Berg & Tal, Licht & Schatten – Marokko

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Beitrag von Entenfang »

Gut Ding will Weile haben - manchmal eine sehr lange Weile. Wollen wir also hoffen, dass bei den geneigten Lesern keine Langeweile aufkommt...

Nun bin ich endlich soweit, euch von meiner Marokkoreise im März zu berichten.


Wer an Marokko denkt, hat vielleicht das eine oder andere Klischee im Kopf - sieht das dann vielleicht so aus?


Bunte Souks
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Grüne Oasen
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Große Sandhaufen
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Kleine Kämpfer
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Französische Straßenbahnen
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von Entenfang »

Vorbemerkung

Anstatt mich zu ärgern, dass schon wieder jemand ins Bild gerannt ist, habe ich mich entschieden, Menschen auf dieser Reise gezielt zu fotografieren. Natürlich habe ich immer vorher um Erlaubnis gebeten, wenn eine Person das Hauptmotiv darstellt. Manche haben sich auch von selbst als Fotomotiv angeboten. Geld habe ich dafür nie bezahlt, ein vorangegangener Kauf im jeweiligen Laden hat die Bereitschaft auf ein Foto natürlich deutlich erhöht. Einige Fotogesuche wurden abgelehnt.
Alle Preise sind zur einfacheren Lesbarkeit in Euro umgerechnet. Da der Wert von 1 Dirham knapp 10 Cent entspricht, handelt es sich um einen sehr kopfrechenfreudlichen Wechselkurs.
Zur besseren Unterscheidung werden Joachims Eindrücke kursiv geschrieben.

Zwei Monate vorher

Ein Anruf beim Experten für flugtarifliche Fragestellungen bringt mich auf die Idee, mit Transavia von München nach Marrakesch zu fliegen. In der einen Minute kostet der Hinflug 79€, in der nächsten schon 89€. Tags darauf ist er für 59€ zu haben. Bis alle terminlichen Absprachen geklärt sind, steht der Preis ein paar Tage später wieder da, wo er zuerst war: Bei 79€. Also beginne ich mit der Buchung.
Ich habe kaum meinen Namen in die Buchungsmaske eingegeben, da heißt es schon, Seite neu laden wegen zu langer Inaktivität. Ich brauche drei Anläufe, meine Finger fliegen geradezu über die Tastatur. Uff, endlich schnell genug gewesen. Nein, ich will keine 4€ extra zahlen, um meine persönlichen Daten im Laufe der nächsten 24h nochmal ändern zu können. Ob die kurze Eingabezeitdauer wohl zum Geschäftsmodell gehört? Verglichen damit macht die Buchung einer Bahnfahrkarte ja richtig Spaß.
Nein, ich will auch keine Super-Special-Platin-Reiserücktrittsversicherung. Nein, ich will auch nicht 3€ extra bezahlen, um in einer der ersten fünf Reihen zu sitzen und auch nicht 5€ für einen Notausgangplatz. Herrje, nehmen die Eingaben denn niemals ein Ende? Oh, 10 kg Handgepäck sind für fast drei Wochen vielleicht bisschen knapp kalkuliert. Ist doch logisch, dass man für 20 kg Aufgabegepäck nochmal 32€ pro Richtung extra bezahlt. Immerhin gibt es keine versteckten Kreditkartengebühren und am Ende halte ich Hin- und Rückflug nach leicht nervenaufreibendem Buchungsvorgang für 262€ in der Hand.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Transavia ab Oktober die Flugverbindungen von München wieder einstellt. http://www.sueddeutsche.de/muenchen/flugha...nchen-1.3378716


Ein Monat vorher

Online-Tickets für die Bahn in Afrika? Unser Klischee beginnt zu bröckeln. Leider stellt sich nach mehreren Versuchen mit diversen Kreditkarten, Pass- und Personalausweisnummern heraus, dass man eine marokkanische Kreditkarte braucht. Schade.


Tag 1 München -> Marrakesch -> Casablanca

Die Reise beginnt an einem ungemütlich kalten Vormittag in München. Der Flug mit Transavia startet pünktlich und verläuft ohne besondere Vorkommnisse.

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Wir überfliegen die Straße von Gibraltar, wenige Kilometer Wasser, die zwei Welten trennen. Erste Erkenntnis: Nordmarokko ist grüner als gedacht.

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Ebenfalls völlig problemlos sind die Autobahnen aus der Luft zu erkennen. Die im Bild deutlich erkennbare Schneise stellt die Baustelle für die im Jahr 2018 zu eröffnende TGV-Strecke von Tanger nach Casablanca dar.

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Wir lassen Casablanca, die mit etwa 3,5 Mio. Einwohnern größte Stadt Marokkos, rechts liegen. Gut zu erkennen ist die Hassan II-Moschee links mittig im Bild am Ufer. Mit 210 m Höhe ist es das höchste Minarett der Welt.

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Landeanflug auf Marrakesch – im Vordergrund Münchner Bauklötzchenarchitektur und im Hintergrund die Alpen. Im Hohen Atlas kann man mancherorts drei Monate im Jahr Skifahren.

Der Flughafen ist recht übersichtlich. Als wir in das gleißende Sonnenlicht treten, schlägt uns die Hitze wie eine Faust ins Gesicht. Von 3° in München ins 30° heiße Marrakesch – es ist ungewöhnlich heiß für Anfang März.
Dann spazieren wir erstmal kurz über das Flughafengelände zum Terminal, in Deutschland undenkbar.

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Viele Billigfluglinien sind hier vertreten.

Erstmal heißt es Schlange stehen an der Passkontrolle. Mit dem deutschen Reisepass ist eine visafreie Einreise möglich.
Ein Fensterputzer sitzt auf einem Gerüst und spritzt lustlos mit einer Flasche herum. Ein zweiter Mann klettert irgendwie an den Stangen des Gerüsts nach oben, da keine Leiter vorhanden ist. Nachdem sie gemeinsam noch ein wenig lustlos herumgesprüht und mit dem Abzieher gespielt haben, entrollen sie irgendeine Folie. Dann verliere ich sie aus dem Blickfeld, meine im Flugzeug ausgefüllte Migrationskarte wandert ohne einen Blick des Grenzbeamten in den Papierkorb. Stempel in den Pass, fertig. Große Plakate werben für die dieses Jahr in Marrakesch stattfindende Klimakonferenz.
Unser Gepäck können wir inzwischen schon vom Band nehmen, nur einen Geldautomaten vermissen wir schmerzlich. Auf Nachfrage erklärt man uns an der Information, wo sich die Geldautomaten befinden und dass der Flughafenbus 19 angeblich seit zwei Wochen eingestellt sei und wir ein Taxi nehmen müssten. Fünf Versuche an zwei Geldautoamten schlagen fehl, als ich die Sprache auf Französisch statt Englisch stelle, funktioniert es plötzlich einwandfrei.

Nach dem Verlassen des Flughafengebäudes stürzen sich sofort Taxifahrer auf uns, doch wir folgen erstmal den Hinweisen zur Bushaltestelle. Da wir laut Abfahrtsplan über 20 Minuten warten müssten, willigen wir schließlich ein, zum Preis von 7€ ein Taxi zum Bahnhof zu nehmen. Laut Aushang kostet der Bus 3€ pro Person.
Wir folgen dem Mann einmal quer über den Parkplatz und steigen in einen Mercedes-Oldtimer mit 700.000 km auf dem Tacho ein.
Über recht saubere, breite und gut ausgebaute Straßen fahren wir vom stadtnahen Flughafen Richtung Bahnhof. Ich traue meinen Augen kaum, als ich den Fahrrad- und Mofastreifen am Fahrbahnrand erblicke. Er wird vorwiegend von motorisierten Zweirädern, aber auch von Fahrrädern rege genutzt. Der Verkehr ist zwar chaotisch, aber nicht so schlimm wie befürchtet und längst nicht so schlimm wie in Indien. Es gibt recht viele Ampeln, die auch beachtet werden.
Schon bald erreichen wir den Bahnhof, natürlich hat der Taxifahrer kein Wechselgeld auf unseren Hunderter vom Geldautomaten. Ein Portier des direkt daneben gelegenen Hotels erkennt unser Problem, und bietet uns einen Geldwechsel an. Wie erhalten fünf Zwanziger und zahlen für die Taxifahrt notgedrungen 80, also 1€ mehr als ausgehandelt.

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Das Stadtbild wirkt erstaunlich modern…

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…wie auch der Bahnhof.

Die Ampel könnte 1:1 so in Frankreich stehen.
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Während wir Bilder machen, bekommen wir gleich das nächste Taxi angeboten, welches wir ablehnen. Schließlich freuen wir uns schon sehr auf die in einer guten Stunde beginnende Zugfahrt. „Ok, bon voyage.“

Nach fünf Minuten Anstehen am Schalter sind die Fahrkarten für 9,50€ p.P gekauft. Lediglich alle zwei Stunden fährt ein Zug auf der einzigen Strecke Richtung Casablanca und weiter nach Fes oder Tanger. Allmählich sammeln sich weitere Fahrgäste, die auf den Wartebänken im Bahnhofsgebäude platznehmen. Das kostenlose WLAN funktioniert einwandfrei. Wir würden uns gerne nach draußen auf den Bahnsteig setzen, wann hat man schließlich Anfang März die Gelegenheit dazu? Doch die Türen zum Bahnsteig sind noch geschlossen. Bewaffnete Soldaten und weitere Wachmänner sind wie auch im Flughafen unterwegs.
In mancherlei Hinsicht kann man die Monarchie durchaus als Polizeistaat bezeichnen – die sehr effektiven Geheimdienste haben dafür gesorgt, dass der arabische Frühling weitgehend unbemerkt an Marokko vorübergezogen ist und das Land vom Terror mit wenigen Ausnahmen verschont geblieben ist.
Ein ungelöster Konflikt stellt das Verhältnis zur Westsahara dar. Ursprünglich spanische Kolonie, nach der Unabhängigkeit von Marokko besetzt, gibt es dort Bestrebungen, mehr Autonomie oder sogar vollständige Unabhängigkeit zu erlangen. Warum um eine weitgehend menschenleere Steinwüste so erbittert gestritten wird, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Es gibt sogar Pläne, eine Bahnstrecke von Marrakesch über Agadir nach Laayoune zu bauen.

Wir schauen uns ein wenig im Bahnhofsgebäude um, das fast ein wenig ausgestorben wirkt. Die Restaurants haben bis auf KFC alle geschlossen. Die interessante Architektur besticht durch offenes Mauerwerk, welches einen kühlen Luftzug zulässt. Im Winter können die eingebauten Fensterscheiben geschlossen werden. Fotografieren stellt sich nicht als Problem heraus, auch die Einheimischen sind diesbezüglich aktiv.
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Die übersichtliche Abfahrtstafel könnte aus Frankreich übernommen sein, fehlt eigentlich nur noch der SNCF-Ansagegong, den es in Marokko leider nicht gibt. Darüber befindet sich ein Porträt von Mohammed VI., dem aktuellen König des Landes. Es hängt in allen öffentlichen Einrichtungen und auch in vielen Geschäften. In den meisten Fällen handelt es sich um exakt dasselbe Porträt.
Unser Zug wird etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt bereitgestellt und der Zugang zum Bahnsteig geöffnet. Beim Eintritt muss die Fahrkarte vorgezeigt werden.

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Die letzten Sonnenstrahlen beleuchten den Bahnhof, so weit im Süden geht die Sonne einfach viel zu schnell unter…
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Beitrag von Entenfang »

