Tag 4
Es ist kalt geworden. Seit meinem Anreisetag, an dem ich in der Winterjacke noch hoffnungslos geschwitzt habe, ist die Temperatur um 15° gefallen. Zum Glück habe ich auch die warmen Handschuhe eingepackt, denn heute weht zusätzlich noch ein eisiger Wind. Also der perfekte Tag für eine Wanderung…
Unser Ziel ist Königstein, dafür nehmen wir die ausnahmsweise pünktliche S-Bahn nach Höchst, um dort in die Wasserstoffzüge umzusteigen. Nicht.
Die Einführung der iLints war nicht ganz problemlos, aber zum Glück ließen sich von der BRB ein paar dLints auftreiben.
Die Nebenbahn führt zunächst durch dicht bebautes Gebiet und wird Mo-Sa im Halbstundentakt bedient. Die Strecke gehört der HLB, wird aber seit Dezember 2022 von Start (=DB) betrieben.
Es gibt viele Kreuzungsmöglichkeiten, näher am Taunus schlängelt sie sich dann steil durch den kahlen Wald hinauf. Wir steigen in Schneidhain aus.
Die geplante Wanderung führt quasi unmittelbar an einer guten Fotostelle vorbei, da lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, den wenig später pfeifend zurückkehrenden Zug festzuhalten.

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Blick zur Burgruine Königstein
Im Taunus ist über Nacht ein wenig Schnee gefallen
Eine hübsche Spiegelung gibt es im Forellenweiher
Vom Dettweiler Tempel gibt es einen guten Blick auf Frankfurt – die eisige Luft ist äußerst klar.
Die rauchenden Schlote des Industriegebiets Höchst
Allmählich ist uns ziemlich kalt, doch es bleibt noch reichlich Zeit bis zur nächsten Zugabfahrt. Abendliche Wolkenstimmung über Königstein
Nett hier…
Zurück am Bahnhof, ist bereits die blaue Stunde angebrochen. Der Bus rechts könnte von der Lackierung her von Postauto sein…
Die VT2E werden seit dem Betreiberwechsel nicht mehr gebraucht, keine Ahnung, ob die hier angesiedelte HLB-Werkstatt sich jetzt um die Start-Züge kümmert oder die aufwändig irgendwo anders hin überführt werden müssen…
In Höchst gelingt uns der nicht vorgesehene 2 min-Umstieg zur S-Bahn problemlos und die ist schon wieder pünktlich!
Tag 5
Heute ist Montag, vielleicht ist dann die Schlange am Maintower ja kürzer? Wir nehmen wieder eine ziemlich verspätete S-Bahn zur Taunusanlage.
Und tatsächlich haben wir einen guten Moment erwischt, müssen kaum warten und dürfen nach einer völlig unnötigen Sicherheitskontrolle in den Lift einsteigen, der uns über die Dächer der Stadt bringt.
Die Aussichtsplattform hat nur eine niedrige Brüstung, sodass man auch nachts gute Fotos machen kann – beim nächsten Mal dann.
Blick über den Hbf…
…zur Bleistiftspitze…
…über die Zeil…
…auf die schnurgerade Bahntrasse nach Darmstadt…
…zum großen Feldberg…
…zum Eschenheimer Turm…
…und auf die Baustelle zum Frankfurt 4 Tower, der leider den Blick auf die Altstadt verstellt.
Weiter geht’s zum Südbahnhof zur nächsten Streckenbefahrung – Richtung Offenbach Stadtgrenze. Die Linien 15 und 16 überlagern sich tagsüber unter der Woche größtenteils zum 5-Minuten-Takt.
Nach einem leicht überlandigen Abschnitt wird Oberrad erschlossen, wo durchaus Nachfrage vorhanden ist, da es keine Alternativen gibt. An der einen oder anderen LSA dauert es eine Weile, doch etwa eine Viertelstunde später erreichen wir Offenbach Stadtgrenze.

Dass das Fahrgastaufkommen hier bescheiden ist, wundert angesichts der unmotivierten Lage der Endstation wenig.
Wir laufen zur S-Bahnstation Kaiserlei, womit die Tarifzone Frankfurt gut ausgenutzt ist, denn beide Haltestellen liegen genau auf der Tarifzonengrenze.
Die S-Bahn befindet sich in einem Stadtentwicklungsgebiet.
Wir hätten uns gar nicht so sehr beeilen brauchen, denn die S-Bahnen sind mal wieder alle verspätet.
