[CH] Die Schweiz mal wieder.

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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146225
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Beitrag von 146225 »

Die Schweiz mal wieder – von A(arau) bis Z(ofingen) –
oder: schöner von A nach B(ex).


Tag 1: Mal eben bis an eines der Enden.

Da war sie wieder, diese Erkenntnis. Nein, nicht vordergründig die, dass ein paar Tage Abstand von der Arbeit auch mal wieder sinnvoll wären, das auch. Was in meinem Kopf herumspukte und mich dazu brachte, an einem Donnerstagmorgen im April mal wieder über den größten Grenzbahnhof Europas – das ist Basel SBB – zu laufen, war die Erkenntnis, dass es in unserem südlichen Nachbarland bislang noch mehr km Bahnstrecken gibt, als ich Zeit hatte, diese zu bereisen. Noch. Allen ernsthaften Versuchen zum Trotz.

Also soll jetzt das „Delta“ zwischen diesen beiden Polen kleiner werden, und deshalb steure ich das Stumpfgleis 3 an, wo ich in einem SBB-EW IV des IR nach Zürich Platz finde. Pünktlich zieht die Re 420 an, und über Muttenz und Pratteln geht es hinaus auf die Bözbergstrecke, s’näggschd ist Rheinfelden. Bei Stein-Säckingen verläuft die Bahnlinie in Halbhöhenlage und gibt einem ein Blickfeld auf den Rhein und die südbadische Seite, das man so von der DB-Hochrheinstrecke auf diesem Abschnitt nicht hat. Einzig die Autobahn unterhalb der Bahngleise trübt den Blick etwas. Im Zug ruhig-entspannte Atmosphäre, der Zugsbegleiter hat eine Bekannte getroffen und nutzt die Zeit bis zum nächsten Halt in Brugg für einen Plausch. Kurz darauf in Baden steige ich auch aus und vertausche den IR gegen einen RABe 514, das sind die Siemens-Doppelstock-ET, die auf der S-Bahn Zürich unterwegs sind. Ein solcher bringt mich, des Streckensammelns wegen, als S6 via Wettingen – Otelfingen – Regensdorf-Watt nach Zürich-Oerlikon. Dieser „Vorortbahnhof“ (vor dem das VBZ-Tram 11 verkehrt), weist dichten Zugsverkehr in alle Richtungen auf, so dass ich zeitnah Anschluss an die nächste S-Bahn habe, mit der ich eine weitere Strecke „erfahren“ möchte.

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Blick in den Oberstock eines RABe 514 der Zürcher S-Bahn.

Meine S14 nach Hinwil entpuppt sich als „Klassiker“ der Zürcher S-Bahn, eine Re 450 schiebt 3 Doppelstockwagen. Es geht über Schwerzenbach ZH durch dicht besiedelte Agglomeration nach Uster und von dort weiter nach Wetzikon. Leider gibt es die weitere Tagesplanung nicht her, das „letzte Stück“ bis Hinwil auch noch gleich zu erledigen, dieser „Stumpen“ wird wohl einem nächsten Besuch vorbehalten bleiben. Ich darf dagegen die dritte Zugsbauart auf der dritten S-Bahn-Linie begrüßen, vom Nachbargleis aus fährt mich ein RABe 511 (Stadler KISS) als S5 über Rüti ZH zuerst in den Knoten Rapperswil und von dort aus über den Seedamm hinüber in den Kanton Schwyz – nach Pfäffikon SZ.

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RABe 511 066 als RegioExpress 5066 Chur-Zürich in Pfäffikon SZ.

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Am 843 001 führt einen Lokzug aus 1x Tm 232 + 2x Am 841 an – Pfäffikon SZ.

Dieser Bahnhof – am Ort ist der Hersteller der bekannten „Official Swiss Railway Watch“ ansässig – ist mir schon von früheren Schweiz-Reisen geläufig, und so gibt es nicht allzu viel Neues zu entdecken, während ich eine für örtliche Verhältnisse vergleichsweise lange Wartezeit auf den nächsten RABe 511 habe. Dieser ist allerdings ein 6-teiler mit grauem Rahmen (anstatt blau bei den 4-teilern der S-Bahn) und verkehrt als RE von Zürich nach Chur, nächster Halt Siebnen-Wangen, kurz darauf Ziegelbrücke, auch hier werde ich noch nicht das letzte Mal vorbei gekommen sein, denn die abgehenden Strecken nach Uznach und Linthal fehlen ebenfalls noch auf der persönlichen Streckenkarte. Als wir kurz darauf am Walensee entlang rollen, frage ich mich, ob ich für die heutige Fahrtroute den richtigen Tag ausgesucht habe, denn es ist eher noch etwas diesig, die Berge hängen in Wolken. Bäh, aber nicht zu ändern, der Zug fährt ja weiter und erreicht über Sargans dann Landquart. Noch immer auf die Minute pünktlich, steige ich im Bündnerland aus.

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Ge 4/4 II 633 steht mit dem RE 1241 in Landquart bereit.

In der (Beton)-Bahnsteigunterführung von Landquart sorgt ein Musikerpaar mit Country-artigen Klängen für Live-Beschallung, während sein Gitarrenspiel etwas müde klingt, hat sie eine schöne klare Gesangsstimme. Für mich geht es aber weiter, auf den Meterspurgleisen der RhB stehen die RE schon im Doppelpack nebeneinander, ich wähle den – vom Rampenaufgang her gesehen – linken Zug, gebildet aus einer Ge 4/4 II und diversen älteren Reisezugwagen. Allegra! – nein, das ist nicht nur ein Name für einen ET von Stadler, sondern, wieder etwas dazu gelernt, im Rätoromanischen ein gebräuchliches Grußwort. „Rhaetian Railways“ – jaja, die Touris aus aller Welt – begrüßen mich so auf der Prättigaustrecke, auch diese sehe ich zum ersten Mal. Gleich die erste Zugskreuzung in Malans ist ein Güterzug mit Ge 6/6 II, … - naja, hätte man ja vielleicht auch gerne als Bild gehabt, aber nicht zu ändern. Die variierenden RE (nach ihren Zielen) haben hier auch variierende Halte, mein Zug hält bis Klosters Platz noch in Schiers, Jenaz und Küblis, die Strecke steigt dabei auch merkbar an.

Nach Klosters Platz wird es dann dunkel – dabei ist das hier erst der Zugerwaldtunnel, der in einer leichten Steigung hinauf nach Klosters Selfranga führt, das ohne Halt durchfahren wird. Hier ist die Autoverladung für den nun folgenden „längsten Meterspurtunnel der Welt“, den 19 km langen Vereinatunnel. Gebaut in den 1990ern als ganzjährig wintersichere Verbindung ins Oberengadin, ist das wieder mal Schweizer Denken – in Deutschland wären die 800 Millionen CHF Baukosten (seinerzeit) und mehr höchst wahrscheinlich in einen Ausbau der Flüela-Straße geflossen. Die Einfahrt in den Vereinatunnel ist zweigleisig, und tatsächlich begegnet meinem RE dann auch ein Stück weit im Berginnern ein Autozug, bevor die Trasse dann eingleisig wird. 19 Minuten geht es durchs Dunkel, bevor über den Abzweig Sasslatsch das Engadiner Tunnelende am Bahnhof Sagliains erreicht ist. Dieser ist als Umsteigepunkt zu Zügen in Richtung Zernez – Filisur und als Autoverlad angelegt. Rund 240 Höhenmeter waren seit Klosters auch noch zu überwinden. Und noch viel wichtiger: im Engadin strahlt die Sonne von einem blauen Himmel, was die Bergkulisse natürlich noch viel schöner zur Geltung bringt. Mein RE fährt jetzt weiter auf die Unterengadinstrecke in Richtung Scuol-Tarasp.

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Bündner Bergpanoramen von unterwegs.

Auf den noch folgenden 17 km durch Berglandschaft windet sich die Strecke hauptsächlich durch Wiesen, der alpinen Landschaft folgend sind Tunnel und Brücken nicht selten. Scuol-Tarasp ist Endbahnhof, von hier aus ginge es nur noch mit dem Postauto weiter, das neben dem Bahnhof auch nach Landeck in Österreich abfährt.

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Aussterbende Art – ein Reisezugwagen mit Hauptgattungskennzeichen „D“ – hier bei der RhB in Scuol-Tarasp für den Velo-Transport vorgehalten.

Mein nächster Zug ist dann der Regio nach Pontresina, auch dieser ist mit Ge 4/4 II bespannt, im Gegensatz zum RE aus Landquart ist es aber ein Pendelzug und wird ab Scuol-Tarasp geschoben. Bis Sagliains kenne ich die Strecke natürlich schon, danach geht es nicht in den Tunnel, sondern über Susch dem Inntal folgend, auch den Inn auf einem Viadukt überquerend, nach Zernez. Auch dort besteht internationaler Poschti-Anschluss, durch das Val Müstair und über den Ofenpass nach Mals im Südtiroler Vinschgau. Rätoromanisch lässt sich im Übrigen in seiner Aussprache nicht vom Italienischen her ableiten, das merke ich im weiteren Streckenverlauf mit Halten an Bahnhöfen wie Cinous-chel-Breil, S-chanf oder La Punt – Chamues-ch doch sehr deutlich. Auch wenn die RhB natürlich hier auch schon längst mit moderner Technik arbeitet und all diese Stationen unbesetzt sind, gibt die Infrastruktur im Allgemeinen ein gepflegteres Bild ab, als man das von DB Station & Service so im Durchschnitt gewohnt ist. Der österreichische Einfluss macht sich durch Aufschriften wie „Kassa und Wartraum“ bemerkbar. Über die Verzweigung in Bever erreicht der Zug dann den Knoten Samedan, wo ich aussteige und eine weitere Strecke auf der Schweizkarte „abhaken“ kann.

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Unterwegshalt: Der Bahnhof von La Punt – Chamues-ch, GR.

In Samedan scheinen sich die Sprachprioritäten wieder verschoben zu haben, denn hier werden Züge nicht nur in Deutsch und dem in der Schweiz aufgrund des internationalen Publikums schon recht üblich gewordenen Englisch angekündigt, sondern auch in Italienisch. Na mir soll es recht sein. Schönwetter übrigens auch hier, wo auf über 1700 m der höchste Punkt meiner heutigen Reise erreicht ist. Hier sehe ich dann auch Drehstrom vor den Zügen, einerseits in Form der moderneren Ge 4/4 III, andererseits auch mit den ABe 8/12, den „Allegras“ – ein solcher bespannt dann auch meinen nächsten Zug, den RE in Richtung Chur.

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So komme ich also doch noch zu einem Bild von einer RhB - Ge 6/6 II – Samedan.

Ich suche mir dann auch einen Platz im ET, und bin angenehm überrascht: die RhB-Allegra sind nicht nur starke Schlepptriebwagen, sondern überzeugen auch durch eine vergleichsweise hochwertige Inneneinrichtung. Wieder verlasse ich den Bahnhof in Richtung Bever, aber dieses Mal geht es nicht mehr ins Unterengadin, sondern auf das Weltkulturerbe Albulabahn, dessen Schleifen, Brücken, Rampen und Kehrtunnel ich über Bergün hinunter bis in das noch „gerade mal“ auf 1080 m gelegene Filisur genießen kann. Hier steht mein Anschlusszug bereit, wieder ein Pendelzug mit Steuerwagen voraus, nur schiebt hier eine Ge 4/4 III mich wieder hinauf, der Zielbahnhof des Zuges ist Davos Platz. Auch diese Strecke ist eine sehenswerte Gebirgsbahn, es geht durch die Schlucht des Landwasssers, durch Tunnel und über Brücken, deren bekannteste das Wiesener Viadukt ist. Vom auf knapp 1200 m gelegenen Halt in Davos Wiesen klettert dann die „Ortsverbindung“ noch um 340 m höher bis zum Zielbahnhof in Davos Platz, wo der Fahrplan mir ein wenig Zeit einräumt. Davos ist ja immer wieder in den Medien, ich persönlich finde es bei meinem kurzen Rundgang jetzt nicht zwingend spektakulärer, schöner oder glamouröser als andere Schweizer Touristenorte in den Bergen. Das Bahnhofsgebäude ist ein – abweichend zum sonst bei der RhB vorherrschenden Stil – klar gegliederter, auch recht großer „Neubau“ von 1949, auf dessen Hausbahnsteig ich dann den RE entere, der mich zurück nach Landquart bringen wird. Bis Davos Wolfgang geht die Strecke noch bergauf (1625 m), und danach geht es „bis Basel nur noch bergab!“ – was aber nur topographisch, keinesfalls wörtlich gemeint ist. Von der Davoser Seite ist zweifellos die schönere Einfahrt nach Klosters Platz, man sieht den Bahnhof bereits lange vorher von oben, bis man in einer Schleife dort einfährt. Danach geht es nochmals durch die Kalkfelsen- und Wiesenlandschaft des Prättigau bis Landquart, wo ich der „kleinen Roten“ auf Wiedersehen sage, und mich anschicke Graubünden zu verlassen. Weil es Abend geworden ist, darf dies ruhig komfortabel und schnell geschehen, und so wähle ich den IC, der aus IC-Doppelstöckern gebildet ist und bis Basel SBB noch genau zwei Zwischenhalte haben wird: Sargans und Zürich HB. Nun ist auch das Wetter am Walensee noch schön geworden, und dieser Streckenabschnitt lässt sich ja auch im Licht der untergehenden Abendsonne genießen. In Thalwil haben wir eine Paralleleinfahrt mit dem IR aus Luzern, der aus demselben Wagenmaterial gebildet ist, aber dort halten muss, so dass mein IC durchfahrend der erste Zug ist, der den Zürcher HB erreicht. Lernende der SBB machen zwischenzeitlich noch Fahrgastbefragungen, unter anderem auch über die Reiseroute. Kurz denke ich darüber nach, ob ich „böse“ sein soll und Cinous-chel-Breil nach Siselen-Finsterhennen oder etwas ähnliches als Reiseroute angeben, nur um hinterher die Schreibfehler zu zählen – nein, ich bin zu den Nachwuchseisenbahnern natürlich fair geblieben. Der Zug fährt in die Zürcher Kopfbahnsteighalle ein, und aufgrund der Anschlüsse in alle und aus allen Richtungen findet natürlich ein reger Fahrgastwechsel statt. Nach 11 Minuten Aufenthalt geht es dann weiter, nur dass im Gegensatz zur Hinfahrt der Weg via Heitersbergtunnel – Aarau – Kurve Olten – Hauensteinlinie nach Basel führt, wo mich das Tram noch ins Nachtquartier bringt, um für den nächsten Tag auf Schweizer Gleisen gerüstet zu sein.
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
146225
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Tag 2: Spottsucht und Umwege.

Wieder geht es im Trubel des Morgenstoß über „den SBB“ in Basel, wo mein erster Zug heute ein mit Re 460 bespannter EW IV – Pendel ist, der als IR bis Erstfeld verkehrt. Vor der GBT-Einweihung war das der IR in den Tessin. Nicht geändert hat sich, dass diese IR ohne Halt bis Olten verkehren, im bekannten Aargauer Bahnknoten steige ich auch gleich wieder aus, und nachdem ich einmal von ganz links außen nach ganz rechts außen gewechselt bin, finde ich mich in einem SBB-Flirt wieder, der als Regio in Richtung Solothurn unterwegs ist. Muss so sein, weil mein nächster Umsteigebahnhof Niederbipp von „höherklassigen“ Zügen, die auf dieser Strecke ja bekanntlich ICN sind, nicht bedient wird.

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ASm – Normalspur im Güterverkehr: Tm 837 826 in Niederbipp.

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ASm – Meterspur Be 4/8 110 als Regionalzug 421 in Niederbipp.

Niederbipp ist einer der vielen Schweizer Bahnhöfe mit Gleisen in Normal- und Meterspur, das Gleis am Hausbahnsteig ist sogar ein Dreischienengleis. Ein gepflegtes Reisezentrum gibt es ebenfalls im Aufnahmegebäude, welches allerdings nicht von den SBB, sondern durch die hier vor Ort tätige ASm betrieben wird. Mit dem zweiten der – gleichfalls wieder roten – Meterspurtriebwagen der Aare-Seeland-mobil, der westwärts vorbeikommt, verlasse ich dann Niederbipp, Ziel der Übung ist, Solothurn auf der Meterspurstrecke, die abseits der SBB-Hauptbahn via Oberbipp und Flumenthal verläuft, anzufahren. In Solothurn geht es dann „als Tram“ auf der Straße durch die Stadt zum Bahnhof, bestimmt auch ein reizvolles Fotomotiv, nur ließe mein Zeitplan gerade so die Rückfahrt des ET nach kurzer Wendezeit am Solothurner Bahnhofsvorplatz zu, der dann aber voll gegen die Sonne fährt – wieder ein Punkt für die „nächstes Mal aber machen“ – Liste.

Ich bleibe auf dem Vorplatz in Solothurn und suche. Und zwar die richtige Kante, wie der Schweizer auch zu Bushaltepositionen sagt. Als ich meine gefunden habe, kann ich mir ein Grinsen nicht ganz verkneifen, denn wer fährt schon in die Schweiz, um dann – fast wie zu Hause! – mit einem Bus des RBS zu fahren? Nur dass dieser Citaro C2 leuchtend orange lackiert ist und RBS hier für „Regionalverkehr Bern-Solothurn“ steht. Hm, einer von deren Stadler NExT-ET wäre mir jetzt lieber, aber… - Kontrollierter Vordereinstieg ist was für Deutschland, hier gilt auf dem Bus das schweizweit etablierte Prinzip der Selbstkontrolle, Fehlbare werden gebüsst. Und auch der Bus verlässt pünktlich auf die Minute Solothurn, versteht sich. Sind ja hier nicht die LVL.

Warum fahre ich Bus? Weil es in diesem Fall leider nicht wirklich zu vermeiden ist. Es gibt zwar noch ein Bahngleis von Solothurn aus zu meinem nächsten Zwischenziel Büren an der Aare, dieses ist aber leider ohne planmäßigen Verkehr und zwischenzeitlich auch ohne Fahrdraht. Die Geschichte der Bahnverbindung liest sich wie „hätte so auch in Deutschland passieren können“ – erst eine vorübergehende Einstellung, dann verloren die SBB das Interesse ganz, weil der bernische Regionalverkehr ja an die BLS überging, dann war eine Brücke schadhaft… - dass eine Kantonsgrenze auf der Strecke liegt (BE zu SO) war wohl am Ende auch nicht förderlich. Der Bus folgt letztlich dem Streckenverlauf recht direkt, und ich muss zugeben: Die Ortschaften, die wir passieren, sind letztlich Weiler – ein Riesenaufkommen an Fahrgästen hat eine Bahn, die im Prinzip „nur“ Solothurn und auf der anderen Seite direkt nur das noch kleinere Lyss anbindet wohl nicht zu erwarten. Sollte es eines Tages dennoch wieder Züge geben, muss ich halt nochmals wiederkommen. So hält der Buskurs aber am Vorplatz des Bürener Bahnhofs, wo am Gleis 1 bereits ein RABe 535 „Lötschberger“ der BLS als Regio nach Lyss bereit steht.

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RBS-Citaro der Linie Solothurn – Büren – Zollikofen am Bahnhof von Büren an der Aare.

Das ist eine kurze Fahrt, 10 Minuten bin ich in der „Bombardier-Kiste“ unterwegs. Lyss sieht mich nur, um den Regio zu wechseln, das EVU bleibt, nur der Zug ist jetzt ein „Privatbahn-NPZ“, ein RBDe 566 mit Jumbo-Zwischenwagen fährt mich weiter westwärts durch Ortschaften und Wiesen in den Keilbahnhof Kerzers mit seinem erhalten gebliebenen historischen Stellwerk.

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Das historische Stellwerk von Kerzers.

Natürlich dient diese ganze „westlich-an-Bern-vorbei“ – Fahrt wieder mal einzig und allein dem Streckensammeln. Weiter geht es auf der anderen Keilbahnhofsseite, ein RABe 525 „Nina“ würde direkt nach Murten verkehren, ich nehme – aus Sammlungsgründen, warum auch sonst – einen weiteren kleinen Umweg und gönne mir einen Augenblick (also ganze 6 Minuten lang) den Charme der 1970er.

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BLS Re 465 005 erreicht mit dem RE 3921 aus La-Chaux-des-Fonds nach Bern gleich Ins.

Ich bin nämlich in einen RE von Bern nach La-Chaux-des-Fonds eingestiegen, und die werden von der BLS bekanntlich ja (noch, man hat ja jetzt bei Stadler eine ordentliche Menge neuer Flirt u.a. für genau diese RE-Linie bestellt, Einsatz ab Anfang der 2020er Jahre) mit Zügen aus Re 465 + EW III bedient, und diese verströmen dieses Flair der ‘70er trotz Überarbeitung in einem gewissen Sinne immer noch. Und bequem…seufz, hilft ja nix, raus aus dem Wagen als der Zug in Ins hält. Ja, hier war ich natürlich auch schon mal, und deshalb geht es heute nur kurz auf den Vorplatz schauen, von dem – auf Meterspur – die ASm mit Stadler-GTW über Lüscherz und Täuffelen nach Biel abfährt. Nein, ich steige nicht ein, mein nächster Zug kommt aus Neuenburg. Masern hat er hoffentlich keine, auch wenn er rote „Tüpfeli“ drauf hat, es ist nämlich ein RABe 527 der tpf. Man könnte auch sagen: ein Flirt. Dieser verkehrt jetzt „um die Kurve“ über Sugiez nach Murten und von dort aus dann über Cressier und Courtepin nach Freiburg im Uechtland. Die Ortschaften, die man vom Zug aus sehen kann, sind alles keine großen Orte, und der Zug schlängelt sich auch mäandernd durch Wiesen, Wald und Flur, ist aber dennoch gut besetzt.