Die Corailwagen mit 8er-Abteilen sind nicht alle aus Frankreich übernommen, sondern teilweise direkte Bestellungen der ONCF. Dies ist an der Position der WC erkennbar, welche sich in französischen Wagen zwischen Einstiegstür und Wagenübergang befinden.
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Im ersten Wagen ergattern wir unser privates Abteil, die äußere Scheibe der Doppelverglasung ist komplett zersplittert und nicht mehr vorhanden. Immerhin ist es im Zug einigermaßen sauber. Bahnmitarbeiter wurschteln im Schaltschrank herum. Offensichtlich wollen sie das Schlusslicht zwischen dem ersten Wagen und der Lok ausschalten, jedoch ohne Erfolg.
Pünktlich setzt sich der Zug nach einem lauten Pfiff der Alstom Prima II in Bewegung. Von der Abfahrtstafel im Bahnhof über die Handweichen bis zu den Signalen gleicht die Eisenbahn nahezu völlig dem französischen Bahnsystem.
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Zur perfekten Reise fehlen nur die Übersatzfenster und ein Speisewagen – allmählich knurren unsere Mägen. Pfeifend bahnt sich die Lok ihren Weg, während sich die Nacht über das karge Land senkt.
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DÖÖÖÖÖDUUUUU! Eine Schafherde rennt erschrocken davon.
Erst recht langsam, dann mit Höchstgeschwindigkeit windet sich der Zug durch die völlig leere Hügellandschaft. Auffallend ist die nur sehr selten verbaute Überhöhung. Funken erhellen die Nacht, der Doppelfahrdraht deutet auf Elektrifizierung mit Gleichstrom hin. Die Strecke wird begradigt und zweigleisig für TGV-Betrieb ausgebaut.
Bei einem der mangels Siedlungen sehr wenigen Zwischenhalten stehen +8 auf dem Zähler, doch als wir uns Casablanca nähern, sind wir wieder fast im Plan. Die Stadt wirkt deutlich dreckiger und heruntergekommener als Marrakesch.
Nach dem Aussteigen widmen wir uns noch den Nachtfotos, schließlich kommt man ohne Fahrschein nicht auf den Bahnsteig. Auf der Suche nach dem Ausgang landen wir beinahe im Gebetsraum, erkennen unseren Fehler aber noch rechtzeitig. Am Ausgang drängen sich mindestens fünf Taxifahrer, die wir alle abweisen und begeben uns stattdessen zur Tramhaltestelle. Doch der Fahrkartenautomat nimmt keine Scheine, Münzen haben wir noch keine und unsere Kreditkarten werden nicht akzeptiert. Dieses Mal funktioniert es auch nicht, statt Englisch Französisch auszuwählen. Ein Mann kauft Tickets, wir bitten ihn, uns Geld zu wechseln. Er deutet auf einen Laden 50 Meter weiter. Dort könnten wir Fahrkarten kaufen.
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Bei der Gelegenheit kaufen wir auch gleich Wasser. Nachdem bereits zwei Trambahnen abgefahren sind, können wir nun endlich auf den durch Drehkreuze und einen Wachmann gesicherten Bahnsteig. Gegen 22:30 Uhr ist Betriebsschluss, uns bleibt nicht mehr viel Zeit.
Bald kommt ein moderner Alstom Citadis 302 angefahren. Die Fahrzeuge wirken sehr breit, obwohl sie das übliche Maß von 2,65 m besitzen.
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Die Vorrangschaltung klappt so lala, die Haltestellenabstände sind sehr groß, es ist nur noch wenig los. An jeder Station achten Wachmänner auf ordnungsgemäßes Ein- und Auschecken, da die Drehkreuze natürlich sehr einfach über die Gleise umgangen werden können. Ein weiterer Wachmann in der Tram packt plötzlich einen Mann und führt in unter lautstarkem Protest nach draußen. Kurz darauf folgt ein weiterer, ehe wir die Fahrt fortsetzen können.
Am Place Mohammed V., benannt nach dem Großvater des derzeitigen Königs, steigen wir aus. Jetzt müssen wir noch bis zu unserem Appartement laufen. Besonders wohl fühle ich mich nicht auf der Straße, es sind eher unangenehme Gestalten unterwegs und keine einzige Frau. Die Türen und Fenster der Geschäfte sind durch Gitter gesichert, nur aus einem Club dröhnt laute Musik und natürlich hat McDonalds geöffnet.

Um den Schlüssel zu erhalten, müssen wir den Portier anrufen. Das kostet mich 2,55€ pro Minute, bei Joachim sogar 4,50€. Männer rufen sich etwas zu, jemand wühlt in einer Mülltonne. Nach wenigen Minuten kommt ein Mann in Badelatschen und Schlafanzug, öffnet die Wohnungstür und verschwindet ohne ein weiteres Wort. Es ist ein schwüler Abend, in der Wohnung ist es ziemlich kalt. Nachdem die Kässpätzle aus mitgebrachten Zutaten zubereitet und verspeist sind, fallen wir erschöpft ins Bett.
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Catracho
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Beitrag von Catracho »

Entenfang @ 24 Jul 2017, 12:21 hat geschrieben: Warum um eine weitgehend menschenleere Steinwüste so erbittert gestritten wird, kann ich nicht wirklich nachvollziehen.
Staaten (erst recht undemokratische) neigen dazu, auf einmal besetztes und/oder beanspruchtes Territorium ungern wieder zu verzichten, so von wegen Ansehens- und Machtverlust wenn sie es tun. So auch Marokko. Dass eine der größten Phosphat-Lagerstätten der Welt (Bou Craa) in der Westsahara liegt, verstärkt deren Bedeutung nur noch. Die Sahrauis wiederum wollen nun mal nicht von Marokko regiert werden, ergo kämpfen sie sei 40+ Jahren für die Unabhängigkeit ihrer Heimat, Steinwüste hin oder her.

Mfg
Catracho
Theirs not to reason why, theirs but to do and die. - Alfred Tennyson
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Beitrag von Entenfang »

Tag 2 Casablanca

In der Wohnung entdecken wir einen Ikea-Katalog auf Arabisch. Daher muss man ihn von hinten nach vorne lesen.
Zunächst kaufen wir im Supermarkt drei Türen weiter für das Frühstück ein. Abgesehen von Getränken gibt es keine gekühlten Waren. Also müssen wir wohl mit H-Milch vorliebnehmen.

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Interessant ist der Verkauf von Getreidewaren nach Gewicht, wie es bei uns nur in sehr wenigen Müllvermeidungsgeschäften üblich ist.

Wir machen uns auf den Weg Richtung Place des Nations Unies.
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Holprige Seitenstraßen mit noch holprigeren oder nicht vorhandenen Fußwegen prägen das Bild. Man tut gut daran, sehr darauf zu achten, wohin man tritt.

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Fassadenblick

Dunst verschleiert die Sonne, ob es sich dabei um Nebel oder Smog oder eine Mischung aus beidem handelt, ist nicht erkennbar.
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Werfen wir doch einen Blick auf den Straßenbahnbetrieb.
Alle 74 Bahnen bestehen aus zwei gekuppelten Einheiten ohne weiteren Führerstand oder Durchgang in der Mitte und sind insgesamt 65 m lang. Von Alstom stammt auch die Energieversorgung und die Signaltechnik, außerdem kümmert sich der Hersteller für 15 Jahre um die Instandhaltung.

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Zahlreiche Passagen durchziehen die Gebäude um den Place des Nations Unies.

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Haben wir die Dönerbuden schon vermisst?

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Einer der zahlreichen kleinen Verkaufsstände für Obst. An anderen Ständen können auch diverse andere Waren erworben werden – von gefälschten Rolexuhren über Backwaren zu Zigaretten alles, was das Herz begehrt. Man beachte auch den improvisierten Transportwagen, der früher ein Kinderwagen gewesen sein muss. Kinder werden hier auf dem Rücken der Mütter getragen, wirklich praktisch sind Kinderwägen angesichts der Straßenverhältnisse auch nicht.
Die Orangen schmecken wunderbar und in allen Restaurants wird zum üblichen Preis von 1,50€ ein frisch gepresster Orangensaft angeboten.

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Auf dem großen Platz vor der im Hintergrund gelegenen Medina soll es angeblich einen Kundencenter geben, in dem wir eine Wochenkarte beantragen können. Doch von einem Fahrkartenstand werden wir zum nächsten geschickt, an welchem wir ebenfalls nur eine Plastikkarte mit 10 Fahrten aufladen können. Dafür gibt es keinen Rabatt verglichen mit dem Kauf einzelner elektronischer Pappkarten.
Der Verkehr tobt und ein endloses Hupkonzert zieht sich durch die Straßen. Eine kleine Demo findet statt. Schließlich entdecken wir doch den Kundencenter und suchen nach einem Netzplan. In einem Regal finden wir zunächst lediglich „Bedienungsanleitungen“ für die Tram. Während wir uns die Erläuterungen zum Verhalten bei einer roten Fußgängerampel durchlesen, drückt uns ein Mitarbeiter den gesuchten Netzplan in die Hand.

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Da steht doch gerade der 6er bereit, den wollten wir ohnehin in die Nouvelle Medina nehmen. Unschwer zu erkennen ist die gesprungene Windschutzscheibe und die nicht funktionierende LED-Anzeige.

An dieser zentralen Haltestelle findet der Fahrkartenverkauf schon vor dem Einstieg statt.
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Eigentlich sollten sich die Fahrgäste hier geordnet anstellen. Die Praxis sieht natürlich anders aus, alle quetschen sich einfach vorne am Geländer vorne vorbei zur Tür, nachdem die Fahrkarte erworben wurde. Dass die Frau mit einem der selten zu sehenden Kinderwagen massive Zustiegsschwierigkeiten hat, wurde beim Errichten des Zauns offensichtlich nicht bedacht.
Der Fahrkartenverkäufer will wissen, wohin wir eigentlich fahren wollen. Das wissen wir selbst nicht so genau und wollen die Route auf dem Stadtplan verfolgen und dann aussteigen, wenn wir uns in der Nähe des gewünschten Zieles befinden. Das nimmt uns der Verkäufer nicht ganz ab. Ich packe den Stadtplan aus, entdecke als großes Gebäude grob in unserer Richtung einen Palais Royal. Dort wollen wir ganz dringend hin.
Inzwischen ist der Bus zwar weg, doch es dauert nicht lange, bis der nächste kommt. Wir bezahlen 50 Cent p.P., ein Mann führt uns in den Bus, verscheucht einen anderen Fahrgast aus der ersten Reihe und bedeutet uns, Platz zu nehmen. Er will uns sagen, wann wir aussteigen müssen. Bald startet die Fahrt durch den dichten Verkehr. Unter dem Lenkrad ist ein wilder Kabelsalat sichtbar, außerdem klappen die Motorabdeckungen aller Busse während der Fahrt auf und zu. Vermutlich werden sie nicht geschlossen, um eine bessere Kühlung des Motors zu ermöglichen.
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Beitrag von Entenfang »

Die Volvobusse können noch nicht alt sein, denn es gibt LED-Beleuchtung im Innenraum.
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Tatsächlich stammen aus dem Jahr 2011 und sind damit nur gut ein Jahr älter als die Trambahnen, wirken aber äußerst heruntergewirtschaftet. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass die Instandhaltung durch M´dina Bus in der eigenen Werkstatt mit eigenem Personal durchgeführt wird.
Trotz des dichten Verkehrs kommen wir zügig voran, nach etwa einer Viertelstunde tippt mir der Mann eine Reihe hinter uns auf die Schulter, murmelt etwas von Palais Royal a gauche und deutet in eine unklare Richtung. Wir steigen aus und haben keine Ahnung, wo wir eigentlich sind. Wir sind dann doch zu oft abgebogen, um den Weg auf der mitgebrachten ungenauen Übersichtskarte verfolgen zu können. Leider haben wir es noch nicht geschafft, uns eine marokkanische Simkarte zuzulegen, um Google Maps zurate ziehen zu können.
Wir laufen etwas planlos durch die Gegend und passieren die Nouvelle Medina mit ihren engen Gassen.
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Schließlich landen wir in einer belebten Straße, in der sich einen Stand an den nächsten reiht.
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In der näheren Umgebung und den Seitenstraßen kann man wohl so ziemlich alles außer Autos kaufen. Obst, Gemüse, Waschmaschinen, Kochtöpfe, Plastikkram, Klamotten, Tastenhandys, Windows 95-CDs, Kassettenrekorder, Nüsse, Fleisch, Fisch und lebende Hühner, eingesperrt in enge Käfige, sodass sich die Tiere teilweise übereinanderstapeln.
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Immerhin muss man positiv anmerken, dass es einige Metzger gibt, die ihr Fleisch gekühlt lagern und der Fisch an den Verkaufsständen auf riesigen Eiswürfelhaufen gelagert wird. Dennoch ist der Geruch in den Gassen nicht gerade angenehm, da Fischabfälle einfach auf einem Haufen gesammelt werden. Diese Katze scheint das in keiner Weise zu stören.
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In Marokko gibt es sehr viele Straßenkatzen, aber dafür nahezu keine Straßenhunde. Hunde werden in Marokko nicht als Haustiere gehalten, weil sie von Muslimen als unrein angesehen werden (ähnlich wie Schweine).

Die TAZ gibt einen kurzen Überblick, was hinter dem Verbot des Schweinefleisches steckt. Grob zusammengefasst ist der Hauptgrund heute, dass es schon immer so war.
http://www.taz.de/!5141509/

Im Internet finden sich abgesehen davon aber auch reichlich absurde Argumentationen, warum man auf den Verzehr von Schweinefleisch aus angeblich guten Gründen verzichten sollte und nicht nur, weil es im Koran steht.
http://www.islamreligion.com/de/articles/2...t-teil-2-von-2/
http://www.fragenandenislam.com/icerik/war...leisch-verboten