Dass wegen der Baustelle am Ledermuseum am Bahnsteig gewendet wird, trägt nicht gerade zur Betriebsstabilität bei.
Ein bisschen Tageslichtfällt auf den Bahnsteig.
Eines der begehrtesten Souvenirs in den Tagen von der OB-Wahl in Frankfurt waren wohl diese Wahlplakate:

Der Bahnbabo ist Straßenbahnfahrer und als parteiloser Kandidat und völliger Außenseiter angetreten. Leider hat es nur für Platz 4 (hinter CDU, SPD und Grüne) gereicht. Dennoch ist mir dieser Typ äußerst sympathisch…
„OB-Wahl in Frankfurt: Plakate vom „Bahnbabo“ begehrt
Mittlerweile seien sogar viele abgehängt worden. So sei das auch gedacht, findet Wirth, „weil es die coolsten und gechilltesten Plakate ever sind“. Für ihn sei es völlig in Ordnung, wenn die Kids sich diese sichern. Die Plakate der anderen Kandidierenden würden nur zerstört.“
https://www.fr.de/frankfurt/ob-kandidat ... 32995.html
In der Tat ist mir aufgefallen, mit welcher Brutalität jeder gegen seinen persönlichen Feind vorgegangen ist – kaum ein Plakat, egal von welcher Partei, das nicht halb heruntergerissen, beschädigt oder beschmiert ist. Welch hervorragende Basis für eine demokratische Wahl…
Nachdem wir wieder eine arg verspätete S-Bahn genommen haben, die deswegen am Hbf oben verendet, versuchen wir es nachmittags nochmal auf dem 17er.
Doch wieder ist keiner der eingetragenen Kurse ein P-Wagen.
040 und 213 am Bahnhof Louisa
Als nächstes steht die Streckenbefahrung zum Stadion auf dem Plan. Nur jeder zweite Kurs fährt bis dorthin, die anderen wenden bereits am Oberforsthaus. Auf dem Weg kommt es beinahe zum Unfall, denn die Gleise führen auf die MIV-Spur und in meinen Augen ist die Markierung eindeutig, dass die Tram hier wartepflichtig ist. Der Autofahrer bremst erst im allerletzten Moment und wäre fast der Tram in die Seite gefahren – auch wenn er eigentlich im Recht gewesen wäre, hätte er meiner Ansicht nach die Situation früher erkennen und abbremsen können.
https://www.google.de/maps/@50.0855841, ... 312!8i6656
Der Tramfahrer jedenfalls ist auch nicht unbedingt besonders regelkonform unterwegs und hatte bereits zuvor ein Halt zeigendes Signal an einem Fußgängerübergang überfahren, was durchaus auch beinahe zu einer gefährlichen Situation geführt hätte – die Fußgängerampel hat erst in dem Moment auf Grün geschaltet, als die Front schon den Überweg befahren hatte, sodass noch keiner der Fußgänger losgegangen ist.
Die rustikale Wendeschleife Oberforsthaus liegt am südlichen Stadtrand von Frankfurt
Hier geht es weiter zum Stadion
Die Tramhaltestelle Stadion ist wahrhaftig riesig und erinnert eher an einen Rangierbahnhof.
Im Veranstaltungsverkehr werden die S-Wagen auch in Doppeltraktion eingesetzt.
Die Haltestelle heißt offiziell Stadion (Straßenbahn) und liegt über einen Kilometer vom Bahnhof Stadion entfernt.
Eine Rangierfahrt kommt auf der Brücke zum Halten
Weder für den Ast nach Schwanheim noch für den zum Haardtwaldplatz reicht die verbleibende Zeit bis zu meiner Zugabfahrt, daher fahren wir über den Schweizer Platz zurück zum Hbf, wo ich mein Gepäck verstaut habe. Am Südbahnhof gibt es ärgerlicherweise keine Schließfächer.
Immer wieder schön – die Bahnhofshalle
Der ICE 79 kommt aus Hamburg und ich habe den Fahrtverlauf in den letzten Stunden argwöhnisch verfolgt – doch der Zug war die ganze Zeit pünktlich unterwegs und fährt auch überpünktlich in Frankfurt Süd ein.
