Tag 16 London -> München/ Leipzig
Woran merkt man, dass man nicht in einem russischen Nachtzug ist? Man darf selbst bestimmen, ob und wann man geweckt werden möchte. Kein Schaffner schnappt die Bettdecke eine halbe Stunde vor Ankunft weg, damit er möglichst schnell Feierabend machen kann. Die Wagen sind sehr ruhig über die Gleise geglitten und ich habe ganz passabel geschlafen.
Deutlich vor Plan laufen wir in London ein.
In einer Seitenstraße finden wir eine gute Gelegenheit zum Frühstücken. Es ist erstaunlich wenig auf den Straßen los. Da fällt mir ein, dass es ja Samstag ist.
Wir erkunden ein wenig die Umgebung...
...und treffen schon sehr zeitig am Bahnhof St. Pancras ein.
Da nutze ich doch gleich noch das Klavier, ehe wir uns zum Schalter begeben, um unsere Eurostar-Fahrkarten zu erhalten. Wir brauchen schon die zweite Seite des Interrails. "Wow, I have never seen anyone using the extra page. How did you like the UK?" Weil der Drucker streikt, könne sie uns leider keine Eurostar-Fahrkarten ausstellen. Aber wir wüssten doch unsere Platznummern?
Sollte kein allzu großes Problem darstellen. Richtung Frankreich ist das Abfertigungsprozedere wesentlich schneller und nach 10 Minuten sind wir schon durch.
Jemand sitzt schon auf unseren Plätzen. "Aber das ist doch Wagen 12!"
Ist es nicht. "Oh Gott, sorry, haben wir nicht gesehen..."
Die Position der Türen verleitet zugegebenermaßen aber auch dazu, in den falschen Wagen einzusteigen, weil sie vom Zugang kommend am Ende des jeweiligen Wagens ist.
Woran man merkt, dass man wieder auf dem Festland ist?
Die Autos fahren wieder auf der richtigen Seite.
Auf der Weide stehen Kühe statt Schafen.
Pünktlich erreichen wir Brüssel.
Die ausgemusterten Eurostar-Züge haben eine neue Funktion als Billigzug izy gefunden, der ein bis drei Zugpaare täglich zwischen Brüssel und Paris anbietet. Klappsitze gibt’s schon ab 10¤.
Und jetzt beginnt das größte Abenteuer der Reise - einmal quer durch Deutschland mit DB FV.
Nachdem wir Lüttich noch pünktlich verlassen haben, geht es schon langsamer voran und wir erreichen Aachen ein paar Minuten hinter Plan. Vor Köln dann der übliche Stau mit +5 im Ergebnis. Die hohe Auslastung bedeutet übrigens ein eigenes Abteil für uns von Brüssel bis Limburg Süd. Ich frage mich ja immer wieder, ob die DB einfach versucht, die Fahrgäste durch die Auslastungsanzeige zum Kauf von mehr Reservierungen zu animieren. Die +5 sind nach der Westerwald-Bummelbahn wieder verschwunden und wir laufen pünktlich in Frankfurt ein. Hier trennen sich unsere Wege. Beide unsere Anschlusszüge stehen mit +10 drin. Meiner sollte planmäßig zuerst fahren und trifft auch mit +10 ein. Eine Menschentraube bildet sich an der 1. Türe, der Ablöse-Tf steckt dahinter fest. "Entschuldigen Sie bitte, darf ich vielleicht durch?" Eine Frau will schon protestieren, da meint er: "Wenn ich drin bin, können wir schneller abfahren..." "Ach, Sie sind der Zugfahrer (sic)?"
Fußballfans grölen am Bahnsteig herum. Die nächsten Minuten passiert nicht viel. "Meine Damen und Herren, wegen einer technischen Störung am Zug verzögert sich die Weiterfahrt noch etwas." "Och nö, nicht schon wieder." "Jedes Mal..."
Ein paar Minuten später geht es los. "Warum fahren wir jetzt rückwärts? Vorher sind wir doch in Fahrtrichtung gesessen", wundert sich ein junger Mann. "Frankfurt ist ein Kopfbahnhof, da müssen wir in die andere Richtung rausfahren", wird er aufgeklärt. "Aha", meint er etwas ungläubig.
Planmäßig sollten wir nahezu gleichzeitig am Ziel eintreffen, Muffo um 21:10 Uhr in Leipzig, ich um 21:09 Uhr in München.
