich darf auch ein kurzer Blick in die Tramwendeschleife nicht fehlen.
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"Photo, please!"
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Beitrag von Entenfang »

Ein Bus wartet auf seinen nächsten Einsatz
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Verkaufsstand
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Abendspaziergang
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Überall liegen Gleise im Teer, doch viele sind stillgelegt.

Ich entdecke einen kleinen Laden, der Papiertaschentücher verkauft. Der Verkäufer bietet mir eine einzelne Packung mit 10 Taschentüchern an. Mehr, viel mehr, bitte... Er nimmt eine neue Packung, wie sie bei uns üblich ist und will sie schon aufreißen. Ich halte ihn davon ab und kaufe sie zu seiner großen Überraschung komplett. Wenn meine Erkältung so weitergeht, wird es wegen mir bald einen Taschentuchmangel in Indien geben.

Eine Wonton-Suppe ist eine willkommene Abwechslung und gut für meinen rauen Hals.
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Geschäftiges Treiben in den abendlichen Seitengassen
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Beitrag von einen_Benutzernamen »

B-) Hast du wenigstens ein paar Ountis getroffen?
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Beitrag von Entenfang »

einen_Benutzernamen @ 13 Aug 2020, 16:16 hat geschrieben:B-) Hast du wenigstens ein paar Ountis getroffen?
Bitte wen oder was? :huh:



Tag 15 Kalkutta

Zum Start in den Tag gibt es ein sparsames Frühstück, denn mehr als zwei Scheiben Toast mit einer winzigen Packung Glibberpaste und Butter und ein kleines Omelette stehen einem Hotelgast nicht zu.

Los geht's mit der U-Bahn. Auch wenn es nicht so aussieht, handelt es sich um einen klimatisierten Zug der dritten Generation mit Baujahr ab 2010.
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Offenbar sind immer beide Führerstände besetzt, wie am herausgestreckten Kopf zu erkennen ist. Der Mitarbeiter im hinteren Führerstand hilft beim Abfertigen der rund 150 m langen Züge.

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Etliche Einbahnstraßen wechseln je nach Tageszeit ihre Richtung.

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Statue der ehemaligen Premierministerin Indira Gandhi, die 1984 ermordet wurde. Tote gab es in Indien aufgrund religiöser Konflikte leider in der Vergangenheit sehr viele - und bevor sich die Welt nur noch für Corona interessierte, wurde vom Premierminister Modi ein äußerst umstrittenes Gesetz zur Bevölkerungsregistrierung, das von Muslimen jahrzehntealte Dokumente verlangt, verabschiedet.
https://www.nbcnews.com/think/opinion/india...ght-ncna1112446

Das koloniale Erbe ist in den breiten, grünen Boulevards unübersehbar. Sogar Fußwege haben die Briten gebracht!
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St. Paul's Cathedral
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Victoria Park
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Victoria Memorial - ich fühle mich nach London versetzt.
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Beitrag von Entenfang »

Ich setze mich auf eine schattige Bank und genieße es, das Gehupe und Dröhnen der Stadt nur ganz am Rande zu hören. In den Vordergrund drängen sich das laute Geplapper und Telefonieren der Einheimischen sowie über Handys abgespielte Musik.
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Ich laufe zur nächsten Tramstrecke und hoffe auf eine stadtauswärtige Abfahrt. Ich setze mich auf ein Mäuerchen und warte. Zeit verliert an Bedeutung, wenn man in einem Land wie Indien unterwegs ist. Es vergehen über 15 Minuten, ehe eine Tram kommt. Leider fährt sie nicht in die erhoffte Richtung. Da ich mir nahezu sicher bin, dass kein weiterer Kurs stadtseitig unterwegs ist, müsste ich auf die Rückkehr dieses Wagens warten.
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Ehe ich noch ewig herumsitze, steige ich lieber ein, um zur Esplanade zurückzufahren. Hier im Park gibt es wenigstens einen eigenen Gleiskörper.

