[DA] ÖPNV-Projekt für geistig Behinderte

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Rathgeber
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Beitrag von Rathgeber »

Busprojekt "Allein zum Luisenplatz"
Elf Bewohner der Nieder-Ramstädter Diakonie lernten Bus und Straßenbahn zu nutzen


GEMEINSAME PRESSEINFORMATION
DER NIEDER-RAMSTÄDTER DIAKONIE UND DER HEAG MOBILO

Drei Studenten der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt, die ihr halbjähriges Praktikum in der Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD) absolvierten, haben mit elf Bewohnern aus der Pulvermühle und aus der Dornwegshöhstraße ein „Busprojekt“ durchgeführt. Der Kurs dauerte fünf Monate und hatte zum Ziel, interessierte Bewohner zur weitgehend selbstständigen Nutzung von Bus und Straßenbahn anzuleiten. "Das Projekt war ein Erfolg" resümmiert Dieter Großmann, der ebenso wie Melanie Luft und Susanne Aumer neben dem Studium in der NRD arbeitet, "die Bewohner haben sehr viel mehr Sicherheit gewonnen. Darüber hinaus ist das Projekt ein gutes Beispiel für "Community Care", denn die Verkehrsgesellschaft HEAG mobilo hat sich unverhofft intensiv engagiert und zum Gelingen beigetragen".

Über fünf Monate hinweg haben sich elf Teilnehmer insgesamt 16 mal mit den studentischen Betreuern getroffen, zehn Treffen wa-ren der Vorbereitung gewidmet, sechsmal wurde anschießend das Fahren von der Bushaltestelle "Im Hag" (Nieder-Ramstadt) zum Darmstädter Luisenplatz geübt.
Etliche Stunden wurden aufgewendet, um Trainingsmappen für alle elf Teilnehmer herzustellen: Ein Nachschlagewerk mit Bildern von sämtlichen Einzelheiten, die bei der Benutzung von öffentli-chen Verkehrsmitteln eine Rolle spielen. Fotografiert wurden alle Haltstellen, aber auch Details wie Fahrpläne, Rollstuhlrampen, Notbremse, Knöpfe, die beim Ein- und Aussteigen gedrückt wer-den müssen.

Susanne Aumer gelang es, einen guten Kontaktmann zur HEAG mobilo zu finden, der nicht nur sofort die gesamte Gruppe zu einem Treffen in den Geschäftssitz am Böllenfalltor einlud, sondern auch zwei Mitarbeiter abstellte, die die NRD-Gruppe unterstützten. Etliche nützliche Vorschläge wurden erörtert und anschließend in die Praxis umgesetzt: Eine Fahrt im Übungsbus, Bereitstellung von Infomaterial wie Straßenpläne, Spiele etc), Erklären des Fahrscheinautomaten, Konzipieren einer "Notfallkarte" mit Namen und Anschriften der NRD-Bewohner und schließlich der Erwerb eines "Führerscheins" für öffentliche Verkehrsmittel. Auch die Busfahrer der Linien N und NE wurden über das Projekt informiert. Gerne nahm die Gruppe die Einladung an, Werkstatt und Waschanlage für Straßenbahnen zu besichtigen. Unter Anleitung der Fahrlehrer der HEAG mobilo konnten die Teilnehmer am Übungsbus alles in Ruhe ausprobieren. Sie lernten, dass manche Busse blaue Knöpfe mit Kinderwagen-Motiv haben. Drückt man diese, bleibt die Tür länger geöffnet. In praktischen Übungen erlernten die Bewohner der Diakonie nicht nur die Nutzung von Bussen und Bahnen, sondern auch theoretisches Wissen wie Fahrplanlesen stand auf dem Programm. Dafür drückten die elf Schüler für mehrere Unterrichtsstunden die Schulbank im Fahrschulraum der HEAG mobilo.

Für die erste "heiße" Fahrt ohne Begleitung wählte die Gruppe einen Sonntag aus. Einer der Studenten winkte ihnen in Nieder-Ramstadt nach, ein anderer erwartete sie am Darmstädter Böllenfalltor. Dort wurde auch die Aufgabe, den richtigen Bus zurück selbstständig zu finden, erfolgreich gelöst.
Wesentlich aufregender war dann die nächste Fahrt zum Darmstädter Luisenplatz. Dort besuchte die Gruppe das Kundenzentrum der HEAG mobilo, das eine gute Anlaufstation ist, wenn man Hilfe braucht. Vermittelt wurde auch, dass man sich zuerst an den Busfahrer wendet, wenn es Probleme gibt - und dass man im Notfall zur Polizei am Marktplatz gehen kann. Dass die letzte Fahrt unter dem Motto "Allein zum Luisenplatz" funktionierte, war nach dieser guten Vorbereitung eigentlich keine Frage mehr.

"Rechte ohne Ressourcen zu besitzen, ist ein grausamer Scherz", diesen Satz von Professor Krupp sehen die drei Studenten als wesentliches Leitmotiv der gemeinwesen-orientierten Heilpäda-gogik - gerade im Hinblick auf die Dezentralisierung, die Menschen mit geistiger Behinderung mehr Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen soll. Das Recht, Bus und Straßenbahn zu fahren, haben natürlich auch behinderte Menschen. Was aber nützt ihnen das, wenn sie nicht gelernt haben, wie man Bus und Straßenbahn benutzt? Dieter Großmann, Melanie Luft und Susanne Aumer haben erreicht, dass elf Bewohner diese Frage nicht mehr stellen müssen.

Marlene Broeckers
Quelle: HEAG
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glemsexpress
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Beitrag von glemsexpress »

Das Recht, Bus und Straßenbahn zu fahren, haben natürlich auch behinderte Menschen.
Was leider von einigen Unternehmen nicht so ganz eingesehen wird <_< :(
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