Freiburg im Uechtland bietet zwei Arten von Bussen um den Bahnhof herum – auf der Stadtseite vor dem Bahnhof leise elektrische Trolleys, der Dieselkram verkehrt vom Busbahnhof aus, der hinter dem Bahnhof im Keller liegt und den unwiderstehlichen Charme einer Tiefgarage hat. Spätestens jetzt holt es mich auch ein, dass ich den Röschtigraben wohl überfahren habe, französische Sprachfetzen dringen von allen Seiten an meine Ohren. Bevor mich das – mal wieder, ich gebe zu, es ist ein liederliches Vorurteil bei mir - zu Spott und Lasterhaftigkeit verführt, brauche ich erstmal etwas zu trinken. Als mir der freundliche Angestellte an der Supermarktkasse „une belle journèe“ wünscht (frz: einen schönen Tag), kann ich mich nicht ganz zurückhalten und danke ihm in meinem besten Italienisch mit einem herzlichen „Grazie, anche a Lei“ (Danke, Ihnen auch) – was dann doch einen sehenswert verdutzten Gesichtsausdruck hervorbringt. Jaja, der Kanton Freiburg ist zwar offiziös zweisprachig, aber außerhalb aller offiziösen Einrichtungen scheint mir die Beherrschung von etwas anderem wie halbwegs rhythmischen Grunz-Lauten, Verzeihung, natürlich der französischen Sprache, oftmals doch etwas viel verlangt. Werde ich nochmal überprüfen müssen, die Stadt an sich soll ja sehenswert sein … denke ich so bei mir, während ich bereits im IC-Doppelstöcker sitze, der mich in Richtung Waadtland bringt. Wer die Strecke Bern – Lausanne via Freiburg kennt, weiß, dass der schönste Streckenabschnitt – bitte dafür einen Fensterplatz in Fahrtrichtung links wählen – am Schluss kommt. Nach dem kleinen Verzweigungsbahnhof von Puidoux-Chexbres, der später noch Erwähnung finden wird, kommt noch ein Tunnel und dann … - öffnet sich der Blick über die Weinterassen des Lavaux hinüber über den Genfer See auf die Alpengipfel. Beim heute vorherrschenden strahlend blauen Himmel mit Sonne wahrlich ein Postkartenmotiv, das man minutenlang genießen kann, während sich der Zug die Rampe nach Lausanne hinab windet. Unten am See kann ich schon die Streckengleise in Richtung Montreux erkennen, auf denen ich die Reise fortsetzen werde, doch erst noch ein kurzer Bahnsteigwechsel im Trubel der Olympiastadt Lausanne.
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Weiter mit Tag 2, ab Lausanne:

Der jetzt folgende IR ist – wie alle (?) IR auf der Verbindung Lausanne-Brig – ein mit Re 460 bespannter EW IV-Pendel, wobei hier auch jene EW IV eine Heimat haben, die beim letzten großen Umbau-Projekt nur die „Sparbehandlung“ bekamen, also Hg 160 km/h, keine Zulassung für LBT/GBT. Reicht ja auch aus für die Fahrt entlang der Waadtländer Riviera, es stehen noch ein paar Bilder der TPC auf dem Nachmittagsplan, also steige ich in Aigle aus. Hätte ich so oder so gemusst, denn Westschweizer Fahrpläne sind – anscheinend – nicht ganz so dicht und gut abgestimmt, wie das weiter nordöstlich der Fall ist, und der von mir genutzte IR hält nicht in Bex. Also will ich die „Zwangspause“ in Aigle dafür nutzen, die Straßenbahneinfahrt eines TPC-Schmalspurzuges aus Les Diablerets noch kurz ins Bild zu bannen – nun, es bleibt bei dem Vorsatz, denn als ich zu den Schmalspurgleisen komme, prangen dort große Tafeln „Hors service!“ (frz.: außer Betrieb). Während ich noch rätsle, ob auf allen 3 Strecken dann nichts fährt – immerhin stehen im Vorfeld Fahrzeuge der Strecke nach Leysin abgestellt, und der Meterspur-GTW am Bahnsteig sieht auch aus, als könne er nach Champery abfahren – biegt der Zug dann auch schon um die Ecke. Hmpf.

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Zahnrad-ET BDeh 4/4 313 der TPC für die Strecke Aigle – Leysin in Aigle VD.

Erst später kapiere ich, dass die TPC mit den großen Tafeln nicht auf ausfallende Züge, sondern auf ein temporäres nicht-funktionieren der Zugzielanzeiger an den Bahnsteigen hinweisen wollen. Also gut, nachdem die Meterspurstrecken ab Aigle ja eh noch alle befahren werden müssen, werde ich einfach nochmals wiederkommen, aber dennoch … Gebrummel über „vernünftige Sprache“ kann ich mir nicht ersparen, als ich in den (Walliser) RegionAlps-NPZ-Domino einsteige, der mich als RE nach Bex bringen wird (spricht sich einfach nur „Be“ aus). Dort betreiben die TPC zwar leider kein Ortstram mehr, aber auch die Züge nach Villars und auf den Col-de-Bretaye zwängen sich durch die Ortsdurchfahrt, die an einigen Stellen absoluten Besichtigungswert für Zeitgenossen vom Schlage des Ludwigsburger OBs hätte. Fotomotive gäbe es reichlich, Züge im Stundentakt dafür dann eher zu wenige. Dennoch reicht es noch eine Fahrt bis in den Ort und wieder zurück, wo die Beh 4/8 sehr knapp an den Ecken der alten Häuser vorbeiziehen.

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TPC Beh 4/8 Nr. 92 fährt auf dem Marktplatz von Bex ein.

Auf dem Rückweg nutze ich dann einen in Bex haltenden IR, und weil ich die Zeit dazu tatsächlich habe, gönne ich mir noch 28 Minuten in Montreux, um den „Tourikitsch“ der MOB noch kurz zu visitieren. Na, nicht ganz, zu meiner Überraschung verkehrt der Regio nach Zweisimmen mit einem der ABDe 8/8 aus 1968 an der Spitze, leider steht dieser natürlich besch… eiden im Licht.

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Kitsch as Kitsch can: GDe 4/4 6003 der MOB in Montreux.

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ABDe 8/8 4003 „Kanton Bern“ der MOB vor dem Regio in Montreux.

Der nächste SBB-IR, den ich entlang der Riviera bis Vevey nutzen möchte, lässt mir Gelegenheit, weiter an meinem Spott über Westschweizer zu basteln: zum einen ist er 3 – in Worten: drei! Minuten verspätet, die Hölle ist offen! – und zum anderen streitet sich eine Gruppe junger Damen in den Zwanzigern lautstark über irgendetwas, als ich einsteige, natürlich gestenreich und in Französisch. Triff hier die Schweizer Unterschicht, die in der Schweiz Französisch spricht… (okay, angestiftet durch die Altneihauser…) – nachdem der vielstimmige Zicken-Krieg nicht so aussieht, als könne er vor Genf noch enden, steige ich halt in Vevey einfach wieder aus. Gut, wollte ich ja sowieso. Eine Reisewarnung betrifft die westliche Bahnsteigunterführung dieses Bahnhofes, nicht nur dass die einfach an eine Straßenunterführung angeflanscht wurde und eher grattlig daher kommt, nein, die Ab-/Aufgänge zu den Bahnsteigen sind auch recht eng, also nichts für großes Gepäck und Menschen mit Platzangst. Schnell noch ein Foto eines MVR-ET? Der einzig anwesende (Altbau) steht gegen die Sonne und ist vollgeschmiert – nein, dann lieber gleich einsteigen, und zwar in den „Wengertzug.“

Ach ja, der „Train des Vignes“ – da zeigen mir die SBB – äxgüsi, le CFF – wieder mal, wie nett sie doch zu mir sein können. Früher hätte ich Stress gehabt, um ein vernünftiges Bild des extra für diese Nebenbahn gelb lackierten NPZ anzufertigen, heute spare ich mir diese Mühen und steige in den „gewöhnlichen“ NPZ-Domino ein, der mich nach Puidoux-Chexbres wieder hinauf bringen wird. Man kann sich vermutlich lange darüber auseinandersetzen, welches Bahngleis durch das Lavaux die schönere Aussicht bietet, die Strecke auf der ich jetzt bergwärts rolle ist halt „nebenbahniger“, nur eingleisig und etwas beschaulicher. Für mich heißt es beim Ausstieg auch: wieder eine Strecke „abgehakt“.

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SBB RBDe 560 246 erreicht hier als S-Bahn Waadt (RER Vaud) von Palezieux nach Lausanne den Bahnhof von Puidoux-Chexbres.

Puidoux-Chexbres ist als Bahnhof – mit dem holzüberdachten Mittelbahnsteig – ländlich, beschaulich und so stehe ich in der Frühlingssonne und höre den Vögeln zu, also wenn nicht gerade sonstiger Bahnverkehr stattfindet. Züge aus Richtung Palezieux sieht man schon eine gute Weile vorher, wie sie sich am Hang oberhalb des Weilers entlangschlängeln – besonders der IC-Doppelstöcker, der Puidoux-Chexbres natürlich ohne Halt durchfährt, kommt da gut zur Geltung. Dann ist Schluss mit Tagträumen, mein Zug nach Palezieux fährt ein, der nächste NPZ-Domino, dieser aber mit einem Zwischenwagen mehr, und weil zur besten Nachmittags-HVZ in Lausanne abgefahren, auch deutlich voller. Auch in Palezieux bin ich wirklich nicht der einzige, der dem neben dem Bahnhofsgebäude gelegenen Meterspur-Kopfbahnhof zustrebt, wo schon ein Stadler-ET der tpf wartend bereitsteht. Das erste Teilstück dieser Fahrt bis Chatel-St.Denis führt stetig bergauf und bietet mehrfach schöne Aussichten auf die Alpenkette in Fahrtrichtung rechts. Nach dem mit einer Kreuzung und einem Kopfmachen verbundenen Aufenthalt im Bahnhof von Chatel-St. Denis – das dürfte locker der größte Ort an der Strecke sein, vom Endpunkt Bulle abgesehen, und außerdem habe ich mit dem Vivisbachbezirk auch wieder freiburgischen Boden erreicht – geht es dann ebener und vor allem durch Wald und Wiesen nordostwärts gen Bulle. Auch dort – wie bei diversen anderen Bahnen schweizweit – kann man noch beobachten, dass nicht nur die RhB noch Güterverkehre auf schmaler Spur betreiben.

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Meterspurtriebwagen Be 4/4 124 der tpf vor aufgeschemelten Normalspur-Güterwagen in Bulle.

Auch Bulle wird mich noch mindestens einmal sehen, weil der – jetzt – mir letzte fehlende Streckenast ab dort nach Broc (auf Meterspur) auch mit viel gutem Willen nicht in den Plan für diesen Tag zu integrieren war. Also halt beim nächsten Mal, man braucht ja noch was zu tun im Leben, und „nach Broc fahren!“ hört sich halt doch ungleich besser an wie „endlich wieder mehr Überstunden arbeiten!“ oder ähnliche Vergnügungen. Ich verlasse Bulle dann auf der Normalspur, ein NPZ-Domino von den SBB bildet den RE nach Bern. Zuerst geht es durch Wiesen stetig bergab bis Romont, dort erreichen wir die Hauptstrecke von Lausanne nach Bern wieder und kuppeln auf einen zweiten NPZ-Domino, der aus Palezieux gekommen ist, auf. Danach geht es in flotter Fahrt auf der Hauptbahn dahin – bitte, die NPZ sind zwar an sich sowas von „Achtziger“, aber 140 km/h laufen sie halt auch. Ich sitze ganz am Schluss im ET (RBDe 560) des Zugsteils aus Bulle, der seit Romont überschaubar belegt ist – so ließe es sich bis Bern doch aushalten.

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Im dahineilenden RBDe 560 zwischen Romont und Freiburg unterwegs.


Leider sind die SBB schon in Freiburg eine üble Spaßbremse, denn „infolge Bauarbeiten“ bei Flamatt ist die Streckenkapazität reduziert und der RE verendet heute in Freiburg – bzw. wendet gleich wieder auf den Gegenzug. Reisende nach Bern benutzen bitte den IR um … ja, gut, ist ja gleich. Der IR kommt von Lausanne, besteht aus einer Re 460 mit EW IV – Pendel plus „Päckli“ – einem Verstärkermodul. In jenem kann ich mir noch einen Platz ergattern, aber mit Abfahrt in Freiburg ist der IR doch sehr gut belegt – Stehplätze sieht man bei den SBB „oberhalb der S-Bahn“ jetzt nicht zu häufig, weil die nachgefragten Verbindungen meiner Erfahrung nach doch auch mit ordentlich Kapazität gefahren werden, so 12-14 Wagen sind da eher die Regel als die Ausnahme.

In Bern dann natürlich rascher Fahrgastwechsel in der Beton-Bahnhofshöhle, der IR würde weiterfahren nach Luzern, nächster Halt Zofingen – ach nö. Dann halt doch ein rascher Bahnsteigwechsel, und schon sitze ich nebenan im Doppelstock-IC, der Bern in Richtung der Schnellfahrtrasse nach Rothrist verlässt. Nächster Halt ist Olten, und wieder einmal geht es dann über die altbekannte Hauensteinlinie nach Basel SBB.
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Tag 3: Mach die A-Welle – oder: irgendwie im Kreis herum, oder auch nicht?

Der nächste Tag sieht mich ab Basel SBB im IR nach Luzern, es ist eine Re 460 mit EW IV. Zur allseitigen Überraschung geht es mal wieder über die Hauensteinlinie nach Olten. Ja gut, in Luzern will ich zwar auch noch vorbeikommen, aber wer fährt denn dahin auch mit dem direkten IR via Zofingen und Sursee? Also ich zumindest heute nicht, ich steige auf einen – nein, keinen Flirt wie gedacht – NPZ-Domino um, der mich als S23 nach Langenthal bringt. Ja, ihr Nietenzähler, ich weiß auch, dass das schon zum Kanton Bern gehört, aber wer hat denn bitte behauptet, dass ich nur im Aargau unterwegs sein würde? Davon war ja bitteschön nicht die Rede. Ab Langenthal geht es – unter wiederkommen-pflichtiger Missachtung der noch fehlenden Strecke nach St. Urban – mit einer BLS-525, einer NiNa, nämlich auf die nächste unbekannte Bahn. Vom Kopfgleis aus verkehrt die S6 via Lotzwil, Madiswil, Kleindietwil … ja, unter anderem auch nach Huttwil. Deswegen hieß der ganze Krempel ja auch mal früher Vereinigte-Huttwil-Bahnen, bei der BLS gelandet ist das ganze über fortgesetzte Fusionitis. Huttwil ist ein bisschen größerer Ort und Bahnhof, nicht nur mit Busanschlüssen, sondern auch mit einer Fahrzeughalle, in der die Umrisse eines nicht näher identifizierten historischen ET ausgemacht werden können. Außerdem ist Huttwil auch Kreuzungsbahnhof, die Strecke ist nämlich eingleisig. Weiter geht es über Gettnau – nur echt mit Kiesverkehren – und Willisau dem Tal entlang, bis wir in Wolhusen auf die Strecke Luzern<->Konolfingen treffen. Umsteigen ist aber nicht nötig, die S6 fährt bis ans Vierwaldstätter-See-Ufer durch. Bei der Einfahrt in Luzern fallen dann noch die an der Seite stehenden, ramponierten Zugsteile des hier verunfallten RABe 503/ETR 610 auf. Einiges müsste wohl doch repariert werden.

Ich verlasse Luzern aber ganz und heil wieder mit der nächsten S-Bahn, diese heißt S1 und ist ein Flirt. Auf der altbekannten Hauptbahn in Richtung Thalwil verbleibe ich bis Rotkreuz im Zug (diesen Kanton habe ich damit auch erreicht). Rotkreuz ist auch einer jener Orte, wo der Bahnhof doch nicht unerheblich größer zu sein scheint als der Ort selbst ist.

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SBB RABe 521 019 steht als „S26“ nach Aarau in Rotkreuz bereit.

Ein rascher Flirtwechsel (von einem 523 in einen 521) bringt mich dann wieder auf unbekannte Gleise, es geht von Rotkreuz aus über Sins, Benzenschwil, Muri AG nach Wohlen, wo ich jetzt noch nicht aussteige, sondern noch einen Moment mir den verwaisten, ungenützten Bahnsteig der einstigen Wohlen-Meisterschwanden-Bahn anschaue. Nein, das ist nur wieder böse Fuzzisicht, dass der – von Zügen ungenutzt, als Velo-Abstellplatz dienend – noch deutlich besser aussieht als so mancher aktive Bahnsteig der DB Station & Service. Wie werde ich denn auch an einem weltweit führenden Mobilitätsdienstleister zweifeln können. Ich doch nicht. Nein. Neeein. Es kommt dann noch Dottikon-Dintikon, und dann steige ich in Lenzburg aus, wo man als Bahnhofsgebäude einen Betonquader ganz im Charme der 1970er hat. Nun, ich muss ja hier nicht verweilen, sondern einfach nur in einen von einer Re 450 gezogenen Doppelstöckerpendel einsteigen, damit ich in Dietikon wieder aus selbigem aussteigen kann.

Spurwechsel war ja heute auch noch nicht, also bitte sehr: rein in den Stadler Diamant der BDWM Transport AG. Auf der Zentralbahn, auf der MOB, bei den Jungfraubahnen, auf der RhB oder der MGB sieht man ja Tag für Tag Touris aus aller Welt, nur echt mit den Selfiesticks wedelnd. Auf der BDWM ist das nicht so, wobei die Strecke durchaus einen Besuch wert ist. Vom Dietikoner Bahnhof geht es links auf die Straße und durch den Ort bergauf. Ein Hügelkamm will erklommen werden, bevor es vor Bremgarten wieder hinab ins Reusstal geht. Nebenbei überqueren wir auch noch die Kantonsgrenze ZH->AG. Der Abstieg bei Zufikon geht auch wieder parallel zur Straße, mit Steigungen, Kehren und Kurven wie diese, so im ersten Moment fühlt man sich fast ein bisschen an die U15 in Stuttgart erinnert. Passt vom Gelände her, die Bebauung ist auch nicht dünn, und die BDWM verkehren auch am Samstagnachmittag alle 15 Minuten. Bremgarten hat im rechten Winkel zur Strecke – mit einem interessanten Weichenfächer – das Depot der Bahn, ich hingegen dränge zur Reussfront in der Altstadt und steige deswegen erst am nächsten Halt, Bremgarten Obertor, den die Bahn wieder auf der Straße erreicht, aus.

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Die bekannte „Reussfront“ in Bremgarten.

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Ein Blick Reuss-abwärts.

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Und mit Zug: ABe 4/8 5009 der BDWM auf der Bremgartener Reussbrücke.

Okay, das – von verschiedenen Seiten – viel fotografierte Motiv der BDWM auf der Reussbrücke in Bremgarten mit der Altstadtkulisse hat der eine oder die andere Leser(in) dieser Zeilen vielleicht schon mal wo gesehen. Gibt bestimmt auch bessere Aufnahmen als diese meine, insgesamt gefällt mir Bremgarten aber sehr gut. Ist „nur“ eine Kleinstadt abseits aller Touristenströme, aber sofort einen Besuch wert. Nach fuzzen, schauen, bummeln, staunen, Sonne genießen, steige ich wieder in den Zug und überfahre die Reuss, auf deren anderer Seite „Bremgarten-West“ nüchterner, moderner daher kommt. Doch die Bahnstrecke geht ja noch weiter, und so geht es durch den Wald nach Wohlen, wo ich auf dem Vorplatz ankomme. Ja, ich weiß, von der Bahnfahrt Wohlen – Dottikon-Dintikon – Lenzburg habt ihr schon mal irgendwo gelesen. Immerhin ist es diesmal ein 523er Flirt, also sagt mir bloß nicht, das sei dasselbe gewesen…

Lasst mal kurz überlegen. Nein, natürlich habe ich auf dieser Schweiz-Reise noch nicht alle Bauarten an SBB-Normalspur-ET hinter mir. Ich war ja nicht im Tessin gewesen, wo ich 524 (das sind die Italien-tauglichen FLIRT) hätte fahren können. Doch jetzt erwartet mich in Lenzburg unerwartet ein 520. Ach, werden die Kundigen unter euch mutmaßen, er ist Seetalbahn gefahren – leider nur teilweise richtig. 520 sind zwar die Stadler-GTW 2/8 die auf der Seetalbahn zu Hause sind, aber die kenne ich schon – also ging es via Suhr, Kölliken und Safenwil nach Zofingen. Diese Strecke führt durch dichte Besiedlung, durch Gewerbe, nahe der Autobahn – hier zeigt sich das dicht bebaute Mittelland, nichts mit Bergen, Almen, Postkartenidylle. Bemerkenswert wäre die Niveaukreuzung mit der WSB-Schmalspur in Suhr. Von Zofingen aus geht es mit einem Flirt (523) nach Olten.

Für diesen Samstag habe ich mir kein so ein „heftiges“ Programm auferlegt als wie für die zwei Tage zuvor, und deswegen ist es jetzt vergleichsweise auch noch „früh am Tag“ – ich habe also noch Zeit, irgendwo, irgendwie eine Runde zu drehen. Und da wird sich doch an einem Knoten wie Olten was finden lassen? Spontan steige ich in den ICN – ich mag die RABDe 500 – in Richtung Lausanne, ich will dann noch – dem schönen Wetter halber – eine Runde durch den Jura drehen, an dessen Ausläufern es wieder über Oensingen nach Solothurn geht, nur schneller als gestern, und weiter via Grenchen Süd nach Biel. Dort dislozierend wird der ICN gewechselt, und es geht – vorbei an den so ziemlich letzten Formsignalen bei den SBB im RB Biel – wieder in fast die gleiche Richtung, nur über die Brücke nach Grenchen Nord. Und hinein in die Jura-Berge, auch hinein in den gleichnamigen jüngsten Kanton der Schweiz, dessen Hauptort Delsberg einen Fahrtrichtungswechsel mit sich bringt. Danach windet sich die Strecke weiter durch Wald und Felsen, bis – übrigens eingleisig – das Baselbieter Laufental erreicht wird, durch das es hinab in wieder dichter besiedelte Ortschaften wie Aesch und Dornach geht, die vom ICN natürlich allesamt ohne Halt durchfahren werden. Immerhin habe ich es durch den kleinen Schlenker über Biel doch glatt auch geschafft, dass ich nicht „schon wieder“ via Hauensteinlinie, sondern über Dreispitz nach Basel SBB einfahre, wo die Fahrt „hinten“ auf den Kopfgleisen endet.
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Beitrag von 146225 »

Tag 4: Noch ein bisschen rund um Zürich – mit Überraschung, und ab nach Hause.