Besonders überfüllt sind die Trambahnen normalerweise nicht, da sie so selten und langsam fahren, dass ihre Nutzung für den normalen Fahrgast sehr unattraktiv ist.
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Als wir uns dem chaotischen Busbahnhof nähern, müssen wieder erst unzählige Fahrzeuge umgeparkt werden, um die Tram passieren zu lassen - der Polizeiwagen braucht dafür gleich mehrere Minuten.
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Die Tram wendet im Gewusel - zum Glück dauert das Umparken der Fahrzeuge so lange, dass ich problemlos zu Fuß mitlaufen kann und mehrere Versuche habe und zumindest ein Bild erhalte, das nicht komplett zugelaufen ist.
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Für das Mittagessen suche ich nochmal die bengalische Kette auf. Im Eingangsbereich warten um die 10 Menschen auf einen freien Tisch und der Wachmann erklärt, dass ich kurz warten müsste. Doch schon nach weniger als einer Minute werde ich vor den Einheimischen durchgewunken - ganz wohl fühle ich mich dabei nicht. Das Restaurant ist voller Büroleute in der Mittagspause, aber auch einige Familien sind dabei.

An einer längeren Tramfahrt führt kein Weg vorbei, denn für mich ist sie klar das verkehrliche Highlight der Reise. Also suche ich mal wieder die großzügige Wendeschleife auf.
Statt einer Tram stolpere ich aber erst über diesen fabrikneuen Elektrobus.
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Nach etwa einer Viertelstunde kommen gleich drei Trambahnen hintereinander.
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Ich hoffe auf eine Linie 5 nach Norden, um von der dortigen Endstation mit der Metro zurückfahren zu können. Glücklicherweise ist die gewünschte Linie dabei.
Los geht's.
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Bimmelnd kämpft sich der Wagen Meter für Meter voran.
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Beitrag von Entenfang »

Die Fahrt hat etwas Historisches - beide Wagen sind mit Schaffnern begleitet, die Fahrkarten für 9 Cent verkaufen. Da es keine festen Haltestellen gibt, zieht der Schaffner einmal an einer Schnur und es klingelt. So weiß der Fahrer, dass jemand aussteigen möchte. Wer zusteigen möchte, winkt am Straßenrand oder springt einfach während der Fahrt auf.
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Zum Abfertigen klingelt erst der Schaffner hinten zweimal, dann der im vorderen Wagen zweimal und der Fahrer setzt die Fahrt fort. Manchmal kommen wir keine 50 m weit, ehe wieder jemand ein- oder aussteigen möchte.

Durch eine quirlige Einkaufsstraße geht es Richtung Norden. Hier ist der Verkehr zwar nicht so dicht, aber dafür möchte ständig jemand ein- oder aussteigen und wir fahren selten mehr als 100 m am Stück. Ding. Halten. Dingding. Bw fertig. Dingding. Tw fertig. Ruckartig setzt sich die Tram wieder in Bewegung.

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Manchmal sind die Gleise für eine Weile blockiert.
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Ein aussichtsloser Versuch, die Menschen zu weniger Hupen zu erziehen
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Was auch immer das mal werden sollte, es ist nicht fertiggestellt worden.
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Besonders interessant sind Abbiegemanöver, weil die Gleise eigentlich immer durch Gegenverkehr belegt sind. Dann hilft nur viel Winken, Rangieren und vor allem viel, viel Geduld.
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Die hier gezeigte Strecke ist aber ohnehin "vorübergehend" wegen den Bauarbeiten an der Metrolinie 2 eingestellt.

Die Endstation Shyambazar macht ihrem Namen alle Ehre
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Angesichts des beschriebenen Fahrtverlaufs wird es niemanden wundern, dass wir für 5,2 km satte 45 Minuten benötigen, was einem Schnitt von rund 7 km/h (!) entspricht.

Die zugehörige Abstellanlage
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Der Personalraum
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Warten auf den nächsten Einsatz
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Beitrag von Entenfang »

Und weil es so schön ist, noch ein Bild der Abfahrt in den letzten Sonnenstrahlen des Tages
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Ein paar Sprüche auf dem Bus - aber ich sage ganz klar: Safe drive - save life auf ein Fahrzeug draufzuschreiben, reicht nicht. Man muss schon selbst entsprechend handeln...
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Eine Kreuzung in der Nähe. Die weitere Strecke ist bereits eingestellt und das einst riesige Depot Belgachia wird offenbar jetzt für Busse genutzt.
https://goo.gl/maps/4ksTPd68nZUgof2G7