Lasst das Wettrennen beginnen - ich starte mit +21. Der ICE nach Leipzig ist ebenfalls verspätet und mit +15 wegen Signalstörung unterwegs. Auf dieser Fahrt hätte ich wohl problemlos eine Reihe im Bullshit-Bingo vollgekriegt.
Auszug aus dem Wettkampf:
20:43: Ingolstadt mit +10 vs. Erfurt mit +14
21:09: Ich passiere soeben Leipzig-Halle Flughafen. Und du?
Irgendwas Schwarzes...
21:13: Gleich in Laim
21:15: Leipzig-Messe vs. Donnersbergerbrücke
21:19 And the winner iiiiiiiiiiiiiis: Entenfang!
Fazit
Großbritannien als Land der Kontraste - das war natürlich mit der Wahl der Etappenziele durchaus erwünscht. Doch überraschend ist für mich nicht unbedingt der Unterschied zwischen der Weltmetropole London, den altindustrialisierten Städten und dem platten Land, sondern vor allem der gesellschaftliche. Ich habe den Umgangston im Alltag völlig falsch eingeschätzt. Das merkt man spätestens dann, wenn man "Sehr geehrte Damen und Herren" schreibt und "Hi" zurückbekommt...
Auch "Hi guys" wird man an einer deutschen Supermarktkasse wohl nie hören. Hat man dann gezahlt (gerne mit Karte) und läuft am nächsten Schulhof vorbei, fühlt man sich auf einmal in die 1950er Jahre zurückversetzt. Die braunen oder olivgrünen Stoffe und die Mädels im Einheitsrock wirken einfach hoffnungslos aus der Zeit gefallen. Dazu passen auch Diskussionen
solcher Art,...
...die man problemlos auch im kleinsten Kaff ergooglen kann, gibt ja schließlich überall LTE. Wie rückständig Deutschland in dieser Hinsicht ist, bekommt man so besonders plastisch vor Augen geführt. Und dank Politikern wie der Bildungsministerin Karliczek wird das wohl auch so bleiben.
https://www.zeit.de/news/2019-03/11/warum-5...90311-99-327560
Trotz der weiten Verbreitung moderner Technik werden Menschen mit einer Abneigung gegenüber dieser nicht im Regen stehen gelassen. Besonders interessant finde ich in diesem Hinblick die Fahrkartenautomaten von Northern, welche nur Kartenzahlung akzeptieren. Man kann allerdings im Menü "Ich habe keine Karte" auswählen, bekommt dann eine entsprechende Fahrterlaubnis mit dem Hinweis, dass man beim Zugbegleitpersonal - nur in bar! - seine Fahrkarte nachlösen darf.
Bargeld wird überall akzeptiert, gelegentlich liest man durchaus "Kartenzahlung erst ab xy Pfund" oder auch mal "Sorry, cash only today. Faulty credit card reader." Hebt man Geld ab, muss man übrigens keine Angst haben, riesige Scheine zu bekommen. Auch wenn der 50 Pfund-Schein existiert, habe ich ihn nicht ein einziges Mal gesehen.
Das Preisniveau ist erwartungsgemäß unerfreulich hoch, obwohl der Pfund nach 2015 deutlich verloren hat. Egal, ob man essen geht, öffentliche Verkehrsmittel nutzt oder Eintritt bezahlt: Es kostet fast immer mehr, als einem lieb ist. Doch das hohe Preisniveau lässt sich teilweise umgehen. St. Paul's Cathedral kostet bespielsweise 20 Pfund Eintritt - oder man geht zum Evensong, ganz ohne Schlange und kostenlos. Statt dem London Eye für 27 Pfund kann man den Ausblick auch vom kostenlos zugänglichen Sky Garden genießen. Statt dem Tower für 27,50 gibt es viele Museen mit freiem Eintritt. Für den geneigten Freak ist das riesige Eisenbahnmuseum in York sehr zu empfehlen. Vielerorts gibt es Rabatt, wenn man die Eintrittskarten online kauft und man muss sich nicht anstellen. Gerade in London bin ich das Gefühl nicht losgeworden, dass ständig alles überfüllt ist. Vielleicht bin ich aber nach so viel Osteuropa auch einfach verwöhnt...