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An einem Stand erwerben wir Orangen, eigentlich wollten wir bloß zwei Stück, bekommen aber gleich ein Kilo. Datteln kaufen wir ebenfalls, nur leider lassen wir den Bäckerstand ohne Kauf zurück. Das sollten wir später bereuen.
Während wir tiefer in die Gassen vordringen, ziehen wir die Blicke der Menschen regelrecht magisch an. Vermutlich verirrt sich nur äußerst selten ein Tourist in diese Gegend. Bald gesellt sich ein armselig aussehender Mann zu uns, der möglicherweise erst Anfang 20 ist, aber viel älter aussieht. Er plappert ununterbrochen wirres Zeug vor sich hin, während er uns nachläuft. Vermutlich ist er nicht ganz klar im Kopf.
Allmählich wird es uns zu viel, wir kehren zur Hauptstraße zurück, ehe wir uns hoffnungslos verlaufen. Wir werden weiterhin verfolgt und verstehen kein Wort von seinem Gelaber, deshalb ignorieren wir ihn einfach. Schließlich spricht uns ein anderer Mann im selben Alter an. Er stellt sich später als Youssef vor. „Do you need help?“ Ohja, bitte. Eigentlich suchen wir die im Reiseführer angepriesene Patisserie Bennis, angeblich die beste in Casablanca. Er erkundigt sich bei seinen beiden Kumpels. Ob wir wohl das gelbe Gebäude da vorne am Ende der Straße (Anm.: mindestens einen halben Kilometer entfernt) sehen könnten? Dorthin, dann rechts, dann immer geradeaus. Aber eigentlich wollten sie ja zufällig auch gerade in diese Richtung und könnten uns begleiten. Woher wir den kommen würden? Deutschland. „Ohhh, Deutschland. Sagen Sie es doch gleich! Ich lerne Deutsch am Goethe-Institut und mache demnächst meinen B2-Abschluss. Dann kann ich nach Deutschland zum Studieren gehen!“ Das Fach Verkehr vereint uns, auch wenn sein Schwerpunkt auf dem Luftverkehr liegt. Ahh, Dresden wäre doch so schön, da wollte er auch so gerne studieren. Es sollte das einzige Mal auf der ganzen Reise bleiben, dass jemand Dresden kennt. Ob er schon jemals in Deutschland oder Dresden war, geht aus dem Gespräch nicht hervor.
Wir erläutern unser Simkartenproblem. Youssef diskutiert das mit seinen Kumpels, der Verrückte hat uns nun über mehr als einen Kilometer verfolgt und nimmt ebenfalls an der Diskussion teil. Plötzlich eskaliert die Situation aus dem heiteren Himmel, einer packt den Verrückten am Hals, drückt ihn gegen ein parkendes Auto. Es werden ein paar Worte geschrien, dann verschwindet die aggressive Stimmung ebenso plötzlich, wie sie begonnen hat und sie sprechen wieder wie normale Menschen miteinander. Immerhin, nach wenigen Minuten werden wir tatsächlich in ein kleines Geschäft geführt, in dem wir zwei Simkarten von Orange kaufen. PIN und PUK sind natürlich schon freigerubbelt, eine aufwendige Registrierung wie bei uns ist nicht erforderlich.
Unser kompetenter Führer schreibt noch seine Telefonnummer auf, wir könnten ihn doch anrufen, wenn wir Lust auf eine Tasse Tee hätten. Er würde auch mitkommen, wenn wir weiter nach Marrakesch oder Agadir fahren, alles kein Problem. Wir versprechen, ihn anzurufen, bedanken uns und folgen alleine der diffusen Wegbeschreibung zur Patisserie Bennis. Wir sind noch keine 100 Meter gelaufen, da taucht Youssef plötzlich nochmal auf, um uns nach unseren Namen zu fragen. Er würde ja so gerne sein Deutsch mit uns üben.
Wir folgen weiter der Wegbeschreibung, der Verrückte folgt uns und plappert ununterbrochen weiter. Der Bäcker taucht aber nicht auf und wir setzen uns auf eine Bank im Schatten, um die Simkarten einzusetzen. Der nervige Verfolger fingert an meinem Handy rum und will mir beim Simkartentausch helfen. Das wird mir allmählich etwas zu aufdringlich und ich drehe mich weg. Er scheint es zu verstehen und setzt sich neben uns auf den Fußweg, während wir uns der Technik widmen. Immerhin ist er jetzt ruhig. Die Situation ist etwas grotesk und zieht weiterhin sämtliche Blicke der Passanten an. So sehr wir uns auch bemühen, das Internet funktioniert nicht. Offensichtlich ist kein Guthaben aufgeladen.
Wir laufen weiter, bis wir den nächsten kleinen Laden für alle wichtigen Dinge im Leben finden, man nennt sie Teleboutique. Dort kann man sein Handyguthaben aufladen sowie Snacks und Wasser kaufen. Für 5€ sollten wir in den nächsten zwei Wochen 2h telefonieren und 2 GB Internet nutzen können. Doch Pustekuchen. Es funktioniert einfach nicht. Wir drücken auf unseren Handys am Straßenrand stehend herum. Der Mann verfolgt uns noch immer. Schließlich spricht uns ein mittelalter Mann an, wir erläutern unser Problem, er deutet auf einen kleinen Laden 100 Meter weiter. Es kommt zu einem kleinen Wortgefecht zwischen dem mittelalten Mann und unserem Verfolger. Dieser haut plötzlich mit der flachen Hand auf ein vorbeifahrendes Taxi und auf einmal läuft wieder alles aus dem Ruder. Der Taxifahrer steigt aus und schreit ihn wütend an. Mehrere Männer kommen angerannt, wieder wird der Verrückte gepackt und festgehalten. Als einer auch noch anfängt, einen Schraubenschlüssel zu schwingen, machen wir uns schleunigst aus dem Staub. Einige Meter weiter meint der mittelalte Mann freundlich: „Welcome to our country. Everything is Ok, no need to be afraid.“
Leider kann uns der Computerflüsterer im empfohlenen Laden auch nicht helfen und schickt uns wieder zur Teleboutique. Immerhin ist von unserem Verfolger nichts mehr zu sehen, die kleine Menschenansammlung ist ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht ist. Der Verkäufer bemüht sich eine halbe Stunde erfolglos und schickt uns wieder zum Computerflüsterer. Es geht schon auf 16 Uhr zu, wir sind müde und hungrig und haben keine Lust mehr. Daher beschließen wir, stattdessen mit dem nächsten 6er zurück in die Stadt fahren. Nach einigen Minuten taucht er auf, glücklicherweise ist er nicht überfüllt, ich winke ihn heran und zahle 2x 50 Cent beim Fahrer. In der Nähe unseres Appartements suchen wir vergeblich einen Supermarkt in unserem Stil, sodass unser Mittagessen nur aus Fladenbrot mit La Vache Quirit, einem Streichkäse, der nicht im Kühlschrank gelagert werden muss sowie Orangen und Datteln besteht.
Im WLAN suchen wir nach der nächsten Orange-Boutique. Laut Google gibt es in Casablanca derer zwei, davon eine nur rund einen Kilometer entfernt. Wir versuchen, den Ort mit aus dem WLAN geöffnetem Google Maps zu finden.

Während die Sonne in der Mittagszeit unbarmherzig gebrannt hat, ist es jetzt ziemlich neblig. Der Smog dürfte aber auch seinen Anteil zur schlechten Sicht beitragen.
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Auf dem Place Mohammed V. entsteht derzeit ein großer Kulturpalast.
http://www.casa-amenagement.ma/en/nos-proj...e-de-casablanca
Derzeit ist der Platz aber längst nicht so schön wie auf der Visualisierung, sondern ziemlich dreckig, ungemütlich und mit Bauzäunen vollgestellt. Einen besseren Überblick gibt es hier:
https://www.360cities.net/image/casablanca
Mein Bild zeigt den im Panorama links mittig sichtbaren runden Brunnen mit Blickrichtung nach links.

Auf dem Weg passieren wir einen Spielplatz, ein äußerst seltener Anblick in Marokkos Großstädten.
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Mütter und einige Väter beobachten ihre Kinder beim Spielen, wie im Bild zu erkennen, kostet aber jedes Spielgerät 50 Cent Eintritt.

Google Maps führt uns in ein slumartiges Viertel, eine Orangeboutique finden wir an der angegebenen Adresse nicht.
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Es herrscht übler HVZ-Verkehr, Autos, Mofas und Busse mit komplett fehlenden Scheiben quälen sich hupend voran.
Es stinkt aus allen Ecken, aus Mülltonnen und von Müllbergen. Die Gegend ist nicht besonders angenehm und es ist sehr voll auf den Straßen.

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Es dauert keine 10 Sekunden, bis uns der erste anspricht und wissen möchte, ob wir Journalisten sind. Wenn ihr schon immer mal auffallen wolltet wie ein bunter Hund mit blinkender Weihnachtsbeleuchtung, dann stellt euch mit Stativ und großkalibriger Kamera in eine Seitenstraße.

Wir laufen Richtung Place des Nations Unies und finden glücklicherweise das recherchierte Restaurant zum Abendessen. Ich esse die erste Tajine meines Lebens, Rindfleisch mit Pflaumen und Mandeln, dazu Fladenbrot. Es schmeckt ausgezeichnet.
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Art Deco-Kino
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Es herrscht eine etwas gespensterhafte Stimmung in den Straßen der Millionenstadt.
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Diese möchte ich für ein paar Nachtaufnahmen der Tram nutzen.

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Fahrgastwechsel unter Palmen am Marché Central

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Auf der Jagd

Wir fahren weiter stadtauswärts, die Bahnen sind nach 21 Uhr noch gut gefüllt, vor allem mit älteren Schülern und Studenten auf dem Heimweg. Gerade läuft ein Fußballspiel. Alle Cafégäste verfolgen gespannt die Vorgänge auf dem Fernseher. Um viele Gaststätten hat sich eine Menschentraube vor dem Eingang gebildet. Auf diese Weise kann das Spiel am im Außenbereich angebrachten Fernseher verfolgt werden.

Die Haltestellenabstände werden bald extrem groß, doch es folgt kein interessantes Fotomotiv. Die Tramstrecke führt durch große unbebaute Flächen. Also steigen wir irgendwann aus und landen an der Haltestelle Forces Auxiliaires.
Die Zielanzeige wechselt zwischen Französisch und Arabisch, auch die Ansagen sind zweisprachig.
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Itischäär Sidi Moumen. Direction Sidi Moumen terminus.

Der Bau der Straßenbahn stellt einen enormen Gewinn für das Stadtbild dar.
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Außerdem erleichtert man durch den besonderen Bahnkörper in Straßenmitte Fußgängern die Querung erheblich. Glücklicherweise hat man darauf verzichtet, mit hohen Zäunen eine Schneise durch die Stadt zu schlagen. Der Platz zwischen den Palmen ermöglicht es, sicher auf eine Lücke im MIV zu warten und die Richtungsfahrbahnen getrennt zu überqueren. Die Verbesserung wird beim Vergleich mit dem vorher gezeigten Bild einer breiten Straße deutlich.
https://flic.kr/p/WQ8ah5

Auf dem Rückweg ist es schon nach 22 Uhr und die Bahnen leer. Erschöpft vom anstrengenden Tag fallen wir ins Bett. Wirklich zufriedenstellend war er nicht. Das kann nur noch besser werden.
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Bezüglich dem Karten-Problem empfehle ich die App von Openstreetmap, dort kann man das Kartenmaterial nämlich aufs Handy laden und auch offline nutzen. Wie gut das für Marokko gemappt ist, weiß ich nicht, in den großen Städten kommt man damit aber normalerweise sehr gut hin.
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MVG-Wauwi
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Beitrag von MVG-Wauwi »

Danke für den tollen Reisebericht und auch die vielen Anekdoten dazu!
Die Wechselgeldthematik mit großen Scheinen aus Geldautomaten kenne ich natürlich auch. Ich versuche hier immer, einen auf `90´lautenden Abhebungsbetrag zu ziehen - meistens klappt es und man hat zwangsläufig eine akzeptable Stückelung für nicht wechselnd könnende Taxifahrer :rolleyes: .
Gruß vom Wauwi
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Galaxy
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Beitrag von Galaxy »

Ich antworte eher selten in deinen Threads, finde deine Berichte aber immer sehr lesenswert. Du hast einen sehr interessanten Schreibstil vor allem was die Charakterisierung von Mit-Passagieren angeht. Das einzige negative was mir einfällt; Du würdest dich wahrscheinlich in einem ansonsten komplett leeren Waggon neben mch setzen weil Du neugierig bist.:D

P.S. Schweinefleisch im Islam ist genau das gleiche wie im Judentum. Früher machte das Verbot aus hygenischen Gründen durchaus Sinn, da Schweinefleisch ungekühlt schneller verdirbt. Seit dem der Kühlschrank erfunden wurde ist es ein Ritual.

P.S.2 Du hast Marrakesch einfach links liegen gelassen? :huh:
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eightyeight
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Beitrag von eightyeight »

Lobedan @ 25 Jul 2017, 17:26 hat geschrieben: Bezüglich dem Karten-Problem empfehle ich die App von Openstreetmap, dort kann man das Kartenmaterial nämlich aufs Handy laden und auch offline nutzen. Wie gut das für Marokko gemappt ist, weiß ich nicht, in den großen Städten kommt man damit aber normalerweise sehr gut hin.
Die App "Here" kann das auch.
Hat in Europa den Vorteil, dass auch öffentliche Verkehrsmittel drin sind und sehr detailliert auch Abgänge zu Bahnen etc.
Ohne Zaster beißt der Mensch ins Straßenpflaster.
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Schön, dass wieder so viele Anmerkungen kommen. Da möchte ich natürlich gleich mal was dazu sagen:

Zunächst zum Thema Offline-Karten: Danke für die zahlreichen Vorschläge, bei zukünftigen Reisen werde ich mal ausprobieren, welche in der jeweilige Region am besten geeignet sind.
In Marokko wurde uns die App maps.me empfohlen. Im WLAN lädt man sich dann alle benötigten Bereiche runter (z.B. München). Die Abdeckung in Marokko ist ganz passabel und die GPS-Ortung im Gassenlabyrinth natürlich gold wert.
MVG-Wauwi @ 25 Jul 2017, 19:09 hat geschrieben:Die Wechselgeldthematik mit großen Scheinen aus Geldautomaten kenne ich natürlich auch. Ich versuche hier immer, einen auf `90´lautenden Abhebungsbetrag zu ziehen - meistens klappt es und man hat zwangsläufig eine akzeptable Stückelung für nicht wechselnd könnende Taxifahrer  :rolleyes: .
Der kleinste Schein in Marokko sind 20 Dirham (2€). Ob die Automaten den auch ausgeben, haben wir aber nie getestet.
Ich antworte eher selten in deinen Threads, finde deine Berichte aber immer sehr lesenswert. Du hast einen sehr interessanten Schreibstil vor allem was die Charakterisierung von Mit-Passagieren angeht. Das einzige negative was mir einfällt; Du würdest dich wahrscheinlich in einem ansonsten komplett leeren Waggon neben mch setzen weil Du neugierig bist.
Das freut mich! Jetzt muss ich aber zu meiner Verteidigung schon sagen, dass ich andere Fahrgäste nicht aktiv belausche. In erster Linie beobachte ich natürlich, wenn ich nicht gerade unterwegs arbeite. Bahnfahren ist einfach zu spannend. :P
Die meisten mitgehörten Dialoge habe ich zwangsweise mithören müssen, einfach weil sie so laut geführt wurden oder halt im selben Abteil waren, sodass Weghören nahezu unmöglich war.
Du hast Marrakesch einfach links liegen gelassen?
Abwarten, abwarten. ;)



Tag 3 Casablanca

Wie anstrengend der gestrige Tag wirklich war, stellen wir fest, als die Uhr beim Aufwachen schon 12 Uhr anzeigt. Damit ist der geplante Tagesablauf natürlich dahin, aber was soll´s. Wir haben schließlich Ferien.
Mit zügigem Schritt können wir noch die 14 Uhr-Führung in der Hassan II-Moschee erreichen. Dafür fahren wir eine Station Tram. Begrüßung durch den Wachmann bei der Einfahrt in die Haltestelle Place Mohammed V.
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Anschließend geht es zu Fuß am Rande der Medina weiter.
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Eine der unzähligen Garküchen, die es in allen Formen und Farben gibt. Manche sind mit Gasflasche und Gasherd ausgestattet, an anderen Ständen wie im Bild kommt ein Kohlegrill zum Einsatz. An Ständen wie diesen nehmen Einheimische üblicherweise auswärts eine Mahlzeit ein, wir haben aus hygienischen Gründen darauf verzichtet. In den günstigeren Restaurants kostet ein Essen zwischen 3 und 10 € und wir waren sehr häufig die einzigen Gäste. Manchmal haben sich noch andere Touristen in die Gaststätten verirrt. Einheimische konnten wir dagegen kein einziges Mal beim Essen im Restaurant sehen.

