9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Fragen und Diskussionen zu den Tarifen von Bahnen und Verkehrsverbünden.
Valentin
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Valentin »

146225 hat geschrieben: 06 Jun 2022, 08:33
Valentin hat geschrieben: 06 Jun 2022, 08:18 Heute um 6:11 ab Memmingen lies der RE72 vom Start weg Fahrgäste nach München am Bahnsteig zurück.

Früher in der guten alten Zeit (TM) hätte man die Großgruppe noch einen weiteren Waggon angehängt. Heute heißt es nur noch "Zug ist besetzt, bitte zurückbleiben". Soviel zur heutigen Planbarkeit bei Zugreisen.

Warum werden eigentlich nur Staumeldungen im Verkehrsfunk vorgelesen? Wegen Überfüllung geschlossene Züge und Streckensperren sollten dem Radio doch auch eine Meldung wert sein. Wir haben doch Verkehrswende?
Das ist aber auch viel glorifizierte Erinnerung - sicher gab es manchmal Zusatzwagen, aber oft war die ach so hohe Flexibilität der Bundesbahn dann doch auch wieder ein Bastard von einem eisenharten Gummiding.
Damals war es zumindest noch möglich, z. B. einen Güterwagen + Personal zum Fahrradverladen nach Lenggries anzuhängen. Heute nach einer Abmagerungskur bis auf das allernötigste (oder weniger) fehlt es bei der Infrastruktur (Netz, Bahnhöfe & Wagenmaterial) an allen und dank der vielen beteiligten Firmen der dafür erforderlichen Hierachie.
Ansonsten, übe dich weniger in billiger Polemik, sondern treibe die (bayrische) Politik vor dir her. Damit "Verkehrswende" mehr wird als ein inhaltsleeres Schlagwort.
Bereits beim Bezirksausschuß geht es zu oft mehr ums Prinzip als um die Sache selbst. Bestes Beispiel daür war der Bürgerentscheid Unterföhring. Da habe ich dann lieber gleich schon im Vorfeld abgelehnt.
10bis10 jetzt - oder Rücknahme der damit begründeten Tariferhöhung.
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Lobedan
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Lobedan »

Wenn die BEG keinen zweiten Zugteil bestellt und bezahlt, dann wird auch kein EVU dieses Landes einen zweiten Zugteil anhängen, schließlich kostet Schichten umplanen Zeit und Geld und Strom und Verschleiß kosten auch was.

Ließ sich die letzten zwei Tage auch gut in Ulm beobachten: Vier rappelvolle Doppelstockwagen aus Stuttgart entleeren sich auf den Bahnsteig und es entbrennt ein Wettrennen darum, wer die Plätze im solo 440er Richtung München erhascht. Nebendran stand ein zweiter 440er, den aber natürlich niemand ranzurangieren gedachte.
Gleich mal schauen gehen, ob der RE 9 heute wieder nur einteilig fährt. Angekündigt war ja eigentlich eine Verstärkung.
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Lobedan
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Lobedan »

Lobedan hat geschrieben: 06 Jun 2022, 13:22 Gleich mal schauen gehen, ob der RE 9 heute wieder nur einteilig fährt. Angekündigt war ja eigentlich eine Verstärkung.
Die Antwort lautet ja, es fahren auch heute nur solo 440er. Interessanterweise aber nicht die angestammten vom Fuggernetz, sondern die vom Donau-Isar-Express und damit immerhin auch mal vereinzelt fünfteilige Einheiten. Reicht leider trotzdem nicht, um in Ulm jeden mitzunehmen, geschweige denn Fahrräder oder Kinderwagen.
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Rohrbacher
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Rohrbacher »

Die Leute müssen das verstehen, da ist nunmal eine Landesgrenze. Kann man nichs machen. Außerdem wäre es bestimmt wider jedem gesunden Menschenverstand, wenn Fernzüge ab 50 oder meinetwegen 100 km aufpreisfrei ohne besonderes Ticket genutzt werden könnten. Zum Beispiel Stuttgart - Günzburg ist doch ganz klar Nahverkehr ... Wir brauchen unbedingt weiter wie bei Renten- und Krankenversicherung eine Hybridlösung aus irgendwas staatlichem und einem privaten Rosinenpickermarkt. Und alles möglichst kleinteilig. Nur dann wird alles gut. Bestimmt.

Tagesspiegel: "Wissing will tiefgreifende Reformen für besseren Nahverkehr"

"Verkehrsminister Volker Wissing will mit Schwung aus den Neun-Euro-Tickets tiefgreifende Verbesserungen für einen dauerhaft attraktiveren öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erreichen. (...) Außerdem müssten kleinteilige Organisationsstrukturen aufgebrochen werden, machte der Minister deutlich. Einheitliche Tarife und Verkehrsverbund-übergreifende Angebote seien auch für die Kundinnen und Kunden ein echter Mehrwert. „Menschen leben nicht in Tarifzonen. Menschen wollen von A nach B."

Und manchmal auch im "Fernverkehr" von Degerloch nach Dasing. Jetzt weiß ich nur nicht wie man dem FDP-Mann erklärt, dass wir das bis runter zum Bahnbus so ähnlich auf Bundesebene schon alles mal hatten bis dann der Markt (der tausend Bahnfirmen, Verbünde und Berater) alles genau dahin gereglt hat, wo wir heute sind. Indirekt sagt Wissing damit, dass der Förderalismus und "der Markt" bei dieser Aufgabe versagt haben, oder?

