Rohrbacher @ 17 Nov 2006, 23:33 hat geschrieben: Nur hat es nichts damit zu tun, wenn scheinbar eine Mehrheit der Wähler in Bayern der CSU hinterherläuft, lieber Auto fährt und (daher) die störende Tram lieber aus dem Weg hätte. Schon faszinierend, was für Diskussionen entstehen wegen der heiligen Tram.
Mit der CSU ist es vielleicht wie mit der Demokratie selbst - das kleinste Übel unter vielen? Im Übrigen gibt es einen in Mundart gesungenen Song mit der Stelle
"Mir wähln a no de CSU
wissn ned warum
des is hoid so"
Der Song könnte Dir bekannt sein, da Du in Richtung Ingolstadt wohnst.
Rohrbacher @ 17 Nov 2006, 23:33 hat geschrieben:Warum? Wenn jemand eben eine Tram nicht in "seiner" Straße haben will, kann er natürlich versuchen, sie auf dem legalen Weg zu verhindern. Eine Demokratie ist eben keine Diktatur von Freaks. Ich meine, ich hätt' auch gerne meine Lokalbahn, aber der Staat und eine größere Zahl der Anwohner wollen dies nicht. Damit muss ich mich abfinden oder versuchen die Leute zu überzeugen. Es bringt nichts, wenn ich jetzt über das System meckere, weil es für meine persönliche Meinung in diesem Fall nicht förderlich ist.
Es geht mir ja nicht nur um die Tram. Auch Autobahnen, Flughafenausbauten etc. werden jahre- oder sogar jahrzehntelang von Einzelklagen blockiert! Das sind dabei oft genug auch Projekte, die insbesondere die CSU durchsetzen will! Was ist denn z.B. mit der A94 nach Passau im Bereich Dorfen?
Meinst Du mit Deiner Lokalbahn die Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke nach Wolnzach (Markt)? Wie fändest Du es denn, wenn die Mehrheit der Bürger von Wolnzach auch dafür ist (ist sie das?) und täglich ein paar hundert oder gar paar tausend Leute mit der Bahn fahren würden, aber im Endeffekt scheitert es an 20 oder 30 an der Bahnstrecke wohnenden Hanseln?
Mir ging es nicht speziell um Tram oder Tram-Gegner, sondern allgemein um die Lethargie unseres Landes, was neue Verkehrsbauten und alles andere Neue anbelangt. Und zwar eben, weil in unserer Demokratie oft genug der Einzelne sich selbst und seine eigenen Interessen über die Allgemeinheit stellt. Demokratie heißt "Herrschaft des Volkes" und nicht Herrschaft des Einzelnen... so schrieb bereits der griechische Historiker Thukydides: "Die Verfassung, die wir haben, heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist." (dieser Satz war sogar Bestandteil der Präambel des EU-Verfassungsentwurfs!). Das kann ich aber in Deutschland nicht mehr erkennen, wenn für tausende oder gar zigtausende Bürger sinnvolle Projekte durch Einzelpersonen gestoppt werden können.
So ist unser Staat im Endeffekt eine verlogene Demokratie.
Beim Ladenschluß in Bayern ist es ähnlich - das Einzelhandelspersonal soll geschützt werden, insbesondere alleinerziehende Mütter (und auch Väter, gibt's ja auch). Wenn ich mir das so recht anschaue, ist die Mehrheit des Volkes aber nicht im Einzelhandel beschäftigt und die Mehrheit der im Einzelhandel Beschäftigten ist nicht alleinerziehend...
Rohrbacher @ 17 Nov 2006, 23:33 hat geschrieben: Ich habe davor gewarnt, mit der Demokratie unzufrieden zu sein, weil das ist schonmal schief gegangen ohne dass die Bevölkerung Gedanken an rechte Diktaturen hatte.
Trotzdem würde ich dieses eine Mal nicht jedesmal wieder erwähnen, wenn jemand die heutige Staatsform oder bestimmte Sachen am Staat kritisiert. Das ist ein Totschlagargument und erstickt jegliche Diskussion von vornherein. Die Geschichte darf nicht zum Hindernis für die Zukunft werden.
Man muß ja auch bei weitem nicht aus einem rechten Lager kommen, um die moderne Demokratie zu kritisieren. Winston Churchill war zum Beispiel ganz bestimmt kein Nazi. Stimmst Du da mit mir überein? Dann lies mal, was er zur Demokratie gesagt hat: "Democracy is the worst form of government – except for all those other forms, that have been tried from time to time" (Zitat aus einer Rede vor dem Unterhaus am 11. November 1947). Das deckt sich inhaltlich im Wesentlichen mit meiner Meinung zur Demokratie.