Eine positive Erfahrung ist für mich auf jeden Fall das Essen. Schließlich steht die englische Küche oft stellvertretend für schlechtes Essen - das kann ich aber überhaupt nicht bestätigen. Meat Pies, Braten und in Großstädten viele Chinesen und Inder sorgen für Abwechslung.
Als Bahnfreak und -fotograf ist man in Großbritannien grundsätzlich nicht allein. Trotzdem muss man damit rechnen, Bekanntschaft mit dem (überall und sehr zahlreich) vorhandenen Sicherheitspersonal zu machen. Fotografieren ist zwar am Bahnhof grundsätzlich erlaubt, möglicherweise wird man aber gebeten, sich beim Bahnhofsvorstand zu melden und in ein Besucherbuch einzutragen. Network Rail hat sogar entsprechende Infos auf der Website.
https://www.networkrail.co.uk/communities/r...hy-at-stations/
Außerdem gilt zu beachten, dass es in vielen Bahnhöfen Bahnsteigsperren gibt. Ob man auch ohne Fahrkarte durchgelassen wird, wenn man freundlich darum bittet, haben wir zwar nie ausprobiert, ich könnte es mir aber gut vorstellen.
Besonders kurios finde ich im Zusammenhang mit dem Fotografieren den Teil der Kampagne für mehr Sicherheit, der Passanten auffordert, verdächtiges Verhalten an das Personal oder die Polizei zu melden. Dafür hat man den griffigen Spruch "See it, say it, sorted." gefunden. Zur Kampagne gehört unter anderem dieses Plakat, welches das Fotografieren von Kameras als verdächtig einstuft:
https://twitter.com/alecmuffett/status/9229...959945183744000
Nun stelle ich mir bloß die Frage, wie es möglich sein soll, in einer britischen Großstadt ein Foto ohne Überwachungskamera zu machen, gibt es doch über 15.000 Kameras allein in der London Underground und geschätzte 5 Millionen in Großbritannien...
Der Überwachungskamerawahn passt perfekt zum von mir als schrecklich paranoid empfundenen Volk. Dieser Eindruck ist von meinem ersten Besuch in London 2012 unverändert erhalten geblieben und könnte möglicherweise auch einen Grund für das erfolgreiche Brexit-Referendum sein, in dessen Vorfeld Angst vor der unkontrollierten Einwanderung aus der EU geschürt wurde. Nicht nur in Bahnhöfen, sondern auch in den Zügen wird in regelmäßigen Abständen durchgesagt, dass man verdächtiges Verhalten sowie unbeaufsichtigte Gepäckstücke melden soll.
Das britische Eisenbahnsystem hat mich positiv überrascht. Trotz Jahrzehnten der Vernachlässigung funktioniert es erstaunlich gut. Als sehr positiv fällt die oftmals große Streckenkapazität durch viergleisige Strecken auf, welche auch in die Knoten hereingeführt werden - oftmals ein typisches Problem des deutschen Schienennetzes. Auf zweigleisigen Strecken gibt es dagegen nur wenige Überholmöglichkeiten und Weichenverbindungen, sodass auf diesen Strecken bei großen Geschwindigkeitsunterschieden nur eine geringe Kapazität bzw. ein hohes Potenzial für Folgeverspätungen besteht.
Der vielerorts sehr dichte Zugverkehr in dicht besiedelten Regionen ist deshalb wohl nur abwickelbar, weil der Schienengüterverkehr mit 13% einen noch geringeren Anteil als in Deutschland hat.
https://www.forschungsinformationssystem.de...rvlet/is/91780/
Der geringe Elektrifizierungsgrad trägt sicher zur geringen Bedeutung des SGV bei. Auf dieser Karte ist ein guter Überblick zu sehen:
http://1.bp.blogspot.com/-sFUShNrSTp0/U5Ms...-Elect-2012.png
Elektrifiziert sind letztlich nur die West Coast Main Line und East Coast Mainline sowie der Vorortverkehr um Glasgow, Liverpool und London. Auffallend ist dabei die Elektrifizierung mit Stromschiene in Südengland. Die größte Herausforderung bei der Elektrifizierung des britischen Eisenbahnnetzes ist sicher das winzige Lichtraumprofil - auf diesem Bild ist die Problematik gut zu erkennen:
https://thumbs.dreamstime.com/z/train-going...ge-19320600.jpg
Eine Elektrifizierung mit Stromschienen erleichtert die Aufgabe um ein Vielfaches, ist aber nur für den Personenverkehr geeignet.