Der Tabakverkäufer bittet um ein Foto
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Ich habe Mühe, vor lauter Marktständen den Metroeingang zu finden und fahre schließlich zurück nach Süden. In der Park Street sind einige europäische Verpflegungsmöglichkeiten beheimatet, darunter auch ein Café. Ein Wächter öffnet mir die Tür. Es handelt sich um ein riesiges Wiener Café und ist fast vollständig mit Einheimischen gefüllt. Entenfang gönnt sich richtig - einen Cappuccino, ein Stück Kuchen und eine Leipziger Lerche (mit Marzipan) zum Preis eines indischen Mittagessens. Ahhh, köstlich...
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Auf dem Rückweg zur Metro
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Eines ist klar - ich möchte den Abend für eine Nachtfahrt mit der Tram nutzen. Die Musik des in Dauerschleife auf den zahlreichen Fernsehern in der Station Esplanade laufenden Filmtrailers begrüßt mich jedes Mal aufs Neue, als ich aus in der nun herrschenden HVZ sehr vollen U-Bahn aussteige.

Wenig später stehe ich wieder in der Wendeschleife. Nach eigenen Sichtungen müsste es noch zwei andere Linien geben, die hier abfahren. Nach rund zehn Minuten fahren wieder drei Bahnen auf einmal ein. Die erste ist eine 5, die kenne ich schon. Die hinteren beiden sind 25er.
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Ich nehme die hintere 25 und setze mich in den Bw, welcher mit Längsbestuhlung ausgestattet ist.
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Im Tw gibt es teilweise Querbestuhlung und größere Ventilatoren, daher bevorzugen ihn die meisten Fahrgäste.
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Die Auslastung ist gering - soweit ich es erkennen kann, sind Zusteiger unterwegs vor allem Gelegenheitsfahrgäste, die einsteigen, weil die Tram gerade zufällig vorbeikommt.

Der Schaffner spricht mich an - überraschenderweise in perfektem Englisch, womit ich bei seinem Beruf nicht gerechnet habe. Ja, ich interessiere mich für Straßenbahnen und finde den Betrieb hier wirklich faszinierend. Leider würden die Fahrzeuge nicht gut gewartet, meint er bedauernd. Wie alles in Indien..., denke ich. Er erzählt weiter, dass auch sein Vater und Großvater bei der Tram beschäftigt waren und er jetzt auch schon über 30 Jahre dabei wäre. Er hat den Niedergang der Straßenbahn Kalkutta in voller Länge miterlebt - zu Beginn waren über 250 Fahrzeuge gleichzeitig im Einsatz, heute sind es weniger als 20. Damals wären die Straßen komplett frei gewesen, aber heute herrscht das totale Chaos. Die Regierung würde sich wenig um die Tram kümmern, aber er ist sich sicher, dass sie nie ganz eingestellt wird. Zumindest ein Alibi-Fahrzeug würde weiterfahren, denn eine komplette Stilllegung scheut die Regierung auch, weil doch zahlreiche Einheimische von diesem Verkehrsmittel begeistert wären.
In der Tat ist mir aufgefallen, dass mehrfach die vorbeifahrende Tram von Passanten gefilmt wurde. Zwei weitere Männer sitzen in der Nähe und quatschen auch mit dem Schaffner. Gelegentlich stellen sie mir eine Frage in einer Mischung aus Hindi und Englisch, die ich kaum verstehen kann. Der Schaffner dolmetscht.

Besonders hart wird der Kampf, als wir eine Einbahnstraße entgegen ihrer Fahrtrichtung befahren müssen. Für 1,5 km brauchen wir vermutlich über 15 Minuten, nicht zuletzt, weil auch noch zwei Falschparker die Gleise blockieren und erst durch Dauerbimmeln herbeigeordert werden müssen.

Nach gut 50 Minuten erreichen wir die Endstation Gariahat Tram Depot, was einem Schnitt von rund 7 km/h entspricht. Da wird das Abfahren einer Tramlinie zum Halbtagesausflug. Der Schaffner meint zu mir, er hätte jetzt erstmal eine Stunde Pause und würde kurz vor 9 wieder zurückfahren. Ich könne doch wieder mitfahren.
Warum eigentlich nicht? Die Pause lässt sich hervorragend nutzen, um das Abendessen einzunehmen. Hoffentlich reicht die Zeit...
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Beitrag von Entenfang »

Im Depot stehen einige Fahrzeuge im Dämmerlicht, doch ein Wachmann schaut schon schief, bevor ich die Kamera überhaupt zücke und so versuche ich es lieber von draußen.
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Doch sofort taucht ein anderer Wachmann auf und verbietet weitere Fotos. Grmpf.