Es herrscht der gewohnte Trubel, Mofas und Fahrräder kämpfen sich klingelnd und hupend durch die Menschenmassen.
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Wir legen einen kurzen Zwischenstop beim Bäcker ein, um uns mit süßen Teilchen zu versorgen.
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Leider haben wir keine Zeit, uns tiefer in den Gassen der Medina zu verlaufen, wenn wir die Führung nicht verpassen wollen.
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Ein kurzer Blick auf die Läden muss gestattet sein.
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Links ein Gewürz- und Kosmetikladen, rechts ein Metzger und am rechten Rand ein Gemüsestand. Damit ist für das leibliche Wohl schon mal zufriedenstellend gesorgt. Die überwiegende Mehrheit der kleinen Läden ist nicht darauf ausgelegt, sie als Kunde zu betreten. Man sagt dem Verkäufer, was man haben möchte. Offensichtlich fallen die Kosten für die Räumlichkeiten deutlich stärker ins Gewicht als die Lohnkosten. Das kann daran liegen, dass in vielen Läden der Besitzer den ganzen Tag lang selbst verkauft, dass die Löhne sehr niedrig sind und die Arbeitslosigkeit, vor allem die der jungen Menschen, ziemlich hoch. Hier werden für das Jahr 2010 17,6% genannt, der tatsächliche Wert dürfte aktuell wohl deutlich höher liegen. https://www.swp-berlin.org/fileadmin/conten...A34_adt_pop.pdf

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Im Hintergrund der Verkaufsstraße erhebt sich die Hassan II-Moschee. Man beachte auch die Tischkicker am rechten Bildrand. In Marokko findet ein Großteil des Lebens auf der Straße statt, vor allem sind viele junge Menschen und Kinder sichtbar.


Schließlich erreichen wir unser Ziel – die von 1987 bis 1993 erbaut Moschee ist wahrhaft beeindruckend. Sie ist eine der wenigen, die auch für Nichtmuslime zugänglich ist.
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Wir begeben uns zur Kasse und bezahlen die happigen 12€ Eintritt. Ein Amerikaner hat nicht genügend Dirham, ob er wohl auch mit Dollar zahlen könne? Nein. Kreditkarte? Nein. Euro? Wenn´s denn sein muss. Missbilligend nimmt der Kassierer den 100€-Schein entgegen.

Alle Führungen auf Arabisch, Englisch, Französisch und Deutsch starten zur gleichen Zeit.
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Es ist ein Gebäude gigantischen Ausmaßes und bietet bis zu 20.000 Gläubigen Platz. So viele kommen aber nur zum Fastenbrechen nach Ramadan – ein bisschen wie bei uns zu Weihnachten.
Es handelt sich laut Führer um eine „Cabrio-Moschee“. Um frische Luft hereinzulassen, kann das Dach elektrisch geöffnet werden, im Bild ist der relativ seltene geöffnete Zustand zu sehen. Die salzige Meeresluft greift die Baumaterialien an, daher war die für die Ewigkeit gebaute Moschee bereits nach einem Jahrzehnt ein Sanierungsfall. http://www.edelstahl-rostfrei.de/downloads...ca-Marrokko.pdf
Außerdem soll die Hitze draußen bleiben, deshalb bleibt das Dach die meiste Zeit geschlossen. Tatsächlich ist es im Gebäude regelrecht kalt – obwohl es draußen sommerlich warm ist, muss ich meinen Pulli anziehen.
„Hallo, Sie da! Frauen dürfen hier nicht fotografieren!“
„Ohhh, Entschuldigung.“
„Nee, war nur Spaß“, klärt der Führer auf.
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Beitrag von Entenfang »

Innerhalb der Moschee und insbesondere auf den Teppichen müssen die Schuhe ausgezogen und in einer Plastiktüte verstaut werden. Dafür dürfte es in erster Linie praktische Gründe geben, wenn man die staubigen und stark verschmutzten Straßen der Stadt bedenkt.
Mehr als 10.000 Künstler waren damit beschäftigt, die Verzierungen in Handarbeit anzubringen.
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Wie der Führer erläutert, handelt es sich um eine Hightech-Moschee.
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In den quaderförmigen Füßen der Säulen befinden sich im gesamten Gebäude 360 Lautsprecher.

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Auch in der Mitte der sechseckigen Verkleidung aus Zedernholz ist ein gut getarnter Lautsprecher angebracht.

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Frauen und Männer beten stets getrennt, die Männer vorne, die Frauen hinten. Dazwischen werden mobile Zäune aufgestellt. Auch die Balkone sind den Frauen vorbehalten. Männer sollen die Frauen beim Beten nicht sehen können.

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In der vorne sichtbaren Gebetsnische, welche stets nach Mekka ausgerichtet ist, befindet sich der Platz des Vorbeters (Imam). Die Streifen auf dem Teppich erleichtern die korrekte Ausrichtung der Betenden, denn um sich hinzuknien, muss der Abstand zum Vordermann ausreichen. Die Menschen sind angeblich sehr geübt darin und schaffen das normalerweise auch ohne Streifen, die es nicht in jeder Moschee gibt.

In der Mitte der großen Halle gibt es ein Wasserlauf.
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Ursprünglich diente er den Gläubigen zum Waschen, in der Hassan II-Mosche ist er vorwiegend zu Dekorationszwecken eingebaut worden. Im Untergeschoss gibt es ausgedehnte Waschräume, für Frauen und Männer getrennt.

Aus 41 Brunnen strömt Wasser, damit sich Körper und Seele vor dem Beten gereinigt werden können. Es ist auch erlaubt, sich schon daheim zu waschen und nur zum Beten in die Moschee zu kommen.

Ein Bad darf auch nicht fehlen.
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Es wird angesichts der vielen Treppen die Frage nach Barrierefreiheit gestellt, der Führer antwortet zunächst: „Bei uns sind alle gesund.“ Dann erklärt er, dass es gesonderte Eingänge gibt.

Nach der Führung begeben wir uns auf den gleißend hellen, 70.000 m2 großen Vorplatz.
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Diesen hätte man meiner Ansicht nach deutlich gemütlicher gestalten können, er lädt überhaupt nicht zum Verweilen ein. Immerhin hat man die breite Hauptstraße unter die Erde verlegt. Wir legen eine Pause auf einer Stufe im Schatten ein, verzehren unsere süßen Teilchen, ehe wir uns ein Taxi zur Morocco Mall suchen, um endlich unser Internet zum Laufen zu kriegen. Er verlangt 8€ und wir geben zu schnell nach – an das Handeln müssen wir uns noch gewöhnen. Während wir die Gurte anlegen, weist uns der Fahrer darauf hin, dass das in Marokko nicht verpflichtend sei.
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Beitrag von Entenfang »

Zügig fahren wir über eine sechsstreifige Hauptstraße stadtauswärts. Einige Bodenwellen bremsen allzu flotte Fahrer etwas ein. Bald säumen großzügige Wohnanlagen die stark befahrene, stets dem Küstenverlauf folgende Straße. Schließlich erreichen wir die Mall. Unser Gepäck wird durchleuchtet und der Kofferraum jedes in die Tiefgarage einfahrenden Autos geöffnet.
Der Orange-Laden ist direkt am Eingang und fünf Minuten später funktioniert unser Internet. Obwohl wir beide ausgesprochene Shopping Mall-Hasser sind, schauen wir uns ein wenig um, wo wir schon mal hier sind. Es ist Donnerstagnachmittag und die größte Mall Afrikas ist seltsam unbelebt, einige Geschäfte stehen leer.
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Das Aquarium erinnert mich stark an die Dubai Mall und kostet wie auch im Vorbild Eintritt.

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Der als Souk bezeichnete Bereich weist nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Realität auf – möglicherweise sind die Preise hier verhandelbar. Es wirkt genauso konstruiert wie die gesamte Umgebung mit den gleichen Geschäften und Restaurantketten wie bei uns. Die Preise liegen ebenfalls auf unserem Niveau, wenn nicht sogar noch höher. In Marokko dürften sich wohl nur äußerst wenige Menschen Lego für 300€ leisten können. Es gibt eigentlich nur zwei wesentliche Unterschiede zu deutschen Shopping Malls: Muezzin-Gesänge werden über Lautsprecher abgespielt und es gibt keine Pissoirs.
Schließlich entdecken wir einen Indoor-Vergnügungspark nicht nur für Kinder.
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Die Nutzung jedes Fahrgeschäfts kostet etwa 2 bis 3€. An den meisten warten gelangweilte Angestellte vergeblich auf Kundschaft, man sieht nur sehr wenige Kinder. Angesichts des Lärmpegels durch die sich von allen Seiten überlagernde Musik und der flackernden bunten Lichter wäre ich als Kind jedenfalls schreiend davongelaufen. Es ist geradezu eine abartige Parallelwelt für die Schönen und Reichen. Plötzlich weist man uns darauf hin, dass das Fotografieren hier nicht erlaubt wäre und wir suchen den Ausgang.
Dabei kommen wir noch an der Luxusmeile vorbei, sozusagen die Maximilianstraße innerhalb der Mall.
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Hier sind allerdings mehr Wachmänner als Kunden unterwegs.

Wieder zurück in der Realität, wird zunächst ein Bus auf dem Boulevard de l´Océan Atlantique erlegt.
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Anschließend begeben wir uns zur Insel Sidi Abderrahman, auf welcher Wahrsager zuhause sind. Frauen empfangen uns auf der Brücke mit Getrommel und Gerassel.
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Alte Frauen wohnen in winzigen Häuschen, aus denen durch Räucherstäbchen geschwängerte Luft strömt. Eine trägt gerade ein totes Huhn in ihr Haus. Wie lange wohl die Schafe noch zu leben haben?
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Blick zur Moschee Hassan II., links der El Hank-Leuchtturm

Schließlich spazieren wir am Strand Richtung Tram. Leider ist der Sand ziemlich dreckig und angesichts der viele Glasscherben trauen wir uns erst im sauberen Bereich der Brandung, die Wanderung barfuß fortzusetzen.
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Das kühle Wasser umspült unsere Zehen, doch bald kommt es, wie es kommen musste. Wir wagen uns zu weit rein und eine große Welle setzt unsere hochgekrempelten Hosen unter Wasser.

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Wir nehmen auf den Stühlen Platz, um den Sonnenuntergang abzuwarten. Links zieht bereits Nebel vom Wasser auf. Es ist so diesig, dass man in der Ferne nur noch einen diffusen Übergang zum Horizont erkennen kann. Nach wenigen Minuten kassiert jemand 2€ für die Nutzung der Stühle.
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Beitrag von Entenfang »

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Flug in den Abend

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Als die Sonne verschwindet, ist es bereits ziemlich kühl und wir begeben uns schleunigst zur Tramendhaltestelle Ain Diab Plage, die direkt an einer der Zufahrtsstraßen liegt. Kurz darauf fährt die Tram ab, die Beförderungszeit bis in die Innenstadt beträgt gut eine halbe Stunde. Dabei wird ein nicht bebauter Bereich durchfahren. Die Haltestellen sind schon eingerichtet, werden aber ohne Halt durchfahren. Hier hat man gute Stadtentwicklung betrieben, bei Eröffnung gibt es gleich eine optimale ÖPNV-Anbindung. Auch wenn die Tram keine absolute Vorrangschaltung genießt, wird der MIV deutlich ausgebremst. An den Kreuzungen werden alle Richtungen rot geschaltet, wenn eine Bahn kommt. Angesichts des chaotischen Verkehrs ist das auch besser so.