"Als Landesminister in Rheinland-Pfalz habe er einzelne Zweckverbände zu größeren Einheiten zusammengelegt. „Der Widerstand war zunächst massiv, im Ergebnis haben wir damit aber viele Verbesserungen für den ÖPNV erreichen können. Es geht darum, dass man die Strukturen der Lebenswirklichkeit der Menschen anpasst und auf die Höhe der Zeit bringt. Viele kleine Verbünde, die miteinander Abstimmungen über Tarife treffen müssen, kommen nicht so schnell voran wie ein großer Verbund.“

Richtig. Und das gilt nicht nur bei den Tarifverbünden. *duck+weg*
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Südostbayer »

Rohrbacher hat geschrieben: 06 Jun 2022, 16:14Tagesspiegel: "Wissing will tiefgreifende Reformen für besseren Nahverkehr"

"Verkehrsminister Volker Wissing will mit Schwung aus den Neun-Euro-Tickets tiefgreifende Verbesserungen für einen dauerhaft attraktiveren öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erreichen. (...) Außerdem müssten kleinteilige Organisationsstrukturen aufgebrochen werden, machte der Minister deutlich. Einheitliche Tarife und Verkehrsverbund-übergreifende Angebote seien auch für die Kundinnen und Kunden ein echter Mehrwert. „Menschen leben nicht in Tarifzonen. Menschen wollen von A nach B."

Und manchmal auch im "Fernverkehr" von Degerloch nach Dasing. Jetzt weiß ich nur nicht wie man dem FDP-Mann erklärt, dass wir das bis runter zum Bahnbus so ähnlich auf Bundesebene schon alles mal hatten bis dann der Markt (der tausend Bahnfirmen, Verbünde und Berater) alles genau dahin gereglt hat, wo wir heute sind. Indirekt sagt Wissing damit, dass der Förderalismus und "der Markt" bei dieser Aufgabe versagt haben, oder?
Viele Verkehrsverbünde sind deutlich vor 1994 gegründet worden und hatten u. a. die Tarifvereinheitlichung im Verbundgebiet als Ziel, die historisch keinesfalls gegeben war. Sicher waren die Bahnbusse in den Bahntarif integriert, aber es waren nicht alle - und gerade in Städten auch nicht annähernd die meisten - westdeutschen ÖPNV-Verbindungen Bahn- oder Postbusse. (In Ostdeutschland sowieso nicht.)

Insofern nein, wir hatten das noch nicht. In diesem Fall stimme ich "dem FDP-Mann" im Ansatz durchaus zu.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Südostbayer »

Lobedan hat geschrieben: 06 Jun 2022, 13:22 Wenn die BEG keinen zweiten Zugteil bestellt und bezahlt, dann wird auch kein EVU dieses Landes einen zweiten Zugteil anhängen, schließlich kostet Schichten umplanen Zeit und Geld und Strom und Verschleiß kosten auch was.
Die Südostbayernbahn fährt wochenends zwischen München und Mühldorf sowie Mühldorf und Salzburg mit verstärkter Kapazität. Es stellt sich die Frage, ob dort (doch) Eigeninitiative im Spiel ist oder eine Mehrbestellung (aber warum nur dort?).
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Valentin »

Südostbayer hat geschrieben: 06 Jun 2022, 21:55
Lobedan hat geschrieben: 06 Jun 2022, 13:22 Wenn die BEG keinen zweiten Zugteil bestellt und bezahlt, dann wird auch kein EVU dieses Landes einen zweiten Zugteil anhängen, schließlich kostet Schichten umplanen Zeit und Geld und Strom und Verschleiß kosten auch was.
Die Südostbayernbahn fährt wochenends zwischen München und Mühldorf sowie Mühldorf und Salzburg mit verstärkter Kapazität. Es stellt sich die Frage, ob dort (doch) Eigeninitiative im Spiel ist oder eine Mehrbestellung (aber warum nur dort?).
Zumindest auf der Strecke Chemnitz - Leipzig werden jetzt Zusatzbusse gegen die Überfüllung eingesetzt. Auch wegen der Baustelle dort.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Rohrbacher »

Südostbayer hat geschrieben: 06 Jun 2022, 21:49 Insofern nein, wir hatten das noch nicht.
Du denkst innerhalb deiner Tarifzone. ;)

Ich hatte vor meiner Haustür bis vor drei Jahren keinen Tarifverbund und im Gegensatz zu "früher" hatte jeder Bus, sofern es ihn noch gab, seinen eigenen Tarif, sogar einen separaten, wenn man mit mit'm Schülerkurs und zurück mit'm Rufbus gefahren wäre. Es gab bereits mal Zeiten, da hat der Fahrkartenschalter durchgehende Fahrkarten z.B. Wolnzach Markt - München Süd verkauft. Wenn das heute mein Wissing'sches A und B ist, wie viele Tickets brauch' ich? Richtig, drei Stück. Trotz oder gerade wegen der Verbünde und insbesondere weil immer noch das Loch Paindorf - Petershausen besteht! Selbst wenn die Lücke wegfiele, was wie gesagt noch Zukunft ist, wären es mindestens zwei Tickets, also genau wie wenn ich anno 1970 von der DB auf die Münchner Stadtwerke umgestiegen oder anno 1990 DB und MVV kombiniert hätte. Toll.