Die erste Option für das Abendessen ist zwar auf Google Maps eingetragen, ich finde sie aber nicht in der Realität. Bei der zweiten Option werde ich fündig und schaffe es problemlos bis 20:45 Uhr zurück zum Depot.
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Kurz vor neun taucht der Fahrer wieder auf, ich steige als einziger Fahrgast in den Bw ein. Da kommt auch schon der Schaffner und die beiden anderen Männer, die bereits auf der Hinfahrt mitgequatscht haben und offensichtlich auch nur spazieren fahren.

Auf den nun deutlich leereren Straßen geht es zügiger voran, aber kaum weniger laut. Durch die offenen Fenster dringen das Rattern und Hupen ungedämpft herein und macht eine Unterhaltung sehr schwierig. Die beiden Männer steigen unterwegs irgendwann aus und ich bleibe die restliche Fahrt allein mit dem Schaffner im Beiwagen. "Die fahren nächste Woche zurück nach Bangladesch. Und du bald nach Deutschland...", meint er. Es wird sicher noch weitere gesprächsfreudige Fahrgäste geben...
Der Schaffner erzählt mir noch, dass er zu einer christlichen Minderheit gehört, die auf Ehen von Briten während der Kolonialzeit mit Einheimischen zurückgeht und deren Muttersprache Englisch ist. Er bittet um ein gemeinsames Foto und schießt ein verwackeltes Selfie.
Kalkutta würde ihm eigentlich gar nicht gefallen, obwohl er hier schon sein ganzes Leben verbracht hat. Er träumt von einem Leben in Europa, wo es laut den Fernsehdokus, die er gesehen hat, sauber und gut organisiert ist. Außerdem hätte er auch Freunde in Europa, Dubai und Kanada und dank Internet wäre ja die Kommunikation auch sehr einfach und billig.
Er fragt schließlich danach, ob wir denn in Deutschland auch einen Straßenbahnbetrieb hätten. Nicht einen, sondern 57. Während der Fahrt kann man bei uns aber nicht ein- und aussteigen. Wie das? Wir haben automatische Türen, die elektrisch betrieben sind und während der Fahrt verschlossen sind. Für einen Straßenbahner aus Kalkutta muss das mindestens genauso absurd klingen wie für uns das Auf- und Abspringen während der Fahrt...

Bis auf einen Taxifahrer, der auf der Gegenfahrbahn an der Kreuzung steht und deswegen die Gleise blockiert sowie einem am Straßenrand parkenden LKW, dessen Passieren Millimeterarbeit erfordert, läuft alles rund und nach weniger als 40 Minuten sind wir "schon" wieder zurück in der Wendeschleife Esplanade - immerhin ein Schnitt von fast 10 km/h.

Bewegtbilder? Hier, bitte:
https://www.youtube.com/watch?v=pMxp4YKKPqs

Der Filmtrailer empfängt mich in der U-Bahnstation. Es ist immer wieder lustig anzuschauen, wenn Leute nicht wissen, wie man eine Rolltreppe benutzt. Auch eine halbe Stunde vor Betriebsschluss sind die Bahnen noch gut gefüllt.
Noch immer verzaubert von der stimmungsvollen Nachtfahrt fahre ich zurück zum Hotel. Sie wird mein schönstes Erlebnis der Reise bleiben.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von Entenfang »

Tag 16 Nationalpark Sundarban

Morgens um halb acht, kurz nach Betriebsbeginn, ist die U-Bahn noch nicht sehr voll. In Indien beginnt der Tag eher spät. Wir haben eine dreitägige Tour in den Nationalpark des Gangesdeltas gebucht. Fünf weitere Rucksacktouristen warten schon, doch natürlich startet die Tour nicht pünktlich um acht, sondern um halb neun. Mit einem Kleinbus fahren wir durch den noch lockeren Verkehr stadtauswärts. Am Rande einer Schnellstraße halten wir an, um noch Einheimische aufzunehmen, die ebenfalls mitkommen. Schließlich lassen wir Kalkutta auf einer engen und stark befahrenen Landstraße zurück.
Am Horizont taucht eine Hügelkette auf. "Guess, what it is", meint der Führer leicht verschmitzt zu uns.
Ein Bild gelingt mir aufgrund der großen Entfernung nicht, aber bei Street View bin ich fündig geworden.
https://goo.gl/maps/J5kQrDjW3jUHSroK6
Morgen gibt's die Auflösung.