Das Restaurant, in dem wir gestern zu Abend gegessen haben, finden wir leer vor, obwohl man uns auf Nachfrage mitgeteilt hatte, dass sie täglich geöffnet hätten. Schade, denn es hat uns wirklich gut geschmeckt uns so landen wir notgedrungen in einer Bude am Hauptplatz, wo wir für weniger Qualität mehr bezahlen müssen. Ich widerstehe der Versuchung, schon am zweiten Tag auf Pizza auszuweichen, weil es keinen Couscous gibt.
Auf den Straßen ist unglaublich viel los, denn morgen ist Freitag, der ein bisschen wie unser Sonntag ist.

Zum Schluss des heutigen Tages noch zwei Nachtaufnahmen.
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In den kleinen Läden, die es an jeder Ecke gibt, kann man nicht nur Mineralwasser und Snacks kaufen, sondern sehr häufig die auf dem Regal sichtbaren Gasflaschen. In Marokko wird ausschließlich auf dem Gasherd gekocht. Diese besitzen allerdings keinen Anschluss an eine Gasleitung, sondern werden aus Flaschen versorgt.

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Leider ebenso häufig sind Müllansammlungen wie diese zu sehen. Den Gestank dazu möge sich jeder selbst dazudenken.
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218217-8
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Beitrag von 218217-8 »

Vielen Dank auch für diesen Bericht, Entenfang. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Der Farbton der Busse erinnert mich irgendwie an München ... :ph34r:
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Beitrag von Entenfang »

218217-8 @ 26 Jul 2017, 22:50 hat geschrieben:Der Farbton der Busse erinnert mich irgendwie an München ...  :ph34r:
Aber der Zustand hoffentlich nicht??? :ph34r:


Tag 4 Rabat

Der Tag beginnt mit einer Station Tramfahrt. Er verspricht unangenehm warm zu werden.


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Überbrücken wir die Wartezeit mit einem Blick auf einen entscheidenden Teil des öffentlichen Verkehrs, das Taxi. In Marokko gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Arten: Grand Taxi und Petit Taxi. Während es sich bei ersterem in der Regel um 40 Jahre alte Mercedes oder auch moderne Siebensitzer handelt, sind vorwiegend Kleinwagen als letztere unterwegs. Im Bild sind Petit Taxis zu erkennen, die in jeder Stadt an ihrer charakteristischen Farbe zu erkennen sind. In Casablanca und Fes sind sie rot, in Rabat blau, in Meknes hellblau, in Erfoud hellgrün, in Marrakesch beige. Unterwegs haben wir auch alle weiteren denkbaren und undenkbaren Farbtöne gesichtet, sogar knallpink wird in einer Stadt geboten. Petit Taxis dürfen nur innerhalb der Stadtgrenzen fahren, nicht mehr als drei Fahrgäste transportieren und sind ziemlich billig (zumindest, wenn man die Preise halbwegs kennt und gut verhandeln kann). Der häufig auf dem Dach sichtbare Aufbau ist für größeres Gepäck gedacht, auch unsere Koffer haben einen Dachtransport über sich ergehen lassen müssen. Auf dem Bild sind recht moderne Dacia zu sehen, die das Bild nicht nur in Casablanca geprägt haben. Dies dürfte auch auf die seit 2012 in Tanger stattfindende Produktion zurückzuführen sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Renault_Tange...diterran%C3%A9e
Ungeachtet dessen sind aber auch viele alte und wirklich kleine Fahrzeuge unterwegs, bei denen der Dachgepäckträger durchaus seine Berechtigung hat.
http://heymorocco.com/portals/0/Img/Morocc..._Small_Taxi.jpg
https://rockingrabat.files.wordpress.com/20.../rabat-taxi.jpg
Etwas bitter ist es schon, dass die bunten Fahrzeuge bald so gewöhnlich wurden, dass sie aus unserer Wahrnehmung verschwunden sind. Daher gibt es nur äußerst wenig eigene Fotos.


Es folgt ein halber Kilometer Fußweg zum Bahnhof Casa Port. Dort starten die meisten Train Navette Rapide (TNR; vergleichbar etwa Regio-S-Bahn). Wir stellen fest, dass Touristen schon von Weitem und nicht nur aufgrund ihrer Hautfarbe erkennbar sind. Bunte Klamotten und kurze Hosen trägt kein Einheimischer, insofern ist „auffallend wie ein bunter Hund“ gar nicht mal so unzutreffend.

Verehrung des Königs unterwegs
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Acht Minuten vor Zugabfahrt erreichen wir den 2014 komplett modernisierten und umgebauten Bahnhof.
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Wir entscheiden uns für den Fahrkartenkauf am Automaten, weil wir auf die Schnelle keinen Schalter entdecken. Zwei Fahrscheine nach Rabat kosten 74 Dirham. Ein Hunderter wird zwar akzeptiert, aber die Automaten können wohl nicht so viel Wechselgeld geben, also muss der Kauf abgebrochen werden. Gott sei Dank habe ich einen Fünfziger und einen Zwanziger aufgehoben, wir starten einen neuen Versuch. Die Scheine werden anstandslos akzeptiert. Die erste Münze, ein Zweier, fällt durch. Ein Einser auch. Der Fünfer wird akzeptiert, doch offensichtlich können die Automaten überhaupt kein Wechselgeld geben, sodass wir den Kauf erneut starten müssen. Nochmal den Fünfziger und den Zwanziger, ein Einser fällt durch. Der Nächste wird akzeptiert, der Folgende fällt wieder durch. Glücklicherweise habe ich inzwischen einen beachtlichen Vorrat an Kleingeld angehäuft. Davon kann man in Marokko nie zu viel haben. Nachdem drei weitere Münzen durchgefallen sind, wird ein Zweier angenommen. Uh, oh, noch eine Minute bis zur Abfahrt. 1 Dirham fehlt noch. Ich bekomme einen zwischen die Finger uuuuuuuuund… er wird angenommen. Die Fahrkarten werden gedruckt und wir sprinten zum nächsten Ausgang. Doch die Schiebetür zum Bahnsteig bleibt geschlossen und reagiert auch auf Winken nicht. Eine Tür weiter dasselbe Spiel. Ein Wachmann winkt uns zu, denn nur eine der vier Türen zum Bahnsteig kann genutzt werden. Dort erfolgt auch die Zugangskontrolle. „Rabat?“, werden wir gefragt, während wir mit zwei anderen vorbeisprinten.
Die Zugtüren sind bereits geschlossen, nur die vorletzte Tür wird durch den Schaffner noch offengehalten, um abzufertigen. Wir springen in den Zug, hinter uns noch drei Einheimische, dann setzt sich der Zug in Bewegung.

Wir nehmen im Obergeschoss der Ansaldobreda-Triebwagen Platz. Die ab 2006 ausgelieferten Fahrzeuge wirken heruntergewirtschaftet.
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Trotz Klimaanlage ist es im Zug unangenehm heiß und stickig. Wir holpern langsam zur Hauptstrecke von Casa Voyageurs, dann nimmt der Triebwagen Fahrt auf.
Ohne Zwischenfälle und mit recht wenig Zwischenhalten erreichen wir den belebten Bahnhof Rabat Ville. In Gegenrichtung wartet gerade der Schnellzug nach Marrakesch mit einer monströsen Zuglok von Hitachi auf die Abfahrt, welche durch lautes Pfeifen von verschiedenen Seiten angekündigt wird.

Keine Abfahrt ohne Serviceblick aus dem Führerstand. Links unser TNR-Triebwagen
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Dann ziehen aber die Fuzzis sämtliche Blicke auf sich – immerhin meckert niemand rum.
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Schließlich setzt sich die Lok dröhnend in Bewegung.

Wir verlassen den Bahnhof im französischen Stil über Rolltreppen, nur schade, dass es hier kein Klavier gibt.

Das marokkanische Pendent zu Ditsch und DB-Keks sind übrigens Venezia Ice und das Porträt Mohammed VI.


Zunächst kaufen wir am Kiosk pro Nase vier Einzelfahrten. Glücklicherweise gibt es hier nicht die nervigen Drehkreuze, sondern jeder Bahnsteig ist an den Enden frei zugänglich.
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Die Stadtbesichtigung beginnen wir am Bab Rouah.
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Werfen wir zunächst einen Blick auf das Haltestellenschild. Bemerkenswert ist die dreisprachige Beschriftung: Französisch, berberisch (ähnelt ein Stück weit den griechischen Buchstaben) und arabisch. In Marokko gibt es zwei große Volksgruppen, die Araber und die Berber. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist etwa gleich. Letztere haben eine wesentlich dunklere Hautfarbe und leben vor allem südlich des Atlasgebirges. Sie lernen Arabisch erst in der Schule. Wie wir in einem späteren Gespräch mit einem Berber erfahren haben, hat sich die Situation unter König Mohammed VI. wesentlich verbessert. Während die „Minderheit“ unter Hassan II. unterdrückt wurde, gilt Berberisch jetzt als gleichwertige Sprache. Ich vermute daher, dass die berberische Beschilderung in der Hauptstadt rein demonstrative Zwecke erfüllt, weil in dieser Region nahezu keine Berber leben.

Laut Reiseführer soll es hier einen kostenlos zugänglichen Aussichtspunkt geben. Stattdessen finden wir eine kostenlose Ausstellung mit Fotos von Frauen anlässlich des Weltfrauentags vor.
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Beitrag von Entenfang »

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Wie auch in Casablanca kommen in Rabat moderne Alstom Citadis 302 zum Einsatz. Der erste Straßenbahnbetrieb Marokkos wurde im Jahr 2011 eröffnet, ein gutes Jahr später folgte Casablanca. Es kommen drei verschiedene Fahrzeugkonfigurationen zum Einsatz. Wie auch in Casablanca gibt es 65m lange, gekuppelte Einheiten ohne Führerstand in der Mitte. Außerdem verkehren halb so lange Bahnen alleine oder in Dotra. Betrieb und Instandhaltung wird durch Transdev übernommen.

Anschließend fahren wir zum Hassanturm. Endlose Menschenmassen strömen uns entgegen, in einer Nebenstraße herrscht dichter Verkehr wie in der HVZ und natürlich spielt auch das obligatorische Hupkonzert. Offensichtlich ist gerade das Freitagsgebet beendet.
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Irgendwas soll durch eine falsche Palme kaschiert werden.
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Wir schauen uns ein wenig in der gleißenden Mittagssonne um, bevor wir es den Einheimischen gleichtun und uns im Schatten der Säulen verstecken.
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Es handelt sich um die Reste einer gigantischen Moschee aus dem 12. Jahhundert, die 1755 bei einem Erdbeben zerstört wurde.
Von der Terrasse schweift der Blick über den Fluss Bou-Regreg. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt die Schwesterstadt Salé. Die Tram wurde unter anderem zur Bewältigung der starken Pendlerströme zwischen den beiden Städten gebaut. Nur die Farbe hebt sich so gar nicht von der Umgebung ab…
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Wir werfen einen kurzen Blick in das Mausoleum.
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Vier gelangweilte Wachen stehen in den Ecken und 12-jährige Mädels lassen sich von ihren Freundinnen zusammen mit ihnen ablichten.
Später trifft sich die Schulklasse draußen für ein Gruppenfoto. Sie werden von einigen Japanern verewigt. Schließlich gesellen sie sich zu den Mädels dazu und zusammen mit einigen älteren Einheimischen gibt es ein wunderbar interkulturelles Bild. Die Japaner sehen geübt im Umgang mit großkalibrigen Kameras aus, also werden sie gleich von uns verpflichtet. Dann gibt es auch noch ein gemeinsames Bild mit uns.

Schließlich laufen wir Richtung Medina, nicht ohne Fotostops einzulegen.
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Zum Bab el Had oder doch nach Salé? Die Tram entscheidet sich für Letzteres.
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Wir passieren den malerischen Hafen. Im Hintergrund der Aussichtspunkt Kasbah des Oudayas mit einem angeblich wunderschönen Blick über das Meer. Leider haben wir den Zugang nicht gefunden.
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Dann suchen wir die mehr oder weniger schattigen Gassen der Medina auf, um uns zu stärken.
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Schließlich entdecken wir ein verstecktes Restaurant mit einem sehr schönen Innenhof und erfreulich günstigen Preisen. Für mich gibt es Fleischspieße mit Pommes. Frisch gepresster Orangensaft ist hier überall erhältlich.
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Wir spazieren weiter durch die Gassen und saugen die vielfältigen Eindrücke auf. Angesichts der Abwechslung wird einem hier nicht so schnell langweilig.
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An einer Kreuzung spricht uns ein mittelalter Mann an. Und ehe wir es und versehen, führt er uns durch die Gassen. Angeblich ist er gelernter Historiker und spricht vier Sprachen. Deutsch ist zwar nicht dabei, aber Englisch ist völlig ausreichend. Jedenfalls erzählt er einige interessante Fakten.