Der Sonntag beginnt erstmal mit Logistik, und so fahre ich mit dem Tram mal ausnahmsweise nicht „uff än SBB“ sondern … genau: „Badischer Bahnhof – Gare allemand – German railway station“ heißt mein erstes Ziel, wo ich bis zur abendlichen Rückfahrt nach Hause schon mal das Gepäck deponiere und nebenbei auch die noch fällige DB-Fahrkarte dafür besorge. Dann aber nix wie rein in die S6, und ab über die Verbindungsbahn, um in Basel SBB auf den IR nach St. Gallen – das ist eine Re 460 mit einem Wagen-Mix aus EW IV, EC-Wagen und alten B(pm), jedoch ohne Steuerwagen – umzusteigen. S‘ näggschd isch Lieschdol – für dem SBB-Idiom nicht mächtige Menschen: Der nächste Halt ist Liestal, einziger Schweizer Bahnhof mit 1435 mm/750 mm – Kombi und nebenbei auch Basellandschaftlicher (Baselbieter!) Kantonshauptort. Also wieder Hauensteinlinie, wenn man ab Basel unterwegs ist, ist sie einfach fast unumgänglich. Zürich erreichen wir via Aarau – Heitersbergtunnel. Wegen des Zuges ohne Steuerwagen hätte ich eigentlich erwartet, auf den Durchgangsgleisen „im Keller“ anzukommen, doch der Zug rollt in die Kopfbahnsteighalle. Noch bevor wir am Prellbock zum Stehen kommen, rollt – vom letzten Wagen aus ist das gut sichtbar – bereits die ab Zürich als neue Zuglok eingeteilte Re 420 heran. Versuch so was mal mit dem EBA.

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Werbepause: Re 460 065 mit der neuesten „Coop“ – Beklebung in Zürich HB.

Für mich geht es jetzt aber wirklich in den Keller. Wie fährt man eigentlich von Zürich nach Zug? Ja, über Thalwil, weiß ich. Oder? Wie, nein – durch das Sihltal geht es heute und jetzt nicht, auch wenn mir die Sihltalbahn der SZU noch fehlen würde. Doch da hat ja irgendein böser kantonaler oder eidgenössischer Beschluss das oberste Stück von Sihlwald bis Sihlbrugg abgeschnitten – und zum Bus fahren habe ich heute keine Lust. Sage ich so leichtfertig. Also verlasse ich Zürich gen Westen, ein Stadler-KISS (RABe 511) bringt mich als S5 durch die Zürcher Agglomeration über Birmensdorf ZH, Affoltern am Albis, Knonau ans Ziel. Nett ist auf dieser – frisch gesammelten! – Strecke übrigens der Haltepunkt Steinhausen Rigiblick: statt Bergen landet man nahe der Autobahn in einem Gewerbegebiet, dessen viele größere Betriebe plus einem Einkaufszentrum halt die Fahrgäste bringen dürften. Bergpanorama aber, das gibt es erst einen Moment später, als der Zug nach der Ausfahrt eine Kurve nimmt – dann aber volle Postkarte, so leuchten die schneebedeckten Alpengipfel nebeneinander in der Sonne.

Von Zug zurück geht es dann tatsächlich auf der Hauptbahn über Thalwil, nonstop im EC, der mit einem RABe 503 gefahren wird, also jene Baureihe Alstom-Pendolini, die ja auch für die (deutsche) Gäubahn nach Stuttgart oder für die EC Zürich-München schon verschiedentlich im Gespräch waren und in Italien als ETR 610 bekannt sind. Nun, ich finde den Zug nicht unbequem, das Fahrverhalten auch angenehm, lediglich etwas eng gebaut – ob ich da schon hätte ab Milano C im Zug sitzen mögen? Käme auf einen Versuch an, möglicherweise würde ich für die Durchquerung vom GBT aber doch einen RABDe 500 – ICN oder ein anderes SBB-Fahrzeug (bis zu den neuen 501 „Giruno“ dauert es ja noch ein paar Tage) vorziehen. So aber kann ich nicht allzu lange über die gefühlte Enge an meinem Platz nachdenken – gentili viaggiatori, prossima fermata: Zurigo!

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Auch als RE unterwegs: Re 450 015 bei der Einfahrt nach Zürich HB.

Und wieder führt mein Weg aus der Kopfbahnsteighalle in den Keller, von dort aus ist es aber diesmal eine Re 450 mit ihrem doppelstöckigen Pendelzug, die als S3 nach Wetzikon verkehrt, diesmal aber nicht via Uster, sondern über die nordöstlicher gelegene Route via Effretikon – Fehraltdorf – Pfäffikon ZH – Kempten. In Wetzikon treffe ich die S5 wieder, mit der ich diesmal nur bis Rüti ZH reise, um eine weitere Schleife durchs Zürcher Hinterland zu beginnen. Hier ist es diesmal – bin ich soweit östlich? – ein GTW 2/8 der Thurbo, auch als 526 bekannt, der zum Anschluss bereit steht. Die Fahrt geht durch Wälder via Wald und Fischenthal bevor es bei Bauma ins Tösstal geht. Die Gegend scheint ein beliebtes Sonntagsausflugsziel der Zürcher zum sein, der Zug ist wieder ganz gut nachgefragt. Bei Einfahrt Bauma schaue ich gerade zur Remise voller historischer Fahrzeuge hinüber, als mich die Ansage unvorbereitet trifft: „Infolge Bauarbeiten endet dieser Zug in Bauma. Reisende in Richtung Winterthur nutzen bitte den Bahnersatzbus.“

Wie jetzt, was bitte? Verd… - was habe ich da übersehen? Der Kommunikation um mich herum nach zu urteilen, bin ich nicht ganz der einzige, den das unvorbereitet trifft. Nun, was soll es schon, ich beuge mich dem Unvermeidlichen und trotte mit der Menge auf den Vorplatz, wo Postauto Ostschweiz einen Citaro-Gelenker bereitgestellt hat, den die Fahrgäste aber auch gut ausfüllen. Während uns der Poschti-Chauffeur begrüßt, denke ich im Stillen über die 8 Minuten Umsteigezeit in Winterthur nach … - nicht, dass mir das bezogen auf den Schweizer Abschnitt Sorgen macht, die nächste Verbindung Winterthur – Zürich – Basel kann (zeitlich) soo weit weg ja gar nicht sein, aber ab Basel würde das halt gleich „eine Stunde später“ bis zu Hause heißen. Egal, ist jetzt so. Den ersten Eindruck von den Gleisbauarbeiten an der Bahnstrecke bekommen wir gleich im nächsten Ort, in Saland, wo ein BÜ saniert wird, und der Bus deshalb die Strecke auf einem aufgeschütteten Kieshaufen kreuzt. Sah vermutlich abenteuerlich aus, funktioniert aber. Im weiteren Streckenverlauf können nicht nur Gleisbauer bei der Arbeit beobachtet werden, auch der Fahrleitungsbau ist am (sonntäglichen) Werk. Schon klar, warum dann auf der eingleisigen Tösstalbahn nichts an Zügen fährt. Bei diesem Bahnersatzbus fällt auch auf, dass im Gegensatz zu einem deutschen SEV alle Bahnhöfe direkt angefahren werden, mit Ausnahme von Rämismühle-Zell, wo Bahnhof und Ort von der Tösstal-Straße aus arg ungünstig liegen auf der anderen Seite der Bahn: „…bitte bis Rikon im Bus blieba und na mit äm Klybus annifahre!“ – ein Zubringerdienst mit Kleinbus ist also eingerichtet. In Turbenthal stehen jede Menge – zu viele? – Leute am Bahnhof für den Bus nach Winterthur, glücklicherweise steigen hier aber auch nicht nur 2 Leute aus, so dass der Platz für alle neu zugestiegenen Fahrgäste auch noch reicht. Und weiter geht es, stets mit Tempo, auch über recht schmale Innerortsstraßen, selbst als uns mitten in Kollbrunn der talaufwärts fahrende Kurs im selben Tempo entgegenkommt - es reicht aber vom Platz, selbst wenn es noch so schmal aussieht. Winterthur kündigt sich an, nicht nur der wachsenden Zahl an Häusern wegen, auch wegen der Trolley-Fahrleitung über der Straße. Ein Blick auf die Uhr, nun, ich kann die Route durch das mir unbekannte Winterthur nicht abschätzen, aber so schlecht sieht es von der Fahrzeit her gar nicht aus. Am Ende rollen wir 5 Minuten nach der planmäßigen Zugsankunft vor dem Winterthurer Bahnhof aus – große, nein, gelbe Klasse!

Treppe runter, Treppe rauf, rein in den IC-Doppelstöcker aus Romanshorn nach Brig. Für die paar Minuten via Flughafen bis Zürich tut es auch ein Platz im Unterstock, was sich auch insofern als nicht die dümmste Idee erweist, weil am Flughafenbahnhof doch größere Mengen an Reisenden auf diesen Zug warten. Dennoch wird Zürich HB (tief) wie selbstverständlich auf die Minute pünktlich erreicht. Allzu reichlich ist die Umsteigezeit zum Nonstop-IC nach Basel SBB nicht, was mir nochmal Gelegenheit zur „Bewegungstherapie“ gibt, denn der fährt oben in der Kopfbahnhofshalle ab. Ob ich so einen Anschluss z.B. für Berlin Hbf (Keller zur Stadtbahn) bewusst einplanen würde? Wohl eher nicht. In Zürich aber – hoch die Treppe und… wieso ist das Gleis leer? Umdrehen, und nein, es ist nicht leer, der IC ist nur für SBB-Verhältnisse ungewohnt kurz. Gerade einmal 6 „gemischte Flachwagen“ hängen hinter der Re 420, es gibt aber auch noch freie Plätze. Wieder einmal fällt auch auf, dass Schweizer(innen) üblicherweise ihre Koffer nicht mitten im Weg stehen lassen, sondern fast durchgängig wissen, dass man die z.B. auch zwischen die Rückenlehnen der landestypisch ja überall vorhandenen vis-a-vis-Bestuhlung stellen kann. Lernen die das eigentlich in der Primarschule?

Während der Zug die altbekannte Route aus Zürich hinaus durch den Heitersbergtunnel nimmt, irgendwann auch Aarau durchfährt, blicke ich auf 4 Tage Schweiz zurück, nehme die Kurve Olten, denke über schöne Landschaften, erfahrene Strecken, fast durchgängig nette Menschen und nette Eisenbahner(innen) nach. Hoppla – nein, dieser Tunnel ist nicht der Hauenstein, sondern schon der Adlertunnel bei Muttenz, und fast schon zu früh heißt es „Geschätzte Fahrgäste, wir treffen in Basel SBB ein“ - natürlich pünktlich. Somit waren bei 4 Tagen, 8 EVU, einem Trambetrieb, zwei Busbetrieben und gesamt 57 Umstiegen in 12 Kantonen tatsächlich die +3 ab Montreux die einzige Verspätung. Nein, Schweizer Bahnen sind nicht perfekt, kochen auch nur mit Wasser, aber entweder können sie das besser oder sie haben ein anderes Rezept. Eine schwache oder schlechte Leistung sieht für mich doch anders aus.

Für den Heimweg hilft es mir, dass DB FV gerne mal 2 ICE im Abstand hintereinander von Basel aus gen Norden starten lässt – so bereise ich die Verbindungsbahn zum Badischen Bahnhof mit einem 401, bin mal gespannt, wie innerstädtisches Reisen von Großbasel nach Kleinbasel in einer Zukunft mit dem geplanten „Herzstück“ sein wird, es ist ja auch in der Diskussion, dass der DB-FV von/nach Norden ganz oder teilweise den „Badischen“ nicht mehr anfährt. Aber das ist noch Zukunft, wie gesagt. Raus, Koffer aus dem Schließfach holen. Rein, und die erste Reise mit dem mod-403 antreten. Freiburg pünktlich, Karlsruhe +4. Das FIS funktioniert ab irgendwann hinter Offenburg. Willkommen bei der DB. Der Gegen-ICE nach Zürich hat in Karlsruhe übrigens +50, in der Ankündigung, was mir ein leichtes Grinsen entlockt und den Gedanken, dass in Basel SBB der Ersatzzug schon in Arbeit ist. Und während ich in der warmen Karlsruher Abendsonne zum Albtalbahnhof hinübertrotte, um dort schon eine leere S4 zu entern, spuken durch meinen Kopf schon die Ideen für eine nächste Reise … seit also auch irgendwann in der Zukunft wieder dabei, wenn es das nächste Mal an dieser Stelle heißt: Die Schweiz mal wieder… - merci vielmal für eure Aufmerksamkeit!
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Beitrag von Entenfang »

146225 @ 14 May 2017, 10:01 hat geschrieben:Somit waren bei 4 Tagen, 8 EVU, einem Trambetrieb, zwei Busbetrieben und gesamt 57 Umstiegen in 12 Kantonen tatsächlich die +3 ab Montreux die einzige Verspätung.
Nicht schlecht. Benutzt du eigentlich einen Bestwegealgorithmus, um alle interessanten Strecken möglichst effizient abzufahren? :D

Nebenbei, welche Fahrkarte hast du in der Schweiz genutzt?
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von 146225 »

Entenfang @ 14 May 2017, 13:19 hat geschrieben: Nicht schlecht. Benutzt du eigentlich einen Bestwegealgorithmus, um alle interessanten Strecken möglichst effizient abzufahren? :D

Nebenbei, welche Fahrkarte hast du in der Schweiz genutzt?
Offensichtlich ja nicht, denn sonst hätte ich nicht schweizweit überall noch solche "Stumpen" wie z.B. Wetzikon-Hinwil, Langenthal-St.Urban oder auch Bulle-Broc "übrig". Nein, das ist rein eine Schweizkarte und meine ganz persönliche Lust am Knobeln und Fahrplan basteln. Fahrplanfelder.ch hilft natürlich, da gibt es auch eine Karte mit den ganzen Buslinien und auch gleich die Fahrpläne dazu - so bin ich z.B. auf die Idee gekommen, Solothurn-Büren an der Aare per Bus zu überbrücken. Ganz ideal ist es auch nicht immer, wenn z.B. am Samstag ein zeitlich passender Bus von Zofingen nach Schöftland gefahren wäre, hätte ich zumindest einen Teil der WSB jetzt auch schon bereist.

Mit zunehmendem "Befahren haben" der Hauptbahnen sind es dann auch immer weniger Strecken, die wirklich noch neu dazu kommen (können), d.h. der Zeitaufwand, um "Neuland" zu erfahren wird auch nicht kleiner. Insgesamt dürfte ich da noch einige Tage vor mir haben, wenn ich allein sehe, was mir westlich der Linie Basel-Biel-Neuenburg-Genf noch fehlt, sind das wahrscheinlich schon 3 Tage oder so...

Nebenbei, welche Fahrkarte hast du in der Schweiz genutzt?
Üblicherweise für so etwas den Swiss Travel Pass, der hat halt gegenüber dem Ein-Land-Interrail den Vorteil, auch in Trams, lokalen Bussen und ähnlichem gültig zu sein. Bis auf die eindeutig touristischen Hochgebirgsbahnen wie z.B. Jungfraujoch, Gornergrat oder Pilatus gilt das Ding ja fast überall.
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Beitrag von 218217-8 »

Vielen Dank für den - wieder einmal - kurzweiligen, gleichsam informativen, schön bebilderten und sprachlich brilliant gewürzten Bericht. Ach ja, die Schweiz ... B-)

Zu Davos: In der Tat bedient Davos, obwohl es über 1500 m hoch liegt, nicht gerade das Klischee vom gemütlichen schweizerischen Bergdorf. Im Grunde ist Davos auch kein Dorf, sondern eine ausgewachsene Stadt, auch wenn der Ort diesen Titel formal anscheinend nicht trägt. Zur Einschätzung der Größenordnung: Davos hat etwa doppelt soviele Einwohner (11.000) wie Interlaken (5.500), das immerhin ICE-Endbahnhof ist. Auch das im Bericht weiter hinten erwähnte und abgebildete Bremgarten ist mit 7.700 Einwohnern deutlich kleiner als Davos. Etwa gleich groß ist Brig im Wallis (13.000 Ew.).
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Beitrag von guru61 »

146225 @ 14 May 2017, 15:03 hat geschrieben:
Entenfang @ 14 May 2017, 13:19 hat geschrieben: Nicht schlecht. Benutzt du eigentlich einen Bestwegealgorithmus, um alle interessanten Strecken möglichst effizient abzufahren?  :D

Nebenbei, welche Fahrkarte hast du in der Schweiz genutzt?
Offensichtlich ja nicht, denn sonst hätte ich nicht schweizweit überall noch solche "Stumpen" wie z.B. Wetzikon-Hinwil, Langenthal-St.Urban oder auch Bulle-Broc "übrig". Nein, das ist rein eine Schweizkarte und meine ganz persönliche Lust am Knobeln und Fahrplan basteln. Fahrplanfelder.ch hilft natürlich, da gibt es auch eine Karte mit den ganzen Buslinien und auch gleich die Fahrpläne dazu - so bin ich z.B. auf die Idee gekommen, Solothurn-Büren an der Aare per Bus zu überbrücken. Ganz ideal ist es auch nicht immer, wenn z.B. am Samstag ein zeitlich passender Bus von Zofingen nach Schöftland gefahren wäre, hätte ich zumindest einen Teil der WSB jetzt auch schon bereist.

Mit zunehmendem "Befahren haben" der Hauptbahnen sind es dann auch immer weniger Strecken, die wirklich noch neu dazu kommen (können), d.h. der Zeitaufwand, um "Neuland" zu erfahren wird auch nicht kleiner. Insgesamt dürfte ich da noch einige Tage vor mir haben, wenn ich allein sehe, was mir westlich der Linie Basel-Biel-Neuenburg-Genf noch fehlt, sind das wahrscheinlich schon 3 Tage oder so...




Üblicherweise für so etwas den Swiss Travel Pass, der hat halt gegenüber dem Ein-Land-Interrail den Vorteil, auch in Trams, lokalen Bussen und ähnlichem gültig zu sein. Bis auf die eindeutig touristischen Hochgebirgsbahnen wie z.B. Jungfraujoch, Gornergrat oder Pilatus gilt das Ding ja fast überall.
Hallo
Der Bericht ist super!
Auch wenn Olten im Kanton Solothurn liegt :-)

Gruss Guru
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Beitrag von 146225 »

guru61 @ 16 May 2017, 08:43 hat geschrieben: Auch wenn Olten im Kanton Solothurn liegt :-)

Gruss Guru
Autsch ... wieder was dazu gelernt. Warum auch immer ich im Kopf hatte, dass es zum Aargau gehört. Wahrscheinlich eine "interne Verschiebung" bei mir um ein paar km hin und her. <_<
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Beitrag von guru61 »

146225 @ 17 May 2017, 06:08 hat geschrieben:
guru61 @ 16 May 2017, 08:43 hat geschrieben: Auch wenn Olten im Kanton Solothurn liegt :-)

Gruss Guru
Autsch ... wieder was dazu gelernt. Warum auch immer ich im Kopf hatte, dass es zum Aargau gehört. Wahrscheinlich eine "interne Verschiebung" bei mir um ein paar km hin und her. <_<
Hallo
Nicht tragisch nehmen. :D
In der Gegend weiss man manchmal wirklich nicht, in welchem Kanton man ist:
https://map.geo.admin.ch/?lang=de&topic=ech...33597.71&zoom=5
Auch meine Frau musste lernen, dass das Oberaargau im Kanton Bern liegt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Oberaargau

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Beitrag von Eurorail »

Schön reportage !
Grüss auss Südwestschweiz
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Beitrag von 146225 »

Zeit für die Ausgabe 2018 - ihr sollt euch im Rätselforum ja nicht umsonst die Köpfe angestrengt haben, also Vorhang auf:

Die Schweiz mal wieder, Vol. 2018
oder auch: Vom Stumpen jagen und Lücken schliessen – eine Reise an die Endbahnhöfe.


Tag 1, Bwegte Anreise – oder: Festhalten, Ignaz, jetzt kommt die Thurbo!

Die Faszination beginnt noch im heimischen Heilbronn, wo ich um viel zu früh für einen Feiertagsmorgen den 85761 auf dem Weg zum Hauptbahnhof nutze. Eine Fahrt noch vor 6 Uhr an einem Feiertag? Geld-verschwendung! Braucht kein Mensch! – so höre ich da schon wieder die ewigen Nörgler über ihren Stammtisch rufen. Als ich einsteige, sind es ungefähr drei Dutzend Fahrgäste im Flexity, die so was nicht brauchen. Und auch der anschließende 19095, der mich in die Stuttgarter Ruine befördern wird, wird schon ordentlich nachgefragt. Gerechnet hätte ich mit einem 425/435, gefahren wird dann doch mit einer 111 und 4 Doppelstockwagen der ‘95er Bauart.

Dass ich allerdings überhaupt so früh los bin, hat seinen Grund darin, dass irgendein unerfreulicher Beschluss den IC 183 an Sonn- und Feiertagen für überflüssig erklärt hat. Also sitze ich im stattdessen rund eine Stunde früher ab Stuttgart im 3442/3443 und bwege mich als durchgehender RE nach Konstanz mit diesem über die Gäubahn südwärts. Es stehen zwar 2 ET am Bahnsteig, aber „höchst freundliches“ DB Regio-Personal schnauzt alles an, was den abzustellenden vorderen Zugteil benutzen will – geht ja mal gar nicht, dem Fahrgast zu viel Platz anbieten. Dafür, dass der ET noch recht neu ist, macht sich auch schon wieder sichtbar DB Siff&Schmodder überall breit. Ja, ich weiss – Pflege und Instandhaltung von Fahrzeugen kostet Geld, böse, pfui.