Es gibt auffallend wenig Lärmschutzwände an Bahnstrecken. Auch an frisch elektrifizierten und ausgebauten Strecken sucht man sie vergeblich. Vermutlich ist ein entsprechender Ausbau nirgendwo so kompliziert wie in Deutschland - und dauert deswegen auch nur hierzulande entsprechend lange. So werden wohl in England in derselben Zeit hundert Brücken neugebaut werden und in der Oberpfalz über die korrekte Berechnung des Lärms gestritten werden.
Der Straßenverkehr in Großbritannien erscheint mir für ein westeuropäisches Land ziemlich chaotisch. Die Ampeldichte ist sehr hoch und die LSA-Umlaufzeiten meist recht lange. Das liegt unter anderem daran, dass Fußgänger oft Ring-Grün bekommen, also alle 4 Fahrbahnquerungen zur selben Zeit grün haben. Dafür gibt es dann aber oft kein Grün parallel zum MIV. Generell werden Fußgängerquerungen sehr locker gehandhabt - rote Ampeln interessieren in Großbritannien niemanden. Gerade die stets gehetzten Londoner vollführen oft waghalsige Manöver beim Queren mehrspuriger Hauptverkehrsstraßen durch den fließenden Verkehr. Und der Verkehr ist dicht, denn der ÖPNV ist für die Größe der Städte oft katastrophal und wird fast nur mit Bussen abgewickelt. Diese sind aus verschiedenen Gründen jedoch sehr unattraktiv.
Erstens kann man nicht von einer Integration der unterschiedlichen Verkehrsmittel sprechen. Das fängt bei simplen Punkten wie Lage der Haltestellen an. Kommt man am Bahnhof Glasgow Queen Street oder Manchester Victoria an, muss man erst die korrekte Bushaltestelle im Umkreis von mehreren hundert Metern suchen. Das Konzept der Busbahnhöfe scheint in Großbritannien keinen Zuspruch zu finden, denn die Haltepositionen liegen weit verstreut in sämtlichen Straßen rund um die Innenstadt. Dazu gibt es abgesehen von London keinen richtigen Verkehrsverbund. Tageskarten gibt es zwar oft auch für die Kombination von Bus und Bahn (positiv ist hier beispielsweise Manchester), doch manchmal sucht man danach vergeblich. In Glasgow gibt es keine Möglichkeit, eine Fahrkarte für Bus und U-Bahn zu kaufen. Dazu kommt noch der Ausschreibungswahn, sodass einige Buslinien andere Betreiber haben und keine gegenseitige Anerkennung der Tickets erfolgt. Zumindest sind die meisten Linien in der Hand eines Betreibers, sodass man ganz gut durch die Stadt fahren kann.
Zweitens sind die Fahrpreise für die gebotene Qualität unverschämt hoch. Besonders schlecht ist mit Glasgow in Erinnerung geblieben, wo die Busse oft schmutzig und mit zwielichtigen Gestalten besetzt waren. Wer fährt Bus? Der, der muss.
Drittens erreichen die Busse sehr geringe Reisegeschwindigkeiten, da es kaum Vorrang an den LSA gibt, diese sehr zahlreich sind und durch ihre langen Umlaufzeiten den ÖPNV stark behindern. Durch den dichten Verkehr stehen die Busse oft im Stau und der Fahrgastwechsel dauert in den Doppeldeckern mit nur einer Türe (und nur einem Smartcard-Lesegerät) ewig. Dazu kommt noch der sehr geringe Haltestellenabstand, sodass alle 300 m angehalten werden muss. Zwar existieren zahlreiche Busspuren, die jedoch wenig hilfreich sind, da sie auch von den zahlreichen Taxis und Radfahrern mitbenutzt werden dürfen. Als weiteres Problem gibt es eine "interne" Behinderung. Durch die enorme Zahl an Bussen, die zudem in extrem zentralistisch ausgerichteten Netzen verkehren (Glasgow:
https://www.firstgroup.com/uploads/maps/fir...w-map-2018.pdf; Edinburgh:
https://www.lothianbuses.com/wp-content/upl...Map_181202.pdf) sind in der Innenstadt so viele Busse unterwegs, dass regelrechte Bus-Staus auftreten. Es ist eindeutig erkennbar, dass den britischen Großstädten ein leistungsfähiger schienengebundener Stadtverkehr fehlt.
