Iarn @ 23 Dec 2018, 22:50 hat geschrieben: Jojo423 @ 23 Dec 2018, 21:19 hat geschrieben:Iarn @ 23 Dec 2018, 18:53 hat geschrieben: Konkretes Beispiel: Wenn ich drei Trambahnen eröffnet habe, und jedesmal liegt die Passagierzahl deutlich über dem erwarteten Wert, dann wäre das Herangehen, welches ich als "nur" Ingenieur nehmen würde:
Ich bilde ein Mittel (arithmetisch, geometrisch, das spielt nicht die entscheidende Rolle) von den erreichten Werten dividiert durch den zuvor berechneten und multipliziere beim nächsten Projekt den Korrekturfaktor drauf.
Das wäre doch mathematischer Wahnsinn, da alle Projekte mit verschiedenen Zahlen und Berechnungsweisen (auch die verändern sich mit den Jahren, siehe das Verkehrsmodell) berechnet worden sind. Einen generellen Trend daraus abzuleiten, wäre in meinen Augen nicht zielführend, dann kann man sich auch gleich die Rechnerei sparen.
Für mich einfach nur ein Beleg, dass das Modell grundsätzlich nicht stimmt. Und ja solang das Modell nicht stimmt, ist die Rechnerei auch sinnlos.
Die Tendenz, die das Verkehrsmodell liefert, stimmt aber. Es gibt genügend Faktoren, die so ein Modell einfach nicht voraussehen kann. Wie viele Menschen haben sich früher durch Fahrplanbücher gekämpft vs. schauen heute in Google Maps nach, wie sie am schnellsten von A nach B kommen. So werden neue, attraktive Verbindungen beispielsweise viel schneller wahrgenommen, was natürlich die Fahrgastzahlen nach oben schießen lässt, wirklich (zumindest in dem Maße) voraussehbar war das vor 10 Jahren allerdings noch nicht.
Interessant ist, dass es durchaus Verkehrsunternehmen gibt, die es schaffen, Verkehrsprognosen (sogar welche die die Zukunft betreffen
) recht treffend zu erstellen, trotz teilweise widrigerer Bedingungen.
Nehmen wir den Luftverkehr, hier sind die Bedingungen ungleich schwieriger als im ÖPNV, weil die Leute sich nicht entlang so konstanter Wege wie beispielsweise zur Arbeit bewegen. Auch sind hier internationale Krisen etc ein viel größerer Faktor, trotzdem schafft es die Lufthansa (lassen wir die Wochen nach der Air Berlin Pleite mal außen vor) ungleich besser, ausreichende Ressourcen bereit zu stellen.
Ok, hier mal ein paar Gründe, warum man die Lufthansa eben nicht mit einem ÖPNV-Unternehmen wie der MVG vergleichen kann:
1. Unterschiedliche Gefäßgrößen
Bei der U-Bahn hat man in der Regel nur P6, bei der Tram hat man die Wahl zwischen (2 ,) 3, 4 (und irgendwann auch mal 5)-Teilern, beim Bus hat man den Klein- (der im Alltag keine Rolle spielt), Solo und Gelenkbus sowie den Buszug. Bei der LH hat man von der CRJ100 mit 50 Sitzplätzen bis zum A380 mit bis 509 Sitzplätzen eine viel große Spannbreite und kann demnach auch viel einfacher auf Nachfrageschwankungen Einfluss nehmen. Gerade bei der U-Bahn hat man das nicht, man fährt jetzt schon im Status Quo am Limit, bei der Tram sieht das jetzt nicht wirklich anders aus. Den Bus kann man vielleicht noch am ehesten vergleichen, auch wenn der Prozentuale Unterschied bei weitem nicht so groß ausfällt, wie in der LH-Flotte.
2. Yield-Management
Yield-Management findet man im ÖPNV nur bei den 9-Uhr-Tickets, die mit der Tarifreform fast ihren gesamten finanziellen Vorteil verlieren. Insofern muss der ÖPNV Anbieter immer für das gleiche Geld die Verkehrsleistung erbringen. Das ist bei der LH schon einfacher, in extremlast Zeiten kann man die Preise entsprechend anpassen, und auch noch extrem viel Gewinn einsacken. Auch so kann man die Nachfrage steuern.
3. Tickets
Auch hier lässt sich ein Unterschied feststellen. Da man bei Flugtickets immer den Start- und Zielpunkt angeben muss, kann man so Verkehrsströme ableiten. Einem ÖPNV-Unternehmen sind die Verkehrsströme nicht bekannt, zumindest solange man keine Kartensystem wie in London oder Hong Kong verwendet.
4. Fahrgastlenkung durch Tickets
Auch das geht in der Regel nur in der Luftfahrtbranche. Man hat noch Kapazitäten auf einer Umsteigestrecke frei, dann sind die Tickets billiger als der Direktflug. Somit lässt sich relativ einfach die Nachfrage anpassen und leere Flieger auffüllen.
5. Infrastruktur
Ein Schienenverkehrsmittel ist auf entsprechende Infrastruktur angewiesen, welche immer auf jahrzehntelanger Planung basiert. Solange der Airport die Kapazität freigibt und entsprechende Slots frei sind, kann man "einfach" starten. Zugegeben, die Verkehrsströme in einer Stadt verändern sich nicht so schnell wie in der Luftfahrt, trotzdem ist ein kurzfristiges Handeln da nicht oder nur schwer möglich.
6. Verkehrsunternehmen vs Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen
Die LH ist ein reines Verkehrsunternehmen, wohingegen die MVG ihre eigene Infrastruktur ebenfalls mit betreibt. Schon alleine aus der Tatsache der langen Planungszeiten für Infrastruktur muss daher die Verkehrsplanung ganz anderen Maßstäben angesetzt werden.
Ich weiß nicht, inwiefern die LH Langfristplanungen für ihre Strecken hat. Natürlich müssen solche Flugzeuge wie der A380 möglichst sinnvoll verplant werden, dennoch ist das dann nochmal was anderes, km an Tunneln in die Erde bohren zu müssen, um überhaupt die Kapazität erstmal steigern lassen zu können.
Dein Eingangsbeispiel finde ich übrigens ziemlich interessant. Auch Arbeitgeber ziehen um, der Trend war in den letzten Jahren von den Landkreisen außerhalb in die Stadt rein (Microsoft etc). Auch das verbessert nicht die angespannte Verkehrslage in München, eher im Gegenteil, der Anteil am antizyklischen Verkehr nimmt noch mehr ab, was die Auslastung in die Stadt erhöht. Auch solche Dinge kann man in Verkehrsprognosen nur schwer abbilden.