Dieser Ruf fällt dann auch auf die DB zurück – ca. 5 Minuten vor der Abfahrt betritt eine Familie – Eltern mit Teenager-Tochter den Zug, und die erste Frage der Dame an den Herrn ist: „Und wie lang fahren wir jetzt damit? (…sie wollen nach Singen…) – Das hättest Du mir sagen müssen, wenn du einen Regio einplanst, da funktionieren doch nie die Toiletten!“ Keifende Stimme, giftiger Blick! Ich überlege gerade, ob ich nicht doch zu Fuss gehen soll, bevor ich mir das für mehr als 2 Minuten antue, da trabt der sichtlich genervte Partner in Richtung sanitärer Anlagen und kann den Damen einen Moment später die erstaunlicherweise gegebene Funktionsbereitschaft vermelden. Noch, das lässt DB Regio Württemberg schon auch noch erfolgreich verlottern…

Die weitere Fahrt ist, abgesehen vom Thema Kapazität, für einen Talent II im Rahmen der Erwartungen. Durch den solo fahrenden ET ist es schon ab Stuttgart gut, ab Böblingen sehr gut besetzt. In Horb kommen glücklicherweise nur eine Handvoll Umsteiger vom 650 aus Tübingen, die reichlichen Zusteiger ab Oberndorf (!) nehmen dann aber die restlichen Sitzplätze in Beschlag, so dass es von Rottweil an bis Singen durchgehend Stehplätze gibt. Angeblich soll laut gewöhnlich gut informierten Quellen „in der Sommersaison“ der Zug mit zwei Fahrzeugen fahren, ob die DB es dann auch aufs Gleis bekommt… man stelle sich noch ein paar Radler dazu vor – na gut, wegen einer verzögerten Kreuzung in Talhausen hatten wir da ja schon +15, also, dann, passt eh…

Für mich erstaunlicherweise ist in Singen am Hohentwiel die Zahl der Aussteiger grösser wie die Zahl derer, die die Durchbindung nach Konstanz tatsächlich nutzen. Und als wir über den Seerhein dort einfahren, ist über den Bodensee hinweg auch der erste Panoramablick auf schneebedeckte Alpengipfel drin. Nun, der Sache werde ich schon noch etwas näher kommen. Die Ankunftsverspätung ist soweit reduziert, dass sich der Anschluss auf den IR75 nach Zürich noch ausgegangen wäre, aber den brauche ich jetzt noch nicht. Der Bäcker neben dem Konstanzer Bahnhof ist übrigens entweder der einzige, der offen hat oder gut – jetzt um 10 Uhr am Feiertagsvormittag stehen die Leute in Zweierreihe Schlange bis auf die Strasse hinaus. Ich stelle mich mal nicht dazu, sondern besteige den ersten Thurbo-GTW des Tages (die gibt es übrigens auch schon mit „bwegt“-Logo auf dem Antriebsmodul), der mich im Bogen über die EU-Aussengrenze nach Kreuzlingen in den Thurgau bringt. Dort im Knoten ein kurzer GTW-Wechsel (vom 2/6 in den 2/8) und weiter geht es am Schweizer Bodenseeufer, ich reise mit bis Romanshorn.
Sinn der Übung war übrigens, dort in den nächsten – na, was schon? – Thurbo-GTW umzusteigen, der als S7 in Richtung Weinfelden unterwegs ist. Einfach deswegen, weil ich von Kreuzlingen direkt nach Weinfelden schon gefahren bin, die Strecke von Romanshorn via Amriswil, Erlen und Sulgen nach Weinfelden auf der persönlichen Streckenkarte noch fehlt. Geplant, getan, und in Erlen stehen bei Stadler funkelnagelneue bi-modale FLIRT für die italienische Region Aostatal auf dem Hof.

An die 3+2-vis-a-vis-Bestuhlung der Thurbo-GTW habe ich mich längst wieder gewöhnt, auch dass die Züge sauber und wie selbstverständlich auf die Minute pünktlich sind, kann man leicht akzeptieren lernen, selbst wenn man es aus dem eigenen Alltag zunehmend seltener kennt. Der quietschbunte Anteil vom Thurbo-Farbkonzept würde eigentlich auch in den Tessin passen…wieso? Na der dortige Verbund heißt doch Arcobaleno – und das heißt auf Italienisch halt auch nix anderes als Regenbogen.

Damit ist dann auch Weinfelden schon erreicht und der erste Haken auf der „noch-fahren-Liste“ kann gesetzt werden. Jetzt ist es Zeit für den IR 75 aus Konstanz, am Feiertag gefahren mit einem RABe 511 in der 6-teiligen Variante. Ich nehme Platz und reise via Frauenfeld bis Winterthur mit, welches mich an diesem Tage später nochmal sehen wird. Jetzt aber, bevor ich Entzugserscheinungen bekomme, schnell wieder rein in den nächsten Thurbo-GTW … die Wahl fiel auf den als S 29 nach Stein am Rhein verkehrenden, denn dessen Strecke fehlt mir auch noch. Es bietet sich mir vor den großen Fenstern ab der Verzweigung in Oberwinterthur eine beschauliche Nebenbahn durchs Zürcher Weinland, und falls jemand als Fotokulisse oder Modellinspiration einen relativ ursprünglichen Schweizer Landbahnhof sucht: ich könnte an dieser Strecke Dinhard, oder, grösser und mit Poschti-Anschluss, Ossingen empfehlen. Beide noch im Kanton Zürich, während ich beim Ausstieg in Etzwilen wieder im Thurgau gelandet bin. Haken an die Strecke.

Etzwilen präsentiert sich friedlich-schläfrig, ein kleiner Bub „rast“ mit dem Tretmobil, verfolgt vom Opa, die Strasse vor dem Bahnhof entlang und eine graue Katze schaut sich das interessiert aus sicherer Entfernung an. Und was ich erst für örtliches Personal im Stellwerksraum des Empfangsgebäudes gehalten habe, stellt sich auf den zweiten Blick als Puppen und Deko heraus. Ob ich nochmals auf diesem Bahnhof verweilen werde? Naja, wenn mal wieder Planzüge auf der brachliegenden Strecke von Singen am Hohentwiel hier vorbeikommen, wäre es sicher möglich. So verlange ich aber erstmal den Halt der nächsten S 8, die mich in den Hauptort des Nachbarkantons – nach Schaffhausen – bringen wird. Natürlich mit dem GTW 2/8, was auch sonst.

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Wenn ihr schon dauernd von Thurbo-GTW lesen müsst …

In Schaffhausen wohne ich einem seltenen Ereignis bei – DB Regio Württemberg fährt an Sonn- und Feiertagen doch tatsächlich die RB nach Singen mit einem 426 – nach örtlichen Berichten sind Ausfälle da ja gerade am Wochenende keine Seltenheit. Ich dagegen begebe mich weiter auf unbekannte Gleise, der nächste GTW – ja, eisenhart und gnadenlos! – bringt mich als S 33 via Marthalen und Andelfingen zurück nach Winterthur. Nicht nur, dass es die nächste abgehakte Strecke wäre, nein, so wurde auch mal der Rheinfall aus der Perspektive der Brücke am Schloss Laufen betrachtet. Ausserdem war ALARM!! – nein, die Feuerwehr wurde nicht gebraucht, keine Sorge. Unterwegs ist allerdings ein Elternpaar mit zwei kleinen Kindern zugestiegen. Der Bub auf seinem Roller ist vielleicht 5 und grinst zufrieden, die Kleine auf dem Dreirad ist vielleicht 3, und überhaupt nicht zufrieden, was sie durch lautes Brüllen auch unmissverständlich klar macht. Weder gutes Zureden von der Mutter noch eine Ansage vom Vater helfen, nur die Intensität des Gebrülls nimmt weiter zu. Jetzt ist Revolution, das wird jetzt mal grundsätzlich ausdiskutiert!! Ich beginne schon die Ausdauer der Kleinen zu bewundern, also ich fände gute 5 Minuten am Stück in voller Lautstärke durchbrüllen doch irgendwann mal anstrengend, aber die junge Dame, die sich da auf ihr Dreirad stützt macht nicht wirklich den Eindruck als könne sie vor Winterthur nochmal aufhören. Die Revolution wurde dann aber doch beendet – als die Mutter versucht, eine Flasche Saft anzubieten, ist der Frieden im Zug wieder hergestellt, und die Rädelsführerin glücklich nuckelnd bei der Mutter auf dem Arm…

Winterthur, die zweite. Wie meinen? Nein, ich habe noch nicht alle … alle Relationen, die man von dort aus mit einem Thurbo-GTW bereisen kann, abgedeckt, also nix wie rein in die S 41. Noch eine Stunde lang werde ich im Stadler-Produkt mit dem Drehstrom-Container in der Mitte verweilen, zuerst geht es westwärts in Richtung Bülach (nächster Haken auf der Streckenliste), dann auf der Hauptbahn in Richtung Schaffhausen bis Eglisau, wo der Zug aber vor dem Viadukt nach links abzweigt, um den Kanton Aargau zu erreichen. Und so geht es via Kaiserstuhl und Rekingen AG nach Koblenz, wo ich einen Blick auf die alte Stahlkastenbrücke hinüber nach Waldshut werfen kann, die dieser GTW auch im Anschluss befahren würde. Ich fahre aber nicht mit, sondern bleibe auf der Schweizer Rheinseite, also muss ich wohl auf die S 27 nach Baden umsteigen. Da rechne ich jetzt eigentlich mit einem Flirt (521 oder 523), bekomme aber einen NPZ-Domino-RBDe 560. Auch schön! In Turgi muss ich noch für 5 Minuten auf die S29 umsteigen, weil der IR 36 da ohne Halt durchfährt – also steige ich in diesen, der wiederum mit einem 6-teiligen RABe 511 geführt wird, halt erst in Brugg AG zu. Via Bözberg geht es ins Fricktal, und auf die Minute pünktlich treffe ich auf dem heutigen Zielbahnhof Basel SBB ein, wo mich das Tram ins bewährte Quartier bringt.
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Tag 2, Schneefall, Pferdezucht, Meterspur – drei Dinge auf einmal, das geht aber wirklich!

Eine Nacht später muss ich dann auch gleich eine weitere meiner Schweizer Lieblingsbaureihen ausprobieren. Welche das ist? Gegenfrage, wer kennt Liesberg? Ja, richtig gelesen, keine Verwechslung mit Liestal, auch wenn das genauso nahe gelegen hätte, da führt der Weg nicht vorbei. Nun? Genau, Liesberg ist eine Dienststation als Ausweiche auf der eingleisigen Strecke von Basel in den jurassischen Hauptort Delémont. Und dort kreuzen sich die Züge der IC-Linie 51, die bekanntlich mit ICN oder schlichter mit dem RABDe 500 geführt wird. Der macht zwischen den engen Jurafelsen durchaus Spaß, auch wenn die Strecke nix neues ist. Richtungswechsel in Delémont, BLS-Infrastruktur zwischen Moutier und Grenchen Nord und ICN-Wechsel in Biel, es geht nämlich dem Bielersee entlang mit dem IC 5 weiter.

Die eisenbahnbezogene Nachricht in der Schweiz ist an diesem Morgen übrigens, dass die neue Baureihe 501 – der „Giruno“ – das ist Stadlers Hochgeschwindigkeitszug, seine Abnahmefahrten mit 275 km/h im Gotthard-Basistunnel problemlos gemeistert hat. Da schwingt schon ein wenig Stolz mit, vor allem weil man die bereits reichlich verspäteten Bombardier-Twindexxe der Baureihe 502 zwar rumstehen, aber kaum fahren sieht…

Ich erspare mir mal die von mir gewohnten Kommentare und Lästereien über das, was dann entlang des Neuenburger- und Genfer Sees scherzhaft Sprache genannt wird, verstehen muss ich das aber nicht. Und wenn man beliebige schräge Anmachen auf Italienisch beantwortet, ist das Nicht-Verständnis in aller Regel gleich zweiseitig – ist erprobt. Nun, ich steige in Morges im Waadtland aus, auch wenn ich da eigentlich erst später hinwollte, aber der IC 5 hält nun mal nicht in Nyon, weshalb für dieses Stück der nachfolgende, mit Re 460 + Einheitswagen IV als Pendelzug geführte IR 15 aus Luzern aushelfen darf.

In Nyon ausgestiegen, halte ich mich erstmal selbst für doof. Ein Hausbahnsteig (da stehe ich), ein Mittelbahnsteig, null Meterspurgleise in Sicht. Keine auf den ersten Blick hilfreiche Beschilderung. Ein Blick auf den Abfahrtsplan: Gleis 22 wird jetzt gesucht. Aha. Vor dem Bahnhof auf der Straße ist es nicht, also mal hinunter in die Unterführung und auf die andere Seite der CFF-Gleise schauen … und Bingo! Hinter dem Normalspurbahnhof führt eine Rolltreppe hinab in die Unterwelt zu den Meterspurgleisen 21 und 22, wo im 90°-Winkel zum Normalspurbahnhof die roten Züge der NStCM abfahren. Es steht ein moderner Doppeltriebwagen ABe 4/8 bereit, der nach Abfahrt noch eine Kurve im Tunnel nimmt, um gleich dahinter dann wieder ans Tageslicht empor zu steigen. Der nächste Halt in Les Plantaz ist dann auch gleich „um die Ecke“ und beherbergt auch das Depot der kleinen Bahn. 422 m Meereshöhe sind es hier, doch die Strecke steigt, begleitet von einem Panoramablick über den Genfer See ständig an. In Schleifen und Kurven geht es beharrlich bergauf, auch über Kunstbauten wie das Asse- und das Colline-Viadukt. Es gibt zwar etliche auch gut angenommene Halte auf Verlangen an der Strecke, der größte Ort ist aber, den wir, hier noch eine Klinge ausfahrend, dort noch eine Schleife höher ziehend, bald erreichen: St. Cergue, wo dann auch die 1000 Höhenmeter überschritten sind, 1044 m.ü.M. sind es genau. Nach Abfahrt geht es dann vom Seeblick weg hinein in den Wald, und immer noch stetig weiter bergan. Den Schlitten habe ich wohl zu Hause vergessen, auf dem Scheitelpunkt der Strecke am Col-de-Givrine bei 1233 m Meereshöhe liegt aber noch genug Schnee, dass vor dem Zugsfenster einige andere diesem Vergnügen nachgehen. Bis zum Endbahnhof La Cure fällt die Strecke dann wieder leicht ab. Nächster Haken auf der Streckenliste.

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Angekommen in La Cure.

La Cure war von der Entstehung der Strecke her eigentlich nur ein Grenzbahnhof zu Frankreich, aber kein Endbahnhof, denn die Bahnlinie ging weiter bis ins französische Morez (daher das „M“ im Namen der Bahngesellschaft) wo man, man staune, bis heute Anschluss an die SNCF hätte, wenn die Franzosen ihren Streckenabschnitt der Schmalspurbahn aus der Schweiz nicht schon 1958 aufgegeben hätten. Bei der fälligen Talfahrt denke ich – gerade angesichts der Streckenführung – noch einen Moment drüber nach, wie sehr das auch zu Deutschland gepasst hätte. Die NStCM verbindet in schwierigem Gelände vergleichsweise dünn besiedelte Weiler und Kleinstädte, aber sie ist vor Ort für die Bevölkerung verfügbar und der selbstverständliche Anschluss in die „grosse“ Welt, die hier meist mit Genf oder Lausanne beginnt – man sieht an der Trassierung auch, welch schwieriges Gelände mit einer reinen Adhäsionsbahn überwunden werden kann, im Halbstundentakt, versteht sich. Es wäre müssig so zu tun, als hätte es in der Schweiz nie eingestellte Bahnen gegeben, hat es auch. Doch in Deutschland haben wir ja schon mit wesentlich einfacheren konzipierten Strecken wie Nagold-Altensteig oder Zell im Wiesental-Todtnau, um mal bei der Schmalspur in Waldregionen zu bleiben, vor dem automobilen Zeitgeist kapituliert…

Von Nyon aus geht es im Einheitswagen IV des IR 90 nach Brig weiter, wieder bis Morges. Der Bahnhof dieser 16.000 – Einwohner – Gemeinde liegt leider direkt an der Autobahn, was deutlich mehr Lärm mit sich bringt, als der Schienenverkehr je erzeugen könnte. Und auch dieser Bahnhof ist „zweispurig“ – neben der CFF-Normalspur haben wir hier – allerdings im Gegensatz zu Nyon oberirdisch und parallel zur Normalspur – die Meterspurgleise der MBC. Diese ist neben anderen Beispielen wie RhB oder TPF eine weitere Schweizer Schmalspurbahn, die Güterverkehre mit Normalspur-Güterwagen auf modernen Rollböcken betreibt, bei der MBC dürfte das Hauptaufkommen vom Kieswerk oberhalb von Apples und vom Übungsgelände des Schweizer Militärs (mit eigener Anschlussbahn) bei Biere liegen, außerdem zur Kampagne auch Zuckerrüben. Für diese Leistungen stehen neben den üblichen Triebwagen dann auch zwei moderne E-Loks Ge 4/4 mit im Fuhrpark bereit.

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Militärgerät auf aufgebockten Normalspurwagen, MBC Ge 4/4 21 in Morges.

Auch die MBC führt ab Morges vom Genfer See hinweg, allerdings nicht so steil und direkt in den Hang trassiert wie die benachbarte NStCM. Die Landschaft ist hier auch noch ein Stück weit offener, ein allmählich ansteigendes Plateau, die richtig steilen Jura-Hänge dienen hier nur als Hintergrundkulisse. Morges liegt auf 382 m Meereshöhe, beim bekannten Fotopunkt am Schloss von Vufflens sind die 500 Höhenmeter noch nicht überschritten. Die Fahrt findet übrigens in einem „gemischten“ Zug statt, ein moderner Stadler-ET mit nur einseitigem Führerstand schiebt einen gleichfalls modernen Niederflur-Zwischenwagen und einen alten Steuerwagen von 1982 vor sich her. Betriebsmittelpunkt der Bahn ist wohl der Keilbahnhof Apples, wo die Nebenstrecke nach L’Isle-Mont-la-Ville abzweigt. Dabei sind die von Morges her kommenden Züge stets auf den Ast nach Biere durchgebunden, aus dem einfachen Grund, weil das abzweigende Gleis nicht „von unten“, von Morges her, sondern „von oben“ aus Richtung Biere angebunden ist. Wer also die Stichstrecke bereisen will, muss in Apples stets umsteigen. Das hebe ich mir allerdings noch ein bisschen auf und erreiche im weiteren Streckenverlauf bei Ballens mit 710 m Meereshöhe den höchsten Punkt im MBC-Streckennetz, danach fällt die Strecke bis zum Endbahnhof Biere, wo sich auch Depot und Werkstätte finden, wieder leicht ab.

Rund 1500 Einwohner leben hier auf diesem Plateau an den Jurahängen, die höchsten (bewaldeten) Erhebungen des Gemeindegebietes steigen bis auf über 1600 m an. Traditionell ist Viehzucht im Ort präsent, was sich an den vielen Brunnen im Ortsbild bemerkbar macht. Und der Unterschied zu den dicht bebauten Gebieten unten am Seeufer rund um Lausanne ist bei einem kurzen Rundgang höchst auffallend. Die örtliche Migros hat über den Mittag geschlossen – so ist das eben auf dem Land. Also zurück zum Bahnhof, zurück in den Zug in Richtung Apples, wo auf dem abzweigenden Gleis der Pendel nach L’Isle-Mont-la-Ville – auch er gebildet aus modernem ET plus altbrauchbarem Steuerwagen – schon wartend bereitsteht. Idealerweise kreuzen sich in Apples jeweils die Züge von Morges nach Biere und umgekehrt, so dass dort Anschlüsse in allen Relationen bestehen.

Dieser Nebenast führt durch gefühlt noch spärliche besiedelte Wiesen, neben der in der Schweiz weit verbreiteten Milchviehhaltung kann man hier sehr viel Pferdezucht beobachten, kaum ein Weiler, der keinen großen Reiterhof hat, und viele Wiesen längs der Bahn, wo keine Pferde stehen. Die Strecke ist der welligen Geländeform angepasst und hat nur leichte Steigungen und Gefälle bis zum Endbahnhof im Dorf L’Isle am Fluss Venoge. Die Gemeindeverwaltung residiert hier in einem kleinen Schloss aus dem 17. Jahrhundert, sonst gibt es allerdings nicht allzu viel zu sehen, so dass der nächste Zug nach Apples mit Anschluss nach Morges dann auch wieder meiner sein wird.

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Bahnhof L’Isle mit Pendelzug der MBC.

Als ich in Morges wieder auf dem Bahnsteig stehe, kann ich auch an das Schmalspurnetz der MBC – das Unternehmen betreibt außerdem noch mehrere regionale Buslinien und in Cossonay eine Standseilbahn – einen Haken machen, mit der NStCM wurden heute also schon 3 davor unbekannte Bahnlinien erfahren. Weiter geht es jetzt nach Lausanne, der unmittelbare Anschluss ist der RE aus Genf, geführt mit einem doppelstöckigen 4-teiler aus der Baureihe 511 (Stadler Kiss). Der Verzweigungsbahnhof Renens VD ist aktuell eine große Baustelle und am Rbf Lausanne-Triage können die sonst nicht so präsenten grossen E-Rangierloks Ee 6/6 II gleich mehrfach bei der Vorbeifahrt bewundert werden. Müsste man mal irgendwann für ein paar Bilder hin… - doch jetzt stehe ich erstmal im Trubel des Lausanner Bahnhofes. Eigentlich war der Plan, von hier aus mit der LEB nach Bercher gleich die nächste Waadtländer Schmalspurbahn abzuarbeiten, aber im Frühling der Schweizer den Bagger auspackt – die Strecke ist bei Echallens wegen Bauarbeiten unterbrochen, also halt ein anderes Mal.