Die Mauern werden blau gefärbt, um Moskitos fernzuhalten.
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Als Türklopfer wird häufig die Hand der Fatima oder eine Schere eingesetzt. Die Objekte sollen Glück bringen.
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Wir passieren ein Hammam. Da es kein getrenntes Bad für Frauen und Männer gibt, wird nach Uhrzeit und Wochentag separiert.
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Was man sonst so während der Führung entdeckt:
Eine Apotheke
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Marktgasse
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Sichtachsen
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Derzeit läuft ein umfangreiches Sanierungsprogramm der Medina, um die Bausubstanz zu verbessern.
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In saniertem Zustand sind nicht nur die Fassaden aufgehübscht, sondern auch die Stolperfallen im Pflaster beseitigt sowie eine Wasserrinne eingerichtet.
70655
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Bald werden wir in ein luxuriöses Gästehaus geführt. Die typischerweise um einen Innenhof angeordneten Gästezimmer werden Riad genannt. Nachdem wir den Pool und die schönen Zimmer bestaunen durften, lehnen wir jeden „Special price“ ab. Schließlich sind wir nur auf Tagesausflug hier und wollen abends wieder zurück nach Casablanca. Aber Rabat wäre doch viiiiiiiiel schöner und es gäbe hier noch soooooo viel zu sehen, wirft unser Führer ein. Eine Karteikarte müssen wir trotzdem mitnehmen, für das nächste Mal, wenn wir nach Rabat kommen.

Wir werfen einen Blick in die Moschee und dürfen dank unserer Begleitung auch knipsen. Das Fotografieren von betenden Menschen gilt als grob unhöflich.
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Hausnummer und Straßenname im Detail
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Beitrag von Entenfang »

Farbenfrohe Häuser
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Hinter dieser Mauer verbirgt sich eine Grundschule
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An der nächsten Teleboutique wird eine Zigarette gekauft („If I buy one, I smoke little. If I buy many, I smoke much“) und das Telefon benutzt. Kurz darauf schütteln wir Hände mit dem Wachmann eines Palastes. Die außerordentlich prächtig dekorierten Räume können beispielsweise für Hochzeiten angemietet werden. Der Führer bittet uns, die Bilder nicht ins Internet zu stellen, weil der Wachmann sonst Ärger bekommen könnte. Während wir durch die Räume geführt werden, telefoniert dieser ununterbrochen.

Der Blick von der Dachterrasse kann sich sehen lassen.
Über die Medina zum Hassanturm, …
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…Richtung Neustadt, …
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… über die Dächer…
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…und auf einen Schornstein.
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Der Führer empfiehlt uns noch dringend einen Besuch in Salé, den wir aber zeitlich nicht mehr schaffen. Und wie es um das Bezahlen geht, ist jede Freundlichkeit verschwunden. 15€ pro Nase will er, aber mehr als 20€ werde ich für die ohne Zweifel interessante, gut einstündige Führung nicht bezahlen. Er versucht noch, mehr rauszuhandeln, doch gibt dann relativ schnell auf. Daher gehe ich davon aus, dass es immer noch viel zu viel war. Als ich ihm einen 200er geben möchte, ist er höchst unzufrieden. Er will lieber unser Kleingeld, aber das gebe ich nicht her. Wir könnten ja anschließend problemlos unseren 200er in einem nahen Geschäft wechseln, schlägt er uns vor. Das kann er doch selbst auch tun, wenn er unbedingt will. Fehlt nicht viel, und er würde mir die Scheine aus der Hand reißen. Ich bleibe aber dabei, dass er kein Kleingeld bekommt. Wir müssen möglicherweise nochmal einen Fahrkartenautomaten füttern…
Ich könnte mir vorstellen, dass es um die Einnahmenaufteilung mit dem Wachmann geht, dem er so nur schwer einen Teil des Geldes, welches wir bezahlt haben, vorenthalten kann. Aber das ist nicht unser Problem. Immer diese Aggressivität…

Wir laufen Richtung Tram.

Basar
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Wir erreichen die Stadtmauer am Rand der Medina. Zeit für einen Fotostop. Menschen wimmeln zwischen den unzähligen Ständen umher, Verkäufer schieben ihre Waren in Wagen herum.
„Pardon, Monsieur? Photo! Photo s´il vous plait!“
Aber gerne.
Selbst wenn die technische Umsetzung nicht optimal ist, das sind Eindrücke, für die man nur genau eine Chance bekommt, um sie festzuhalten.
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Nachdem ich den Jungs auf dem Kamerabildschirm gezeigt habe, wie das Bild geworden ist, bedanken sie sich und ziehen glücklich weiter. Es ist einer der schönsten Momente der Reise.

Mit Dauerbimmeln nähert sich wenige Minuten später die Tram. Es dürfte sich um einen äußerst anstrengenden Abschnitt für die Fahrer handeln…
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Der Verkehr rollt vorbei und manch einer wählt einen interessanten Platz im äh am Bus.
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In Rabat wird ein Großteil der Flotte vom chinesischen Hersteller Zhongtong Bus gestellt.
http://zhongtongbuses.com/
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Beitrag von Entenfang »

Wir wollen den Sonnenuntergang an der Kasbah des Oudayas mit Blick auf das Meer genießen. Dazu müssen wir die verhältnismäßig übersichtliche Medina einmal durchqueren.
Doch zunächst noch ein Bild am Bab Chellah
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Wir kämpfen uns also durch die überfüllten Gassen.
Eine Moschee am Wegesrand
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Wir durchstreifen die Hauptgasse der Kasbah des Oudayas. Wie hat der bloß so geparkt? :huh:
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Google Maps lotst uns weiter geradeaus, doch eine Absperrung versperrt die Straße. Während wir weitersuchen, spricht uns ein 22-jähriger Student in nicht ganz sauberen Klamotten an und führt uns eine Runde durch die Gassen.
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Angeblich spricht auch er vier Sprachen, was ich aber dann doch arg bezweifle. Nur zum Aussichtspunkt kommen wir nicht, denn als er die Absperrung umgehen will, motzt der Parkplatzwächter sofort herum und einige Männer kommen von verschiedenen Seiten angerannt. Die Stimmung gefällt mir überhaupt nicht und wir machen schleunigst kehrt. Auf eine Fortsetzung der Führung habe ich bei einbrechender Dunkelheit keine Lust mehr und wir machen uns allmählich auf den Rückweg. Als wir uns schließlich trennen wollen, ohne Geld zu geben, ist plötzlich nichts mehr mit best friends from dschermany sondern wüste Beleidigungen auf Französisch.
Unverrichteter Dinge beginnen wir den Rückweg zur Tram.
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Je weiter wir uns der Haltestelle nähern, desto voller werden die Straßen.
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Beitrag von Entenfang »

Ein mangels Stativ improvisiertes Nachtfoto beim Übereckanschluss Richtung Bahnhof
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Am Bahnhof haben wir nur noch 8 Minuten bis zur Abfahrt unseres Zuges. Da eine lange Schlange am Schalter wartet, probieren wir es nochmal am Automaten. Doch alle Versuche, die ziemlich zerknitterten Scheine einzuführen, schlagen grandios fehl. Als die planmäßige Abfahrt vorüber ist, stellen wir uns dann doch am Schalter an.
Überraschend schnell geht es voran, es ist einfach ein großer Vorteil, wenn man nur eine Fahrkarte von A nach B kaufen kann und nicht erst eine halbe Stunde durch den Tarifdschungel irren muss. Leider plant auch die ONCF die Einführung von auslastungsabhängigen Tickets mit Vorverkaufsrabatt.
Der Kontrolleur am Bahnsteigzugang wünscht gelangweilt „Bon voyage“, da fährt auch schon ein Zug Richtung Casablanca ein. Es ist zwar nicht der auf unserer Fahrkarte, aber das spielt hier keine Rolle.
Dieses Mal haben wir von der SNCF übernommene Wagen erwischt, die nicht besonders sauber sind. Über den Zustand der Toilette hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens. Wie gut, dass das Licht defekt ist und ich nicht alles sehen kann.

Nach der Ankunft in Casa Voyageurs wird die Bahnhofskatze dokumentiert.
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Im Anschluss begeben wir uns zur Tramhaltestelle. Die Minutenzahl sinkt im Schneckentempo und verharrt irgendwann bei 2. Es wird Betriebsstörung angezeigt. Schließlich kommt sie dann endlich und die Fahrgäste werden von einem Mann, der auf voller Lautstärke ein Fußballspiel auf seinem Tablet schaut sowie Jugendlichen, die Musik hören, beschallt.
Wir suchen die Pizzeria nahe unserer Wohnung auf, welche die Vermieterin empfohlen hat. Freitags würde man dort tollen Couscous bekommen. Leider nur mittags, wie wir feststellen müssen und uns daher mit Pizza stärken.
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Beitrag von Lobedan »

Entenfang @ 27 Jul 2017, 18:17 hat geschrieben: Nach der Ankunft in Casa Voyageurs wird die Bahnhofskatze dokumentiert.
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Fehlt nur noch, dass die Katze einen menschlichen Schatten wirft und am Bahnsteig 9 3/4 steht. Sehr schön eingefangen! ^_^
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Beitrag von Entenfang »

Verehrte Leser,

leider hat sich die Fortsetzung des Reiseberichts aufgrund einer Streckensperrung um wenige Tage verzögert. Die Störung wurde behoben, sodass eine Fortsetzung nun möglich ist. Zur Geltendmachung der Leserrechte bitte das entsprechende Formular auf www.salzamt.de downloaden und kostenfrei einsenden an:

Servicecenter Leserrechte
Postfach 12345
33154 Salzkotten

Wir danken für Ihr Verständnis.



Tag 5 Casablanca -> Fés

Es ist mal wieder ziemlich heiß, schon in der Früh, also eigentlich ein guter Tag zum Reisen – hätte man doch einen klimatisierten Zug oder zumindest Übersatzfenster.

Viel Zeit bleibt mir nicht, doch ich bin mit der Fuzziausbeute in Casablanca noch unzufrieden und starte eine kurze Fototour.
Beginnen wir mit einem Bild, welches die Problematik der Fußwege verdeutlicht. Viele Garagenausfahrten sind mit halben Meter hohen Bordsteinkanten ausgestattet.
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Das nächste Bild soll den in Marokko nur allzu gültigen Spruch „Ihr habt das Geld, wir haben die Zeit“ verdeutlichen.
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Von den öffentlichen Uhren geht die überwiegende Mehrheit falsch – wie hier unschwer zu erkennen ist. Übrigens wurde das Bild um 10:00 Uhr aufgenommen…

Da nur noch eine Fahrt auf meiner Karte aufgeladen ist, versuche ich mich zwangsweise erstmal am Automaten. Alle meine Münzen purzeln durch. Ich bitte eine Frau um Hilfe. Sie probiert es mit Arabisch statt Englisch und rubbelt die Münzen ein wenig am Automaten. Und siehe da – es klappt.

Ich fahre bis zur Abzweigung Abdelmoumen, wo sich die beiden Linienäste trennen. Eine Ost-West-Tangente ist bereits im Bau, sodass zukünftig zwei getrennte Linien verkehren werden.
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Auf dem Weg zum Strand passiert die Tram einen Slum – ein ziemlich seltener Anblick. Slums sind mir in Marokko nur spärlich aufgefallen.

Werfen wir einen Blick auf den Zugang zu den Stationen.
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Sie sind stets so ausgelegt, dass sich der Eingang an der Zugspitze und der Ausgang am Zugschluss befindet.
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Das ist extrem nervig, weil dadurch unnötige Umwege verursacht werden und sich alle Fahrgäste durch die drei Drehkreuze quetschen müssen. Das äußerst Rechte führt auch noch direkt in den Gefahrenbereich, da hat man wohl nicht mitgedacht. Außerdem sorgt es für eine ungleiche Auslastung der Bahnen, wobei die Fahrgastverteilung auch maßgeblich durch die ziemlich klein ausgefallenen, Schatten spendenden Wartehäuschen beeinflusst wird. Immerhin gibt es an der Place des Nations Unies mit hohem Fahrgastaufkommen zusätzliche Zugangsmöglichkeiten an der Seite. Ich werde nie verstehen, warum man 65 Meter lange Bahnsteige baut, um dann alle Fahrgäste durch drei Drehkreuze zu stopfen.

Nachdem ich darauf hingewiesen wurde, dass ich hier nicht fotografieren darf, fahre ich wieder zurück Richtung Innenstadt.
Tram in der Palmenallee
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Bus (mit funktionierender LED, whoa!) und Bahn an der Station Wafasalaf
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Schade, dass die Busse die Straßenbahntrasse nicht mitbenutzen. Das könnte möglicherweise an den unterschiedlichen Zuständigkeiten und Betreibern liegen.
Abgesehen von den Volvo-Neuwagen gibt es auch von den RATP sowie von Lux Transport übernommene Fahrzeuge, die größtenteils noch in der Originallackierung umherfahren.
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Casablanca ist nicht nur die einwohnerstärkste Stadt Marokkos, sondern auch ein aufstrebendes Dienstleistungszentrum. Die Preise für Unterkünfte sind daher vergleichsweise hoch.
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So, jetzt aber schnell den Koffer fertig packen. Der Schließvorgang klappt nur unter Zwangsschließen mit massiver Krafteinwirkung.
Uh oh, wir sind reichlich spät dran. Ich mahne zur Eile. Zwei Reisende, die gerne knapp kommen, sind wohl doch zu viel des Guten. Die Tram fährt uns vor der Nase weg, doch zu unserem großen Glück müssen wir trotz Takt 6 ½ nur 4 Minuten warten. Wir bleiben gleich vorne, obwohl der Ausgang eigentlich hinten ist. So lässt sich zumindest der Rennweg am Bahnhof verkürzen und Rollstuhlfahrer dürfen auch die Abkürzung nehmen.
Dass wir den Zug nur noch erwischen, wenn er nicht pünktlich ist, wird mir ziemlich schnell klar, während die Tram quälend langsam durch die Fußgängerzone rollt.