Wenn du dich innerhalb irgendeines in Bayern noch längst nicht flächendeckend vorhandenen Miniverbunds bewegst (dazu zähle ich auch den MVV!), ja, da kannst du heute meist vom privaten/kommunalen Stadtbus auf "Bundesbahn" durchlösen, aber wehe dein A und B liegt nicht im gleichen Verbund. Und wo diese Verbünde sind und welche Regeln die haben, ist speziell für einen Außenstehenden aus meiner Sicht noch undurchsichtiger als die Logik, dass ich beim Wechsel des Transportunternehmens ein anderes Ticket brauche. Für Leute, die selbst nach 50 Jahren die Begriffe S-Bahn und MVV immer noch nicht sauber trennen können, brauchen wir nicht mit bunten Zügen im Design des Aufgabenträgers mit Betreiber- und Verbundlogos kommen und jeweils (!) einem Strauß an Tickets und Konditionen, die man kaum nur für die benachbarten Verbünde sinnvoll an einem Automaten (oder einer App) anbieten kann.

Ja, es gab damals Bahnbusse mit Sondertarif und "ohne Stern" (Schienenfahrkarten ungültig) ungefähr so wie heute die Ausnahmenlisten, Löcher zwischen den Verbünden, nicht teilnehmende Unternehmen, Linien mit (abschnittsweise) Sondertarif, Strecken mit Bus-, aber nicht Schienenintegration, nicht zugelassene Ticketkombinationen, abweichenden Kurzstrecken- oder Mitnahmeregelungen, Konditionen bei der Fahrradmitnahme etc. Da sagt Wissing so richtig wie schon lange offensichtlich, das ist ein Problem. Und das ist in Summe seit 1994 der Fragmentierung in unzählige Regionalgesellschaften, Privatlinien, Kleinverbünde, Aufgabenträger in der Fläche sehr viel größer geworden, jedenfalls nicht kleiner, allenfalls haben sich die Übergangspunkte verschoben.

PS: Und im Prinzip meinte ich auch, dass wir früher mal auf Bundesebene arbeitende Strukturen auch im Nahverkehr hatten. Seit das Ländersache ist oder gar in den Händen von Kreisen und Kommunen liegt, ist die bundesweite Abstimmung nicht einfacher geworden. Es gibt da bis auf ein paar Leute, die einen D-Takt planen sollen, meines Wissens auch keine Bundesstelle, die den öffentlichen Verkehr bundesweit koordiniert oder gar irgendwas zu sagen hätte. Es macht nach dem förderalen Prinzip und den Gesetzen des Marktes einfach jeder, was er will.
Zuletzt geändert von Rohrbacher am 07 Jun 2022, 12:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Südostbayer »

Mir ist nicht so ganz klar, was Du sagen möchtest.

Volker Wissing benennt (im Grundsatz) ein aktuelles Problem. Ich teile seine (allgemein) Einschätzung. Du widersprichst ihm und mir mit dem Verweis darauf, dass wir das angeblich schon wesentlich besser gehabt hätten, beschreibst aber dann richtigerweise die aktuelle und damalige Situation.

Soll Herr Wissing darauf verzichten, das Problem zu benennen und (möglicherweise; Skepsis erlaubt) zu adressieren, weil die Zahl der Tarifpunkte nach C-Tarif bzw. Deutschlandtarif in den letzten Jahren (leider) abgenommen hat?


(Beim Beispiel mit München Süd glaube ich übrigens angesichts Fahrplanangebot und Fahrpreisen im Vergleich zum Stadtverkehr nicht, dass je eine signifikante Zahl an Fahrgästen in München Hbf für das Stück nach München Süd auf die (Bundes-)Bahn umgestiegen ist. Ein besseres Beispiel für die aktuelle Problematik wäre m. E. eine Verbindung von Wolnzach Stadt zu einem schon damals bahnfernen ÖPNV-Zielort.)
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Rohrbacher »

Wissing hat das Problem völlig richtig erkannt. Im Grunde finde ich es nur ulkig, dass die Leute, die immer was vom Markt, Deregulierung und der Regionalisierung gefaselt haben, das weiterhin sagen, aber gleichzeitig feststellen, dass es jetzt plötzlich, nachdem man das 30 Jahre + X getrieben hat, plötzlich Koordination und quasi Regulierung auf Bundesebene braucht. Auch um plötzlich, wo der ÖPNV irgendwie gebraucht wird, Geld nicht in hunderten Doppelstrukturen zu versenken (ganz einfach gesagt, jedes Kaff macht seinen eigenen Tarif und hat Leute dafür angestellt). Das heißt in meinen Augen, Wissing gibt zu, dass besonders seiner Partei der ÖPNV bzw. sein Funktionieren (!) bisher total wurscht war. Oder wie muss ich das verstehen?

Letztlich habe ich speziell dir hinsichtlich dem (überörtlichen) Nutzen der Verkehrsverbünde widersprochen, nicht Minister Wissing, der ja für mich überraschend sagt, was ich immer schon gesagt habe, nämlich im Grunde: Bahnfragmentierung ist doof! Hier geht's nur um den Tarif, aber auf den Rest von Betrieb bis Fahrzeugbeschaffung kommen sie in Berlin auch noch. Und da hatten wir überall bis zur Bahnreform bundesweit lenkbare Strukturen, siehe auch mein Nachtrag im letzten Beitrag, der sich leider mit deiner Antwort um eine Minute überschnitten hat. Heute fehlen selbst die Strukturen, um das, was das "Bahnland Bayern" tut mit dem "Echten Norden" zielführend abzustimmen. Außer direkt im Ministerium drückt mal wer sowas wie das 9-Euro-Ticket im Hau-Ruck-Verfahren durch, aber ein Dauerzustand für die alltägliche Arbeit kann das ja nicht sein.