Ich wähle stattdessen die Abreise im IC 1, ein 13-Wagen-Zug aus Re 460 + 9-Wagen-IC-2000-Doppelstock + 4 zusätzliche Einheitswagen IV. Es geht die Hänge des Lavaux hinauf, nochmals beste Seesicht bis sich die Strecke dann „oben“ vor Puidoux-Chexbres vom Genfer See abwendet. Ich hatte mich vorher nicht wirklich mit beschäftigt, weil ich die Strecke ja kenne, wäre aber spontan von möglichen Zwischenhalten in Palezieux und/oder Romont ausgegangen – nichts dergleichen, der IC fährt ohne Halt bis Freiburg im Üechtland durch, wo ich dann auch wieder aussteige. Jetzt geht es für mich in die Unterwelt, in den Tiefgaragen-ähnlichen Regionalbusbahnhof gleich hinter und unterhalb der Bahnsteige, wo um diese Nachmittagsstunde locker 20 Busse nebeneinander auf ihre Abfahrt in alle Himmelsrichtungen warten. Hier dominiert übrigens nicht das Postauto-Gelb, sondern das weiß-rot mit Tüpfeli der tpf, so auch auf meinem gesuchten Bus der Linie 181. Bahnersatz wegen Bauarbeiten muss ja nicht sein, aber als Verbindung zwischen zwei Bahnstrecken passt ein Bus hier und da ganz gut dazwischen. Ich bekomme übrigens einen Citaro LE Ü, der dann im Takt mit anderen Linien den Keller verlässt und mich erstmal mit weiteren Einblicken in die Freiburger Altstadt, die zur Saane hin steil abfällt, neugierig macht. Danach geht es hinaus in einen deutschsprachigen Winkel des zweisprachigen Kantons, was sich mit Ortsnamen wie Tafers und Heitenried auch bemerkbar macht. Hinter diesem Ort geht es hinab ins Schlucht-artige und zum Naturpark Gantrisch gehörende Tal der Sense, bevor es auf der anderen Talseite wieder steil bergauf geht, um schliesslich im bereits im Kanton Bern auf der Höhe liegenden Städtchen Schwarzenburg zu enden.

Als ich in Schwarzenburg direkt am Hausbahnsteig aus dem Bus aussteige, steht nebenan meine S 6 nach Bern selbstverständlich schon bereit, die BLS setzt hier MUTZen – also Stadler KISS ihrer Reihe 515 ein. Was aus dem Oberdeck eine gute Aussicht ergibt, die die folgende Bahnstrecke hinab nach Bern auch verdient hat, von der Höhe in Schwarzenburg geht es recht steil hinab – es erinnert so ein klein wenig an den Abstieg von Freudenstadt ins Murgtal, ein Highlight dabei ist sicherlich die 65 m hohe Schwarzwasserbrücke mit gleichnamigem Haltepunkt. Ansonsten nimmt die Besiedelung zu, je näher man an Bern herankommt, in Köniz ist das Umfeld dann wieder städtisch-dicht. Da die Strecke nach wie vor eingleisig ist, ist hier Kreuzung mit dem stadtauswärts brummenden Gegen-Bären, äh, dem Gegenzug, aber der lässt auf sich warten … na? Und tatsächlich leidet hier die bislang tadellose Pünktlichkeit der Schweizer Bahnen ein bisschen, im Bahnhof Bern erlebe ich ein typisches Knotenproblem, irgendwo hat es angefangen und sich wie eine Kettenreaktion durchübertragen. Fast alle (normalspurigen) Züge sind jetzt am frühen Abend 2 bis 4 Minuten verspätet unterwegs, was die SBB und die BLS auch als Verspätung kommunizieren, so auch beim Anschluss IC 6 von Brig nach Basel, der mich zum Tagesabschluss wieder auf vertraute Gleise führt: Hinter Wankdorf auf die Schnellfahrstrecke, Halt in Olten, Hauensteinlinie, Basel SBB, Feierabend für heute. Und, betreffend Schwarzenburg: nächster Haken auf der Streckenliste.
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Tag 3, und noch mehr Schnee im Osten.

Am nächsten Morgen probiere ich dann mal aus, wie das Reisen in einem leeren Zug so ist. Wie, bitte? Ach, wurde nicht schon oft über die (bis/ab Basel SBB verlängerten) EC Zürich <-> München gesagt, das seien leere Züge? Als ich in Basel SBB zusteige, sehe ich das, was ich erwartet habe um diese Zeit: Noch ist die Früh-HVZ nicht ganz durch, und so ist ein Zug auf der Strecke in Richtung Zürich alles, aber bestimmt nicht leer, was durch die SBB auch mit Zusatzwagen an der Spitze unterstrichen wird, die dann mit der Zuglok beim Richtungswechsel in Zürich HB verbleiben. Liestal, Sissach, Aarau und Lenzburg als weitere Zwischenhalte füllen den Zug dann auch eher weiter als dass sie ihn leeren. Interessant wird es ja, wie voll der Zug noch sein wird, wenn er Zürich wieder verlässt. Dort ist bei pünktlicher Ankunft die Standzeit ausreichend für einen Lokwechsel – in diesem Fall von einer Re 460 auf eine 421 – bemessen, und noch etwas fällt im geschäftigen Treiben des Bahnhofes mit seinen vielen ein- und ausfahrenden Zügen auf: ein schmutziger, schäbiger, heruntergekommen wirkender Zug voller Graffiti. Nein, es ist kein Zug der SBB, auch kein ÖBB-Railjet, auch nicht ein SNCF-TGV. Es hat sich auch kein Sonderzug aus serbischen Wagen in Zürich eingefunden und die SBB bringen auch keine ausgemusterten Altfahrzeuge zum Verwerter. Nein, dieses hässliche Etwas ist ein DB-401, wie tief ist man doch bei DB Fernverkehr inzwischen gesunken – Fahrgastrekorde zu publizieren, egal wie kurzfristig und mit welchen Methoden erkauft scheint wohl das einzige zu sein, was man dort noch im Sinn hat. Was passiert wohl, wenn die Erfolge ausbleiben?

Bei Abfahrt in Zürich ist die Besetzung des Grossraumwagens tatsächlich überschaubar, doch schon als wir in den Tunnelbahnhof Zürich Flughafen einfahren, zeigt sich, dass eine gewisse Platzreserve auch erforderlich ist, denn auf dem Bahnsteig wartet ein bunt international gemischtes Publikum auf die Einfahrt des Zuges. Familien, Rentner, asiatische Touristen, alles dabei. Und danach ist die Auslastung auch wieder recht gut, und ich kann mir nicht vorstellen, dass bis Bregenz alle wieder ausgestiegen sind. Kann natürlich doch sein, nachgeprüft habe ich es nicht, ich bin in Wil SG ausgestiegen. Warum? Nun, bevor ich noch Entzugserscheinungen von den Thurbo-GTW bekomme – nein, quatsch, es ist Zufall, dass der Anschlusszug wiederum ein solcher ist. Die Wahrheit ist natürlich, dass mir die Strecke entlang des Thurtals nach Lichtensteig und Wattwil noch fehlt, und die Fortsetzung ins Toggenburg nach Nesslau ebenfalls. Der erste Streckenabschnitt bis Lichtensteig hält sich stets am Hang oberhalb der Thur, bis dann in Lichtensteig die Strecke aus Herisau von links herankommt. Ebenfalls in Fahrtrichtung links wird oberhalb der Thur die mittelalterliche Altstadt von Lichtensteig sichtbar. Ab hier ist es dann Infrastruktur der SOB, die befahren wird – vor der Fusion wäre es die BT, die Bodensee-Toggenburg-Bahn, gewesen.

In Wattwil einmal Bahnsteig- und GTW-Wechsel – es gäbe auch Anschlüsse an den Voralpen-Express in beide Richtungen, Luzern und St. Gallen – doch es ist ja die Strecke in Richtung Nesslau, die noch auf der Streckenkarte fehlt. Die Strecke verläuft jetzt für die nächsten 8 km mehr in der Mitte des Tales und steigt bis zum Endbahnhof noch um ein gutes Stück an.

Bild
Angekommen im Bahnhof Nesslau-Neu St. Johann.

Und nun? Eine Verlängerung der Strecke ins obere Toggenburg war vor dem 1. Weltkrieg schon mal in Planung, sogar durch den Bund schon konzessioniert – und kam doch nie zustande. Also muss in diesem Fall wieder mal der Bus aushelfen – in diesem Fall erneut ein Citaro LE Ü, dieser jedoch im Gelb von Postauto Ostschweiz. Mit gutem Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Churfirsten geht die Fahrt zunächst weiter dem Tal entlang bergauf nach Unterwasser – wo Anschluss an eine Standseilbahn zum Fusse des Chäserrugg bestünde – und Alt-St. Johann, dann stärker ansteigend hinauf nach Wildhaus auf 1095 m Höhe. Das Gespräch der Einheimischen im Bus dreht sich an diesem sonnigen Tag Anfang April darum, dass die Skisaison nun in dieser Woche endgültig zu Ende geht.

Die Straße von Wildhaus unterhalb des Säntis hinab ins St. Galler Rheintal ist zwar offiziell mit einer Limite von 60 km/h ausgeschildert, im Gegensatz zu manch anderen Stellen, wo die „mündigen Autofahrer“ dann gleich von „Gängelei!“ „Abzocke!“ und ähnlichem schreien wie die Kleinkinder, dürften die hier auch durchgängig eingehalten werden, dafür sorgt schon die Topographie. Steil abfallend und Kurve um Kurve um die Felsen geht es hinab, und wer hier zu schnell wird, den kann man von der Felswand kratzen oder aus dem ein Stück weit in Strassennähe verlaufenden Bachbett ziehen – die Landschaft diktiert hier das Tempo. Gleichzeitig wird nach vorne jetzt der Blick über das Rheintal sichtbar, Gams heißt der nächste Ort, der auf einem Geländeabsatz oberhalb des Rheintales liegt. Von hier an über Grabs füllt sich der Bus bis Buchs mit jeder Haltestelle nochmals ordentlich. Ach übrigens, der Bus verkehrt auf dieser Linie tagsüber halbstündlich – nur mal so zum Vergleich mit Regionalbus-Standards in Deutschland, wo man ja glaubt „auf das Auto angewiesen zu sein“ … Mimimimimimi

Am Bahnhof in Buchs SG angekommen, hadere ich für einen Augenblick mit dem ÖBB-Tf, der sein 1144-Tandem derart unfotogen zwischen die Masten gestellt hat, dass kein vernünftiges Bild gelingen will, bevor mein RE nach Chur in Form eines RABe 511 einfährt. Eigentlich war die Idee mal, von hier aus in die Gegenrichtung zu fahren und ab Altstätten SG die Lücken auf dem Netz der Appenzeller Bahnen zu schliessen, die Idee wurde jedoch wegen zahlreicher Baustellen und Ersatzverkehre bei denselben verworfen, also „nächstes Mal“. Wie wir am Rhein entlang fahren, bildet dieser die Staatsgrenze zwischen der Schweiz und Liechtenstein, wohin sowohl ab Buchs als auch ab Sargans ebenfalls Anschlüsse per Bus bestanden hätten. Da es in Sargans ja nicht in Richtung Zürich weitergeht, wie das bei den hier vorbeikommenden internationalen Zügen Schweiz-Österreich der Fall ist, können wir geradeaus in den Keilbahnhof einfahren und auf dessen linker Seite halten, danach geht es via Landquart mit seinen großen RhB-Depots und Werkstätten bis in den Graubündner Kantonshauptort. Die RhB ist auch mein Grund des hierseins, deren Strecke hinauf an der Plessur nach Arosa fehlt mir ebenfalls noch und muss heute als Ersatzprogramm für die ausgefallene Appenzell-Runde herhalten.

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SBB-IC-Doppelstöcker mit Re 460 in Chur – ansehnliche Eisenbahn.

Als Trambahn geht es vom Churer Bahnhofsvorplatz mit einem solo verkehrenden „Allegra“- Triebzug los, parallel zur Plessur die Strasse entlang. Am Ende der Bebauung verlässt die Bahnstrecke dann die Strasse und über mehrere Galerien und kurze Tunnel geht es im Wald durch das Schanfigg stetig bergauf. Die Strecke ist nicht arm an solchen Kunstbauten, und die Stationsgebäude der Zwischenhalte sind alle im gleichen Stil aus Holz errichtet, werden zwar nicht mehr für den Bahnbetrieb zwingend benötigt, sind aber dennoch gut gepflegt. Bereits auf über 1300 m Meereshöhe angekommen, wechselt die Bahnlinie auf dem großen Langwieser Viadukt die Talseite. Bis zum Endbahnhof Arosa, der nochmals runde 400 m höher liegt, folgen noch ein paar Schleifen und Bögen, um die Höhe zu gewinnen, zwischenzeitlich wird die Strecke auch von einer geschlossenen Schneedecke begleitet.

Beim fälligen Rundgang durch Arosa dürfte ich die 1800 Höhenmeter geknackt haben, höher hinauf werde ich auf dieser Tour nicht mehr kommen. Rechtzeitig nach dem Rundgang durch den eindeutig touristisch geprägten Ort wieder am Bahnhof zu sein, erweist sich als gute Idee: auch talwärts verkehrt der Allegra ABe 8/12 nur solo ohne Anhang, und das reicht nur knapp aus, dementsprechend wird es kurz vor der Abfahrt voll und unruhig im Zug. Ansonsten ist die Talfahrt nicht minder schön als die Bergfahrt, wer noch nicht dort war, kann diese Strecke absolut auf seine to-do-Liste mit eintragen.

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“Allegra“ Abe 8/12 3512 der RhB steht in Arosa als Regio nach Chur bereit.

Von Chur aus wäre jetzt eigentlich der IC 3 in Richtung Zürich logisch – oder? Im Prinzip ja, aber nachdem die Tour ja eigentlich mal mehr auf die Ostschweiz ausgelegt war und Arosa nur als – wunderschöner – Lückenfüller nachträglich eingebaut wurde, geht es jetzt auf demselben Weg wieder aus Graubünden heraus, im Oberstock eines RABe 511, ab Sargans wieder durch das Rheintal. Buchs, Altstätten, St. Margarethen – das Wetter wird auch mit jeder Station grauer, bäh. Der Hauptbahnhof in St. Gallen ist von reger Bautätigkeit gekennzeichnet, da mein RE jedoch bis Wil SG durchfährt, brauche ich hier praktischerweise nicht umzusteigen, sondern erst in Gossau. Wird mal wieder Zeit für einen Thurbo-GTW – es geht um die Bahnstrecke entlang der Sitter, von hier aus also in den Thurgau über Bischofszell nach Sulgen. Hauptmerkmal der Strecke ist – neben dem Güteraufkommen von Bischofszell Nord – die lange Brücke über die Sitter eben dort. Ansonsten machen einem Ausblicke aus dem Zugsfenster wieder klar, dass der Thurgau eine der wenigen Ecken in der Schweiz ist, die für Getreide- und Obstanbau gut geeignet sind. In Sulgen brauche ich nicht umzusteigen, die S 55 ist bis Weinfelden durchgebunden. Und nächster Haken auf der Streckenliste!

Jetzt unter der Woche verkehrt der IR 75 aus Konstanz nach Zürich dann mit Re 460 als Pendelzug aus Einheitswagen IV, die Nutzung – mit nicht unerheblichem Fahrgastwechsel in Winterthur – rechtfertigt den längeren Zug. Ein gleichartiger solcher Pendel ist es dann auch, der mich nach Umstieg in Zürich als nonstop verkehrender IC 3 ohne Halt via Heitersberg – Aarau – Kurve Olten – Hauensteinlinie wieder nach Basel SBB bringt.
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Tag 4, Ab in die Sonne, Sprachgrenze, Landesgrenze, Meterspur mal anderswo

Basel, maximal 11 °C und Regen den ganzen Tag. Für das Schweizer Mittelland kaum bessere Aussichten. Super! Da kann man wohl nichts machen … oder? Na, zunächst mal wieder in einem Einheitswagen IV Platz nehmen, der in die Komposition des IR 27 hängt, des „langsamen“ IR nach Luzern mit Halt in Liestal, Sissach, Gelterkinden, Olten, Zofingen, Sursee. Die Stadt am Vierwaldstättersee zeigt sich wolkenverhangen, noch regnet es zwar nicht, aber die Sicht auf See und Berge ist alles andere als die Postkartenperspektive. Also hinaus zum „Stumpengleis“ 2 – so eine Art Starnberger Geflügel in Luzern, wo schon der Voralpen-Express nach St. Gallen bereit steht. Im Augenblick wirken diese Züge ja gerne bunt zusammen gewürfelt aus allem, was die Bestände der SOB noch so hergeben. Mein Zug ist die Komposition mit RBDe 560 an jedem Ende, also ohne Re 446 oder 456. Vorne hinter dem führenden Triebwagen läuft ein fast leerer und vom Zustand her noch recht ursprünglicher Einheitswagen I mit, in dem ich für den nächsten Abschnitt der Reise Platz nehme. Helles Holz dominiert hier noch an den Wänden, nur die Sitzbänke sind nicht mehr im einstigen Kunstleder-Chic. Über Meggen und Küssnacht am Rigi geht es nach Arth-Goldau, hier ist ein Umstieg auf den IC 2 vorgesehen. Dieser erfreut mich mit einem RABDe 500, auch wenn er kaum bogenschnell fahren wird, ist es dennoch ein angenehmes Fahrzeug.

Wolken auch an diesem Abschnitt des Vierwaldstättersees, als sich der Zug via Schwyz und Flüelen über die dem Fels abgerungene Bahntrasse entlang schlängelt. Bei der Durchfahrt im Urner Kantonshauptort Altdorf beschleunigt der Zug dann merklich, und kurze Zeit später wird es dunkel vor den Fenstern. Das wird jetzt auch erstmal eine Weile so bleiben, auch bei Tempo 200 sind 57 km Tunnel nicht in 2 Minuten durchquert. Die Deutschschweizer Rentner um mich herum machen erstmal Brotzeit, Käse, Speck und Weisswein werden herumgereicht, danach auch noch Salzgebäck. En Guete!

Funziona sempre! Subito dopo abbiamo lasciare il gallerie di base del San Gottardo a Biasca, circa venti minuti tardi, siamo arrivato in un paese con palme e sole. Moment… come, scusa? Wie, bitte? Ach so, ihr habt die Sprachgrenze zum Tessin nur gedanklich mit überquert und ich möge bitte in Deutsch fortfahren? Also gut, es ging gerade darum, dass der Zauber nach der Durchquerung des Gotthard-Basistunnels in Richtung Süden immer (noch) funktioniert – nach rund 20 Minuten Tunnelfahrt kommt man in einem Land voller Sonne und Palmen an, nächster Halt, prossima fermata: Bellinzona.

Ich bleibe jedoch noch sitzen, auch wenn Bellinzona über eine sehenswerte Altstadt mit den zum Weltkulturerbe zählenden Burgen verfügt, mache ich doch ab Giubiasco den Anstieg zum Monte Ceneri hinauf mit, der ja bis in rund 2 Jahren durch den dann ebenfalls in Betrieb gehenden Ceneri - Basistunnel entfallen wird. Der Ausblick von der Nordrampe auf den Talboden des Ticino ist jedes Mal wieder schön … und einige Zeit später ist der Zug auch pünktlich in Lugano.

Dort hat man vor einiger Zeit den Bahnhof komplett modernisiert, direkt aus der geräumigen Bahnsteigunterführung würde jetzt die Standseilbahn (übrigens die meist genutzte „Funi“ der Schweiz) hinunter in Richtung Altstadt und See abfahren, der Bahnhof liegt ja oberhalb am Hang. Ich folge dagegen einem Nebenausgang nach schräg rechts, wo es zu einem weiteren Bahnsteig mit Gleis in Meterspur geht. Hier verkehren die orange lackierten Pendelzüge der von der FLP betriebenen Linie S 60, die ich jetzt „erfahren“ möchte. In kurzen Tunnelabschnitten geht es unter dem Südkopf des FFS-Bahnhofes hinaus in Richtung Sorengo, auf dem anschließenden Stück läuft die Strecke parallel oberhalb zur Autobahn, bevor diese vor Bioggio mittels einer Brücke überquert wird. Ab hier verläuft die Strecke bis zu Ihrem Endpunkt in Ponte Tresa mitten durch dichte Besiedlung und ausgedehnte Gewerbeanlagen, kein Wunder wird auf der Strecke ein Viertelstundentakt angeboten. Der Endbahnhof liegt unter einem Betondach in Sichtweite wieder zum Luganer See, folgt man der Straße am Seeufer entlang, ist man von dort aus in nicht ein-mal 5 Minuten zu Fuss bereits in Italien. Das italienische Wort „Ponte“ bezeichnet eine Brücke, und hier fliesst der Fluss Tresa, der gleichzeitig die Staatsgrenze Schweiz/Italien markiert, in den Luganer See. Hier unter Palmen am Seeufer in der Sonne sitzend scheint der Regen in Basel ganz weit weg zu sein…

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Ausfahrende S 60 nach Lugano in Ponte Tresa.

Eigentlich war sogar noch ein größerer Abstecher nach Italien eingeplant, um im Kanton Tessin noch gleich zwei weitere Strecken „abzuhaken“ – es wäre von Cadenazzo aus über Luino in Richtung Varese gegangen, und zurück über die neu eröffnete Verbindung nach Mendrisio. Fiel aus wegen Bauarbeiten zwischen Cadenazzo und Luino – ach ja, la prossima volta, das berühmte nächste Mal … dann eben Füße hochlegen in Ponte Tresa für jetzt und heute.

Rückweg? Wie, was …

Also gut, man könnte ja mal wieder nach Lugano fahren, das am Ort befindliche kleine Museum zur Bahngeschichte der FLP ist heute eh nicht geöffnet – und so ein Viertelstundentakt schreibt einem da ja keine Eile vor. Eingesetzt werden auf der Strecke übrigens ältere Triebzüge aus angetriebenem Endwagen und einem Steuerwagen, die fast durchgängig mit von Stadler nachgelieferten niederflurigen Mittelwagen zum 3-Teiler Be 4/12 verstärkt wurden, gefahren wird mit 1200 Volt Gleichstrom. In Lugano angekommen, Umstieg auf eine normalspurige S-Bahn, und das heisst hier im Tessin fast immer: auf einen RABe 524. Die 4- und 6-teiligen Mehrsystem-FLIRT sind zwischen Erstfeld und Milano C absoluter Alltag auf den Gleisen im TIcino und der LOmbardia, getreu dem Motto: 6 senza frontieri – Du bist grenzenlos …

Ich fahre aber wieder nordwärts, zumindest ein Stück. Da ich so oft nun auch wieder nicht vorbeikomme, entschliesse ich mich, auf der Ceneri – Passtrecke noch ein paar Bilder zu machen, ich suche mir dazu den Südkopf des Bahnhofes Rivera-Bironico aus. Und jeder fotografierende Freak kennt das: den ersten Zug verpasst man schon auf dem Weg zur Fotostelle – in meinem Fall war es eine Re 476, ein RailCare-Vectron mit einem Zug voller Kühlcontainer. *#!Grmbl! – na, nicht mehr zu ändern, wird schon noch mehr kommen. Die Sonne scheint, die Vögel pfeifen, auch hier „oben“ auf 472 m Höhe in Sichtweite schneebedeckter Alpengipfel sind es locker 20 °C und angenehm frühlingshaft.