Wir kommen langsam voran, denn auf der schmalen Straße sind zahlreiche LKW und Rikschas unterwegs und allzu eilige Fahrer werden doch heftige Bodenwellen ausgebremst. Übler Gestank zieht durch die offenen Fenster herein - wir passieren Ledergerbereien. "The air will get better now", meint der Führer.

In der Tat, nach fast zwei Stunden Fahrzeit bessert sich die Luftqualität endlich. Nur in den Ortsdurchfahrten gibt es wieder das übliche Gehupe, den Trubel und die dicke Luft. Je weiter wir fahren, desto dünner wird der Verkehr. Doch auf einem Stück wird der Straßenzustand derart katastrophal, dass wir keine 30 km/h mehr schaffen.

Kurze Pause in einem kleinen Ort unterwegs
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Der Bus ist für indische Verhältnisse in einem wirklich guten Zustand, der Boden wurde allerdings schon seit Jahren nicht mehr gewischt und ist so klebrig, dass es richtig unangenehm ist, die Wasserflasche anzufassen, nachdem sie mir einmal runtergefallen ist.
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Die Landschaft zieht vorbei...
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Nach mehr als dreieinhalb Stunden Fahrzeit (Pause nicht mitgerechnet) erreichen wir endlich das Straßenende. Nach 90 km auf holprigen Straßen und waghalsigen Fahrmanövern wird mir langsam schlecht.
Während uns empfohlen wurde, nur das absolut nötige Minimum mitzunehmen, scheint das für Einheimische nicht zu gelten (oder sie bleiben einfach länger) und so tragen einige Inder Rollkoffer über ihrem Kopf zum Fähranleger.
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Wir werden auf ein Schiff gelotst, dessen Bestuhlung aus ausgemusterten Autositzen besteht. Für die nächsten zwei Stunden tuckern wir durch die weitläufigen Flussarme.
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Es handelt sich um Brackwasser, also Salzwasser und wird von Ebbe und Flut beeinflusst. Daher ist aufgrund der gerade herrschenden Ebbe der Schlick rechts gut zu sehen.

Nur Mangroven kommen mit dem Salzwasser gut zurecht und bilden daher die Hauptvegetation.
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Der Nationalpark ist bekannt für den bengalischen Tiger, welcher jedoch für die Einheimischen eine große Gefahr darstellt. In den letzten Wochen gab es mehrere Tote durch Tiger und die Regierung versucht, durch Zäune wie im Bild den Tiger von Siedlungen fernzuhalten.

Irgendwie habe ich mir die Landschaft völlig anders vorgestellt - einsamer, höher und dichter bewaldet, nicht so weitläufig...
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Beitrag von Entenfang »

Ziel erreicht
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Auch unsere Unterkunft habe ich mir anders vorgestellt - eher einsam im Wald gelegen als in einem Dorf.
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Immerhin sind die Lehmhütten sehr bequem und bieten abgesehen von warmem Wasser eigentlich alles, was man braucht.

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Wir bekommen eine ausgiebige Stärkung nach der langen Reise im offenen Speiseraum und werden dann durch das Dorf und die Umgebung geführt.
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Zur Vogelbeobachtung habe ich eindeutig nicht die geeignete Kamera.
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Welch eine Wohltat, dass man beim Spaziergang nicht ständig angehupt wird, sondern höchstens von Fahrradfahrern angeklingelt wiHUUUUUUP!
Seufz, wäre ja auch zu schön gewesen. Leider gibt es auch hier Mofas.

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Dass es hier so weitläufige Felder gibt, hätte ich mir nie vorgestellt. Und Menschenansammlungen erst...

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Der Hahnenkampf scheint ein wichtiges Event zu sein, ich finde es pure Tierquälerei. Man beachte die Zusammensetzung der Zuschauer - keine einzige Frau.
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