Wenn der Zug planmäßig um 12:10 Uhr abfährt und man mit der Tram um 12:11 Uhr am Bahnhof ankommt, weiß man wenigstens, dass man wirklich sehr spät dran ist. Die Aufpasser wollen uns zunächst zum „richtigen“ Ausgang schicken, doch auf unser zeitliches Dilemma hingewiesen, dürfen wir den Rollstuhlausgang benutzen. Wir sprinten über den Parkplatz in das Bahnhofsgebäude. Der Zug steht pünktlich auf der Abfahrtstafel und er steht am Hausbahnsteig. Während wir flugs unser Ticket am Zugang vorzeigen, pfeift es. Doch hier wird oft gepfiffen und hinter uns kommen noch weitere Leute angerannt.
Wir springen durch die nächste Tür, im Vorraum staut es sich, sodass ich zunächst auf der Treppe stehen bleiben muss und dabei möglichst noch irgendwie meinen 30 Kilo schweren Koffer festhalten sollte. Als ich schließlich vollständig einsteigen kann, kommen noch zwei einheimische Frauen angestürmt. „Rabat?“ Oui, nur herein.
Wir quetschen uns durch die unzähligen Gepäckstücke ins Wageninnere, es ist heiß und stickig. Ein Mann streckt seinen Kopf durch die offene Tür nach draußen, als der Zug anfährt. Ich würde das auch gern machen…
Es dauert keine fünf Minuten, um festzustellen, warum die Fensterplätze auf einer Seite fast ausnahmslos nicht besetzt sind. Die Sonne brät mich trotz Rollo regelrecht und ich muss mich auf einen Platz auf der Schattenseite umsetzen.
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Beitrag von Entenfang »

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Der auf weiten Abschnitten beidseits der Strecke errichtete Betonwall ist keine Lärmschutzwand, sondern eine Schutzmauer gegen Vieh und Gleislatscher. Derzeit läuft bei der ONCF ein großes Viehschutz- und BÜ-Beseitigungsprogramm. In regelmäßigen Abständen gibt es eine Lücke in der Mauer und ein Bahnbediensteter hält die Menschen vom Queren der Gleise ab, wenn ein Zug angerauscht kommt. Die Strecke wird derzeit für den TGV-Betrieb dreigleisig ausgebaut und Fußgängerbrücken errichtet. Diese sind über enorme Rampenkonstruktionen auch barrierefrei erreichbar.

Die Schwierigkeit, arabische Namen aufgrund der fehlenden Vokale zu umschreiben, wird am Bahnhof Mohammedia deutlich, der manchmal in der ersten Schreibweise, zwei Schilder weiter dann als Mohammadia ausgeschrieben ist. Als es pfeift, rennt eine Frau schnell über die Gleise und springt in den Zug, ehe er wieder Fahrt aufnimmt.
Wir passieren um eine Moschee aus dem Boden gestampfte Trabantenstädte, immerhin mit Bahnhof dazu. Nach erfolglosem Versuch, die Lüftung zu reparieren, geht ein Bahnmitarbeiter durch den Wagen, um die Klappfenster zu öffnen. Angenehme Kühle strömt durch den Wagen, obwohl es draußen 30°C sind.
Ein Mann spielt auf seinem Handy, die Hintergrundmusik tönt durch den ganzen Wagen. Erst das Rauschen des nächsten Tunnels verschluckt das Geräusch. Der Duft einer Garküche zieht durch die Klappfenster, als wir Rabat zurücklassen. Der Zug ist nach regem Fahrgastwechsel weiterhin sehr gut gefüllt und fast alle Sitzplätze sind belegt.
Auf den Bahnsteigen wartende Fahrgäste stehen im Schatten, nur einige Gleisbauarbeiter schuften in der unbarmherzigen Mittagssonne. Weiter nördlich wird das Land sehr grün, es gibt einige Obstplantagen und Felder. Es muss kürzlich geregnet haben, denn Störche staksen durch die Pfützen.
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Die Anzahl der geöffneten Klappfenster nimmt leider immer weiter ab und eine unerträgliche Hitze staut sich im Wagen. In Meknes gesellt sich ein Mann zu uns in den Vierer. Es ist ein ganz typisches Gespräch. „Welcome to our country. Where are you from?“ „Oh, Germany. I have friends there.“
Fés sei eine sehr interessante Stadt. Er würde zufällig einen Touristenführer kennen. Wir sollten doch eine Rundfahrt um die Stadt machen. Wo denn unser Hotel sei? Er könne uns für 30€ Transfer vom Bahnhof zum Hotel und anschließend eine dreistündige Rundfahrt anbieten. Ähh, wir wollen viellei… Hier, die Visitenkarte. Er könne ihn jetzt gleich anrufen. Sagt´s und zückt sein Handy. So, Moment mal. Das wollen wir gar nicht. Aber wir könnten ihn dennoch jederzeit anrufen, wenn wir es uns anders überlegen sollten. Tschüss.
Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie schnell ein Gespräch beendet sein kann, sobald man unmissverständlich klargemacht hat, dass man nichts kaufen möchte. Dies sollte uns noch einige Male passieren. Schade, dass in diesem Land kaum ein Gespräch möglich ist, bei dem es nicht ums Geld geht und gleich diese Aggressivität aufkommt.

Grüne Hügellandschaft unweit von Fés
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Als im Hintergrund Wohnblocks bis zum Horizont auftauchen, nähern wir uns dem Ziel. Je nach Definition des Großraumes ist Fés mit gut einer Million Einwohner die zweitgrößte Stadt des Landes. Völlig erschöpft von der Hitze erreichen wir mit +9 den Bahnhof, zuvor waren es noch +23. Auch hier empfängt uns ein wunderschöner Bahnhof mit Orangen auf den Bahnsteigen.
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Sechsachsige Dieselloks von EMD bespannen die Züge zur Weiterfahrt Richtung Taourirt.

Auch das Bahnhofsgebäude kann sich sehen lassen.
Wir schütteln zunächst mal die aufdringlichen Taxifahrer ab, um den Vorplatz in Ruhe zu begutachten.
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Anschließend suchen wir den Taxistand auf. 3€ soll die Fahrt bis in die einige Kilometer entfernte Medina kosten, das klingt nach einem halbwegs akzeptablen Preis. Für meinen Geschmack fährt der Taxifahrer zu schnell über die kurvenreichen Straßen der hügeligen Stadt. Dann werden unsere Koffer in einen Handwagen verladen, um zu Fuß den letzten halben Kilometer in die engen Gassen der Medina vorzudringen.
Wir werden zunächst von einem mittelalten Mann empfangen, wenig später kommt ein gut des Englischen mächtiger 21-Jähriger in Jogginghose, der für das Inserat auf Airbnb verantwortlich ist. Wir nehmen das Angebot auf ein günstiges Abendessen mit der Familie an. Angeblich hat man in Marokko immer genug übrig, wenn spontan Gäste vorbeikommen.

Doch es sollte anders kommen. Eigentlich hieß es, gegen 20 Uhr würde es Essen geben. Vielleicht war auch etwas anders gemeint, doch das wird wohl nie geklärt werden. Um Dreiviertel Neun fragen uns die resoluten Chinesinnen aus dem Nachbarzimmer, ob wir wohl mit ihnen essen gehen wollten. Tja, was jetzt? Der Hunger gewinnt und wir ziehen los.
Später treffen wir unseren Gastgeber wieder, der kein Wort mit uns spricht, aber einen äußerst finsteren Blick wirft. Ohje.
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Beitrag von Entenfang »

Wir drehen eine kleine Nachtfotorunde in den jetzt angenehm kühlen Gassen.
Die meisten Geschäfte haben schon geschlossen und die Reste eines geschäftigen Tages sammeln sich am Straßenrand und werden von Menschen wie Katzen nach Essbarem durchsucht. Unnötig zu erwähnen, welcher Geruch durch die Straßen wabert.
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Die Müllhaufen müssen auf irgendeine Weise über Nacht weggeräumt werden, denn morgens sind die Gassen sauber.

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Eine recht touristische Ecke mit Restaurants befindet sich am Bab Boujloud, dem Blauen Tor. Ich entdecke einen Bäckerstand mit schmackhaft anmutenden süßen Teilchen. Nach kurzem Warten am verkäuferlosen Stand taucht ein vielleicht 10-jähriges Mädchen auf. „Hi, I´m Yasmine and what´s your name?“ Sie erläutert sogleich ungefragt die Inhaltsstoffe. „These are with almonds, these with vanilla, these with almonds and vanilla and these with chocolate.“ Während wir überlegen, lauft ein Einheimischer zwei Teilchen, gibt einen Zehner und erhält noch Rückgeld. Für zwei Teilchen sollen wir 30 zahlen, das sind schon fast deutsche Hauptbahnhofspreise. Mehr als 20 gibt´s nicht, das mache ich schnell klar und bleibe dabei. Schließlich kommt ein Mann hinzu und die beiden wechseln ein paar Worte. „Come on, give her 25.“ Nö, ich hab die Schnauze allmählich voll, immer den dreifachen Preis bezahlen zu müssen und dann auch noch die Masche armes Kind geboten zu bekommen. Mit bösem Blick nimmt der Mann den Zwanziger entgegen und meint: „I wish you good luck.“ Es klingt wie ein Fluch. Na danke, erst mehr als den doppelten Preis bekommen und dann auch noch unzufrieden sein.

Wir begeben uns allmählich auf den Rückweg.
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Durch menschenleere Gassen…
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…und noch engere Durchgänge.
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An einer Kreuzung treffen wir auf zwei Männer. „Hello, welcome. Can you see this fountain? It´s a very nice fountain for a picture. Where are you from? What are you looking for?“ Wir gehen weiter. (Etwas lauter): „Excuse me, but I know a very nice place. It´s good at this time if you want to take pictures.“ Wir ignorieren ihn.
Drei Kreuzungen weiter. „Hello, what are you looking for?“ Wir verlangsamen unseren Schritt gar nicht mehr. Ist doch egal, ob wir in die falsche Richtung gehen. Wehe, man erweckt auch nur den Anschein, nach dem Weg zu suchen. Offensichtlich ist die halbe Bevölkerung als Guide Noir tätig.
Zukünftig müssen wir es wie die resolute Chinesin machen und einfach an jeder Straßenkreuzung einen Ladenbesitzer nach dem Weg fragen. Denn die können ihre Sachen nicht zurücklassen und daher niemandem folgen.
Wieder in der Unterkunft, ist inzwischen eine Mail von Airbnb eingetroffen. „Hey sorry but tomorrow you have to leave the house and find another one.“ Ja, das ist wahre marokkanische Gastfreundschaft. Nach fünf Tagen haben wir noch immer keinen Zugang zu den Menschen gefunden.
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Beitrag von Entenfang »

Tag 6 Fés

Nach dem Aufstehen und unserer Bitte um Frühstück (immerhin laut unserer Buchung im Preis inbegriffen!) werden wir erstmal zum Familienvater weitergeleitet. Es gäbe da etwas zu klären. Der Teppichladen ist zwei Minuten Fußweg entfernt.
Sie hätten gestern Abend auf uns gewartet und waren deswegen sauer. Ja, da frage ich mich schon, woher ich erstens wissen soll wo es Essen gibt und zweitens, warum man das nicht gleich gestern Abend wie normale Menschen geklärt hat?
Jedenfalls sind wir für 1,50€ pro Nase für das Frühstück wieder best friends und dürfen doch bleiben. Es wird von der Mutter mit der 11-jährigen Tochter zubereitet und fällt üppig aus: Omelett, überbackenes Baguette, Marmelade, Streichkäse (schmeckt fast wie Butter, die es hier aus nachvollziehbaren Gründen nicht gibt) sowie ein sehr süßer Kaffee und ein sehr süßer Minztee. Während wir uns für den Tag stärken, ist das Mädchen damit beschäftigt, den Boden zu fegen und zu wischen. Wie auch in Indien scheint man hier keine Besenstiele zu kennen, sodass sie auf dem Boden herumkriechen muss. Ich fühle mich absolut nicht gut dabei, das Geschirr einfach stehen zu lassen, wohlwissend, dass sie es aufräumen muss. Wir sind nach dem gestrigen Abend aber vorsichtig geworden und trauen uns nicht, es einfach selbst zu tun.
Wir machen einen kleinen Spaziergang und werden in ein Teppichgeschäft gelockt. Der gerade verfügbare Verkäufer ist des Englischen nicht so gut mächtig und sofort wird ein anderer herbestellt. Es gibt selbstverständlich einen special friend student price und die kleinen Teppiche sind kaum größer als ein Badehandtuch und passen auch ins Fluggepäck. 600 will er für einen, ich halte mich zurück, da ich beschlossen habe, keinen zu kaufen. Joachim startet mit 200. Das gehe doch gaaaaar nicht, findet der Verkäufer und führt Theater auf, wie es im Buche steht. Das würde ja seine eigenen Kosten niemals decken und schließlich dauert es immerhin sieben Wochen, bis so ein Teppich – selbstverständlich per Hand – geknüpft ist! Wir lehnen den angebotenen Tee ab, da uns nach dem üppigen Frühstück wirklich nicht der Sinn danach steht. Im Eiltempo werden verschiedene Teppiche ausgebreitet und wortreich angepriesen. Ich bekomme einen Stuhl und beobachte das faszinierende Verkaufsgespräch. Sollen es Blaue, Rote oder doch lieber Weiße sein? Wie gefällt dir der hier? Schau mal, wie schön.
Die Wahl fällt schließlich auf Blau, der Rest verschwindet im Hintergrund. Es bleiben noch vier liegen. Der Verkäufer versucht es mit der Strategie, Joachim solle doch alle kaufen und drei daheim weiterverkaufen. Doch das klappt nicht und als er feststellt, dass die Entscheidung schwerfällt, legt er die beiden größeren beiseite. „Special student price: 500 for one of them.“ Sooo schwer zu entscheiden. „I think this one is better for you“, meint der Verkäufer und wirft einen weg. „This one is good quality, handmade.“ Als Qualitätstest zündet er eine Zigarette an und lässt sie auf den Teppich fallen, um zu verdeutlichen, dass er auch den wildesten Studentenpartys standhält. Und überhaupt, man könne auch Bier oder Wein verschütten und ihn danach in der Waschmaschine reinigen. Joachim bietet 300, der Verkäufer geht auf 400. 300 oder nochmal drüber schlafen. 350. Wir stehen auf, um zu gehen. 320. Hand drauf, der Teppich wird eingerollt. Nach knapp zehn Minuten ist das erste Souvenir erstanden. Merke: Gehst du mit einer noch so vagen Kaufabsicht in ein Teppichgeschäft, kommst du nicht wieder raus, ohne einen gekauft zu haben.