Zwei Stunden nehme ich mir Zeit für die vorbeikommenden Züge, das Resultat ist das, was Freaks an dieser Stelle immer sagen: der Zugsverkehr hätte auch dichter sein können. Ja, ja, das Leben ist schon eine gemeine Veranstaltung… - egal, das meiste was kam, von der obligatorischen Doppeltraktion DB-185 mal abgesehen, kommt zu Hause dann doch eher selten vorbei.

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524 106 fährt von Süden her in Rivera-Bironico ein.

Die Rückfahrt von Bellinzona nach Basel SBB nimmt, der Zufall will es so – ich hatte an diesem Tag wirklich keinen Stress und mich einfach im dichten Fahrplan treiben lassen, da war nix vorgeplant – dieselbe Route wie der Hinweg, nur die Züge sind leicht andere: der IC 2 nach Zürich wird jetzt von einer Re 460 bespannt und besteht aus Einheitswagen IV. Der Voralpen-Express von Arth-Goldau nach Luzern ist der Umlauf mit der Re 446 vorne und hinten, und ab Luzern bieten mir die SBB einen IC-2000-Doppelstockzug an. Und als ich in Basel SBB einrolle, scheint sogar die Abendsonne durch die sich auflösenden Wolken.
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Tag 5, Jurahüpfen re-loaded – es kamen noch diverse Täler

Das es heute wieder in Richtung der unverständliches Kauderwelsch sprechenden Bewohner der Schweiz geht, sollte schon klar sein, als ich erneut im IC 51 durch die Jurafelsen gen Biel flitze. Dort der bekannte bahnsteiggleiche RABDe 500-Wechsel, allerdings fahre ich weiter westwärts nur noch bis zum nächsten Halt mit, das ist Neuchâtel. Dort am Hausbahnsteig keine Szenen der Verwirrung, auch wenn da zwei Züge im selben Gleis abfahren. Der vom Empfangsgebäude aus linke Zug ist ein RABe 527, ein tpf-Flirt auf dem Weg nach Freiburg – nein, heute nicht. Dann eben der rechte, ein NPZ-Domino RABDe 560 der CFF auf dem Weg nach Buttes – einsteigen. Der Triebwagen bietet, weil ganz an der Zugspitze laufend, noch freie Plätze, und dann geht es auch schon los, zunächst der Hauptbahn in Richtung Yverdon folgend. Gleich hinter dem Bahnhof Auvernier geht es dann nach rechts oben weg, erstmal durch Weinberge, bevor wir uns in ein Seitental vom Neuenburger See ab in den Wald hinein wenden. Die Regionalzüge zwischen Neuchâtel und Buttes sind eine Gemeinschaftsveranstaltung von CFF und der örtlichen TransN, welche im oberen Streckenteil ab Travers auch EIU ist, offensichtlich habe ich mit meinem Domino einen der nicht-kantonalen Züge erwischt, die TransN fährt wohl mehrheitlich mit Flirt und ggf. Einzelleistungen mit den ebenfalls vorhandenen „KTU-NPZ“, den RBDe 567. Zwischen steilen Jurafelsen geht es weiter durch den Wald aufwärts, nächster Halt Travers. Hier zweigen wir von der Strecke nach Frankreich, nach Frasne ab – die übrigens aktuell mit 3 Regio Express – Zugpaaren am Tag noch von RBDe 562 befahren wird, das dürfte für diejenigen interessant sein, die einen SBB-NPZ nochmal oder überhaupt erstmal im Vor-Domino-Zustand „erfahren“ wollen – Fahrplanfeld 221, wenn ihr mehr Infos braucht.

Ab Travers steigt die Strecke gen Frankreich am Hang stetig weiter an, während mein Zug auf der ehemaligen RVT- und heutigen TransN-Strecke ziemlich im Talgrund bleibt, die Strecke steigt von hier ab auf den letzten 12 km bis Buttes nur noch leicht an. In Fleurier, wo die 1973 bereits eingestellte Stichbahn nach St. Sulpice abzweigt, hat die TransN einen Depotstandort, und dann kommt auch gleich der Endbahnhof Buttes, wo noch im Bahnhofsbereich die Welt, zumindest jene auf Schienen, zu Ende ist. Okay, einmal mehr: nächster Haken auf der Streckenliste, aber was nun? Bitte einsteigen in einen Hess Swiss Alpin, einen kurzen und schmalen Bus eines örtlichen Postauto-Halters. Für das bisher noch unbekannte Fahrzeug spricht definitiv eine gut gelungene Geräuschisolierung, denn die Chauffeuse scheucht den Bus nicht gerade langsam bergauf, da muss einiges an Motorleistung installiert sein, so wie der Bus auch in der Steigung wieder anzieht. Es geht über schmale und noch schmalere Landstraßen (für was hat der Bus denn auch das traditionelle Dreiklanghorn der Schweizer Post?), an Gehöften vorbei und durch Dörfer, mal über Wiesen, meistens aber durch den Wald. Bald fällt die Straße wieder etwas ab, und nach 25 Minuten treffen wir – natürlich exakt nach Fahrplan, versteht sich – auf dem Bahnhofsvorplatz von Ste-Croix ein. Wie, wo, was war das jetzt denn gleich nochmal, und vor allem: warum?

Also zuerst bleibt zu bemerken, dass mal wieder eine Kantonsgrenze gequert wurde, denn war das Val-de-Travers noch neuenburgisch, sind wir jetzt schon im Waadt. Außerdem ist ein Spurwechsel fällig, denn dieser Teil des Travys-Schienennetzes – die Strecke von Ste-Croix auf 1066 m.ü.M. hinab nach Yverdon-les-Bains (um es wenigstens einmal auszuschreiben) auf noch 435 m.ü.M. ist meterspurig. Zwar gäbe es hier auch einen GTW im Fahrzeugpark, aber das, was da pfeifend das Tal heraufkommt, ist noch neuere Stadler-Ware.

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Am Bahnhof von Ste-Croix: Be 4/4 3004 der Travys führt den Regio nach Yverdon an.

Nach der Wendepause geht es dann auch wieder aus dem Ort heraus und in das Schlucht-artige Tal hin-ein, 4 kurze Tunnel wechseln sich ab mit Felsen und Wald vor dem Zugfenster. Die Bahn schmiegt sich hier, Kurve um Kurve, Meter für Meter an den Hang, auch wieder eine richtig interessante Streckenführung, okay, nicht so spektakulär hochalpin wie der Glacier-Express, aber dafür auch nicht überlaufen von mit Selfiesticks wedelnden asiatischen Tourigruppen. Baulmes ist der nächste größere Ort, ungefähr die Streckenmitte und Zeit für die Zugkreuzung mit dem bergwärts fahrenden Zug. Ab hier geht es dem Tal des Flüsschens La Brine folgend weiter, in William Barbey YSteC ist man dann „unten“ in der Ebene angekommen, deshalb hat die Bahn auch hier ihr Depot mit Werkstätte. Den letzten Rest nach Yverdon, wo man auf einem Stumpen neben dem Empfangsgebäude ankommt, geht es parallel zur Hauptbahn von Biel her.

Yverdon-les-Bains kennt man neben dem Instandhaltungswerk der CFF auch als kleinen Bahnknoten, aber die Strecke in Richtung Payerne – Freiburg habe ich schon hinter mir. Der nächste Zug in Richtung Westen ist ein IC, geht auch nicht, weil der nicht da hält, wo ich jetzt hinmöchte. Also auf den nächsten RABe 523 (nicht lange) warten, und dann mitfahren bis Chavornay. Dort angekommen, erfolgt der Ausstieg auf einem provisorischen Bretterbahnsteig, weil der Hauptbahnteil des Bahnhofes gerade mitten im Umbau steckt. Neuer Mittelbahnsteig (550 mm hoch), neue Zuwegungen (Rampen). Mal in 10 Jahren oder so wieder vorbeischauen, ob dann das Provisorium immer noch steht – Mannheim-Seckenheim lässt an dieser Stelle freundlich grüssen.

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Der Baudienst ist unterwegs: 841 011 steht als Arbeitszug in Chavornay bereit.

Ich begebe mich derweil auf den Bahnsteig der Travys – mit denen bin ich für heute noch nicht fertig, ich, ich hab‘ noch lange nicht genug! – auf der anderen Seite des Empfangsgebäudes, welches hier ortsabgewandt steht. Als der BÜ läutet und die Barrieren sich schliessen, naht um den Bogen herumkommend der auch nicht mehr ganz taufrische BDe 557 615, der seine Karriere in Zürich bei der Uetlibergbahn im Jahre 1960 begonnen hat und 2006 als aufgefrischter Gebrauchtkauf ins Waadtland kam.

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Chavornay: Einfahrender Regionalzug aus Orbe.

Mit ihm will ich jetzt – zwar auf Normalspur, aber unter 750 Volt Gleichstrom – die 4 km lange Nebenbahn nach Orbe in Angriff nehmen. Diese hat – untypisch für die Schweiz – am Vormittag eine längere Betriebspause im Personenverkehr. Der Grund sind die zahlreichen Güteranschlüsse rechts und links, der grösste dürfte rechts am Haltepunkt Les Granges das Nestle-Werk sein. Deshalb muss für die Rangierarbeiten auf der eingleisigen Strecke Platz sein. Der Personenzug nimmt nach dem Haltepunkt einen Bogen nach links um dann in einem rechtsgerichteten ansteigenden Halbkreis den schon sichtbaren altertümlichen Stadtkern von Orbe zu erreichen. Sowohl Stadt als auch Bahnhof machen hier den Eindruck einer gemächlichen, gepflegten Ruhe, und von den herumstehenden Exoten im Fahrzeugpark fühle ich mich fast einen Moment zurückerinnert an den Besuch in Balsthal. Nächster Haken auf der Streckenliste!

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Raritäten in Orbe, Vol.1: Fe 2/2 32, ein Originalfahrzeug der Strecke aus dem Jahr 1902.

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Raritäten in Orbe, Vol.2: Dieses zweiachsige Einzelstück war seinerzeit Stadlers erster ET für den Personenverkehr, sozusagen der Urahn aller FLIRT – ihr seht Travys 557 614.

Mit dem nächsten Zug geht es wieder nach Chavornay zurück, wo vom Bretterbahnsteig aus wieder ein RABe 523 den Anschluss in Richtung Lausanne sicherstellt. Diesmal ist es Cossonay-Penthalaz, wo ich wieder aussteige, nein, nicht um mit der von der MBC betriebenen Standseilbahn ins Städtchen hinaufzufahren, sondern mit dem Zug – dem nächsten RABe 523 – wieder in die Richtung zu fahren, aus der ich gerade gekommen bin. Nein, natürlich nicht genau in dieselbe Richtung, sondern nur bis zur Verzweigung in Daillens, und dann geht es weiter auf der europäischen Hauptachse Milano – Paris. Also, es geht mal wieder hinauf in den Jura, aber man merkt es der Strecke an, dass sie für mehr gebaut wurde als nur ein paar Regionalzüge, denn sie ist durchgehend zweigleisig, mit weiten Kurven und der Flirt kommt hier rasch voran. An Kunstbauten gibt es nur wenige kurze Tunnel, und die Haltabstände sind auch eher weit – die Gegend zählt wohl eher nicht zu den dicht besiedelten im Waadt. TGV gibt es auf der Strecke übrigens tatsächlich, aber als ich in Le Day aussteige, scheint mir ein solcher doch recht weit entfernt zu sein – der Keilbahnhof „irgendwo im Nirgendwo“ erscheint einem sehr weit weg vom Trubel einer grossen Stadt.

Der Folgeabschnitt ist die Nebenbahn ins Vallèe de Joux nach Le Brassus. Ist heute Infrastruktur der Travys, der Betrieb wurde aber schon „immer“ durch die CFF abgewickelt. Es verkehren NPZ-Domino, davon je ein RBDe 560 im Standard-Outfit und ein RBDe 568 im Travys-Look. Nach der Abfahrt in Le Day steigt die Strecke sehr steil an, bis zum Brechpunkt vor Le Pont geht es rund 240 m hinauf auf 1018 m Meeres-höhe. Danach bleibt die Strecke gleichmässig in dieser Höhe, in Fahrtrichtung rechts über das Tal ein guter Blick auf den Grenzbahnhof zu Frankreich, Vallorbe, auf der anderen Talseite am Hang. Danach geht es am Lac du Joux entlang. Die Grenze zu Frankreich ist hier nirgendwo weit, das wird auch bei den Betrieben im Tal – unter anderem dem Edel-Uhrenhersteller Jaeger-Le Coultre, dessen Werk in Le Sentier direkt am Bahngleis liegt – klar, wenn man sich mal die Kennzeichen der auf den Firmenparkplätzen abgestellten Fahrzeuge anschaut.

Der Endbahnhof Le Brassus wurde in seiner heutigen Form 2008 neu errichtet und ist Bahnhof und Fahrzeughalle in einem – eine Bauform, die mir in der Folge in der Schweiz noch zwei Mal begegnen wird, und die für mich absolut Charme hat. Klar, natürlich kostet es Geld den Bau zu errichten und auch in der Folgezeit zu pflegen, aber die Fahrgäste haben einen witterungsgeschützten Bahnsteig, man kann noch verschiedene Nebenräume nutzen – hier sind es bahnbetriebliche Einrichtungen, aber es funktioniert natürlich auch mit Gastronomie, einem Zeitungskiosk oder ähnlichem. Die Halle in Le Brassus ist zweigleisig – beide Gleise mit Bahnsteig – wobei für den Betrieb in der Schwachlastzeit nur das Gleis 1 genutzt wird, am Gleis 2 ist der als HVZ-Verstärker genutzte ältere Pendelzug abgestellt, der aus dem ex-MthB ABDe 578 016 und je einem gebraucht (aus CFF-Beständen) erworbenen Zwischen- und Steuerwagen der Generation Einheitswagen I besteht. Einziger Nachteil: diese Halle macht aufgrund ihrer Bauform mit tragenden Stützen in der Mitte das Fotografieren nur sehr eingeschränkt möglich, aber das Wohl der Freaks steht hier halt mal hinten an. Und nächster Haken auf der Streckenliste.

Von diesem Rand der Schweiz geht es dann auf dem gleichen Weg wieder zurück – zuerst nach Le Day, dort wieder mit dem RABe 523 talwärts. Der Zug wäre über Lausanne hinaus durchgebunden, ich steige schon in der Vorstadt Renens VD aus. Der dortige Bahnhof ist aufgrund von Infrastrukturausbauten auch eine grössere Baustelle, die Gegend darum hat glatt den Charme von Mannheim-Neckarstadt oder Duisburg-Marxloh mit einem Touch Afrika – eine sehr bunte internationale Mischung. Aber bitte, seid frei von Vorurteilen und Ängsten – ich war kurz im Detailhandel zwecks Wasserversorgung an dem doch recht warmen Tag, und habe die örtliche Migros-Filiale nicht anders erlebt wie anderswo schweizweit. Okay, über örtliche sprachliche Gebrechen lästern sei euch nachgesehen, da muss ich mich ja selbst zuerst an den Pranger stellen. Ich gelobe Besserung und mehrfaches wieder-bereisen der Romandie.

Der zweite Grund, bereits in Renens und nicht erst in Lausanne auszusteigen, war, dass ich die örtliche Linie m1 der Metro Lausanne mal komplett befahren haben wollte, ich habe allerdings nicht das Gefühl, dass ich mit dem fehlenden Stück etwas verpasst gehabt hätte, aber das ist natürlich auch Geschmackssache. Im Lausanner Stadtzentrum geht es vom zentralen Umsteigeknoten Flon aus mit der Linie m2 (auf Gummireifen geführt, ganz nach französischem Vorbild) noch die eine Station hinab zum Hauptbahnhof. Der Andrang jetzt zur nachmittäglichen HVZ hält übrigens dem Vergleich mit deutlich größeren Städten locker stand - *quetsch* - und der Strom an Menschen zwischen Metro und den Bahnsteigen der Eisenbahn will auch nicht abreissen.

Der nächste für mich passende Zug ist wieder ein IC 5 – nun, dann noch mal am Neuenburger See entlang, aber diesmal mit Tempo, es wird ja mit RABDe 500 und selbstverständlich aktiver Neigetechnik gefahren. Bei der Abfahrt in Lausanne stehen – hohe Knotenbelastung – ausnahmsweise +3 auf der Uhr, die aber im weiteren Verlauf wieder egalisiert werden können. Dieser Zug fährt halbstündlich versetzt zur nur stündlich verkehrenden IC-Linie 51, so dass in Biel kein direkter Anschluss nach Basel besteht, der Anschlusszug in Richtung Delémont ist der RE nach Delle. Also einfach sitzen bleiben und mal via Grenchen Süd, Solothurn und Oensingen fahren – Anschluss nach Basel besteht dann selbstverständlich in Olten. Von Lausanne aus mit dem IC 1 via Freiburg und Umstieg in Bern nach Olten zu fahren hätte die gleiche Zeit gebraucht und wäre in Basel im gleichen Zug geendet, dem IC 61 aus Interlaken Ost, welcher sich an diesem Abend als Re 460 + IC2000-Doppelstockzug + Verstärkermodul erweist. Hauenstein, wieder einmal – und Feierabend für heute, wieder 4 Strecken abgehakt.
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Tag 6, Stumpenjagd im Zürcher Umland, etwas nachholen und der Aargau zum Schluss

Ein neuer Tag sieht mich dann im IR 36 auf dem Weg, diesmal nicht via Hauenstein, sondern zur Abwechslung mal wieder via Bözberg, denn mein erstes Zwischenziel heisst Baden. Auf dieser IR-Linie hatte ich eigentlich mit einer Re 420 und einem Mix aus Einheitswagen IV und altbrauchbaren Bpm gerechnet, aber nein: der eingesetzte RABDe 500 ist für diesen Zug planmässig. In Baden ausgestiegen, fühle ich mich auf der Suche nach der richtigen Kante für meinen Busanschluss glatt an Pforzheim früher erinnert, da gab es auch drei verschiedene Abfahrtsstellen für den Busverkehr. Eine kurze Orientierung an der recht brauchbaren Beschilderung später lerne ich dann: vor und hinter dem Bahnhof ist der Stadtverkehr, der Postautokurs der Linie 354, den ich suche, verkehrt von der Postautostation etwas unterhalb versetzt. Durch die Stadt Baden geht es hinaus, nun, nicht wirklich aufs Land, aber immerhin wird es etwas dörflicher, auch wenn die Besiedelung nicht wirklich unterbrochen wird. Eingesetzt ist hier übrigens ein MAN Lions City – Gelenker, und als der in Ehrendingen durch die Baustelle durch ist und dann in Niederweningen direkt neben dem Bahnsteig anhält, steige ich wieder um: in den bereitstehenden RABe 511, der mich als S 15 über das noch nicht befahrene Teilstück bis Oberglatt und weiter bis Zürich-Stadelhofen bringen wird. Häkchen!

Dort wechsle ich mal eben auf die S 18 – das ist nicht nur ein Bahnsteigwechsel, in diesem Fall hinaus auf den Bahnhofplatz – sondern auch die Spurweite, es geht mal wieder auf Meterspur weiter. Genau, die Forchbahn steht als nächstes auf der Liste der noch abzuarbeitenden Strecken. Auf Tramgleisen, die sich die Forchbahn bis Rehalp mit der Zürcher Tramlinie 11 teilt, geht es bergauf stadtauswärts, wir fahren aber „Eilzug“ – die S 18 hält nicht so oft wie das VBZ-Tram, welches in Rehalp seine Schlaufe hat. Für den Forchbahnzug geht es jetzt auf eigenem Gleiskörper in Seitenlage zur Strasse weiter, unnötig zu erwähnen, dass hier in der direkten Zürcher Agglomeration die Bebauung natürlich sehr dicht ist. Für Abwechslung ist auch gesorgt, nach Waltikon geht es in den rund 1,8 km langen Zumiker Tunnel, der nicht nur die Streckengleise, sondern mit Zumikon und Maiacher auch zwei Tunnelbahnhöfe – beide mit Mittelbahnsteig – aufweist.