Die Renaissance der Straßenbahn ist in Großbritannien viel verhaltener als in Frankreich abgelaufen. Immerhin scheint nun endlich die Verlängerung der Tram in Edinburgh von der provisorischen Endstelle bis zum Hafen umgesetzt zu werden.
https://www.bbc.com/news/uk-scotland-edinbu...t-fife-47555231
Für eine Stadt von ca. 500.000 Einwohner ist eine einzige Straßenbahnlinie immer noch enttäuschend wenig...
In Manchester dagegen ist die Umsetzung besser geglückt und bindet überwiegend auf ehemaligen Eisenbahnstrecken mit großem Haltestellenabstand das Umland direkt an die großen Bahnhöfe und die Innenstadt (wie eine Regionalstadtbahn) an.
Die geringe Attraktivität des ÖPNV macht sich letztlich in der großen Zahl an Taxis im Straßenbild bemerkbar. Wirklich voll habe ich im Laufe der 2 Wochen die Busse nie erlebt. So fahren unzählige Busse viel heiße Luft herum und die Menschen Auto oder Taxi - der Fluch der Straßenbahnstilllegung schlägt auf ganzer Linie zu.
Der einzige Ort mit wirklich gutem ÖPNV ist wohl London. Wie im Eisenbahnnetz rächt sich das jahrzehntelange Kaputtsparen jetzt, denn seit den 90er Jahren wächst die Bevölkerung sehr stark, während in den Ausbau des ÖPNV kaum etwas investiert wurde. Infolge des Sanierungsstaus gibt es fast jedes Wochenende massive Einschränkungen bei der U-Bahn und teilweise sind ganze Linien eingestellt. Es gibt jedoch die Übereinkunft, niemals unter der Woche zu sperren, um den unglaublich starken Berufsverkehr nicht zu beeinträchtigen.
Berücksichtigt man die lange Geschichte des Londoner U-Bahnsystems, ist es ohnehin erstaunlich, wie gut es den heutigen Anforderungen noch gerecht wird. Die stark überlastete Innenstadt kann, irgendwann in der mehrfach verschobenen nahen Zukunft, mit einer Entlastung durch die Eröffnung der in Ost-West-Richtung, annähernd parallel zur Central Line verlaufenden Elizabeth Line (Crossrail) rechnen.
In vielerlei Hinsicht ist die Fahrgastinformation im Londoner ÖPNV hervorragend und gehört sicher zu den besten, die ich kenne. Die Beschilderung ist gut erkennbar und verständlich und lotst die Fahrgastströme durch die endlosen Tunnels und Treppen. Auf Bildschirmen wird in jedem Bahnhof getrennt nach Linien angezeigt, wenn es geplante oder kurzfristige Betriebsabweichungen gibt. Am besten finde ich persönlich jedoch die Einteilung der Fahrtrichtung nach Himmelsrichtungen (eastbound/westbound) zusätzlich zur Angabe der wichtigsten Zwischenhalte, denn so kann man sich das Suchen der schier endlosen Zahl an Endbahnhöfen sparen, wenn man nur innenstadtnah unterwegs ist.
Das Auffinden der richtigen Bushaltestellen erleichtern Umgebungspläne, welche angesichts der weit verstreuten Haltepositionen auch unbedingt erforderlich sind. Auch längere, oft historisch bedingte Umsteigewege sind auf Straßenniveau meist gut beschildert und erleichtern z.B. den Umstieg vom Zug zur Tram.
Die bereits beschriebene Busproblematik trifft weitgehend auch auf London zu, auch wenn die Stadt sehr polyzentral ist. Durch die riesige Anzahl an Bussen und die vielen Taxis auf den Busspuren muss man viel Zeit mitbringen, wenn man London im Bus erfahren möchte. Auch in London macht sich die Abschaffung der Tram daher sehr negativ bemerkbar. Es fehlt eindeutig ein leistungsfähiges und zuverlässiges Oberflächenverkehrsmittel, das die U-Bahn gerade auf Kurzstrecken in der Innenstadt entlasten könnte. Zumindest haben die Busse hier zwei oder drei Türen und man darf sogar alle benutzen!