Ich steige in den selbst im Wagen 1 recht gut ausgelasteten Zug ein und pünktlich geht es weiter ohne Halt bis Karlsruhe. Ich kann es gar nicht so recht glauben, dass wir es pünktlich bis Freiburg schaffen. Ein paar Minuten nach der Abfahrt ertönt der Dööödäääädööööö-Gong, der erfahrungsgemäß selten gute Nachrichten überbringt. Wenig später die Durchsage: «Liebe Gäste, derzeit ist die Strecke vor uns gesperrt, weil da jemand… ähm… aufgrund von Personen im Gleis. Wir werden in Bad Krotzingen anhalten und die Türen öffnen, damit Sie aussteigen können.» Der DB Navigator verkündet quasi zeitgleich +30 wegen Notarzteinsatz und damit ist eigentlich klar, dass es einen PU gibt. Wenn schon gleich die Türen geöffnet werden, wird die Sache wohl länger dauern. Wäre ja auch zu schön gewesen, mit DB FV tatsächlich einmal pünktlich anzukommen.
«Liebe Gäste, wir sind nun in Bad Krotzingen zum Halten gekommen, da die Strecke gesperrt ist. Wir wissen leider noch nicht, wie lange die Sperrung dauert. Derzeit gehen wir von 90 Minuten aus. Da der Bahnsteig zu kurz ist, können wir nicht alle Türen öffnen. Sie können im Zug nach vorne bis zu einem Wagen mit geöffneten Türen gehen. Ich informiere Sie natürlich, sobald mir weitere Informationen vorliegen.»
Der Plan, mein Abendessen daheim einzunehmen, ist hinfällig geworden und ich begebe mich direkt in den Speisewagen, bevor das noch zu viele andere tun und alles ausverkauft ist. Der Linseneintopf wird aus der Tüte in den Teller geschüttet und aufgewärmt – dafür schmeckt er ziemlich gut. Ich setze mich mangels freier Tische zu einer Schweizerin dazu, die aus der Nähe von Zürich stammt.
«So, uns liegen leider immer noch keine Informationen vor, wann es weitergeht. Sicher ist dagegen, dass wir nicht nach Zürich weiterfahren. Dieser Zug wird also in Basel enden und Sie können dann in einen anderen Zug nach Zürich umsteigen. Der letzte fährt um 0:13 Uhr, sodass wir noch ein bisschen Puffer haben.» Na halleluja, wenn man diese Aussage um 21:30 Uhr hört, kommt Freude auf…
Einige Fahrgäste verlassen den Bahnsteig Richtung Parkplatz, da sie wohl inzwischen einen privaten SEV organisiert haben. Im DB Navigator wird verkündet, dass man aktuell mit Busunternehmen abklären würde, ob ein SEV eingerichtet werden könne. Die SBB dagegen hat für Basel – Zürich einen Ersatzzug gestellt.
«Liebe Gäste, da wir nun eine Stunde stehen, haben Sie Anspruch auf Rückerstattung im Rahmen der Fahrgastrechte. Sie können diese direkt im DB Navigator geltend machen. Falls Sie lieber das alte Formular per Post wünschen, erhalten Sie es bei uns im Dienstabteil. Ausserdem erhalten Sie ein Wasser als Freigetränk, dass sie im Bordrestaurant abholen können. Wann es weitergeht, kann ich Ihnen leider immer noch nicht sagen.»
Die Zeit dümpelt dahin, während immer mehr Fahrgäste den Zug verlassen und irgendwie anders weiterkommen. Im DB Navigator steht knapp zwei Stunden nach Ereigniseintritt, dass leider keine Busse für einen SEV gefunden werden konnten. Tja, Pech, wer in Deutschland kein Auto hat und sei es nur, um sich abholen zu lassen, wenn mal wieder gar nichts geht…
Nach zwei Stunden folgt dann der Hinweis auf ein weiteres Freigetränk. Weitere Minuten verstreichen, dann wird die Streckenfreigabe in 20 Minuten erwartet. Das trifft dann auch ungefähr zu. «So, die Strecke ist nun wieder frei. Bitte steigen Sie wieder ein und informieren Sie Freunde und Verwandte, dass es weitergeht.»
«Hinweis für Reisende, die in der Schweiz weiter als Zürich, Olten, Bern oder Luzern wollen – bitte steigen Sie in Basel Badischer Bahnhof aus und wenden sich dort an die DB Information. Der Kollege erwartet Sie bereits und wird Ihnen Taxi- oder Hotelgutscheine geben.» Und mit +167 geht die Fahrt dann für mich zu Ende und hat damit fast doppelt so lange gedauert wie geplant.
Fazit
Nach längerer Pause mal wieder rege den deutschen ÖV genutzt – macht durchaus Spaß, man darf nur nicht erwarten, pünktlich anzukommen… Und ich weiß den Schweizer Standard auch wieder richtig zu schätzen