Und ja, München Süd ist ein recht konstruiertes Beispiel, ich wollte halt plakativ zwei Bahnhöfe, die heute ohne Personenverkehr sind. ;)
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Südostbayer »

Rohrbacher hat geschrieben: 07 Jun 2022, 12:30Das heißt in meinen Augen, Wissing gibt zu, dass besonders seiner Partei der ÖPNV bzw. sein Funktionieren (!) bisher total wurscht war. Oder wie muss ich das verstehen?
Ich habe Wissing zwar nicht exakt so verstanden, aber wenn: Einsicht ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung, so dass ich (weiterhin) nicht verstehe, warum Wissing speziell für seine oben zitierte Aussage kritisiert werden müsste - da mag es andere Aussagen und (Nicht-)Taten geben...

Rohrbacher hat geschrieben: 07 Jun 2022, 12:30Letztlich habe ich speziell dir hinsichtlich dem (überörtlichen) Nutzen der Verkehrsverbünde widersprochen
Dazu passt die chronologische Reihenfolge der Beiträge nicht so recht, aber ich bin tatsächlich weiterhin der Meinung, dass auch die meisten bestehenden Tarifverbünde unter dem Strich deutliche tarifliche Verbesserungen für die Fahrgäste mit sich gebracht haben. Zweifellos gibt es dabei viel Verbesserungspotential und ich bin auch der Meinung, dass das Ziel die Ablösung kleinräumiger Tarifverbünde durch einen (aus Fahrgastsicht) einheitlichen Tarif sein muss. Es erscheint mir dazu aber nicht sinnvoll, erst auf den Tarifstand von beispielsweise 1965 zurückfallen zu wollen.

Rohrbacher hat geschrieben: 07 Jun 2022, 11:25Und da hatten wir überall bis zur Bahnreform bundesweit lenkbare Strukturen, siehe auch mein Nachtrag im letzten Beitrag, der sich leider mit deiner Antwort um eine Minute überschnitten hat. Heute fehlen selbst die Strukturen, um das, was das "Bahnland Bayern" tut mit dem "Echten Norden" zielführend abzustimmen.
Das ist richtig, wobei die mitunter zähe Abstimmung zwischen den durchaus eigenständig agierenden Bundesbahndirektionen vielleicht auch nicht das perfekte Muster ist.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Rohrbacher »

Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 12:27
Rohrbacher hat geschrieben: 07 Jun 2022, 12:30Letztlich habe ich speziell dir hinsichtlich dem (überörtlichen) Nutzen der Verkehrsverbünde widersprochen
(...) aber ich bin tatsächlich weiterhin der Meinung, dass auch die meisten bestehenden Tarifverbünde unter dem Strich deutliche tarifliche Verbesserungen für die Fahrgäste mit sich gebracht haben.
Welche denn?

Klar, man kann jetzt von Mainburg nach Wolfratshausen alle Verkehrsmittel durchlösen, hat aber eben nicht mehr (!) von Mainburg nach Wolnzach oder von Wolfratshausen nach Weilheim. Die Verbünde schaffen lauter schlecht verzahnte Inseln mit ihren eigenen Regeln und haben zudem durch die Einnahmenverteilungen und die künstlichen Grenzen maßgeblich mit zum Sterben (oder zumindest der Nichtentwicklung) von Regionalbusverbindungen beigetragen und damit zu dem, was Fahrgäste schon länger und jetzt auch u.a. Minister Wissing jetzt kritisieren.
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 12:27Zweifellos gibt es dabei viel Verbesserungspotential
Was denn beispielsweise?
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 12:27und ich bin auch der Meinung, dass das Ziel die Ablösung kleinräumiger Tarifverbünde durch einen (aus Fahrgastsicht) einheitlichen Tarif sein muss.
Das wird aber nur erreicht, wenn eine übergeordnete Stelle auf Bundesebene das durchsetzt und auch in der Lage ist das durchzusetzen. Sowas hat man mit der Bahnreform abgeschafft, weil seither regional Trumpf ist ...

Es wird aus meiner Sicht aber auch nichts bringen, wenn wir die lokalen Verbünde mit allen ihren Systemfehlern einfach so belassen und dann oben drüber irgendeine rein "digitale" Parallelstruktur aufbauen, die die Kleinstaaterei dann auf bestimmten Betriebswegen übersteuert. Wir brauchen einen Streckentarif für das ganze Bundesgebiet, der die regionalen Tarife komplett ablöst, sodass man in den Auskunftsmedien aller Art auf zwei, drei Seiten den kompletten Tarif für Deutschland hat. Im Grunde wie beim jetzt aktionsweise beim 9-Euro-Ticket. Und der "Fernverkehr" ist auch dabei, diese innere Systemgrenze braucht auch kein Mensch.
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 12:27 Es erscheint mir dazu aber nicht sinnvoll, erst auf den Tarifstand von beispielsweise 1965 zurückfallen zu wollen.
Wer möchte das? Wobei, wenn du mit Tarifstand einfach die nicht inflationsbereinigten Ticketpreise von 1965 meinst, die wollen tatsächlich viele zurück. ;)
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Südostbayer »

Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 14:46
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 12:27
Rohrbacher hat geschrieben: 07 Jun 2022, 12:30Letztlich habe ich speziell dir hinsichtlich dem (überörtlichen) Nutzen der Verkehrsverbünde widersprochen
(...) aber ich bin tatsächlich weiterhin der Meinung, dass auch die meisten bestehenden Tarifverbünde unter dem Strich deutliche tarifliche Verbesserungen für die Fahrgäste mit sich gebracht haben.
Welche denn?
Tarifliche Integration der Stadtverkehrsmittel, was bei den urbanen Verbünden der jeweils ausschlaggebende Grund für die Einführung der Tarifgemeinschaft war. Zum Erfolg von S-Bahnsystemen wie dem Münchner (oder auch Stuttgart, Wien, Stockholm, etc.) gehört ganz essentiell, dass verbundintern beim Wechsel zwischen Verkehrsmitteln kein tariflicher Bruch erfolgt.

Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 14:46Klar, man kann jetzt von Mainburg nach Wolfratshausen alle Verkehrsmittel durchlösen, hat aber eben nicht mehr (!) von Mainburg nach Wolnzach oder von Wolfratshausen nach Weilheim. Die Verbünde schaffen lauter schlecht verzahnte Inseln mit ihren eigenen Regeln und haben zudem durch die Einnahmenverteilungen und die künstlichen Grenzen maßgeblich mit zum Sterben (oder zumindest der Nichtentwicklung) von Regionalbusverbindungen beigetragen und damit zu dem, was Fahrgäste schon länger und jetzt auch u.a. Minister Wissing jetzt kritisieren.
Und das liegt Deiner Ansicht nach an Tarifverbünden und wäre nicht so, wenn wir nur den BBDB-Tarif und viele andere betreiberabhängige Tarife hätten? Dass C-Tarif-Anerkennung im Bus auch innerhalb von Verbünden möglich war und ist (und aus anderen Gründen scheitert), hast Du ja selbst schon benannt - und auf Tarifintegration zu verzichten, weil die Aufteilung natürlich erstmal einfacher ist, wenn jeder Busbetreiber seine eigene Kasse und seinen eigenen Tarif hat, erscheint mir aus der von Dir (mit Recht) vertretenen Systemsicht äußerst kontraproduktiv.

Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 14:46Wir brauchen einen Streckentarif für das ganze Bundesgebiet, der die regionalen Tarife komplett ablöst, sodass man in den Auskunftsmedien aller Art auf zwei, drei Seiten den kompletten Tarif für Deutschland hat. Im Grunde wie beim jetzt aktionsweise beim 9-Euro-Ticket.
Grundsätzlich d'accord. Die Frage ist tatsächlich, wie man aktuell da hin kommen könnte (der Deutschlandtarif hat nominell ja einen Ansatz dieser Richtung, wenn auch nicht de facto) - und historisch auch, wieso man noch nie (!) an der Stelle war. Es gab (und gibt) sicherlich Gründe, wieso die Ansätze zur Tarifvereinheitlichung immer regional begannen und geblieben sind, in Deutschland wie auch in praktisch jedem anderen größeren europäischen Land, Schweiz eingeschlossen.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Rohrbacher »

Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 15:27
Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 14:46
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 12:27
(...) aber ich bin tatsächlich weiterhin der Meinung, dass auch die meisten bestehenden Tarifverbünde unter dem Strich deutliche tarifliche Verbesserungen für die Fahrgäste mit sich gebracht haben.
Welche denn?
Tarifliche Integration der Stadtverkehrsmittel, was bei den urbanen Verbünden der jeweils ausschlaggebende Grund für die Einführung der Tarifgemeinschaft war. Zum Erfolg von S-Bahnsystemen wie dem Münchner (oder auch Stuttgart, Wien, Stockholm, etc.) gehört ganz essentiell, dass verbundintern beim Wechsel zwischen Verkehrsmitteln kein tariflicher Bruch erfolgt.
Wie gesagt, das ist "1972", nämlich so lokal wie selektiv z.B. einen Stadt-Umland-Verkehr zu integrieren und sich nicht dafür zu interessieren, dass die Welt hinter der Verbundgrenze weitergeht und in Kauf zu nehmen, dass dort nicht nur tarifliche Brüche entstehen, sondern quasi alles auseinanderfällt ... Dieser "Erfolg" ist daher in weiten Teilen lediglich eine Umverteilung von Geld aus der Fläche in die Metropole gewesen, die Mittel für die Bundesbahn wurden insgesamt ja nicht aufgestockt.
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 15:27Und das liegt Deiner Ansicht nach an Tarifverbünden und wäre nicht so, wenn wir nur den BBDB-Tarif und viele andere betreiberabhängige Tarife hätten?
Gegenfrage: Ist es nun sinnvoller viele gebietskörperschaftsabhängige Tarife zu haben? Im Prinzip ist doch egal, ob jemand mit einem Ticket fahren kann, weil er innerhelb des Netzes eines Betreibers oder eines Verbund bleibt. Für jemanden, der ohne 9-Euro-Ticket verbundübergreifend durch die Gegend reist, hat sich - lassen wir das Bayernticket oder Cityticketangebote mal weg und bleiben beim Grundtarif - seit 1972 nix geändert. Ein durchgehendes Ticket Velden(Vils) - München Siegestor gibt's nicht. 1965 hat man bei der DB Velden(Vils) - München Hbf gekauft und dann den Rest beim städtischen Trambahnschaffner. Heute weiß ich nicht, ob man von Velden aus überhaupt noch durchgehende Tickets bis München kriegt, müsste ich erstmal beim RVO recherchieren.