Der Familienvater ruft einen offiziellen Guide für uns an. Er würde gleich kommen. Was wir denn sonst noch einkaufen wollten? Gewürze. Ich möchte bevorzugt Essbares exportieren. Er bringt uns in einen Laden und als nach zwei Minuten kein Verkäufer auftaucht, werden wir in den Nächsten, drei Türen weiter, geführt. Dort arbeitet eine mittelalte Frau mit Kopftuch. Sie zeigt uns das bekannte Arganöl, welches aus den Nüssen eines nur in Südmarokko vorkommenden Baumes gepresst wird. Kaltgepresst erhält man Kosmetiköl, heiß hergestelltes wird zum Kochen verwendet. Wir dürfen probieren, es bietet einen sehr strengen Geschmack, ich finde es fast schon etwas ranzig. 200 ml sollen 6€ kosten. An den Gewürzen dürfen wir ebenfalls schnuppern. Es gibt eine Gewürzmischung aus 45 und eine aus 7 Bestandteilen. Erstere kann zum Kochen der typisch marokkanisches Tajines verwendet werden, letzteres ist zum Grillen oder für Fastfood gedacht. Ich zeige sehr zu ihrem Erstaunen auch Interesse am scharfen Paprika. Wie? Ich wolle da ernsthaft dran riechen? Der wäre höllisch scharf und meine Augen würden davon tränen. Na gut, ganz vorsichtig. Ich fächere mir im Chemiker-Stil den Duft aus dem Gefäß zu und rieche… nichts. Sie schüttelt den Inhalt gut durch, ich gehe etwas näher ran. Immer noch nichts. Das überrascht sie sehr.
Es gibt kleine Packungen für 3€ und große Packungen für 6€ - lächerliche Fantasiepreise. Ich bekomme zum Schluss drei Kleine für 5€. Nach den ganzen Erklärungen zu diesem oder jenem Gewürz ist schon fast eine Stunde vergangen. Ob wir noch Fragen hätten? Ja, eine noch. Darf ich ein Foto machen? Die Verkäuferin willigt ein und richtet ihr Kopftuch.
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Wir fragen nach dem Guide. Angeblich kommt er um 14 Uhr vorbei, also müssen wir wohl noch eine Stunde warten und laden erstmal unsere Einkäufe ab. Dann könnten wir ja eigentlich noch einen kleinen Spaziergang bis dahin machen. „Nono, it´s better to wait here. With guide it´s more efficient. You can use your phone until then“, empfiehlt uns der Familienvater. Na danke, am Handy daddeln kann ich auch daheim. Wir versprechen dennoch, im Zimmer zu warten.

Tatsächlich geschieht ein Wunder, um Punkt 2 steht der Guide vor der Tür. Er spricht gut Englisch und führt uns zielsicher durch die engen Gassen. Wir erfahren, dass die Medina größtenteils aus dem 9. bis 12. Jahrhundert stammt. Vier Ethnien – Araber, Berber, Juden und Christen – lebten in getrennten Stadtvierteln. Heute handelt es sich um Unesco-Weltkulturerbe und wird teilweise saniert. Angesichts des strammen Schrittes unseres Führers bleibt nicht viel Zeit für Fotostops.

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Irgendeine Moschee ragt immer heraus

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Wirklich hilfreich sind die zahlreichen Beschilderungen eher nicht

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Eine absolute Ausnahme stellen Bäume innerhalb der eng bebauten Altstadt dar

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Graffitis sieht man in Marokko ziemlich selten. Unsere aufgrund leidiger Erfahrung in Dresden getroffene Vermutung stimmt – es handelt sich um den lokalen Fußballverein.

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Darf´s ein frisch gepresster Orangensaft sein?

Bald werden wir in die Gerberei geführt. Gegen den Gestank, der selbst auf der Dachterrasse deutlich vernehmbar ist, bekommen wir frische Minze, die wir uns unter die Nase halten.
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In den weißen Becken im Vordergrund befindet sich Lauge, in welcher die Haare von der Tierhaut entfernt werden. Anschließend kommt die Haut in die Färbbecken.

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Wie stark es unmittelbar über den Behältern stinkt, will ich mir lieber nicht vorstellen. Safran sorgt für eine gelbe Farbe, Minze für Grün, Indigo für Blau und Kurkuma für Orange.
Und damit beginnt die zweite Shoppingtour des heutigen Tages. In fließendem Deutsch preist der Verkäufer die Lederwaren an, welche in alter Familientradition seit Jahrhunderten auf diese Weise hergestellt werden.
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Kamelhaut ist am teuersten, Ziege am weichsten. Es wird gleich klargestellt, dass Euro, Dirham und Kreditkarten akzeptiert werden. Ich halte mich abermals zurück und Joachim erlangt nach hartem Kampf eine Tasche zu gut einem Drittel des ursprünglichen Preises.
So, jetzt aber genug eingekauft für heute.

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Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Als Nächstes bringt uns der Führer zum Handelshaus. Wer Geschäfte machen will, sucht eines dieser Gebäude auf. Hier werden Lederwaren gehandelt und er empfiehlt scherzhaft, die Tasche hier gleich wieder mit Gewinn zu verkaufen.
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Ein miserabel aussehender Junge murmelt etwas, während wir vorübergehen. Zum ersten Mal bleibt der Führer stehen, obwohl wir schon mehrfach angebettelt wurden. Die beiden wechseln ein paar Worte, dann kauft er ihm im nächsten Imbiss etwas, das ich nicht erkennen kann. Ich frage nach. Der Führer ist hier aufgewachsen und kennt viele Menschen. Dies macht sich auch durch das ständige Salam Eleikum und Händeschütteln unterwegs bemerkbar. Daher kann er auch recht gut einschätzen, wer wirklich auf Hilfe angewiesen ist.
In den Gassen gibt es durchaus einige Bettler und sie bekommen auch immer wieder etwas von den Passanten. Aggressive Bettler sind dagegen eher die Ausnahme und werden auch von den Einheimischen schnell verscheucht.

Weitere Eindrücke vom flotten Marsch durch die belebten Gassen:
In der Tuchgasse
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In Fés gibt es einige Gassen und Viertel, in denen bestimmte Berufe besonders häufig vorkommen. In einem Bereich sind die Tuchhändler zu finden, in einer anderen Friseure, in einer weiteren Handwerker. Das finde ich gar nicht so praktisch, da man dann für eine spezielle Anforderung die ganze Medina zu Fuß durchqueren muss. Joachim betrachtet es eher von der wirtschaftlichen Seite und meint, dass der Interessent auf diese Weise zumindest den Markt nahezu vollständig überblicken kann.

Süßigkeitenverkäuferin
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Die mit viel Zucker zu klebrig-süßen Würfeln verarbeiteten Nüsse sind sicher nicht jedermanns Sache.

Saures, sonst gibt´s Süßes!
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Leider konnten wir nicht in Erfahrung bringen, was das braun-beige Zeug in den Plastikgefäßen rechts im Bild ist. Es wird in vielen Läden angeboten.

Ein weiterer Kräuter- und Kosmetikladen
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Der Zutritt zu Moscheen ist Nichtmuslimen generell nicht gestattet. Zu unserer großen Überraschung dürfen wir aber in Begleitung des Führers bis an die Türschwelle treten und reinfotografieren. Die tobenden Kinder am Eingang lassen sich gerne ablichten.

Braucht jemand eine Teekanne?
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Da lang zur Teleboutique
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Streiflicht in den Gassen
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Beitrag von Entenfang »

Ein weiteres Highlight auf unserer Tour ist der Besuch einer Bäckerei. Das Grundverständnis ist jedoch ein völlig anderes – viele Familien stellen ihr Brot selbst her und liefern es lediglich zum Backen ab.
Natürlich wacht Mohammed VI. über den Backprozess. Für das Bild gibt der Führer ein Bakschisch.
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Es ist ziemlich warm hier. Im Sommer muss es absolut unerträglich heiß sein.
Ach, wir haben ja sooo einen Hunger und es duftet soooo gut hier… (Ungelogen!) Mein Plan geht auf, wir bekommen ein Brot zum Probieren.
Ihr dürft nun überlegen, zu welchem Zweck Löcher in jedes Brot gedrückt werden. Morgen gibt´s die Auflösung.
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Das frische Brot ist ein wunderbarer Proviant, den das ständige Auf und Ab ist auf Dauer ganz schön anstrengend.
Zum Schluss zahlen wir wirklich nur die vereinbarten 20€ für die zwar lohnenswerte, aber arg hektische Führung.

Nachdem wir auf Deutsch angesprochen wurden, stärken wir uns erstmal auf der Dachterrasse mit Blick auf das Blaue Tor…
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…und über die Dächer.
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Ausnahmsweise steht hier Essen auf dem Tisch – aber es sind ausschließlich Touristen zu Gast.
In der Küche waschen zwei Frauen Geschirr mit der Hand ab.

Als nächstes begeben wir uns Richtung Busbahnhof, um unsere Weiterfahrt in die Wüste zu organisieren. Auf der Suche nach dem richtigen Fahrkartenschalter werden wir von unzähligen Händlern und Sandwichverkäufern belästigt.
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Das Problem: Die beiden „guten“ Anbieter Supratours (Tochtergesellschaft der ONCF) sowie CTM fahren beide nachts. Das wollen wir aber aus zwei Gründen nicht: Erstens ist eine Nacht im Bus keine erholsame Nacht und zweitens sieht man im Dunklen nichts von der Atlasüberquerung.

Viele Verbote bei CTM – man beachte auch die interessante Dehnbarkeit der arabischen Schrift auf der Weltkarte
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Wie uns der Angestellte zeigt, gibt es reservierte Sitzplätze und der Bus für die heutige Nacht ist sogar ausgebucht. Die Route wäre bei Touristen sehr beliebt. Wir schauen weiter und entdecken tatsächlich einen anderen Schalter mit Orten in der gewünschten Richtung. Ein Mann mit Zigarette in der Hand steht vor dem Schalter.
Fahren Sie vielleicht zufällig tagsüber? Tatsächlich gibt es eine Abfahrt um 10 Uhr, das passt wunderbar. Einziger Haken: Der Bus fährt nur bis Rissani, für die letzten 30 Kilometer müssen wir wohl ein Sammeltaxi nutzen. Und wie lange dauert die Fahrt? Rund 8 Stunden. Klingt gut, wir kaufen zwei Fahrkarten zu je 10€ und sind gespannt, auf welches vertrauenserweckende Transportmittel wir uns eingelassen haben.

Wieder stürzen sich die Händler auf uns, doch wir ignorieren alle Sandwich-, Klamotten- und Sonstwas-Verkäufer und besteigen die Hügelkette im Westen der Stadt. Die große Ausdehnung der Stadt wird nur zu deutlich.
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Die kleinen weißen Punkte links mittig sind Grabsteine. Friedhof im Detail:
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Kinder spielen, ein Mädchen ruft „Monsieur! Monsieur!“ Schließlich laufen uns einige Kinder nach und betteln um Essen. Da kommt uns die letzte Orange im Rucksack gerade recht.
Wir steigen ab und treffen einen jungen Einheimischen, der sich ohne Selfiestick an einem Selbstporträt abmüht. Sein Smartphone in meine Hand gedrückt kann ich natürlich aushelfen. Auch dem gemeinsamen Bild verweigern wir uns nicht – es ist fast schon ein Wunder, mal Hände schütteln zu können, ohne gleich irgendwohin geführt zu werden oder etwas zum Kauf angeboten zu bekommen.
Es dämmert bereits, als wir in die Medina vordringen. Blick zum Minarett der Kairaouine-Moschee
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Kurzer Zwischenstop am Place Nejjarine
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Derartige Brunnen gibt es an vielen Stellen in der Medina und sie erfreuen sich reger Benutzung. In der Sommerhitze dürfte die allgegenwärtige Trinkwasserverfügbarkeit eine dringende Notwendigkeit darstellen.
In den steilen Gassen sieht man immer wieder Esel als Lasttiere. Wir treffen zwei Guide Noirs und wieder einmal liegen zwischen „Where are you from?“ und „Fuck you“ nur wenige Sekunden. Wir verlaufen uns nur geringfügig auf dem Rückweg zur Unterkunft. Düfte der Essenszubereitung, der Gesang des Muezzins und das Werkeln der Menschen erfüllen den Abend.
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