Der höchste Punkt der Strecke und der Betriebsmittelpunkt der Bahn mit Depot und Werkstätten ist Forch, ein „Sammelbahnhof“ für verschiedene Gemeindeteile der Gemeinden Maur und Küsnacht ZH. Danach wird die Strecke dann eingleisig, allmählich wird die Pfannenstiel-Region auch ein ganz klein wenig ländlicher, dennoch kann von dünn besiedeltem Hinterland natürlich noch lange keine Rede sein. Vor der Durchfahrt in Egg bietet sich ein Blick hinab zum Greifensee, und bis zum Endpunkt im Egger Gemeindeteil Esslingen fällt die Strecke wieder leicht ab. Auch der Esslinger Bahnhof ist als Hallenkonstruktion ausgebildet, wo Züge geschützt abgestellt werden können, jedoch ist die Seite zu den Bushaltestellen hin offener konstruiert, so dass mit wenigen Schritten Tür-zu-Tür auf verschiedene Buslinien umgestiegen werden kann. Was ich auch tue, aber bis 1949 noch gar nicht nötig gewesen wäre, da hätte mich ein Tramwagen der damals aufgegebenen Uster-Oetwil-Bahn nach Uster gebracht, heutzutage muss das ein Bus der Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO) übernehmen. Auf deren Linie 842 transportiert mich ein noch recht neuer, als 4-Türer gebauter Citaro C2 – Gelenker, was trotz der eher kleinen Gemeinden auf eine rege Busnutzung schliessen lässt. Passend dazu verkehrt die Linie auch am Samstag nicht wie bei deutschen Regionalbusverkehren leider immer noch vorkommend ein paar Mal, sondern im Viertelstundentakt. Der unterwegs zusteigende Mischlingshund (ein kniehohes Tier mit braunem Fell) findet alles so aufregend, dass er seines Besitzers Anweisung, sich zu setzen, mehrfach ignoriert, weil die neugierige Nase alles genau erfassen muss. Der Besitzer trägt es mit Fassung und übt sich in Erlebnispädagogik, als der Hund in diversen Kurven mehrfach weggerutscht ist, kommt er von ganz alleine auf die Idee, dass ihm das nicht mehr passieren wird, wenn er seinen Schwerpunkt tieferlegt – was er durch Hinsetzen dann auch tut. Na also, geht doch. Und in Uster wird wieder direkt am Hausbahnsteig gehalten, so dass die Umsteigewege auf die Bahn und zu anderen Buslinien kundengerecht kurz sind. Es sind gerade solche vermeintlichen Kleinigkeiten, welche die Nahverkehrsnutzung in der Schweiz so angenehm machen. Schweizer Bus-Chauffeure und Chauffeusen unterscheiden sich grundsätzlich übrigens nicht von ihren deutschen Kollegen, auch hier steht man in den Pausen bei einem Kaffee ratschend beieinander. Der Unterschied ist nur: rechtzeitig zur Abfahrt sitzt wieder jeder am Arbeitsplatz, und es wird selbstver-ständlich diszipliniert pünktlich abgefahren. Nicht wie bei den LVL, wo die Abfahrt mit +15 im 20-Minuten-Takt auch noch als ausreichend betrachtet wird…

Jetzt stehe ich also in Uster auf dem Bahnsteig, wenn ich doch nur noch wüsste, wo ich als nächstes hin will … ach ja, da kommt die S 14, ein Re 450-bespannter DPZ, und weil mir das letzte Stück ab Wetzikon ja auch noch fehlt, fahre ich mit – nach Hinwil. Dort angekommen – der Stumpen von Wetzikon her ist unspektakulär, Haken dran – tausche ich die S-Bahn wieder mit einem Bus der VZO – auch ein Citaro, aber ein Solowagen (mit 3 Türen), der mich als Linie 870 via Oberdürnten nach Rüti ZH bringt. Da war ich zwar schon mal, aber aufmerksame Leser meiner Schweiz-Reisen wissen, dass da noch eine vom Bahnersatzbus aufgerissene Wunde klafft, die geschlossen werden will. Und schon sitze ich wieder im Thurbo-GTW 2/8, der als S 26 nach Winterthur unterwegs ist. Das Stück durch den und über Wald ZH nach Bauma ist sehr landschaftsidyllisch, nach Bauma will ich dann das Tösstal auch nochmals vom Zug aus bewundern, nicht nur aus dem Bus wie beim letzten Versuch. Übrigens, verglichen mit dem regen Zuspruch den der Zug – auch im Zwischenortsverkehr – erfährt, war der volle Ersatzbus wirklich nur ein Ersatzspieler – in Winterthur strömt eine nicht unerhebliche Menschenmenge vom Stumpengleis weg, wo mindestens genauso viel auf die Rückfahrt wartende Menschen auch schon wieder am Bahnsteig stehen.

Jetzt ist ein rascher Wechsel der Örtlichkeiten angesagt: Vom Kanton Zürich geht es in den Aargau, und dessen Hauptort Aarau erreicht man von Winterthur aus am bequemsten – nämlich umsteigefrei – mit dem IR 37. Auf diesem finde ich jetzt tatsächlich die Mischung aus Einheitswagen IV und älteren Bpm, gezogen von einer Re 420. Sollten die Twindexxe der Baureihe 502 tatsächlich mal noch in diesem Jahrhundert in der Serie ins Rollen kommen, dürften vor allem diese früher für den internationalen Schnellzugsdienst angeschafften einstigen Abteilwagen recht bald schon eine finale Fahrt nach Kaiseraugst zur Verschrottung antreten müssen. Das soll jetzt nicht das übliche Freak-Gejammer sein, vom Alter her sind die Wagen längst „fällig“. In Zürich wieder Lokwechsel in der „Halle oben“ – der Zug ist ja nicht verpendelt, also ohne Steuerwagen – es übernimmt eine Re 460. Erscheint etwas anachronistisch, zumal es in Zürich ja die Möglichkeit gäbe, durchzufahren. Auf den zweiten Blick stimmt es aber wieder – denn ein paar Minuten Aufenthalt wegen des starken Fahrgastwechsels braucht man eh, und so passt der Zug auch in wechselseitige Anschlüsse, bringt also den meisten Fahrgästen mehr Nutzen als krampfhaft noch irgendwo eingesparte 3 Minuten.

In Aarau angekommen, geht es auf die Südseite des Bahnhofes, wo die Meterspurgleise von AAR Bus + Bahn zu finden sind. Herkömmlich hiess der Betrieb einmal Wynen- und Suhrentalbahn, demnächst wird es dann infolge Fusionierung mit der BDWM Transport um „Aargau Verkehr“ gehen. Ich hätte am Mittelbahnsteig die Wahl: linker oder rechter Doppeltriebwagen? Ach, zuerst den linken, und damit geht es auf ehemaliger SBB-Trasse hinaus in Richtung Suhr, wo der Normalspurbahnhof der Strecke Lenzburg-Zofingen zwischenzeitlich unterfahren wird. Bevor diese Umbauten im Jahr 2010 in Betrieb gingen, war die Bahnlinie eigentlich mal eine Überlandtram gewesen, die im Laufe ihrer Geschichte aber aufgrund des zunehmenden Verkehrs – auch hier wird am Samstag wie selbstverständlich ein Viertelstundentakt gefahren – aber mehr und mehr von der strassenbündigen Führung abgekommen ist. Oberhalb Suhr ist es dann das Wynental, durch das die Fahrt geht, gerne in Seitenlage zur Straße, aber (fast) immer mit eigenem Gleiskörper. So geht es zum Beispiel durch Unter- und Oberkulm, bis Reinach Nord erreicht wird. Ab dort profitierte die Schmalspurbahn wieder von einer aufgegebenen SBB-Trasse, als die SBB den Verkehr von Beinwil am See nach Beromünster einstellten, wurde von den Gemeinden die Chance genutzt, die Verbindung nach Aarau auszubauen und zu verbessern. Auf dieser Trasse geht es jetzt also bis zum heutigen Streckenende in Menziken. Dort ist der Bahnhof ebenfalls als geschlossene Halle, die gleichzeitig auch der Fahrzeugabstellung dienen kann, ausgeführt.

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Blick in die Bahnhofshalle von Menziken: Be 4/4 26 hat schon Wochenende.

Von Menziken aus geht es wieder zurück nach Aarau, um dort den anderen Streckenast nach Schöftland in Angriff zu nehmen. Umsteigen ist nicht (mehr) nötig, die beiden Strecken sind schon seit 1967 miteinander verbunden, so dass die Züge durchfahren. Auch vom Ast nach Schöftland wird die SBB-Strecke Lenzburg-Zofingen gekreuzt. Dies geschieht niveaugleich in Oberentfelden, wo zwischen dem Normalspurbahnhof und dem Halt der Schmalspurbahn am Engelplatz keine 5 Minuten Fussweg liegen dürften. Danach geht es weiter durch das Suhrental via Muhen bis Schöftland. Auf beiden Ästen sieht man an vielen Stellen, dass hier viel Zeit und Geld dafür investiert wurde, eine „veraltete“ Schmalspurbahn zu einem zeitgemässen und stets verfügbaren Verkehrsmittel für die Anliegergemeinden zu machen. Der Fahrgast stimmt auch hier mit der Fahrkarte ab: die Züge sind gut besucht.

Mein letzter Bus für heute ist ein Citaro der ersten Generation in der Überlandversion und wird von der BDWM Transport betrieben – mit diesem geht es dann über recht schmale Land- und Ortsstraßen hin-über nach Zofingen, von wo aus mich ein NPZ-Domino nach Olten bringt, ab da mit dem IC 6 aus Brig im Einheitswagen IV nach Basel. Hauenstein, wieder einmal – und Feierabend für heute, wieder 6 Strecken abgehakt.
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Beitrag von 146225 »

Tag 7, Finale: Und jetzt noch in den Kanton Bern.

Der IC 61 nach Interlaken ist keine der üblichen EW IV – Pendelgarnituren, wo einzelne EC-Apm oder EC-Bpm untergemischt sind – bis auf den Steuerwagen, der ein reiner Inlandswagen und zugeschnitten auf die Re 460 ist, sind alle übrigen Wagen EC-Wagen. Also ist die Garnitur wohl in einen Umlauf mit den EC 6/7 eingebunden – der übrigens in der Schweiz auch mit Steuerwagen Bt unterwegs ist, sprich beim Lokwechsel in Basel SBB zwischen SBB-Re 460 und DB-101 wird gleichzeitig an der anderen Zugseite noch der Steuerwagen – der dafür ja immer richtig herum stehen muss! – beigestellt. Oh Hölle, dass es noch Eisenbahnen gibt, die einen derart unvorstellbaren Rangieraufwand betreiben. Womöglich noch Rangierloks mit Personal vorhalten… - na ja, wenn man wieder einmal, Überraschung, die Hauensteinlinie entlang fährt, hat man halt Zeit für solche Gedanken. In Olten steige ich dann auf den IR 17 um, der in Richtung Bern nicht ab Rothrist via Schnellfahrstrecke unterwegs ist, sondern auf der alten Trasse fährt und neben Langenthal und Herzogenbuchsee auch in Burgdorf hält. Prima, da will ich nämlich hin. Also zumindest will ich dort wieder den Zug wechseln, es geht mit einer BLS-Nina, RABe 525, weiter. Der Zug kommt als Traktion mit 2 Fahrzeugen aus Bern und wird in Burgdorf getrennt, ein Zugteil weiter nach Solothurn, der andere weiter nach Sumiswald-Grünen – und in dem sitze ich.

Es geht über die ex-EBT-Strecke nach Hasle-Rüegsau und dann abzweigend auf alten VHB-Gleisen im Emmental weiter nach Ramsei. Eine eher stille und waldreiche Ecke, sehr entspannt zu fahren an diesem sonnigen Vormittag. In Ramsei würde die die Strecke „geradeaus“ weitergehen nach Langnau im Emmental, aber ich lege noch einen Zwischenschritt ein, um nach dem Kopfmachen den kurzen in Betrieb verbliebenen Rest der Strecke nach Wasen im Emmental bis zum heutigen Endbahnhof Sumiswald-Grünen mit abzuhaken, der sich auch noch relativ ursprünglich präsentiert, inklusive niveaugleicher Perronübergänge.

Bild
NINA 24 der BLS in Sumiswald-Grünen

Der angekommene Nina fährt dann als Pendelzug wieder zurück bis Ramsei, wo man gleich in Richtung Burgdorf wieder Anschluss hätte. Ich gönne mir eine Pause in der Sonne – wenn der Strassenverkehr neben dem Bahnhof nicht wäre, wäre es direkt idyllisch – und warte bis der nächste Zug in Richtung Langnau kommt. Die Liste der benutzten Fahrzeuge verlängert sich noch um einen „KTU-NPZ“, einen RBDe 565, der durch Wald und Wiesen das Reststück der mir noch fehlenden Strecke bis Langnau zurücklegt. Hier könnte ich jetzt einerseits in Richtung Luzern, andererseits in Richtung Bern weiterfahren. Da der nächste Zug in Richtung Luzern zwar ein Regio Express, aber nicht die Re 465 mit ihren Einheitswagen III als „Kambly-Zug“ ist, nehme ich lieber den nächsten RBDe 565, der als S 2 in die Berner Richtung unterwegs sein wird. Vor Konolfingen stehen Lamas auf der Weide, auch kein alltäglicher Anblick im Land der Milchkühe. Ich bin nicht ausgestiegen um in Richtung Thun weiterzufahren, und ich werde auch in Bern nicht aussteigen.

Wohin zieht es mich? An die Sense! Nein, ich möchte keine Wiese abmähen, bewahre. Aber die S 2 ist als Durchmesserlinie durch Bern hindurch ausgebildet, und fährt zunächst auf der Hauptbahn in Richtung Freiburg bis Flamatt (was tatsächlich auch schon freiburgisch ist). Dann geht es nach „rechts unten“ von der erhöht laufenden Hauptbahn weg in einer Kurve ins Tal der Sense. Die Strecke, auf der ich jetzt unterwegs bin, ist auch nur noch ein Rest – einst wurde durchgehend bis Gümmenen an der Strecke Kerzers-Neuchâtel gefahren, heute ist (seit 1993) in Laupen BE schon Schluss. Die Bahnhofsschilder zeigen übrigens noch das Logo der Sensetalbahn AG an, die Infrastruktur wird heutzutage jedoch von den SBB, die 2/3 an der Sensetalbahn AG halten (das andere Drittel hält die Schweizer Post), betrieben. Laupen zeigt auch ein relativ altes Stadtbild, das von einer historischen Schlossanlage überragt wird. Das ist so ein bisschen das Dilemma an meiner Streckensammelei, man hat nicht immer die Zeit, all das was neben der Eisenbahn auch noch interessant wäre, auch noch anzuschauen – auf der anderen Seite, ein Grund mal wieder in die Schweiz zu fahren, findet sich doch immer, jetzt ist es halt noch einer mehr.

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Sie führt nicht nach Erding, ist aber auch die Linie S2 … BLS 567 738 in Laupen BE.

Und so bin ich auf der Rückleistung des in Laupen wendenden Zuges wieder mit dabei, wobei ich diesmal tatsächlich in der Betonhöhle Bern aussteige. Bevor ich endgültig den Heimweg antrete, möchte ich noch einen kleinen Haken schlagen, und deshalb gehe ich zum Tram auf den Vorplatz. Meine Fahrt der Linie 6 ist kein „blaues Bähnli“ sondern ein Bernmobil-Combino. Durch die wunderschöne historische Berner Altstadt geht es dann hoch über die Aare und hinaus über Muri und Gümlingen in Richtung Worb, wo der (Dorf-)Bahnhof eine Kombination aus Tramhaltestelle und Schmalspurbahnhof ist. Vor dem Empfangsgebäude die ersten beiden Gleise im Freien mit anschliessender Schlaufe sind für das Tram, dahinter in der Halle sind die beiden Bahnsteige der Meterspurbahn S 7 via Bolligen und Worblaufen nach Bern. Na dann, kann ich ja mal wieder RBS fahren wie ich es am liebsten habe: auf der Schiene, nix wie rein in den Be 4/12 und ab. Kurze Randnotiz: Hätte ich die Strecke nach Laupen nicht noch „haben wollen“, hätte ich auch in Worb SBB aus der BLS-S 2 aussteigen können und die Lücke zu den Schmalspurgleisen in Worb Dorf zu Fuss überbrücken. Eben eine vielfältig angebundene Berner Agglomerationsgemeinde. Auch der Rückweg geht durch dichte Besiedlung und trifft in Worblaufen auf die Strecke von Solothurn her, mit der es dann gemeinsam am Hang oberhalb der Aare und durch den Tunnel nach Bern hinein geht. Noch steige ich im „alten“ RBS-Tiefbahnhof aus, aber bis 2025 soll sich ja einiges verändern, der Fahrgastandrang lässt keine andere Wahl als den Berner Bahnhof ein weiteres Mal um- und auszubauen, und dabei wird es unter anderen Massnahmen auch einen größeren neuen Tiefbahnhof für den RBS geben.

Die letzte Etappe mit der SBB verläuft dann im IC 2000 – Doppelstockzug völlig unspektakulär auf bekanntem Wege. Ich lehne mich zurück, höre ein letztes Mal „Grüessech, näggschder Halt Olten, Billett ab Bern bitte!“ vom SBB-Zugsteam und rolle dann auch pünktlich in Basel SBB ein. In Ermangelung einer zeitlich passenden S 6 (oder eines Fernzuges, wäre ja egal gewesen) fahre ich mit dem Tram 2 via Wettsteinbrücke und Messeplatz auf die Kleinbaseler Rheinseite zum Badischen Bahnhof, wo in bewährter Weise am Morgen das Gepäck deponiert und die Fahrkarte für Deutschland besorgt wurde.

Als ich die Treppe hinaufkomme, hat mein IC zwar nicht direkt +20, aber gleich der erste Wagen, der vor meiner Nase hält, präsentiert sich mit Graffiti und einer Türstörung… willkommen bei DB Fernverkehr! Ich finde in Richtung auf das Ende des Zuges noch bequem Platz in einem Bpmmz und kann in Freiburg im Breisgau – wo wie üblich viele Leute zusteigen – den Unterschied zwischen Schweizer und deutschen Fahrgästen studieren. Herr und Frau Schweizer betreten einen Eisenbahnwagen und setzen sich dorthin, wo noch Platz ist, fertig. In Deutschland wird mit (okay, je nach Körpergrösse) schräg zurück gelegtem Kopf und stierem Blick auf die Reservierungsanzeigen vorgegangen, es geht in diesen Zeiten ja leider nicht mehr anders, weil anscheinend der deutsche Bahnnutzer die Eisenbahn im Fernverkehr immer mehr mit einem Billigflieger verwechselt. Was der Schwachfug soll – abseits von Familien und Gruppen, die natürlich zusammen sitzen wollen … es geht wirklich ohne, auch bei vielen Fahrgästen in langen Zügen.

Bis Karlsruhe sammeln wir +5, das gefährdet den Anschluss an die Stadtbahn nach Hause aber auch nicht, in Deutschland muss man halt 20 Minuten Umsteigezeit einplanen, nicht teilweise 2 bis 4 Minuten, die ich die ganzen Tage in der Schweiz mehr als nur einmal hatte. Bei schönem Frühlingswetter treffe ich wieder zu Hause ein.


Fazit:

Natürlich muss man schon ein Freak sein, um so seine Urlaubstage zu verbringen. Und auch klar, mit abnehmender Zahl der noch zu bereisenden Strecken steigt zwangsläufig die Zahl der „Leerfahrten“ an, also Streckenabschnitte, die man schon kennt, aber auf dem Weg zu noch offenen Strecken befahren muss, selbst in einem vergleichsweise kleinem Land wie der Schweiz. Bauarbeiten haben mich bei den Planungen zu mancher Änderung gezwungen, so ist das eine oder andere was ich gerne gemacht hätte, noch offen geblieben. Die Leistungsbilanz fällt übrigens mal wieder klar positiv aus, ich war in 18 Kantonen mit 12 verschiedenen EVU, 3 Stadtverkehrsbetrieben und 4 Busbetrieben unterwegs, es haben über 80 zum Teil sehr knappe (2 bis 4 Minuten Übergangszeit) Anschlüsse alle funktioniert, die grösste in der Schweiz gehabte Verspätung lag bei +4. Das ist dann doch ganz ordentlich und gibt einem auch wieder ein bisschen die Freude am Bahnfahren zurück für die Momente, wo hier der nächste Zugausfall den Feierabend beeinträchtigt …

Fertig? Nein, fertig bin ich mit unserem südlichen Nachbarland noch nicht wirklich, Stand heute fehlen mir noch 36 Streckenabschnitte, die sich fast über das ganze Land verteilen, betroffen sind beide Appenzell, Bern, Freiburg, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuchâtel, St. Gallen, Tessin, Waadtland, Wallis und Zürich. Seid also auch das nächste Mal wieder mit dabei, wenn es an dieser Stelle heisst: „Die Schweiz mal wieder…“
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Beitrag von Entenfang »

146225 @ 1 May 2018, 11:10 hat geschrieben:Natürlich muss man schon ein Freak sein, um so seine Urlaubstage zu verbringen.
Ich glaube, effektiver wie du kann man den Swiss Travel Pass nicht nutzen. :D

War gar nicht so einfach, deine Route auf Openrailwaymap mitzuverfolgen. Danke fürs Mitnehmen!
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von guru61 »

146225 @ 1 May 2018, 10:55 hat geschrieben: Gleich hinter dem Bahnhof Auvernier geht es dann nach rechts oben weg, erstmal durch Weinberge, bevor wir uns in ein Seitental vom Neuenburger See ab in den Wald hinein wenden. Die Regionalzüge zwischen Neuchâtel und Buttes sind eine Gemeinschaftsveranstaltung von CFF und der örtlichen TransN, welche im oberen Streckenteil ab Travers auch EIU ist, offensichtlich habe ich mit meinem Domino einen der nicht-kantonalen Züge erwischt, die TransN fährt wohl mehrheitlich mit Flirt und ggf.
Hallo
Eine kleine Ergänzung: Die Areuseschlucht ist am Besten von Chambrelien, dem Kopfbahnhof an der Linie Neuenburg La Chaux de Fonds erreichbar:
https://s.geo.admin.ch/7a5a9942e0
Von Chambrelien geht ein guter Wanderweg über der Schlucht, mit Sicht auf die Bahn bis nach Champ du Moulin.
https://www.flickr.com/gp/r_walther/uDP34C

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Beitrag von P-fan »

Vielen Dank für den Bericht! Und ...
... es haben über 80 zum Teil sehr knappe (2 bis 4 Minuten Übergangszeit) Anschlüsse alle funktioniert, die grösste in der Schweiz gehabte Verspätung lag bei +4. Das ist dann doch ganz ordentlich und gibt einem auch wieder ein bisschen die Freude am Bahnfahren zurück für die Momente, wo hier der nächste Zugausfall den Feierabend beeinträchtigt …
diese Aussage kann ich voll und ganz bestätigen. Wer auch im DSO-Forum unterwegs ist, der weiß, dass dieser deutliche Qualitätsunterschied zwischen der Schweiz und Deutschland immer wieder versucht wird zu relativieren oder gar vollends in Abrede zu stellen. Meist kommt das von Leuten, die überhaupt noch nicht oder erst selten in der Schweiz bahnfahrend unterwegs waren.
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Beitrag von TramBahnFreak »

Auch ich sage "Merci vielmal!" für den schönen Reisebericht!