Im Beispiel München hat der MVV samt der S-Bahn dafür gesorgt, dass innerhalb des Verbundraums vieles einfacher wurde. Darüber hinaus ging ab diesem Zeitpunkt das ganze Elend los, das wir heute haben und derzeit massiv beklagt wird.
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 15:27Es gab (und gibt) sicherlich Gründe, wieso die Ansätze zur Tarifvereinheitlichung immer regional begannen und geblieben sind
Deswegen halte ich die regionalen Verbünde, wo insbesondere der MVV es nicht geschafft hat zu einem Verbund in ganz Südbayern mindestens zu werden, für genauso gescheitert wie die Regionalisierung der Bahnreform, was auch nur ein massiver Rückfall in die Kleinstaaterei ist.

Die Kleinverbünde müssen ersatzlos weg und durch einen deutschlandweiten Tarif ersetzt werden.

Und genau da, war man 1965 schon weiter, da man mit dem DB-Tarif (auf einem noch viel größeren Schienennetz) und den noch nicht ganz so eigenständigen Bahnbussen bereits eine viel größere Basis, also viel mehr Verkehr bereits im gleichen Tarif hatte, der den Fernverkehr ja auch schon eingeschlossen hat. Man hätte das gleiche machen können wie mit den regionalen Verbünden, indem man auf Bundesebene die NE-Bahnen und Stadt- und Privatverkehre integriert statt nur lokal. Daran hatte die autofahrer- und wirtschaftsfreundliche Politik aber kein Interesse, der ÖPNV war nur damit die großen Städte halbwegs funktional blieben. Und das ist letztlich die Haltung bis heute.

PS: Retromäßig beziehe ich mich hier rein auf Westdeutschland.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Südostbayer »

Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 18:30
Südostbayer hat geschrieben: 08 Jun 2022, 15:27Und das liegt Deiner Ansicht nach an Tarifverbünden und wäre nicht so, wenn wir nur den BBDB-Tarif und viele andere betreiberabhängige Tarife hätten?
Gegenfrage: Ist es nun sinnvoller viele gebietskörperschaftsabhängige Tarife zu haben?
Nein, und wie Du weißt, waren wir an dem Punkt der Diskussion bereits. Deswegen ja meine initiale Antwort, dass ich weder die Grundsatzkritik an Wissings korrekter Feststellung, noch den Verweis auf den hier vermeintlich besseren früheren Zustand nachvollziehen kann.


Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 18:30Für jemanden, der ohne 9-Euro-Ticket verbundübergreifend durch die Gegend reist, hat sich - lassen wir das Bayernticket oder Cityticketangebote mal weg und bleiben beim Grundtarif - seit 1972 nix geändert.
Ja, in der Praxis gar keine Frage, auch wenn sich kürzlich der Name des Kinds Tarifs und dessen Organisation geändert hat.


Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 18:30Ein durchgehendes Ticket Velden(Vils) - München Siegestor gibt's nicht. 1965 hat man bei der DB Velden(Vils) - München Hbf gekauft und dann den Rest beim städtischen Trambahnschaffner. Heute weiß ich nicht, ob man von Velden aus überhaupt noch durchgehende Tickets bis München kriegt, müsste ich erstmal beim RVO recherchieren.
Velden ist derzeit RVO-Haustarif. Ich meine, die Anerkennung von Schienenfahrausweisen entfiel vor etwa 20 Jahren bei einer Neuvergabe der Linie an die RVO.


Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 18:30Und genau da, war man 1965 schon weiter, da man mit dem DB-Tarif (auf einem noch viel größeren Schienennetz) und den noch nicht ganz so eigenständigen Bahnbussen bereits eine viel größere Basis, also viel mehr Verkehr bereits im gleichen Tarif hatte, der den Fernverkehr ja auch schon eingeschlossen hat.
Was heißt "größere"? Sicherlich mehr Haltestellen, aber eben nicht mehr (tatsächliche und potentielle) Verkehrsbeziehungen.

Die Tarifverbünde - der erste deutsche passenderweise 1965 - entstanden ja nicht grundlos, sondern um die zahlmäßig weitaus mehr tariflichen Brüche im städtischen Umfeld abzufangen.

Unbestritten sind dabei an den Verbundgrenzen neue Tarifübergänge entstanden - und (siehe oben bzw. Vorgängerbeiträge) ja, ein einzelner, für den Fahrgast einheitlicher Tarif sollte das Ziel sein. Dennoch halte ich große Tarifverbünde dabei allgemein noch für das "kleinere Übel" als den Tarifstand 1965.

Als Seitenaspekt noch: Bei den Bahnbussen sprechen wir überwiegend von der "Anerkennung von Schienenfahrausweisen", was ja nicht automatisch heißt, dass im Bus solche verkauft werden oder jede (Zwischen-)Haltestelle Bahntarifpunkt ist/war. Die Anerkennung will ich keineswegs schlechtreden, aber auch hier fehlt noch ein Stück zur tariflichen Volleinbindung.