In Großbritannien sind Preisaufschläge für die HVZ (Peak) weit verbreitet und sowohl bei der Bahn als auch im ÖPNV üblich. Die Details unterscheiden sich von Ort zu Ort - meistens gelten Off-Peak Tageskarten ab 9:30 Uhr. Nutzt man die kontaktlose Zahlung oder Oyster in London, gelten Peak fares auch in der Nachmittags-HVZ. Grundsätzlich sind die Tarifsysteme in Großbritannien sehr kompliziert. Man muss nicht nur Zonen und Zeiten beachten, sondern auch noch auf Bahn, Tram und die unterschiedlichen Busbetreiber achten, um ein geeignetes Ticket zu finden. Das Oyster-System in London mit Gültigkeit bei allen Betreibern erleichtert die Suche nach dem passenden Ticket natürlich erheblich. Die Daily cap als Tagesobergrenze erspart auch die Entscheidung für oder gegen eine Tageskarte. Hat man den einer Tageskarte für alle befahrenen Zonen entsprechenden Wert erreicht, wird nichts mehr abgebucht. Es existiert auch eine Weekly cap - die wird aber von Mo-So berechnet. Bleibt man z.B. von Mi bis Di in London, kann es daher sinnvoll sein, eine Wochenkarte im Vorverkauf zu nehmen.
In London gibt es unzählige Tariftricks - grundsätzlich ist Tarifzone 1 im Schienenverkehr am teuersten. Alle anderen Zonen sind dagegen viel billiger. Eine Einzelfahrt Off-Peak von Lewisham im Südosten (Zone 2) nach Epping im Nordosten (Zone 6) kostet dagegen nur 1,50. Wer in der Zone 1 sparen will, fährt Bus, denn die Hopper fare erlaubt beliebig häufiges Umsteigen und Aussteigen innerhalb einer Stunde. Man kann auch nach Ablauf der Stunde ohne weiteren Aufpreis ans Ziel weiterfahren, denn Auschecken muss man bei Bus und Tram grundsätzlich nicht. Allerdings hat die Sache natürlich einen Haken - in einer Stunde kommt man mit dem Bus in der Zone 1 nicht besonders weit, sieht dafür aber mehr als mit der U-Bahn.
Übrigens waren bis 2016 die alljährlichen Preiserhöhungen in London so sicher wie das Amen in der Kirche und ein eher abschreckendes Beispiel, dass nach der Einführung der Citymaut auch die ÖPNV-Preise erheblich steigen. Doch der seit 2016 amtierende Bürgermeister Sadiq Khan hat die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, die Fahrkartenpreise während seiner Amtszeit bis 2020 einzufrieren. Vollständig zutreffend ist das aber nicht, denn unverändert sind nur die Preise für Bus und Tram sowie Einzelfahrten mit der U-Bahn geblieben. Die Preise für Tages- und Wochenkarten sowie die entsprechenden Caps sind dagegen angehoben worden.
Mancher Freak wird vielleicht einmal in den U-Bahnbereich eintreten und dann länger herumfahren, ohne ihn zu verlassen und so beispielsweise entfernte Zonen aufsuchen, ohne etwas dafür zu bezahlen. Das kann schließlich zu Fehlabbuchungen führen, da es eine Höchstfahrzeit gibt. Kurzes Raus- und wieder Reingehen an einem Bahnhof nach Wahl funktioniert übrigens nicht, denn Oyster lässt sehr lange Umsteigewege zu, sodass eine solche Aktion als Fortsetzung der Fahrt interpretiert wird. Das freundliche Personal an den Bahnhöfen hilft im Zweifel gerne weiter, denn die Problematik ist bekannt.
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Always remember: Just because you're paranoid doesn't mean they're
not after you.
Statistik
Gefahrene Bahn-km..................................4640
Plm. Gesamtfahrzeit Bahn.........................55h 54 min.
Durchschnittsgeschwindigkeit.....................83 km/h
Gesamtverspätung Bahn (analog FGR)......31 min.
Fahrtkosten Bahn.....................................446,30¤ (9,6 Cent/km)
Fahrtkosten Dampfzug.............................62,10¤
Fahrtkosten Bus & ÖPNV..........................112,10¤
Gesamtfahrtkosten..................................620,50¤
Und damit ihr jetzt auch wisst, was Apple dank Muffo weiß:
Gelaufene Schritte...................................287.768
Gestiegene Stockwerke...........................977
Mein Dank geht an kcp für die Tipps im Vorfeld. Ein herzliches Dankeschön auch an JeDi, der mal wieder mit umfangreicher Beratung nicht nur tariflicher Art an der Reise beteiligt war. Gerne wieder.