Steigungen, Nutzbremsung, Energieverluste

Strecken und Fahrzeuge des Güterverkehrs
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Mühldorfer
Kaiser
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Registriert: 11 Dez 2010, 11:15

Beitrag von Mühldorfer »

Hallo,
an die alte Spessartrampe mit dem Schwarzkopftunnel gedacht.

Ein Güterzug der ohne Nachschub die Strekce schafft, die Lolkomotive hätte Nutzbremse, wieviel mehr Energie je z.B. 100t würde so ein Zug netto verbrauchen gegenüber einem steigungsfrein langen Basistunnel.

Vereinfacht 10km Rampe mit 20 Promille gerade auf und 10km gerade ab oder 20km auf der Ebene, Energieverbräuche bei Rekuperation/Nutzbremsung abwärts?

Wie gefällearm/flach muß es sein damit wegen des Gefälles nicht langsamer als z.B. 80km/h für Güterzüge gefahren werden muss, Bremsweg!

Wie flach für Güterzüge um mit Lokleistung Null Beharrungsfahrt "rollen" bei 80km/h funktioniert, also Rekuperation und Bremsen auch nicht nötig wird. .
Weltreisender
Doppel-Ass
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Beitrag von Weltreisender »

Kannste schonmal pauschal nicht einfach so sagen. Weil Güterzüge höchst unterschiedliche Rollwiderstände haben. Ein schwer beladener, kompakter und strömungsgünstiger Ganzzug hat bei 80-90 km/h einen sehr niedrigen Rollwiderstand von 2 N/kN. Dagegen kommt ein reiner Leerzug, ein ewig langer Container- oder gemischter Güterzug mit viele unterschiedlichen Wagenbauarten und teilweise noch leeren Wagen dabei auf bis zu 5 N/kN Rollwiderstand bei 80-90 km/h.

Also kann man schonmal festhalten, dass es abhängig vom Zug ein Gefälle von 2 - 5 Promille benötigt, damit der Zug frei rollt mit null Kraft- oder Bremsaufwand. Oder anderst gesagt, bei 3 Promille Gefälle erfordert der Ganzzug bereits ne geringe Bremskraft, während der Leerzug noch leicht gezogen werden muss.

Ansonsten kannste dir den Rest relativ leicht selbst ausrechnen. Bei 20 Promille beträgt die Hangantriebskraft 20 N/kN, dazu die genannten 2-5 N/kN Rollwiderstand des Zuges. Macht also insgesamt 22-25 N/kN benötigte Zugkraft. Bergab entsprechend umgekehrt, 20 N/kN abzuglich 2-5 N/kN, also 15-18 N/kN benötigte Bremskraft.
Und bevor ichs vergesse, bei Bedarf kommt natürlich noch der Krümmungswiderstand dazu. Dieser liegt je nach Kurvenradius bei 0,5-1,5 N/kN.

Als kleines Rechenbeispiel, ein Containerzug mit 800 t Gesamtgewicht, demzufolge 7848 kN Gewichtskraft, benötigt auf einer gerade trassierten 20 Promille-Rampe bei 25 N/kN Gesamtwiderstand also 196,2 kN Zugkraft. Das entspricht bei 90 km/h einer benötigten Leistung von umgerechnet 4905 kW. Da die Rampe 10 km lang ist, benötigt der Zug bei konstant 90 km/h dafür eine Zeit von 400 Sekunden.

Und voila! Bei den benötigten 4905 kW Leistung verbraucht die Lok auf der 400 Sekunden dauernden 10 km-Rampenauffahrt mit 20 Promille Steigung und konstant 90 km/h also insgesamt 545 kWh. Das ist natürlich der Netto-Verbrauch am Radumfang! Wenn man aber der Ellok mal einen üblichen Gesamtwirkungsgrad von 0,85 ab Oberleitung unterstellt, dann liegt der Brutto-Verbrauch ab Oberleitung demzufolge bei 641 kWh.

Kommen wir jetzt zur Rampenabfahrt. Hier benötigt der Zug eine Bremskraft von demzufolge 15 N/kN, macht bei 7848 kN Gewichtskraft also eine Gesamtbremskraft von 117,72 kN, was bei wiederum 90 km/h einer elektrischen Bremsleistung von 2943 kW entspricht. Bei ebenfalls 10 km Länge mit konstant 90 km/h beträgt die Fahrtzeit wiederum 400 Sekunden. Die Lok speist also 327 kWh in elektrischer Leistung zurück. Natürlich ebenfalls Netto ab Radumfang. Auch hier rechnen wir mal wieder mit einem Wirkungsgrad von 0,85 bis zur Oberleitung, nur halt in umgekehrter Richtung. Demzufolge werden Brutto nur noch 278 kWh tatsächlich in die Oberleitung zurückgespeist.

Rechnen wir also zusammen, auf der Rampenauffahrt benötigt die Lok 641 kWh, bei der Rampenabfahrt werden 278 kWh wieder zurückgespeist. Insgesamt verbraucht die Lok also effektiv 363 kWh auf den 20 km Berg- und Talfahrt.

Kommen wir jetzt zur 20 km langen Ebene. Bei 90 km/h und 5 N/kN Rollwiderstand benötigt der Zug mit 7848 kN Gewichtskraft somit eine Gesamtzugkraft von 39,24 kN, was bei 90 km/h einer Leistung von 981 kW entspricht. Die 20 km werden bei konstant 90 km/h in 800 Sekunden durchfahren, was einem Verbrauch von 218 kWh entspricht. Natürlich wieder der Netto-Verbrauch am Radumfang. Bei abermals 0,85 Wirkungsgrad der E-Lok entspricht das einem Brutto-Verbrauch von 256 kWh ab Oberleitung.
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hmmueller
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Beitrag von hmmueller »

Noch als Ergänzung zur (perfekten, und - teils von mir kontrollierten - korrekten) Rechnung von Weltreisender: Im Basistunnel (und auch im Scheiteltunnel) musst Du noch zusätzlich einen "Tunnelwiderstand" ansetzen, weil dort der Luftwiderstand viel höher ist - das ist allerdings natürlich vom Tunnelquerschnitt abhängig. Zahlen dafür habe ich leider nicht ...

H.M.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
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