Rohrbacher hat geschrieben: 08 Jun 2022, 18:30Daran hatte die autofahrer- und wirtschaftsfreundliche Politik aber kein Interesse, der ÖPNV war nur damit die großen Städte halbwegs funktional blieben. Und das ist letztlich die Haltung bis heute.
Das ist sicherlich leider ein wichtiges Entscheidungskriterium gewesen (und geblieben). Historisch gesehen interessant finde ich aber durchaus, dass das in praktisch jedem europäischen Land ähnlich verlief. Auch in der Schweiz hat man zum Beispiel ab 1990 regionale Tarifverbünde eingerichtet. Abgesehen von Klein- und Kleinstländern haben meines Wissens nur die Niederlande einen nationalen Tarifverbund.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Rohrbacher »

Südostbayer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 10:08 Was heißt "größere"? Sicherlich mehr Haltestellen, aber eben nicht mehr (tatsächliche und potentielle) Verkehrsbeziehungen.
Natürlich. Habe ich das nicht gerade beispielhaft dargestellt? Allein der reguläre Schienentarif hatte eine Vielzahl an Tarifpunkten, die heute durch Verbund oder Abspaltung des Bustarifs (siehe Velden) nur über per Tarifwechsel zu erreichen sind.
Südostbayer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 10:08Die Tarifverbünde - der erste deutsche passenderweise 1965 - entstanden ja nicht grundlos, sondern um die zahlmäßig weitaus mehr tariflichen Brüche im städtischen Umfeld abzufangen.
Richtig. Nur wie gesagt, statt dafür die Hürden aufzubauen, die heute im Rahmen des 9-Euro-Tickets allerseits kritisiert werden ("Bei uns auf dem Land ...") hätte man auch einfach a.) die Stadtverkehre in den DB-Tarif integrieren können oder noch besser b.) damals schon einen Verband "Deutschlandtarif" gründen können. Bevor es die vielen Kleinverbünde gab, an denen heute auch ganz viel Kirchturmpolitik samt Posten hängen, an denen niemand sägen möchte, wäre das sehr viel einfacher gegangen. Auf ein weißes Blatt Papier malt es sich leichter als ein bereits bemaltes so zu bearbeiten, dass später das gewünschte Motiv zu sehen ist. Mehr meinte ich gar nicht.

Und als der MVV gegründet wurde, hatte der zwei Gesellschafter ...
Südostbayer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 10:08Als Seitenaspekt noch: Bei den Bahnbussen sprechen wir überwiegend von der "Anerkennung von Schienenfahrausweisen", was ja nicht automatisch heißt, dass im Bus solche verkauft werden oder jede (Zwischen-)Haltestelle Bahntarifpunkt ist/war. Die Anerkennung will ich keineswegs schlechtreden, aber auch hier fehlt noch ein Stück zur tariflichen Volleinbindung.
Das darf man allerdings getrost als technische bzw. logistische Hürde der damaligen Zeit abhaken. Ein Fahrerplatz hatte schlicht nicht den Umfang einer stationären Fahrkartengabe. Auch die Dokumentation und Abrechnung war im Bus seinerzeit nur eingeschränkt möglich. Die stationären Schalter gab es deswegen auch noch lange nach der Einstellung des SPNV an vielen nur noch vom Bahnbus bedienten Bahnhöfen oder in Reisebüros. Selbst die Fahrkartenautomaten konnten bis Anfang der 2000er nur Nahverkehr oder eben eine Anfangsstrecke zum späteren Nachlösen.

An der heutigen Technik, die dann doch sehr viel mehr kann, liegt es nicht, dass selbst die bloße "Anerkennung von Schienenfahrausweisen" im damaligen Umfang bei weitem nicht mehr gegeben ist, z.B. auf einer Strecke Hamburg-Altona - Velden oder Augsburg Hbf - Mainburg. Und es sind ja oft Fernstrecken für die Leute aus solchen bahnverlassenen Ecken dann doch mal die Bahn nutzen. Selbst auf einer vergleichsweise gut laufenden ex-Bahnstrecke wie Mainburg - Freising hat man im lokalen Verbund, hier dem MVV, fast ausschließlich Pendler und Schüler. Sich auf die zu konzentrieren ist einfach zu 1972.

Die Anerkennung, also der Umstand, dass im Fahrzeug lediglich kein Verkauf möglich ist, ist immer noch besser als gar keine Einbindung. Dabei klappt das bei Tageskarten wie den Ländertickets oder jetzt dem 9-Euro-Ticket doch wunderbar. Warum muss die 3,50-Euro-Fahrt um jeden Kirchturm sein eigenes Tarifwerk und viel zu viele unnötige Grenzen haben? Klar, weil es dahinter insbesondere seit der Bahnreform auch tausende Unternehmen, Verbünde, Aufgabenträger, Fördertöpfe gibt und - außer beim 9-Euro-Ticket - keine nationale Koordinierung. Dass es die eben nur bei dem kurzfristigen Ticket, aber nicht beim Fahrplan und der Betriebsabwicklung gibt, ist auch so eine Erfahrung, die viele derzeit wohl machen.

Und die Reibfläche zwischen ein paar zusammengelegten Bundesbahndirektionen sowie einigen Stadtwerken und NE-Bahnen dürfte wesentlich kleiner gewesen sein als wenn man heute nur den MVV um einen einzigen Landkreis erweitern möchte.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Mühldorfer »

Südostbayer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 10:08 Velden ist derzeit RVO-Haustarif. Ich meine, die Anerkennung von Schienenfahrausweisen entfiel vor etwa 20 Jahren bei einer Neuvergabe der Linie an die RVO.

Auch umgedreht ein Problem, DB-Ticket Mühldorf nach München-Moosach, bei S-Bahn-Störung kommt die Ansage bitte auf die U-Bahn oder Tram ausweichen.