Darf ich noch ein paar Dinge anmerken? B-)

- Rollbock-Verlad gibt es zumindest bei der RhB schon seit einiger Zeit nicht mehr (planmässig).
- Die nach (bzw. von) Basel (rück-)verlängerten EC via Zürich nach München leeren sich – so zumindest meine Beobachtung – in St. Gallen nochmals recht ordentlich; im Berufsverkehr wird da teilweise etwa die Hälfte der von Zürich mitgeführten Wägen (sprich: alle aus Basel gekommenen plus einige derer, die in Zürich beigestellt wurden) abgehängt und es ist hinter St. Gallen dennoch leerer im Zug.
- Deine Graffiti-Beobachtungen kann ich so übrigens nicht uneingeschränkt teilen. Klar, die vorbeifahrenden 401 sind leider nur sehr selten reinweiss; aber die SBB-KISS stehen diesen in Sachen "Verzierungen" teilweise nicht wirklich nach. Einzig das Fernverkehrs-Material ist mir in der Hinsicht noch nicht aufgefallen.
- NPZ-Dominos in alter Variante findet man immer wieder mal in ICE-Ersatzzügen, wenn die DB den Zug mal wider nicht rechtzeitig an der Grenze abgegeben haben und die SBB daher einen innerschweizerischen Ersatzzug in der ursprünglich geplanten Zeitlage auf die Strecke schicken müssen.
[/Klugscheiss]
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Beitrag von guru61 »

TramBahnFreak @ 7 May 2018, 21:23 hat geschrieben: - Deine Graffiti-Beobachtungen kann ich so übrigens nicht uneingeschränkt teilen. Klar, die vorbeifahrenden 401 sind leider nur sehr selten reinweiss; aber die SBB-KISS stehen diesen in Sachen "Verzierungen" teilweise nicht wirklich nach. Einzig das Fernverkehrs-Material ist mir in der Hinsicht noch nicht aufgefallen.
- NPZ-Dominos in alter Variante findet man immer wieder mal in ICE-Ersatzzügen, wenn die DB den Zug mal wider nicht rechtzeitig an der Grenze abgegeben haben und die SBB daher einen innerschweizerischen Ersatzzug in der ursprünglich geplanten Zeitlage auf die Strecke schicken müssen.
[/Klugscheiss]
Hallo
Graffitti sind vor allem, so empfinde ich es, im Raum Bern ein Problem, und komischerweise ist die BLS fast nicht betroffen.

NPZ können ICEs lediglich auf der Relation nach Zürich ersetzen, da sie nicht für die Neubaustrecke tauglich sind, weder von der HG, noch vom ETCS 2 her.

Im Übrigen, Verspätungen gibt's auch in der Schweiz, und das nicht zu knapp:

http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Fah...-Basel-21257007

Aber, und das scheint mir das wichtigste zu sein, man denkt voraus, wie man die Verspätung vermindern kann.

Und man rechnet mit dem Schlimmsten und hat vorbereitete Konzepte in der Schublade:
http://www.20min.ch/schweiz/news/story/So-...sen-um-10723574

Als in Olten der Crash mit dem Läufelfingerli war, konnte man über die Verbindungslinie nach Däniken ausweichen und im dortigen Industrieareal Kopfmachen.
(Blaue Linie)
https://s.geo.admin.ch/7a69f1d070

Das muss natürlich vorher ausgehandelt sein, und in Form von Checklisten bereitliegen.
Und in so einem Fall, muss auch die Kommunikation untereinander klappen:
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal...en-an-128919149

Und machmal meldet sich der CEO der SBB selber zu Wort. Er kann das, weil er nicht im Dienstwagen unterwegs ist :D
https://www.youtube.com/watch?v=aIS3tnluZ34
Gruss Guru

P.S: Die S-Bahn KISSten sind 6-teilig:
S 12 bei Brugg:
https://flic.kr/p/tSc1qs
https://flic.kr/p/tSc5YW
Gruss Guru
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Beitrag von TramBahnFreak »

Wenn die Datengrundlage für die verspäteten Züge bei allen so aussagekräftig ist wie bei Nummer 8, dann gute Nacht...
Catracho
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Beitrag von Catracho »

guru61 @ 8 May 2018, 09:32 hat geschrieben: Graffitti sind vor allem, so empfinde ich es, im Raum Bern ein Problem, und komischerweise ist die BLS fast nicht betroffen.
Oder die entfernen es schneller.

Mfg
Catracho
Theirs not to reason why, theirs but to do and die. - Alfred Tennyson
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Beitrag von 146225 »

Witzigerweise, Schweizer Fahrzeuge mit Graffitti habe ich - von den mittlerweile europaweit bemalten einschlägigen Güterwagentypen mal abgesehen - tatsächlich nur selten gesehen, okay im Anschluss von Thommen Recycling in Kaiseraugst auch (...) - aber sonst, an einen "verzierten" Waadtländer Flirt im Raum Lausanne kann ich mich erinnern, und ja, bei der Zürcher S-Bahn habe ich auch schon Graffitti gesehen, klar.

Der DB 401 war hier im Text ja auch nur als abschreckendes Beispiel aufgeführt, weil er in seiner Glorie von Dreck und Schmodder in Zürich mehr aufgefallen ist als das, sagen wir mal in Duisburg Hbf der Fall gewesen wäre. (Wobei ich nix gegen Duisburg gesagt haben will, ich mag meine Pottis.) Und weil - zumindest für mein persönliches Empfinden - DB Fernverkehr in den letzten Monaten so rapide abgebaut hat, was das gepflegte Erscheinungsbild der Züge angeht. Ich habe hier dieser Tage noch Bilder von 401/402/403/412 aus dem Sommer 2017 in der Mache gehabt, da war weiß noch präsenter und erkennbarer als schlonzbraun heute. Ist wie gesagt aber letztlich wie jede Wahrnehmung subjektiv und ändert sich vielleicht/hoffentlich auch mal wieder.

EDIT: Und natürlich bin ich auch nicht blind für diese und andere gesellschaftliche Negativentwicklungen auch auf Schweizerboden. Idioten gibt es halt leider überall, unabhängig von Standort und Nation.
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Beitrag von guru61 »

Catracho @ 8 May 2018, 16:32 hat geschrieben: Oder die entfernen es schneller.

Mfg
Catracho
Hallo
Kann sein, aber auch dann würde man diese Züge ab und zu sehen, was aber nicht der Fall ist.
Ich arbeite in Bern und habe von der Terrasse der Kantine einen tollen Blick auf die Bahn:)
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Beitrag von guru61 »

TramBahnFreak @ 8 May 2018, 15:31 hat geschrieben: Wenn die Datengrundlage für die verspäteten Züge bei allen so aussagekräftig ist wie bei Nummer 8, dann gute Nacht...
Hallo
Na ja, bei einen reinen Tourizug ist eine Verspätung eher irrelevant.

Aber es hat schon Züge die sind chronisch verspätet.
Meine Frau arbeitet in Zürich Altstetten und wir wohnen in einem Dorf bei Olten
Da durch fährt eine Buslinie (572) nach Schönenwerd. Wochentags am Nachmittag mit Halbstundentakt.
https://www.fahrplanfelder.ch/fileadmin/fap...2018/50.571.pdf
Wenns wieder einmal harzt in Zürich bei der S Bahn, nimmt sie nicht den IR ab Zürich HB nach Olten und da den Bus, sondern einen Einsatzzug nach Aarau mit umsteigen auf den Bummler und dann den Bus in Schönenwerd.
Summasummarum ist sie dann 10 Minuten später zu Hause, als über Olten. Hat aber in Aarau noch Zeit im Bahnhof beim Coop einzukaufen.
Auch das ein Vorteil des vernetzten Fahrplans.

Oder, wie es mir passiert ist:
Die S 3 In Bern nach Biel fährt im Moment tagsüber, weil in Zollikofen gebaut wird nur stündlich.
https://www.bls.ch/de/fahren/fahrgastinform...on/verkehrslage

Normalerweise merke ich das nicht, weil ich den stündlich verbleibenden Zug nehme.
Eines Tages wollte ich früher gehen und wurde aufgehalten, so dass ich den Turnschuhanschluss ..54 ab Wankdorf nach Bern und dann den ..04 ab Bern nach Olten nehmen willte.
Leider fuhr der eben nicht. Also: ..53 nach Burgdorf und dort auf den IR nach Olten umsteigen. War nur unbedeutend schneller als der IR eine halbe Stunde später ..34 ab Bern, aber das Gedränge und die Tropfsteinhöhle in Bern umgangen.

Ach ja: Einen Hirnkocher, der mir die Fahrpläne durchbeamt, habe ich nicht.

Wer das Glück hat, in einem vernetzten OeV System zu fahren, findet immer wieder solche versteckten Möglichkeiten.
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Beitrag von Entenfang »

Kürzlich hat es mich in die Schweiz verschlagen - wenn auch mit leicht abweichender Zielstellung zu 146 225 ;)


Tag 1 Dresden -> Basel -> Zürich

Am frühen Morgen starten wir am Dresdner Hbf – ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal darüber freuen würde, erst um 6:21 Uhr loszufahren. Die meisten sind bereits eine Stunde unterwegs.
Glücklicherweise sind alle pünktlich erschienen. Das ist an diesem Morgen keine Selbstverständlichkeit, denn die morgendliche HVZ läuft äußerst holprig an, da sich eine Bombenentschärfung in Löbtau ewig hinzieht und die Bereitstellung der Züge aus Dresden-Altstadt nicht möglich ist.
Bald stellt sich heraus, dass in der ersten Gruppe offensichtlich mehr Teilnehmer als Fahrkarten unterwegs sind, was dem Zub glücklicherweise nicht aufgefallen ist.

„Achtung, eine wichtige Durchsage! Ist hier ein Arzt oder medizinisches Personal im Zug? Bitte mal in den Übergang zwischen Wagen 27 und 28 kommen. Ihre Hilfe wird dringend benötigt!“

Mit leichter Verspätung rollen wir in Erfurt ein, wo der Rettungsdienst wartet. Mit +10 geht’s weiter. Wir fahren die Bonusminuten im weiteren Verlauf bis Frankfurt aber wieder weitgehend raus, sodass der 14 min.-Umstieg in Frankfurt nicht gefährdet ist. Merkwürdigerweise hat der 277, in welchen wir hier umsteigen müssen, +10 wegen technischer Störung an der Strecke eingesammelt. Das halten wir nicht für besonders glaubwürdig, da wir direkt im Blockabstand vor dem 277 völlig störungsfrei durchgerauscht sind.

Mit +22 verlassen wir endlich Frankfurt, doch trotz des Aufenthalts in Mannheim sinkt die Verspätung nicht nennenswert und bleibt bei +20 in Karlsruhe. Auch die Rheintalbahn befahren wir reibungslos, ohne jedoch Verspätung abzubauen. Damit geht unser Anschluss in Freiburg zum RE nach Weil am Rhein flöten und wir beraten das weitere Vorgehen. Jeder benutzt eine andere App und kommt zu einem anderen Ergebnis, wie wir am besten zur restlichen Gruppe stoßen können.

Die wenigen anderen Fahrgäste im Wagen 1 bekommen unser Pläneschmieden zwangsweise mit und ein Mann schlägt vor, es wäre doch wirklich wissenschaftlich, wenn jeder von uns sieben Leuten eine andere Variante ausprobieren würde, um festzustellen, wer am schnellsten am Ziel ist.

Nach ausgiebiger Diskussion beschließen wir, es mit dem Bus 36 und Umstieg auf die Tram 8 zu versuchen, damit wir den Programmpunkt Fahrt mit dem internationalen Tram nicht ausfallen lassen müssen.

Unser Plan geht auf, denn mit +20 hält der ICE in Basel Bad Bf und wir haben ausreichend Zeit, entspannt umzusteigen. Ein erster Einblick in den noblen ÖV der Schweiz
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In Kleinhüningen steigen wir dann um. Jede zweite Bahn wendet hier, grenzüberschreitend wird nur halb so oft gefahren, d.h. Takt 15 werktags und Takt 20 sonntags.
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Ausnahmen sind nur die Nachmittags-HVZ sowie Samstagnachmittage. Dann wird auf ganzer Linie der schweizübliche Takt 7,5 angeboten.

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Als etwas problematisch hat sich dieser Kreisel auf deutscher Seite kurz hinter der Grenze erwiesen, denn ein Kreisverkehr lebt davon, dass der Verkehr fließt. Ist dieser Fluss durch ein linksabbiegendes Trämli unterbrochen, kann es zu Rückstau mit völliger Blockade kommen.

Die Rückfahrt bis zum SBB-Bahnhof zieht sich hin. Das Tram kämpft sich durch Fußgängerzonen und enge Straßen. Immerhin wird die Fahrgastwechselzeit dadurch verkürzt, dass die Türfreigabe bereits vor Stillstand erfolgt. Wie hat man die TAB Baden-Württemberg bloß überzeugt, das zuzulassen…


Mit +1 verlässt der IR Basel, um uns via Rheinfelden und Baden nach Zürich zu bringen. Den unterirdischen Teil des HB erreichen wir pünktlich.
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ITF vom Feinsten
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Ein paar S-Bahnen fahren hier auch noch…
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Die nachmittägliche HVZ ist auf ihrem Höhepunkt und im Bahnhof herrscht reger Betrieb. Im Minutentakt verlassen die Züge Zürich – den Anfang macht stets der ICE zur Minute 00, eine der Fahrplanzwänge, die den gesamten FV-Fahrplan deutschlandweit maßgeblich beeinflussen.

Es wird eifrig rangiert.
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Und um Viertel ist der große Bahnhof leergefegt…
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...nur um sich wenige Augenblicke später erneut zu füllen.
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Ohne Zweifel ein beeindruckendes Schauspiel. Die großen Vorteile für den Fahrgast sind jedoch mit erheblichen Infrastrukturkosten erkauft, denn durch den ITF wird eine große Anzahl Bahnsteige zur gleichen Zeit benötigt. Auch die Bahnstromversorgung muss für die wenige Minuten dauernde Abfahrtsspitze ausgelegt werden.


Anschließend erhalten wir einen ersten Überblick über den ÖV in der Schweiz. Zwei wesentliche Faktoren, die sich in der Schweiz sehr positiv bemerkbar machen, sind der hohe politische Rückhalt sowie die Unterstützung durch die Bevölkerung.
Dies wird auch bei den Pro-Kopf-Investitionen in die Schieneninfrastruktur deutlich.
https://www.allianz-pro-schiene.de/wp-conte...EU-Grafiken.pdf
D: 64€; 82,5 Mio. EW: 5,3 Mrd. € auf 39.000 km Netzlänge: 135.384 €/km
CH: 378€; 8,4 Mio. EW: 3,2 Mrd. € auf 5200 km Netzlänge: 610.615 €/km

Die große Herausforderung im Großraum Zürich mit etwa 400.000 Einwohner im Stadtgebiet sind die 200.000 täglichen Einpendler. Interessant finde ich, dass die größte Belastung in der Nachmittags-HVZ zwischen 17 und 18 Uhr mit 110.000 Einsteigern auftritt.
Problematisch für die Trambahn sind die vielerorts historisch engen Straßenquerschnitte, denn die Schweiz wurde vom 2. Weltkrieg verschont. Als pünktlich gilt in Zürich übrigens ein ÖV, welches
1. Nicht mehr als 2 Min. Verspätung hat
2. Nicht mehr als 1 Min. Verfrühung hat
3. Nicht ausgefallen ist.
Umso erstaunlicher daher, dass die Gesamtpünktlichkeit 87% beträgt!
In Zürich beträgt der ÖV-Anteil am Modal Split rekordverdächtige 42%; 48% der Haushalte besitzen keinen eigenen Pkw.

Von diesen Werten können wir in Deutschland nur träumen…
https://www.bundestag.de/blob/535044/f9877f...17-pdf-data.pdf


Daher stellt sich die Frage, worin der Erfolg des ÖV in Zürich begründet liegt.

Wie in vielen Städten dieser Größenordnung stand Zürich in der 1960er Jahren vor dem Verkehrskollaps. Dagegen sollte eine Stadtbahn („Tiefbahn“) analog zu Stuttgart helfen. Doch dieses Projekt scheiterte im Jahr 1962 in einer Volksabstimmung.
Die einige Jahre später ins Spiel gebrachte Voll-U-Bahn wurde 1973 ebenfalls vom Wähler abgelehnt. Seitdem ist das Thema U-Bahn in Zürich politisch vergiftet, ähnlich wie die Straßenbahn in Hamburg.

Als Alternativlösung wurde der Oberflächenverkehr konsequent beschleunigt. Gleichzeitig gibt es eine restriktive Parkraumbewirtschaftung – im öffentlichen Straßenraum gibt es keinen Parkplatz, welcher kostenlos oder zeitlich unbegrenzt genutzt werden kann. Zwei Stunden Parken kosten in der Innenstadt 7,50 Franken (24h-Karte Tarifzone Zürich 8,80).
Seit 1996 wird außerdem die Anzahl der Parkplätze auf einem konstanten Niveau gehalten.

Der MIV wird bereits bei der Zufahrt in die Stadt dosiert. Der Stau wird auf dem Autobahnzubringer gehalten, um eine Blockade der Kreuzungsbereiche im Innenstadtbereich zu vermeiden. Außerdem besitzt die Tram einen hohen Anteil besonderen Bahnkörper (etwa 80%). Der ÖV genießt eine hohe Priorität an LSA, es gibt aber keine generelle 100%-Vorrangschaltung.
Interessant finde ich außerdem, dass man in Zürich so wenig Ampeln wie möglich verbaut. Dadurch lassen sich Verlustzeiten minimieren und die Leistungsfähigkeit von Knotenpunkten (KP) steigern. An KP ohne LSA hat die Trambahn generell Vorfahrt.


Ganz anders als in München gilt der Grundsatz, die Tram so lange wie nur irgendwie möglich fahren zu lassen. Bei Baustellen wird die Straße bereits vorzeitig für den MIV gesperrt und erste Arbeiten durchgeführt. Vollsperrungen werden generell nur von Freitagabend bis Montagmorgen durchgeführt, denn nur am Wochenende kann das Fahrgastaufkommen durch den SEV gestemmt werden. Während der Sperrpausen wird dagegen rund um die Uhr mit einem maximalen Aufgebot an Arbeitern und Maschinen gearbeitet. Die enormen Kosten sowie Lärmschutz sind nachrangig – Beschwerden der Anwohner stoßen im Tiefbauamt auf taube Ohren. Hier gilt eindeutig der Grundsatz, dass Gemeinwohl (= Bereitstellung eines funktionierenden ÖV) vor Einzelwohl (= paar laute Nächte) geht. Die Dauer von Baumaßnahmen in Deutschland ist in der Schweiz schier unvorstellbar.

Auch bei Großveranstaltungen verkehrt die Tram mit Eskorte durch Sicherheitsleute weiter und wird erst eingestellt, wenn die Menschenmassen nicht mehr von den Gleisen ferngehalten werden können oder weggeworfener Abfall die Weichen blockiert (!).

Gleichzeitig sind die Schweizer Fahrgäste äußerst anspruchsvoll und Jammern auf sehr hohem Niveau. Aufgrund der engen Straßenverhältnisse konnte ein Abschnitt von drei Haltestellen nicht mit SEV-Bussen bedient werden. Daraufhin wurden E-Rikschas angeschafft, um die Laufunfähigen/-willigen zu befriedigen.
Auch musste der SEV zum Zoo ausgerechnet während der Sommerferien rechtfertigt werden.

Bis 2023 muss der ÖV für Behinderte ohne fremde Hilfe nutzbar sein, Ausnahmen bei unverhältnismäßig aufwendigen Umbauten sind jedoch möglich.

Derzeit werden alle Bahnsteigkanten um sechs auf 43 m verlängert, um den längeren Flexitys, deren Auslieferung noch dieses Jahr beginnen soll, gerecht zu werden.

Auf allen Tram- und Obus-Linien wird werktags Takt 7,5 angeboten, von 20 bis 22 Uhr und sonntags Takt 10, von 22 Uhr bis 00:30 Uhr Takt 15. Die ersten Abfahrten sind so ausgelegt, dass aus dem gesamten Stadtgebiet der 6:00-Knoten am HB erreicht wird.

Doch auch in der Schweiz ist nicht alles perfekt.

Eine der größten offenen Baustellen ist der miserable Nachtverkehr. Unter der Woche wird gar keiner (!) angeboten, am Wochenende verkehren Nachtbusse im Takt 30 auf Schleifenfahrt.
https://www.zvv.ch/content/dam/zvv/fahrplan...h_dez17_rgb.pdf
Die Linienlänge orientiert sich daran, welche Entfernung mit einem Kurs fahrbar ist. Zusätzlich zur normalen Fahrkarte ist stets ein Nachtzuschlag von 5 Franken zu bezahlen; damit können schweizweit alle Nachtlinien genutzt werden.
Abgesehen vom Zuschlag tragen die abweichenden Linienführungen sowie die langen Reisezeiten durch erzwungene Umwege über den zentralen Umsteigepunkt Bellevue zur geringen Attraktivität bei.

Dieses bescheidene Angebot liegt mitnichten am fehlenden Bedarf, sondern an den ungünstigen Randbedingungen. Nachtverkehr gilt nicht als Daseinsvorsorge und wird daher nicht bezuschusst; folglich muss er eigenwirtschaftlich sein. Auch der Faktor „Haben wir noch nie gemacht“ sowie „Braucht eh keiner“ ist nicht zu vernachlässigen.

Zukünftig sollen Verbesserungen umgesetzt werden und ausgewählte Tram- und Obuslinien des Tagnetzes verkehren. Durch den Einsatz von elektrischen Fahrzeugen lässt sich gleichzeitig eine Lärmreduktion erreichen.


Als absolut genial entpuppt sich unsere Unterkunft. Was kann man sich als Bahnfreak mehr wünschen, als eine Terrasse mit Blick auf eine fünfgleisige Zulaufstrecke nach Zürich?
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Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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