Die sind dann aber tariflich NICHT Schienenerstazverkehr..................... Für Bahnpendler aus Zornding passt es!
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Fahrgast »

Mühldorfer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 21:15...
Die sind dann aber tariflich NICHT Schienenerstazverkehr..................... Für Bahnpendler aus Zornding passt es!
das ist so auch nicht ganz korrekt! Bei Störungen bei der S-Bahn mit "Ersatzprogramm" ist in den Benachrichtigungen des "DB-Streckenagent" regelmäßig folgender Satz zu lesen:

"DB Fahrscheine werden für die Dauer der Störung auch in den Verkehrsmitteln der MVG (U-Bahn, Bus, Tram) anerkannt."



Aber das hat mit dem 9-Euro-Ticket nicht mehr viel zu tun.
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Re: 9 Euro Nahverkehrsticket gegen Ölpreis Anstieg

Beitrag von Südostbayer »

Rohrbacher hat geschrieben: 13 Jun 2022, 20:36
Südostbayer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 10:08Die Tarifverbünde - der erste deutsche passenderweise 1965 - entstanden ja nicht grundlos, sondern um die zahlmäßig weitaus mehr tariflichen Brüche im städtischen Umfeld abzufangen.
Richtig. Nur wie gesagt, statt dafür die Hürden aufzubauen, die heute im Rahmen des 9-Euro-Tickets allerseits kritisiert werden ("Bei uns auf dem Land ...") hätte man auch einfach a.) die Stadtverkehre in den DB-Tarif integrieren können oder noch besser b.) damals schon einen Verband "Deutschlandtarif" gründen können.
Abgesehen vom Detail, dass die damalige Struktur des DB-Tarifs (wie auch zum Beispiel der Tarife der SBB oder SJ) dafür nicht geeignet war, stimme ich Dir grundsätzlich zu. Die spannende Frage ist, warum das - nicht nur in Deutschland - offenbar in den letzten 50-60 Jahren nie groß zur Diskussion stand.

Kleiner zeitgenössischer Exkurs zur tariflichen Integration verschiedener Betreiber bzw. Verkehrsträger und dem Lösungsansatz der Tarifgemeinschaften und -verbünde: https://dserver.bundestag.de/btd/08/008/0800803.pdf

Rohrbacher hat geschrieben: 13 Jun 2022, 20:36
Südostbayer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 10:08Als Seitenaspekt noch: Bei den Bahnbussen sprechen wir überwiegend von der "Anerkennung von Schienenfahrausweisen", was ja nicht automatisch heißt, dass im Bus solche verkauft werden oder jede (Zwischen-)Haltestelle Bahntarifpunkt ist/war. Die Anerkennung will ich keineswegs schlechtreden, aber auch hier fehlt noch ein Stück zur tariflichen Volleinbindung.
Das darf man allerdings getrost als technische bzw. logistische Hürde der damaligen Zeit abhaken. Ein Fahrerplatz hatte schlicht nicht den Umfang einer stationären Fahrkartengabe. Auch die Dokumentation und Abrechnung war im Bus seinerzeit nur eingeschränkt möglich. Die stationären Schalter gab es deswegen auch noch lange nach der Einstellung des SPNV an vielen nur noch vom Bahnbus bedienten Bahnhöfen oder in Reisebüros.
Neben den zweifellos gegebenen technischen Hürden gab es historisch aber auch ein gewisses Desinteresse. In Neuötting konnte man zu meinen Jugendzeiten keine Fahrscheine zu Zwischenbahnhöfen der ehemaligen Strecke nach Pocking erwerben (oder zumindest nicht zur Verwandtschaft in Malching/Niederbay). Ob Pocking über Simbach tarifierbar gewesen wäre, weiß ich nicht.

Fahrkartenausgaben an Bahnhöfen ohne Personenverkehr bestanden meistens auch deswegen, weil die Bahnhöfe betrieblich oder zur Expressgut-Abfertigung weiterhin besetzt waren. Ländliche Bundesbahn-eigene Verkaufsstellen ohne sonstige Aufgaben kenne ich aus der Region nur aus Bad Füssing (wo es nie einen Bahnhof gab).

Rohrbacher hat geschrieben: 13 Jun 2022, 20:36Die Anerkennung, also der Umstand, dass im Fahrzeug lediglich kein Verkauf möglich ist, ist immer noch besser als gar keine Einbindung.
Jo:
Südostbayer hat geschrieben: 13 Jun 2022, 10:08Die Anerkennung will ich keineswegs schlechtreden

Rohrbacher hat geschrieben: 13 Jun 2022, 20:36Dabei klappt das bei Tageskarten wie den Ländertickets oder jetzt dem 9-Euro-Ticket doch wunderbar. Warum muss die 3,50-Euro-Fahrt um jeden Kirchturm sein eigenes Tarifwerk und viel zu viele unnötige Grenzen haben? Klar, weil es dahinter insbesondere seit der Bahnreform auch tausende Unternehmen, Verbünde, Aufgabenträger, Fördertöpfe gibt und - außer beim 9-Euro-Ticket - keine nationale Koordinierung. Dass es die eben nur bei dem kurzfristigen Ticket, aber nicht beim Fahrplan und der Betriebsabwicklung gibt, ist auch so eine Erfahrung, die viele derzeit wohl machen.
Das stimmt. Ich hoffe ja - vielleicht etwas naiv - dass das 9-Euro-Ticket hier zumindest als Beispiel und Denkanstoss für eine einfachere Struktur dienen kann.
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